Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.04.2015, Az. XII ZB 30/13

12. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 12698

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Gegenstand

Versorgungsausgleich: Verfahrensart bei begehrtem Ausgleich eines nach altem Recht nicht ausgeglichenen Teils von Betriebsrentenanwartschaften und Prüfung der Wirksamkeit eines Teilverzichts in einem Vergleich der Ehegatten bei Scheidung


Leitsatz

1. Wurde in einer nach dem bis zum 31. August 2009 geltenden Recht ergangenen Entscheidung über den Versorgungsausgleich eine Betriebsrente gemäß § 3b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG nur zum Teil ausgeglichen, findet hinsichtlich des nicht ausgeglichenen Teils nicht das Abänderungsverfahren nach § 51 VersAusglG statt, sondern ist insoweit der Ausgleich nach der Scheidung gemäß §§ 20 ff. VersAusglG eröffnet und vorrangig (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 24. Juli 2013, XII ZB 340/11, BGHZ 198, 91 = FamRZ 2013, 1548 und vom 25. Juni 2014, XII ZB 410/12 - FamRZ 2014, 1614).

2. In diesem Verfahren ist auch zu klären, ob und inwiefern ein bei der Scheidung durch Vergleich vereinbarter Verzicht auf den weitergehenden Ausgleich der Betriebsrente wirksam ist.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 5. [X.] des [X.] vom 19. Dezember 2012 wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.

Wert: 3.237 €

Gründe

I.

1

Die Beteiligten sind geschiedene Ehegatten. Ihre im Mai 1971 geschlossene Ehe wurde auf den im März 1999 zugestellten Scheidungsantrag durch [X.] vom 1. Dezember 2000 geschieden, in dem auch der Versorgungsausgleich geregelt wurde.

2

Beide Ehegatten hatten ehezeitliche Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben, der Antragsgegner (im Folgenden: Ehemann) außerdem statische Anrechte auf eine Werkspension und die Antragstellerin (im Folgenden: Ehefrau) Anwartschaften aus einer privaten Rentenversicherung. Im Scheidungstermin schlossen die Ehegatten einen Vergleich, in dem der Ehemann auf die Einbeziehung der privaten Rentenversicherung der Ehefrau und diese "auf eine Übertragung von Rentenanwartschaften in Höhe von 6,52 DM aus der Betriebsrente des Antragstellers" verzichteten. Bei dem Betrag von 6,52 DM handelte es sich um die Differenz des hälftigen mit Hilfe der seinerzeit gültigen [X.] ermittelten volldynamischen [X.] von 94,72 DM zu dem seinerzeit gültigen Höchstbetrag gemäß § 1587 b Abs. 3 BGB i.V.m. § 3 b Abs. 1 Nr. 1 [X.] von 88,20 DM. Dieser Betrag wurde der Ehefrau neben dem Ausgleich von Anwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung zum Ausgleich der Betriebsrente des Ehemanns im Weg des erweiterten [X.] nach § 3 b Abs. 1 Nr. 1 [X.] übertragen.

3

Im vorliegenden Verfahren hat die Ehefrau die Abänderung der Entscheidung zum Versorgungsausgleich gemäß § 51 Abs. 3 [X.] beantragt. Sie hat sich darauf berufen, dass die Betriebsrente des Ehemanns auf verfassungswidrige Weise zu niedrig bewertet worden sei. Die seinerzeit mit jährlich 19.130,16 DM in den Versorgungsausgleich eingeflossene Betriebsrente belaufe sich im [X.] auf 20.790,48 €, was nunmehr zu korrigieren sei. Außerdem sei der Ehezeitanteil unzutreffend ermittelt worden. Die Abänderung sei durch den gerichtlichen Vergleich nicht ausgeschlossen, da es sich aus damaliger Sicht auf beiden Seiten um [X.] gehandelt habe.

4

Das Amtsgericht hat den Abänderungsantrag zurückgewiesen. Die von der Ehefrau eingelegte Beschwerde ist vom [X.] zurückgewiesen worden. Dagegen wendet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde, mit welcher die Ehefrau ihren Abänderungsantrag weiterverfolgt.

II.

5

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

6

1. Nach Auffassung des [X.]s liegen die Voraussetzungen einer wesentlichen Wertänderung nach § 51 [X.] nicht vor. Eine Abänderung nach § 51 Abs. 3 [X.] sei gemäß § 51 Abs. 4 [X.] ausgeschlossen, wenn für ein Anrecht nach einem Teilausgleich gemäß § 3 b Abs. 1 Nr. 1 [X.] noch schuldrechtliche Ausgleichsansprüche nach den §§ 20 bis 26 [X.] geltend gemacht werden könnten. Durch den Vorrang der Geltendmachung von Ausgleichsansprüchen nach der Scheidung erübrige sich in diesen Fällen der Aufwand einer vollständig neuen Ausgleichsentscheidung im Weg der Abänderung. Diese würde es erforderlich machen, wegen der fehlerhaften Bewertung eines einzelnen Anrechts den gesamten bereits entschiedenen öffentlich-rechtlichen Wertausgleich neu aufzurollen, während die Ausgleichsansprüche nach der Scheidung nur das einzelne Anrecht beträfen. Eine Totalrevision nach den §§ 51, 52 [X.] würde daher gegenüber einem Verfahren über Ausgleichsansprüche nach der Scheidung zu einem vom Gesetzgeber nicht beabsichtigten Mehraufwand führen. Ob Ausgleichsansprüche nach der Scheidung durch den von den Ehegatten geschlossenen Vergleich ausgeschlossen seien, sei im Verfahren nach §§ 20 ff. [X.] zu prüfen.

7

Eine Wertänderung der in den Versorgungsausgleich einbezogenen Anrechte aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 51 Abs. 2 [X.] sei nicht dargetan.

8

2. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

9

a) Die Abänderung einer Entscheidung über einen öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich, die nach dem bis zum 31. August 2009 geltenden Recht getroffen worden ist, ist gemäß § 51 Abs. 3 Satz 1 [X.] auch dann zulässig, wenn sich bei [X.] der berufsständischen, betrieblichen oder privaten Altersvorsorge (§ 1587 a Abs. 3 oder 4 BGB) der vor der Umrechnung ermittelte Wert des Ehezeitanteils wesentlich von dem dynamisierten und aktualisierten Wert unterscheidet. Durch die Regelung soll die Abänderung von nach bisherigem Recht erzielten Ergebnissen ermöglicht werden, die eine angemessene Teilhabe verfehlten und im Hinblick auf Betriebsrenten insbesondere auf einer sich aus der Umwertung (Dynamisierung) nach der Barwert-Verordnung ergebenden Wertverzerrung beruhten (BT-Drucks. 16/10144 S. 88 f.).

Eine Abänderung nach § 51 Abs. 3 ist hingegen gemäß § 51 Abs. 4 [X.] ausgeschlossen, wenn für das Anrecht nach einem Teilausgleich gemäß § 3 b Abs. 1 Nr. 1 [X.] noch Ausgleichsansprüche nach der Scheidung gemäß den §§ 20 bis 26 [X.] geltend gemacht werden können. Im Fall eines Teilausgleichs nach § 3 b [X.] ist es gemäß § 20 Abs. 1 [X.] auch nach neuem Recht möglich, hinsichtlich des noch nicht einbezogenen Teils Ausgleichsansprüche nach der Scheidung geltend zu machen. Dabei wird der zum Teil ausgeglichene Betrag nach § 53 [X.] entsprechend seiner tatsächlichen Entwicklung in der gesetzlichen Rentenversicherung angerechnet (vgl. BT-Drucks. 16/10144 S. 90).

Im Gegensatz zu einer Entscheidung über die gesamten ausgleichsreifen Versorgungsanrechte der Ehegatten, die dann auch übersehene, vergessene oder verschwiegene Anrechte erfasst (vgl. Senatsbeschluss [X.], 91 = [X.], 1548 Rn. 23 ff.), handelt es sich hier um eine bewusste Teilentscheidung, die für den noch nicht von ihr erfassten Teil den Ausgleich nach der Scheidung gemäß §§ 20 ff. [X.] nicht ausschließt (vgl. Senatsbeschluss vom 25. Juni 2014 - [X.] 410/12 - FamRZ 2014, 1614 Rn. 11 ff.).

b) Nach diesen Maßstäben scheidet im vorliegenden Fall eine Abänderung nach § 51 Abs. 3 [X.] aus.

Das [X.] ist zu Recht davon ausgegangen, dass durch die Regelung des Versorgungsausgleichs im Scheidungsurteil der schuldrechtliche Ausgleich nach der Scheidung (ebenso wie der schuldrechtliche Versorgungsausgleich nach früherer Rechtslage) nicht ausgeschlossen worden ist. Daher bedarf es zur Anpassung an die geänderte Bewertung der Betriebsrente des Ehemanns einer Abänderung der im Scheidungsurteil enthaltenen Entscheidung über den Versorgungsausgleich nicht. Nach der vom Gesetzgeber in § 51 Abs. 4 [X.] bewusst getroffenen Entscheidung ist der Ausgleich nach der Scheidung insoweit vorrangig.

Ob für einen Ausgleich nach der Scheidung noch Raum ist, richtet sich daher auch nicht nach der [X.] über den Versorgungsausgleich, sondern nach dem von den Ehegatten geschlossenen Vergleich. Dieser unterliegt als solcher weder einer Abänderung nach § 51 [X.] noch bedarf er einer solchen. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde dient das Abänderungsverfahren nach § 51 Abs. 3 [X.] auch nicht dazu, einen wirksam vereinbarten Ausschluss des (schuldrechtlichen) Ausgleichs nach der Scheidung zu korrigieren. Ob die Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs nach der Scheidung durch den Vergleich ausgeschlossen ist, hat das [X.] demnach zu Recht offen gelassen. Denn Fragen des Inhalts und der Bindungswirkung des Vergleichs sind im Verfahren nach §§ 20 ff. [X.] zu klären.

[X.]                       Günter

            Botur                                [X.]

Meta

XII ZB 30/13

15.04.2015

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Hamm, 19. Dezember 2012, Az: II-5 UF 35/12

§ 3b Abs 1 Nr 1 VersorgAusglHärteG, § 20 VersAusglG, §§ 20ff VersAusglG, § 51 Abs 3 VersAusglG, § 51 Abs 4 VersAusglG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.04.2015, Az. XII ZB 30/13 (REWIS RS 2015, 12698)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 12698

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