Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.09.2013, Az. 1 StR 380/13

1. Strafsenat | REWIS RS 2013, 2670

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1
StR 380/13

vom
18. September
2013
in der Strafsache
gegen

wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern

-
2
-
Der 1.
Strafsenat des [X.] hat am 18.
September 2013 gemäß §
349 Abs.
4 StPO beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 27.
März 2013 mit den Feststellungen aufgehoben,
a)
soweit der Angeklagte verurteilt worden ist, und
b)
im Adhäsionsausspruch.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine Strafkammer des [X.] zu-rückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 42
Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Daneben hat es im Adhäsionsverfahren den Angeklagten zu einer [X.] verurteilt und weitere Feststellungen getroffen. Im Übrigen hat es den Angeklagten freigesprochen. Gegen seine Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf eine Verfahrensrüge und die [X.] gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat bereits mit der Ver-fahrensrüge Erfolg (§
349 Abs.
4 StPO).
1
-
3
-
I.
Das [X.] ist davon überzeugt, dass der die Tatvorwürfe bestrei-tende Angeklagte seine am 21.
Februar 1990 geborene [X.]

R.

im [X.]raum zwischen 1.
März 1996 und 28.
Februar 1998 in 42
Fällen in [X.] gleicher Art und Weise sexuell missbraucht hat.
Nach den Feststellungen besuchte

R.

den Angeklagten im ge-
nannten [X.]raum in regelmäßigen Abständen an den Wochenenden in dessen Anwesen in L.

und übernachtete dort. In der [X.] vom
1.
März 1996 bis zum 31.
August 1997 fanden diese [X.]
jedenfalls zweimal pro Monat, im [X.]raum vom
1.
September 1997 bis zum 28.
Februar 1998 nur noch einmal im Monat statt. Anlässlich eines jeden dieser [X.] setzte sich der Angeklagte in den Abendstunden mit

R.

im Wohnzimmer der Wohnung auf die Eckcouch, legte eine Decke über
sich und das Kind, griff ihm von oben in die Hose und in die Unterhose, fasste ihm mit der Hand an die nackte Scheide und streichelte diese über einen [X.]-raum von mehreren Minuten. Das Kind erduldete das Verhalten des Angeklag-ten. Dieser handelte, um sich selbst zu erregen (UA S.
5).
Vom Vorwurf 30 weiterer gleichartiger Taten im genannten Tatzeitraum hat das [X.] den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigespro-chen, weil es sich nicht davon überzeugen konnte, dass

R.

häufiger
als in den festgestellten 42
Fällen an Wochenenden bei dem Angeklagten übernachtet hat (UA S.
19).
2
3
4
-
4
-
II.
Die Revision des Angeklagten hat mit der zulässig erhobenen Verfah-rensrüge Erfolg, ihm sei entgegen §
258 Abs.
2 StPO nicht (erneut) das letzte Wort gewährt worden.
1.
Zwar ist dem Angeklagten nach Beendigung der Beweisaufnahme und den Schlussvorträgen von Staatsanwaltschaft, Nebenklage und Verteidigung zunächst die Möglichkeit zum letzten Wort gewährt worden, die er auch zu [X.] genutzt hat. Jedoch ist das [X.] nach einer Unterbrechung der Hauptverhandlung und geheimer Beratung des Gerichts wieder in die [X.] eingetreten und hat der Neben-
und Adhäsionsklägerin durch Be-schluss für das Adhäsionsverfahren Prozesskostenhilfe gewährt. Hieran an-schließend hätte dem Angeklagten erneut Gelegenheit zum letzten Wort erteilt werden müssen, weil -
worauf der [X.] in seiner Antragsschrift zutreffend hinweist
-
jeder (auch stillschweigende) Wiedereintritt in die Verhand-lung den vorausgegangenen
Ausführungen des Angeklagten die rechtliche Be-deutung als Schlussvortrag und als letztes Wort nimmt und die erneute Beach-tung des §
258 StPO erforderlich macht (vgl. [X.], Beschluss vom 4.
Februar 2010 -
1
StR
3/10, [X.], 152 mwN). Diese Verpflichtung besteht nur dann nicht, wenn nach dem letzten Wort ausschließlich Vorgänge erörtert wer-den, die auf die gerichtliche Entscheidung keinen Einfluss haben können (vgl. [X.], Beschluss vom 31.
März 1987 -
1
StR
94/87, [X.]R StPO §
258 Abs.
3 Wiedereintritt
2). Solches war hier jedoch nicht der Fall, weil die Strafkammer (unter Einschluss der Schöffen) nach Gewährung des letzten Wortes die [X.] geprüft und dann in öffentlicher Verhand-lung mit der Gewährung von Prozesskostenhilfe die hinreichende Aussicht die-ses Antrags auf Erfolg auch bejaht hat. Die somit gebotene erneute Erteilung 5
6
-
5
-
des letzten Wortes ist unterblieben. Dies stellt einen Verstoß gegen §
258 Abs.
2 StPO dar.
2.
Der aufgezeigte Verfahrensfehler führt zur Aufhebung des Urteils, so-weit der Angeklagte verurteilt worden ist. Die Nichterteilung des letzten Wortes begründet zwar nicht ausnahmslos die Revision, sondern nur dann, wenn und soweit das Urteil darauf beruht (vgl. [X.], Beschluss vom 28.
Mai 2009
-
4
StR
51/09, [X.], 333, 334 mwN). Dies kann hier indes nicht ausge-schlossen werden. Der Angeklagte hat die Taten bestritten und bereits Ausfüh-rungen gemacht, als ihm zum [X.] das letzte Wort erteilt worden ist. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass er bei einer nochmaligen Erteilung des letzten Wortes, nun im Wissen, dass das [X.] dem Adhäsionsantrag eine hinreichende Erfolgsaussicht beimisst, weitere Ausführungen gemacht [X.], die sich auf die Überzeugungsbildung des Gerichts hätten auswirken kön-nen.
3.
Die Aufhebung der Verurteilung des Angeklagten zieht die Aufhebung des Ausspruchs im Adhäsionsverfahren nach sich. Der nicht angefochtene [X.] bleibt dagegen unberührt.
III.
Für die neue Hauptverhandlung bemerkt der Senat:
1.
Die bisher zuständige Strafkammer hat den Angeklagten teilweise vom Vorwurf gleichartiger Straftaten freigesprochen, weil sie sich von weiteren Taten nicht überzeugen konnte. Sie hat dabei in den Urteilsgründen nicht mitgeteilt, 7
8
9
10
-
6
-
aus welchen Gründen sie sich entgegen dem [X.] von weiteren
[X.]n von

R.

beim Angeklagten nicht überzeugen
konnte. Im Hinblick darauf, dass der [X.] letztlich auf der Aussage einer einzigen Belastungszeugin aufbaut, wird das neue Tatgericht Anlass dazu haben zu prüfen, ob dem [X.] von

R.

zu den vom Teil-
freispruch erfassten Fällen Beweisbedeutung für die Tatvorwürfe im Übrigen zukommt (vgl. [X.], Urteil vom 29.
Juli 1998 -
1
StR
94/98, [X.]R StPO §
261 Beweiswürdigung
15 sowie zur Beweiswürdigung nach Teileinstellung [X.], Beschluss vom 30.
Mai 2000 -
1
StR
183/00, [X.]R StPO §
154
Abs.
2
Teilein-stellung
1).
2.
Stützt das Tatgericht -
wie hier die Strafkammer (UA S.
12)
-
in einer derartigen Beweissituation seine Überzeugung von der Glaubhaftigkeit der An-gaben der Belastungszeugin entscheidend darauf, dass deren Aussage von Detailreichtum geprägt war, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, an [X.] Umstände diese Wertung anknüpft, wenn die aufgrund der Angaben der Belastungszeugin getroffenen Sachverhaltsfeststellungen -
wie hier (UA S.
5)
-
gerade überaus detailarm sind (vgl. [X.], Beschluss vom 23.
August 2013
-
1
StR
135/13).
3.
Sofern sich die neue Strafkammer
wieder von der Begehung gleichar-tiger Taten des sexuellen Missbrauchs durch den Angeklagten überzeugt, wird es naheliegen, bei der Beweiswürdigung zur Zahl der Taten in den Blick zu nehmen, wie oft

R.

gemeinsam mit ihren Geschwistern an Wochen-
enden zu Besuch beim Angeklagten war (vgl. UA S.
15) und ob -
ausgehend von den Wahrnehmungen der Geschwister
-
auch bei solchen gemeinsamen
11
12
-
7
-
[X.]n Taten zum Nachteil der

R.

stattgefunden haben
können.
Raum
Jäger
Spaniol

Cirener
Mosbacher

Meta

1 StR 380/13

18.09.2013

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.09.2013, Az. 1 StR 380/13 (REWIS RS 2013, 2670)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2670

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