Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.01.2012, Az. IX ZR 95/11

9. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 10185

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Gegenstand

Insolvenzanfechtung: Einzahlung der Versicherungsprämien für eine Direktversicherung des Geschäftsführers trotz drohender Zahlungsunfähigkeit einer GmbH


Leitsatz

Entrichtet eine GmbH nach drohender Zahlungsunfähigkeit die Prämien für eine Direktversicherung ihres Geschäftsführers weiter, auf welche dieser nach seinem Anstellungsvertrag Anspruch hat, so benachteiligt dies im Regelfall trotz der als Gegenleistung erhaltenen Dienste die Gläubiger der Gesellschaft und kann bei entsprechendem Vorsatz gegenüber dem Geschäftsführer angefochten werden.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil der 9. Zivilkammer des [X.] vom 10. Mai 2011 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Beklagte ist Geschäftsführer der [X.], der Kläger Verwalter in dem Insolvenzverfahren über ihr Vermögen, welches auf den Antrag vom 25. Juni 2009 am 30. Juli desselben Jahres eröffnet worden ist. Als Teil der Bezüge aus dem Anstellungsverhältnis leistete die Schuldnerin Prämien auf eine Direktversicherung des Beklagten bei der [X.]        in Höhe von 102,26 €, die jeweils zur Monatsmitte im Lastschriftverfahren eingezogen wurden. Der Kläger hat die Prämienzahlungen der Schuldnerin für den Zeitraum vom Juli 2008 bis einschließlich Juni 2009 gegenüber dem Beklagten angefochten und verlangt den [X.] von 1.227,12 € nebst Zinsen seit Insolvenzeröffnung zur Masse zurück.

2

Das Amtsgericht hat den Beklagten verurteilt. Die Berufung hatte Erfolg. Mit seiner vom [X.] wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

3

Die Revision ist begründet.

I.

4

Den hilfsweise auch auf § 133 Abs. 1 [X.] gestützten [X.] hat das Berufungsgericht mangels objektiver Gläubigerbenachteiligung verneint. Die Schuldnerin habe mit der Tätigkeit ihres Geschäftsführers eine gleichwertige und angemessene Gegenleistung für seine Bezüge erhalten. Die Unwiderruflichkeit des Bezugsrechts sei dem Beklagten schon vor der drohenden Insolvenz und nicht lediglich für diesen Fall gewährt worden. Auch bei Ermächtigung der Versicherungsgesellschaft zum Lastschrifteinzug der Prämien habe eine Insolvenz der Schuldnerin noch nicht konkret gedroht. Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.

II.

5

Der [X.] ist unabhängig von § 17a Abs. 5 [X.] zur Entscheidung über die Revision berufen. Denn der Geschäftsführer einer GmbH gilt nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht als Arbeitnehmer (vgl. [X.] [X.], 2175 Rn. 12).

[X.]

6

Wird von der Insolvenzschuldnerin nach Eintritt der wirtschaftlichen Krise durch weitere Prämienzahlungen der Rückkaufswert einer Direktversicherung für ihren Geschäftsführer erhöht, so kommt deswegen die Insolvenzanfechtung in Betracht ([X.], Urteil vom 10. Juli 1997 - [X.], [X.], 312, 315, in [X.]Z 136, 220 nicht mit abgedruckt). Die Annahme des Berufungsgerichts, die Prämienzahlungen an den Lebensversicherer seien wegen der Gegenleistung des Beklagten im Sinne des § 129 Abs. 1 [X.] nicht gläubigerbenachteiligend (ebenso [X.], [X.], 439, 440 f unter 2.), ist rechtsfehlerhaft. Denn für die Gläubiger der Insolvenzschuldnerin gewähren die erbrachten Tätigkeiten des Beklagten keine Zugriffsmöglichkeit, wie sie die zur Entrichtung der Versicherungsprämien abgeflossenen Zahlungsmittel boten (vgl. [X.]/[X.], [X.], § 133 Rn. 19).

7

Da sich die Vermögenslage der Insolvenzschuldnerin im [X.] weiter verschlechterte, war das Interesse der Gläubiger auch nicht darauf gerichtet, dass der Beklagte seine Tätigkeit als Geschäftsführer unverändert fortsetzte, sondern dass er baldigst nach § 18 Abs. 1 [X.] Insolvenzantrag stellte. Die Frage, ob bei einem ernsthaften und aussichtsreichen Sanierungsversuch der Schuldnerin durch den Beklagten eine objektive Gläubigerbenachteiligung infolge der fortdauernden Prämienzahlungen zu seiner Versorgung hätte verneint werden können, bedarf deshalb keiner Prüfung. Jedenfalls in der Regel kann der Insolvenzverwalter des Schuldners gegenüber dem Bezugsberechtigten die Rechtshandlungen anfechten, die auf Kosten der Masse den Wert der Direktversicherung erhöht haben. Dies gilt gerade dann, wenn das unwiderrufliche Bezugsrecht, wie hier, in [X.] entstanden ist (MünchKomm-[X.]/Kirchhof, 2. Aufl., § 129 Rn. 52).

8

Zutreffend beanstandet die Revision ferner, dass das Berufungsgericht den anfechtungsrechtlich maßgebenden Zeitpunkt verkannt habe. Da der einzugsberechtigte Gläubiger zuvor keine gesicherte Rechtsposition innehat, entscheidet nach § 140 Abs. 1 [X.] in dieser Hinsicht statt der Erteilung der Einzugsermächtigung die vom Schuldner seiner Bank erklärte Genehmigung ([X.], Urteil vom 19. Dezember 2002 - [X.], [X.], 524, 529; vom 4. November 2004 - [X.], [X.]Z 161, 49, 56 f; vom 29. Mai 2008 - [X.], [X.], 482 Rn. 11 ff, 16; vom 30. September 2010 - [X.], [X.], 2167 Rn. 10 f; vom 21. Oktober 2010 - [X.], Z[X.] 2010, 2293 Rn. 7). Sie wird bei wiederkehrenden Leistungen gleicher Größenordnung an denselben Gläubiger von einem Unternehmer regelmäßig bereits konkludent vor Ablauf der Widerspruchsfrist des Nr. 7 Abs. 3 AGB-Banken erklärt ([X.], Urteil vom 20. Juli 2010 - [X.], [X.]Z 186, 269 Rn. 48; vom 21. Oktober 2010, aaO Rn. 8; vom 3. Mai 2011 - [X.], [X.], 1267 Rn. 11; vom 27. September 2011 - [X.], [X.], 2259 Rn. 15 f; vom 25. Oktober 2011 - [X.], [X.], 2398 Rn. 13; vom 1. Dezember 2011 - [X.] unter [X.] 1., [X.]). Das Berufungsurteil kann danach mit der gegebenen Begründung nicht aufrechterhalten bleiben.

IV.

9

Die Sache ist nicht spruchreif. Das Berufungsgericht hat, aus seiner Sicht folgerichtig, keine Feststellungen dazu getroffen, ob nach den behaupteten Verlusten der Schuldnerin der Beklagte als Geschäftsführer wusste, dass dieser bereits im Juli 2008 die Zahlungsunfähigkeit drohte (§ 18 Abs. 2 [X.]), oder ob sie aus anderen Gründen bei der angefochtenen Genehmigung des [X.] mit dem Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung gehandelt hat. Dies ist im zweiten Berufungsdurchgang nachzuholen.

Es bedarf danach voraussichtlich keiner Entscheidung, ob der Beklagte die gesamte Wertsteigerung seines unwiderruflichen Bezugsrechts aus der Direktversicherung für den Versicherungsfall oder den Rückkaufsfall, die infolge der angefochtenen Prämienzahlungen eingetreten ist, nach § 143 Abs. 1 [X.] zur Insolvenzmasse zurückgewähren muss (vgl. dazu etwa [X.], [X.]-Report 2004, 198, 199 f; [X.], Die Lebensversicherung in der Insolvenz des Arbeitgebers, S. 72 f; MünchKomm-[X.]/Kirchhof, 2. Aufl. § 129 Rn. 52 am Ende). Der Kläger hat hier nur die im [X.] geleisteten Prämienzahlungen zurückverlangt, die auch vom [X.] als aus dem Vermögen des [X.] stammend in dessen Konkurs als [X.] anerkannt worden sind (vgl. [X.], 217, 219 f).

[X.]                                                  Raebel                                         Vill

                          Lohmann                                               [X.]

Meta

IX ZR 95/11

12.01.2012

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Bochum, 10. Mai 2011, Az: I-9 S 251/10, Urteil

§ 129 Abs 1 InsO, § 133 Abs 1 InsO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.01.2012, Az. IX ZR 95/11 (REWIS RS 2012, 10185)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 10185

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