Bundesfinanzhof, Urteil vom 13.04.2021, Az. I R 2/19

1. Senat | REWIS RS 2021, 7045

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Gegenstand

Anzahl der Verpachtungs-BgA bei Verpachtung mehrerer gleichartiger Objekte


Leitsatz

Die Verpachtung mehrerer gleichartiger gewerblicher Objekte (hier: Campingplätze) durch die Trägerkörperschaft kann nur dann zur Annahme eines einzigen Verpachtungs-BgA führen, wenn die Objekte eine "Einrichtung" (funktionelle Einheit) i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG bilden. Ist das nicht der Fall, handelt es sich auch dann um mehrere selbständige Verpachtungs-BgA, wenn die Pachtverträge bei der Trägerkörperschaft von derselben organisatorischen Untergliederung oder nach einheitlichen Maßgaben und Grundsätzen verwaltet und betreut werden.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 24.07.2018 - 1 K 241/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts, die auf landesgesetzlicher Grundlage mit der Aufgabe betraut ist, den [X.] zu bewirtschaften. Das der Klägerin danach eingeräumte unentgeltliche Nutzungsrecht umfasst auch die Vermietung oder Verpachtung des zu bewirtschaftenden Staatswalds. In diesem erweiterten Aufgabenbereich verpachtete die Klägerin in den Streitjahren (2006 bis 2009) insgesamt … Grundstücke für Freizeit- und Erholungszwecke, die überwiegend als Campingplätze genutzt wurden.

2

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) beurteilte nach einer Außenprüfung die [X.] in neun dieser Fälle als Verpachtung von gewerblichen Betrieben, die gemäß § 4 Abs. 4 des Körperschaftsteuergesetzes in der für die Streitjahre geltenden Fassung ([X.]) als Betrieb gewerblicher Art (BgA) gelte. Dabei ging das [X.] von einem (einzigen) "BgA Verpachtung Campingplätze" aus und ermittelte aus den [X.] ein Gesamteinkommen dieses BgA von [X.] (2006), [X.] (2007), [X.] (2008) und [X.] (2009). Von diesen Gesamteinkommen zog das [X.] jeweils einmalig die Freibeträge nach § 24 Satz 1 [X.] (2006 bis 2008: [X.], 2009: [X.]) ab und setzte auf die Differenzbeträge (als zu versteuerndes Einkommen) Körperschaftsteuer fest.

3

Die Klägerin ist demgegenüber der Auffassung, die Voraussetzungen für [X.] i.S. von § 4 Abs. 4 [X.] lägen nur bei zwei der verpachteten Objekte vor (Campingplatz A --im Bereich des Forstbezirks B-- und Campingplatz C --im Bereich des Forstbezirks D--). Mangels organisatorischer Zusammenfassung handele es sich bei den [X.] außerdem um jeweils eigenständige, nicht zusammengefasste BgA i.S. von § 4 Abs. 4 [X.], für die getrennte [X.] unter jeweils eigenständiger Einkommensermittlung zu erlassen wären.

4

Die Klage hatte überwiegend Erfolg. Das Finanzgericht (FG) Nürnberg hat die angefochtenen Bescheide mit Urteil vom 24.07.2018 - 1 K 241/17 --dem Klagebegehren entsprechend-- dahin abgeändert, dass Körperschaftsteuer nur in Bezug auf die Verpachtung des [X.] festgesetzt wird, ist dabei aber von höheren als den von der Klägerin bezifferten Gewinnen ausgegangen (festgesetzte Körperschaftsteuer für 2006: [X.], 2007: [X.], 2008: [X.] und 2009: [X.]).

5

Gegen das [X.] richtet sich die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des [X.].

6

Das [X.] beantragt, das [X.] aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

7

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

8

Die Revision ist unbegründet und daher gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zurückzuweisen. Die Vorinstanz hat zu Recht angenommen, dass der das Besteuerungsobjekt der angefochtenen Bescheide darstellende BgA "Verpachtung Campingplätze" nicht existiert.

9

1. Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 6 [X.] sind BgA von inländischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig.

a) § 4 Abs. 1 Satz 1 [X.] beschreibt als BgA alle Einrichtungen, die einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen außerhalb der Land- und Forstwirtschaft dienen und die sich innerhalb der Gesamtbetätigung der juristischen Person wirtschaftlich herausheben. Die Absicht, Gewinn zu erzielen, und die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr sind nicht erforderlich (§ 4 Abs. 1 Satz 2 [X.]).

b) Als BgA gilt gemäß § 4 Abs. 4 [X.] (auch) die Verpachtung eines solchen Betriebs. Die an sich dem Bereich der Vermögensverwaltung zuzuordnende [X.] wird dadurch als gewerbliche Betätigung fingiert. Die Annahme eines [X.] erfordert, dass der Gegenstand des Pachtvertrags in der [X.]and der verpachtenden Körperschaft ein BgA wäre (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsurteil vom [X.] - I R 58/17, [X.], 420, m.w.N.). Anlass des Besteuerungszugriffs auf die Pachteinkünfte ist das Eindringen der öffentlich-rechtlichen Körperschaft in das gewerbliche Leben und damit ihre Mitwirkung bei der Betriebsgestaltung des Pächters (vgl. Senatsurteile vom 02.03.1983 - I R 100/79, [X.], 66, [X.] 1983, 386; vom 06.10.1976 - I R 115/75, [X.], 355, [X.] 1977, 94, jeweils m.w.N.; [X.] in [X.]/[X.], [X.], § 4 Rz 97).

c) Nach dem Wortsinn des § 1 Abs. 1 Nr. 6 [X.] ist die Körperschaft des öffentlichen Rechts, soweit sie BgA unterhält, selbst Subjekt der Körperschaftsteuer im [X.]inblick auf jeden einzelnen Betrieb (s. z.B. Senatsurteil vom [X.] - I R 24/17, [X.], 354, m.w.N.). [X.] ist nicht die juristische Person des öffentlichen Rechts mit ihren BgA, sondern jeweils der einzelne BgA (Senatsurteile vom 13.03.1974 - I R 7/71, [X.], 61, [X.] 1974, 391; vom 12.01.2011 - I R 112/09, [X.], 1194). Abweichend hiervon hat die Rechtsprechung nach Maßgabe der sog. [X.] unter bestimmten Voraussetzungen eine organisatorische Zusammenfassung mehrerer BgA zu einem einzigen Gewinnermittlungssubjekt anerkannt. Diese "[X.]" sind durch das Jahressteuergesetz 2009 ([X.] 2009) vom 19.12.2008 ([X.], 2794, [X.], 74) in § 4 Abs. 6 [X.] gesetzlich verankert worden.

2. Nach diesen Maßgaben hält das vom [X.] gefundene Ergebnis, die Klägerin habe mit dem Abschluss der Pachtverträge über die Campingplätze --soweit diese die Voraussetzungen des § 4 Abs. 4 [X.] erfüllen-- einzelne [X.] und nicht einen einzigen, mehrere Pachtverhältnisse umfassenden BgA "Verpachtung Campingplätze" unterhalten, der rechtlichen Prüfung stand.

a) Zur Bestimmung des Umfangs eines von der [X.] unterhaltenen BgA ist auf das in § 4 Abs. 1 Satz 1 [X.] enthaltene Merkmal der "Einrichtung" abzustellen. Eine Einrichtung ist jede funktionelle Einheit, die einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen dient. Eine funktionelle Einheit kann sich insbesondere aus einer besonderen Leitung, einem geschlossenen [X.], der Buchhaltung oder aus einem ähnlichen, auf eine Einheit hindeutenden Merkmal ergeben (vgl. Urteil des [X.] --BF[X.]-- vom 26.05.1977 - V R 15/74, [X.], 70, [X.] 1977, 813; [X.] 4.1 "Einrichtung" der Körperschaftsteuer-[X.]inweise 2015).

b) Zur Bestimmung des Umfangs eines [X.] i.S. von § 4 Abs. 4 [X.] ist in gleicher Weise darauf abzustellen, ob es sich bei den verpachteten Betriebsgrundlagen um eine oder um mehrere "Einrichtungen" i.S. von § 4 Abs. 1 Satz 1 [X.] handelt. So hat der Senat in der Verpachtung gleichartiger Betriebe (Gaststätten) durch eine Stadtgemeinde an unterschiedliche Pächter (nur dann) einen einheitlichen BgA gesehen, wenn die Bewirtschaftung durch den Verpächter selbst zu einer Einheit der Betriebe führen würde (Urteil vom 24.06.1959 - I 213/58 U, BF[X.]E 69, 205, [X.]I 1959, 339). Werden mehrere verschiedene funktionelle Einheiten verpachtet, liegen dementsprechend mehrere [X.] vor. Entgegen der Sichtweise der Revision kommt es für den Umfang des [X.] nicht maßgeblich darauf an, inwiefern mehrere Pachtverhältnisse bei der [X.] von derselben organisatorischen Untergliederung oder nach einheitlichen Maßgaben und Grundsätzen verwaltet und betreut werden. Denn wie oben ausgeführt, liegt der Anlass für den Besteuerungszugriff beim [X.] in der Mitwirkung der juristischen Person des öffentlichen Rechts an der Betriebsgestaltung des Pächters. Obwohl das Besteuerungsobjekt beim [X.] der Gewinn aus dem Pachtverhältnis --und nicht der Gewinn des verpachteten [X.] ist, geht es dabei mithin letztlich doch um eine Form der Teilhabe an der gewerblichen Betätigung des Pächters, d.h. am Betrieb selbst. Die [X.] als solche ist demgegenüber zur Bestimmung der Anzahl der jeweiligen [X.] nicht geeignet, weil es sich dabei der Sache nach um eine vermögensverwaltende Tätigkeit handelt, die mit den für die Bestimmung der "Einrichtung" i.S. von § 4 Abs. 1 Satz 1 [X.] maßgeblichen Kriterien nicht zu erfassen ist.

c) Auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen der Vorinstanz --gegen die das [X.] keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorgebracht hat und die für den Senat verbindlich sind (§ 118 Abs. 2 [X.]O)-- ist davon auszugehen, dass es sich bei den verpachteten Campingplätzen um jeweils eigenständige funktionelle Einheiten gehandelt hat. Irgendwelche Anhaltspunkte, die auf eine einheitliche Leitung, einheitliche Rechnungslegung oder sonstige zusammenfassende Organisationsmaßnahmen in Bezug auf die einzelnen Campingplatzbetriebe hindeuten könnten, sind danach nicht erkennbar. Allein die Gleichartigkeit der Betriebe führt nicht zu einer funktionellen Einheit, wie sich auch aus § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 [X.] i.d.F. des [X.] 2009 ergibt, der der [X.] die Möglichkeit eröffnet, mehrere (einzelne) gleichartige BgA zu einem Gewinnermittlungssubjekt zusammenzufassen.

Offen bleiben kann, ob im Falle des [X.] zusätzlich zu prüfen ist, ob die Betriebe im gedachten Fall, dass die [X.] diese selbst betreiben würde, als funktionelle Einheit geführt werden würden. Denn auch das ist nach den bindenden Feststellungen der Vorinstanz --jedenfalls im [X.]inblick auf die in unterschiedlichen Forstbezirken liegenden Campingplätze A und [X.] nicht der Fall.

d) Eine Zusammenfassung der einzelnen [X.] zu einem einheitlichen Gewinnermittlungssubjekt nach den oben erwähnten "[X.]n" (betreffend die Streitjahre 2006 bis 2008) bzw. nach § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 [X.] i.d.F. des [X.] 2009 (in Bezug auf das Streitjahr 2009) scheidet im Streitfall aus, weil die Klägerin --was nicht im Streit steht-- von der Möglichkeit einer solchen Zusammenfassung keinen Gebrauch gemacht hat.

3. Keiner Entscheidung bedarf die Frage, ob das [X.] befugt gewesen ist, die auf die Besteuerung eines einheitlichen, tatsächlich aber nicht existierenden BgA "Verpachtung Campingplätze" gerichteten [X.] --entsprechend dem erstinstanzlichen [X.] dahin abzuändern, dass die Bescheide sich stattdessen auf die Festsetzung der auf den BgA "Campingplatz A" entfallenden Körperschaftsteuern beziehen. Da die Klägerin keine Revision gegen das [X.]-Urteil eingelegt hat, wäre der Senat aufgrund des vom Revisionsgericht zu beachtenden sog. Verböserungsverbots (z.B. BF[X.]-Urteil vom [X.], BF[X.]E 212, 388, [X.] 2006, 584) gehindert, den angefochtenen Bescheid über die vom [X.] vorgenommenen Änderungen hinaus zu Lasten des [X.] abzuändern oder aufzuheben.

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

5. Das Urteil ergeht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 90 Abs. 2 [X.]O).

Meta

I R 2/19

13.04.2021

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend FG Nürnberg, 24. Juli 2018, Az: 1 K 241/17, Urteil

§ 4 Abs 1 S 1 KStG 2002, § 4 Abs 4 KStG 2002, § 1 Abs 1 Nr 6 KStG 2002, § 4 Abs 6 S 1 Nr 1 KStG 2002 vom 19.12.2008, EStG VZ 2006, EStG VZ 2007, EStG VZ 2008, EStG VZ 2009

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 13.04.2021, Az. I R 2/19 (REWIS RS 2021, 7045)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 7045

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