Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.11.2014, Az. 6 AZR 631/13

6. Senat | REWIS RS 2014, 1391

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Gegenstand

Inkongruente Deckung - Zahlung über Konto der Ehefrau


Tenor

1. Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 27. Mai 2013 - 10 Sa 1042/12 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Rückzahlung des dem Beklagten im Wege einer mittelbaren Zuwendung über das Konto der Ehefrau des späteren Schuldners gezahlten [X.] für März 2008 im Wege der Insolvenzanfechtung.

2

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das auf Eigenantrag des Schuldners vom 13. Mai 2008 am 27. Juni 2008 eröffnete Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners, das am 20. Januar 2011 in ein Nachlassinsolvenzverfahren übergeleitet wurde. Der Beklagte war Arbeitnehmer des Schuldners, der im Frühjahr 2008 noch ca. 20 weitere Arbeitnehmer beschäftigte.

3

Am 20. Februar 2008 trat der Schuldner zahlreiche Forderungen erfüllungshalber an seine Ehefrau ab, die der Kläger erfolgreich angefochten hat. Am 3. März 2008 leitete der frühere Geschäftspartner des Schuldners die Zwangsvollstreckung aus einem am 8. Februar 2008 geschlossenen Schuldanerkenntnis über 820.000,00 Euro, in dem sich der Schuldner der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hatte, ein. Zuvor hatte er mit Schreiben vom 28. Februar 2008 ein vorläufiges Zahlungsverbot gegenüber einem Drittschuldner erwirkt.

4

Am 26. März 2008 wurde vom Geschäftskonto des Schuldners, das sich zu diesem [X.]punkt bereits mit mehr als 150.000,00 Euro im Soll befand, ein Betrag von 100.000,00 Euro mit dem Verwendungszweck „Löhne“ auf ein privates Girokonto seiner Ehefrau überwiesen. Der Schuldner war nie Inhaber dieses Kontos und hatte seit Eröffnung im [X.] zu keiner [X.] Vollmacht über dieses Konto. Am 28. März 2008 überwies die Ehefrau des Schuldners ua. das [X.] des Beklagten für März 2008 von 2.853,82 Euro. Als Verwendungszweck war „[X.]“ angegeben. Dem Beklagten wurde das [X.] am 31. März 2008 mit der Angabe „W Architekten“ gutgeschrieben.

5

Der Kläger hat beantragt,

        

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 2.853,82 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. Juni 2008 zu zahlen.

6

Der Beklagte hat zur Begründung seines Klageabweisungsantrags vorgetragen, die Zahlung habe keine inkongruente Deckung bewirkt. Zudem liege ein Bargeschäft vor, das nur unter den vom Kläger nicht dargelegten Voraussetzungen des § 133 [X.] angefochten werden könne.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat auf die Berufung die Klage abgewiesen. Es hat kongruente Deckung angenommen. Mit seiner vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Der Beklagte macht geltend, die Ehefrau des Schuldners habe als dessen Erfüllungsgehilfin gehandelt.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision hat Erfolg. Mit der Begründung des [X.] konnte die Klage nicht abgewiesen werden. Auf der Grundlage des bisher festgestellten Sachverhalts kann der [X.] nicht entscheiden, ob der Anfechtungstatbestand des § 131 Abs. 1 Nr. 2 [X.] erfüllt ist. Dazu bedarf es noch der Feststellung des [X.], ob der Schuldner im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung zahlungsunfähig war. Der Rechtsstreit war daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

9

I. Der Kläger hat die mittelbar über das Konto der Ehefrau des Schuldners bewirkte Erfüllung des ([X.] für März 2008 und damit eine Rechtshandlung des Schuldners angefochten. [X.] ist der [X.]. Das hat der [X.] in seiner Entscheidung vom 13. November 2014 (- 6 [X.] 869/13 - Rn. 12) ausgeführt.

II. Die Begründung des [X.], der [X.] habe das Entgelt für März 2008 auf dem erfolgten Zahlungsweg beanspruchen können, weil nur eine geringfügige, die Gläubigerinteressen nicht beeinträchtigende Abweichung vorliege, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Sie trägt dem Grundgedanken des § 131 [X.] nicht hinreichend Rechnung. Die Befriedigung erfolgte nicht in der geschuldeten Art und war damit inkongruent. Der [X.] hatte keinen Anspruch auf die Erfüllung über das Privatkonto der Ehefrau des Schuldners. Der Schuldner hat mit Hilfe seiner Ehefrau Mittel seines Betriebs dem Zugriff der Gläubigergesamtheit entzogen und eine bestimmte Gläubigergruppe, seine Arbeitnehmer, bevorzugt. Er hat sich seiner Ehefrau bei der Zahlung des Entgelts für März 2008 nicht als [X.] bedient, wie der [X.] in der Revisionsinstanz - im Widerspruch zu seinem Vorbringen in den Tatsacheninstanzen, die Ehefrau des Schuldners sei geschäftsführend tätig gewesen - geltend macht. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der [X.] auf seine Ausführungen zur [X.] in seiner Entscheidung vom 13. November 2014 (- 6 [X.] 869/13 - Rn. 14 bis 29). Aufgrund der [X.] kommt dem [X.]n das [X.] des § 142 [X.] nicht zugute. Das hat der [X.] in seiner Entscheidung vom 13. November 2014 (- 6 [X.] 868/13 - Rn. 17 ff.) ausgeführt. Die Voraussetzung, dass der [X.] erkennen konnte, dass es sich um eine Leistung des Schuldners handelte (vgl. [X.] 21. November 2013 - 6 [X.] 159/12 - Rn. 13, [X.]E 146, 323), ist erfüllt. Die Zahlung erfolgte mit dem Zusatz „W Architekten“.

III. Die Entscheidung erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO).

1. Der [X.] erlangte die inkongruente Deckung Ende März 2008 und damit im zweiten Monat vor dem am 13. Mai 2008 beim Insolvenzgericht eingegangenen Eigenantrag. Auch die erforderliche Gläubigerbenachteiligung iSd. § 129 [X.] liegt vor. Das ergibt sich aus den Ausführungen des [X.]s in seiner Entscheidung vom 13. November 2014 (- 6 [X.] 869/13 - Rn. 32 bis 39).

2. Der Rückforderungsanspruch ist auch nicht verwirkt. Insoweit wird auf die Ausführungen des [X.]s im Urteil vom 13. November 2014 (- 6 [X.] 869/13 - Rn. 52 f.) verwiesen.

IV. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das [X.] hat keine Feststellungen zu der für § 131 Abs. 1 Nr. 2 [X.] erforderlichen Zahlungsunfähigkeit des Schuldners iSv. § 17 Abs. 2 [X.] im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung getroffen. Dies wird es unter Beachtung der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung ([X.] 6. Oktober 2011 - 6 [X.] 262/10 - Rn. 23 ff., [X.]E 139, 235; [X.] 7. November 2013 - [X.]/13 - Rn. 11; 18. Juli 2013 - [X.] - Rn. 7 ff.) nachzuholen haben und dabei auch darüber befinden müssen, ob es das vom Kläger eingereichte Schiedsgutachten vom 3. August 2010 verwertet. Sollte es die Zahlungsunfähigkeit bejahen, wird es bei seiner Entscheidung über die Zinsen zu beachten haben, dass der Einwand des missbräuchlichen Verhaltens dem geltend gemachten Zinsanspruch nicht entgegensteht. Das bloße Ausschöpfen der Verjährungsfrist begründet keinen Rechtsmissbrauch (vgl. [X.] 27. November 2008 - 6 [X.] 632/08 - Rn. 29, [X.]E 128, 317). Es wird weiter berücksichtigen müssen, dass der [X.] ab Insolvenzeröffnung mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen ist. Nach der geltenden Rechtslage entsteht das Anfechtungsrecht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und wird zugleich der [X.] fällig, weil die Insolvenzanfechtung keiner gesonderten Erklärung bedarf (vgl. [X.] 1. Februar 2007 - [X.]/04 - Rn. 20, [X.]Z 171, 38). Der Zinslauf des [X.] (§ 143 Abs. 1 Satz 2 [X.], § 819 Abs. 1, § 291 Satz 1 Halbs. 2, § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB) beginnt darum am Tag nach der Insolvenzeröffnung (st. Rspr. seit [X.] 27. Februar 2014 - 6 [X.] 367/13 - Rn. 39 f.).

        

    Fischermeier    

        

    Spelge    

        

    Krumbiegel    

        

        

        

    Sieberts    

        

    Steinbrück    

                 

Meta

6 AZR 631/13

13.11.2014

Bundesarbeitsgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Hannover, 24. Juli 2012, Az: 12 Ca 94/12, Urteil

§ 131 Abs 1 Nr 2 InsO, § 129 InsO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.11.2014, Az. 6 AZR 631/13 (REWIS RS 2014, 1391)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1391

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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