Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.07.2006, Az. 5 StR 215/06

5. Strafsenat | REWIS RS 2006, 2644

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

5 [X.]/06 [X.]BESCHLUSS vom 12. Juli 2006 in der Strafsache gegen wegen schwerer [X.]stiftung - 2 - Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 12. Juli 2006 beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 4. Mai 2005 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen [X.]eststellungen aufgehoben. Hiervon sind ausgenommen a) der [X.]reispruch des Angeklagten und b) die [X.]eststellungen zum objektiven Tatgeschehen, in-soweit wird die weitergehende Revision des Ange-klagten nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet [X.]. 2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des Landge-richts zurückverwiesen. [X.]e
Das [X.] hat den Angeklagten vom Vorwurf der [X.] freigesprochen, seine Unterbringung in einem psychiatri-schen Krankenhaus angeordnet und die Maßregel zur Bewährung ausge-setzt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge überwiegend [X.]. 1 Die Unterbringungsentscheidung entbehrt einer tragfähigen Begründung. Soweit der Angeklagte darüber hinaus das Urteil angreift, bleibt 2 - 3 - seine Revision aus den von der [X.] in ihrer Zuschrift [X.] Gründen erfolglos. 1. Die Anordnung der Unterbringung kann keinen Bestand ha-ben, weil die Voraussetzungen des § 20 oder § 21 StGB nicht, wie für die Maßregel nach § 63 StGB erforderlich (vgl. [X.]St 34, 22, 26 f.), zweifelsfrei festgestellt sind. Entsprechend dem Antrag der [X.] ist des-halb der [X.] aufzuheben. 3 Zu dem [X.]reispruch des Angeklagten und zur Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus hat sich die [X.] veranlasst gesehen, weil die —Unrechtseinsichtsfähigkeitfi des Angeklagten bei Tatbegehung je-denfalls erheblich vermindert und nicht ausschließbar sogar aufgehoben ge-wesen sei. Mit dieser Wertung folgt sie den Gutachten des psychiatrischen und des psychologischen Sachverständigen. Während der Psychiater eine Schizophrenia simplex ([X.] 10: [X.]) bei fortschreitender hirnorganischer Beeinträchtigung mit der Möglichkeit einer paranoiden Persönlichkeitsstörung ([X.] 10: [X.] 60.0) diagnostiziert hat, liegt nach Auffassung des Psychologen eine schwerwiegende Persönlichkeitsstörung mit paranoiden Verarbeitungs-weisen und [X.] verzerrenden Denkgewohnheiten nahe. 4 Danach ist nicht festgestellt, dass die [X.] des Angeklagten bei Begehung der Tat sicher aufgehoben war. Dass diese [X.]ähigkeit [X.] wie sich den Urteilsgründen entnehmen lässt [X.] jedenfalls erheblich vermindert war, genügt für die Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB nicht, weil damit die Voraussetzungen des § 21 StGB nicht sicher festgestellt sind. Diese Vorschrift ist nach ständiger Rechtsprechung des [X.] nicht anwendbar, wenn der Täter trotz erheblicher Ver-minderung der Einsichtsfähigkeit das Unerlaubte seiner Tat erkennt ([X.]St 21, 27; 34, 22, 25). [X.]ür § 21 StGB ist in den [X.]ällen verminderter Einsichtsfä-higkeit nur Raum, wenn die Einsicht gefehlt hat und dem Täter dies [X.] ist (vgl. [X.], 309; [X.]R StGB § 21 Einsichtsfähigkeit 6; 5 - 4 - [X.]R StGB § 63 Tat 4, jeweils m.w.N.). Solange die Verminderung der [X.] nicht das [X.]ehlen der Einsicht ausgelöst und dadurch zu [X.] geführt hat, ist auch die Sicherung der Allgemeinheit durch Unterbrin-gung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht veranlasst ([X.]St 34, 22, 26 f.). Dass bei etwa noch vorhandener Unrechtseinsicht jedenfalls eine er-hebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten vorgelegen hat, versteht sich nach den Urteilsgründen, die sich hierzu nicht verhalten, nicht etwa von selbst. 2. Auch die Gefährlichkeitsprognose ist nicht tragfähig belegt. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus beschwert die hiervon Betroffenen außerordentlich. Sie darf deshalb nur angeordnet wer-den, wenn die Gesamtwürdigung des [X.] und seiner Tat ergibt, dass von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind ([X.]R StGB § 63 Schuldunfähigkeit 1). Es muss wahrscheinlich sein, dass der Rechtsfrieden durch neue Taten schwer gestört wird ([X.]R StGB § 63 Gefährlichkeit 8, 11, 15, 19). Bei seinen Erwägungen zur Gefährlich-keitsprognose hat das [X.] nicht erkennbar bedacht, dass der Ange-klagte außer wegen einer körperlichen Auseinandersetzung mit seinem Nachbarn [X.] dieser gab als Zeuge zudem zu, dass der Angeklagte womöglich im Recht gewesen und man gegenseitig tätlich geworden sei [X.] bislang nicht durch rechtswidrige Taten zum Nachteil anderer aufgefallen ist und dass es sich bei der [X.]stiftung um eine Tat aus einer außergewöhnlichen und einmaligen Konfliktsituation heraus gehandelt hat (Enterbung und drohende Räumung des von ihm seit 28 Jahren bewohnten Hauses). 6 Hinsichtlich der vom Angeklagten begangenen rechtswidrigen Tat belegen die [X.]eststellungen zudem nur, dass der Tatbestand des § 306 Nr. 1 StGB erfüllt ist. Denn dass die Inbrandsetzung der vom Angeklagten alleine bewohnten Doppelhaushälfte nach der Entwidmung durch den einzi-gen Bewohner die vom [X.] angenommenen Voraussetzungen des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllt, erschließt sich aus den Urteilsgründen nicht; 7 - 5 - es ist weder belegt, dass die Doppelhaushälfte mit derjenigen der Nachbarn ein einheitlich zusammenhängendes Gebäude bildete (vgl. [X.]R StGB § 306a Abs. 1 Nr. 1 Wohnung 2), noch, dass der Nachbarteil schon für sich in [X.] gesetzt war (vgl. [X.]). Diese Änderung der rechtlichen Bewertung der [X.] gibt zwar für sich gesehen noch keinen Anlass zur Aufhebung der Unterbringungsanordnung (vgl. [X.]R StGB § 63 Tat 6), ist aber im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose zu berücksichtigen. 3. Der neue Tatrichter wird [X.] möglichst unter Hinzuziehung ei-nes anderen, geriatrisch erfahrenen Sachverständigen (vgl. zu Mindeststan-dards der Schuldfähigkeitsbegutachtung [X.]/[X.]/[X.]/[X.] NStZ 2005, 57) [X.] auf der Grundlage der bisherigen, rechtsfehlerfrei getroffe-nen [X.]eststellungen zum objektiven Tathergang einschließlich der Vor- und Nachgeschichte des Angeklagten zu prüfen haben, ob die Einsichtsfähigkeit des Angeklagten im Tatzeitpunkt sicher ausgeschlossen oder zumindest sei-ne Steuerungsfähigkeit sicher erheblich eingeschränkt war und ob die weite-ren Voraussetzungen des § 63 StGB, insbesondere die Gefährlichkeit des Angeklagten für die Allgemeinheit, vorliegen. In diesem [X.]all wird wiederum die [X.] für sich nicht beanstandenswerte [X.] Aussetzung der Maßregel zur Be-währung zu erwägen sein. Neben den neu zu treffenden [X.]eststellungen zur psychischen Verfassung des Angeklagten bei der Tatbegehung kann der neue Tatrichter allenfalls solche zusätzliche [X.]eststellungen treffen, die den nunmehr rechtskräftigen [X.]eststellungen zum Tatgeschehen nicht [X.]. 8 Sollte sich in der neuen Verhandlung herausstellen, dass die Voraussetzungen des § 63 StGB bei dem Angeklagten nicht vorliegen, hätte die gebotene Aufhebung des Urteils zur [X.]olge, dass seine Tat wegen des Verbots der Schlechterstellung (§ 358 Abs. 2 StPO) ohne strafrechtliche Sanktion bleiben müsste. Im Hinblick auf diese Konsequenz kann für die Staatsanwaltschaften in vergleichbaren Verfahrenskonstellationen regelmä-ßig Anlass bestehen, ihrerseits die Einlegung eines Rechtsmittels (zu [X.] - 6 - gunsten des Untergebrachten) in Erwägung zu ziehen (vgl. [X.], [X.]. vom 24. Juli 2001 [X.] 4 StR 268/01). [X.] [X.]

Meta

5 StR 215/06

12.07.2006

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.07.2006, Az. 5 StR 215/06 (REWIS RS 2006, 2644)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 2644

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 StR 618/16 (Bundesgerichtshof)

Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus: Beweiswürdigung im Rahmen der Bewertung der Gefährlichkeit einer suizidal veranlassten …


5 StR 500/22 (Bundesgerichtshof)

Notwendige tatrichterliche Feststellungen in Urteil bei Unterbringung in psychiatrischem Krankenhaus


1 StR 604/19 (Bundesgerichtshof)

Gefährlichkeitsprognose für die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus bei Straftaten in einer Unterbringungseinrichtung


3 StR 535/16 (Bundesgerichtshof)

Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach neuem Recht: Darlegung besonderer Umstände für die Erwartung drohender …


3 StR 249/17 (Bundesgerichtshof)

Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus: Rückschluss aus dem Schweigen des Beschuldigten auf dessen …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.