Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.10.2012, Az. 3 StR 385/12

3. Strafsenat | REWIS RS 2012, 2306

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 385/12
vom
16.
Oktober 2012
in der Strafsache
gegen

wegen
schwerer Vergewaltigung

-
2
-
Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 16. Oktober 2012 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 29.
März 2012 mit den Feststellungen auf-gehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen schwerer Vergewaltigung unter Einbeziehung der Strafe aus einer Vorverurteilung wegen Mordes zu [X.] verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Revision hat mit der Sachrüge Erfolg.
Nach den Feststellungen erschien der Angeklagte nach einem Streit mit der Nebenklägerin, seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau, an deren Woh-nung. Nachdem er sich dort Einlass verschafft hatte, erschoss er mit der Äuße-rung "Wenn du nicht mit [X.] redest, dann muss er sterben" oder "Dann [X.] ich den M.

" den dort anwesenden M.

K.

, einen guten Freund der Nebenklägerin. Sodann richtete er seine Pistole auf diese und sag-1
2
-
3
-
te, sie sei die nächste, wenn sie jetzt nicht mit ihm komme bzw. rede. Die [X.] erklärte sich hierzu bereit und verließ mit dem Angeklagten aus Furcht davor, ebenfalls erschossen zu werden, die Wohnung. Die beiden fuh-ren mit dem Auto zu einem Hotel. Während der Fahrt erwiderte die Nebenklä-gerin aus Angst auf die Bemerkung des Angeklagten, er liebe sie, sie liebe ihn auch, und umfasste seine Hand mit der ihren. In dem Hotel betraten die beiden [X.]. Spätestens nunmehr entschloss sich der Angeklagte, den [X.] mit der Nebenklägerin auszuüben. Er forderte sie auf, sich zu entkleiden, zog sich ebenfalls aus und legte die Pistole zu seinen Kleidern. Er fragte sie sodann, ob er nochmals mit ihr schlafen könne. Die Nebenklägerin befand sich nach wie vor in Angst, was der Angeklagte erkannte. Sie [X.] deshalb, dies sei okay. Sodann kam es zum Oral-, Vaginal-
und Analverkehr. Da die Nebenklägerin danach nicht aufhörte zu weinen, verließ der Angeklagte das
Zimmer; er stellte sich noch am selben Tage der Polizei.
1. Das [X.] hat den Angeklagten zunächst wegen Mordes verur-teilt, das Verfahren wegen des anschließenden Geschehens abgetrennt und dieses in dem hier angefochtenen Urteil als schwere Vergewaltigung gemäß §
177 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 1 StGB gewertet. Der Angeklagte habe der [X.] mit der Ankündigung "Du bist die Nächste"
mit gegenwärtiger Ge-fahr für Leib und Leben gedroht. Die durch die Tötung des M.

K.

ver-stärkte und bis
zum Betreten des Hotelzimmers fortwirkende Bedrohungslage habe er ausgenutzt, um die Nebenklägerin zu nötigen, sexuelle Handlungen an ihm vorzunehmen und von ihm an ihr vornehmen zu lassen.
2. Die hier angefochtene Verurteilung hält sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand; denn die Voraussetzungen einer Vergewaltigung sind durch die bisherigen Feststellungen nicht dargetan.
3
4
-
4
-
a) Vergewaltigung und sexuelle Nötigung im Sinne des § 177 Abs.
1 Nr.
1 und 2, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB setzen u.a. voraus, dass der [X.] oder eine sonstige sexuelle Handlung mit Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben erzwungen werden. Das angewendete [X.] muss nach dem Willen des Täters der [X.] der sexuellen Handlung
und ihrer Durchführung tatsächlich dienen, mithin "final" verknüpft sein. [X.], die der Täter ursprüng-lich aus anderen Gründen angewendet hatte, kann zwar später in der Weise als Drohung aktualisiert werden, dass der Täter durch sein Verhalten ausdrück-lich oder zumindest konkludent zum Ausdruck bringt, er werde die Gewaltan-wendung wiederholen, sollte ihm das Opfer nunmehr nicht sexuell zu Willen sein. Nur wenn das Opfer auf eine solche aktuelle Drohung hin vom [X.] gegen das sexuelle Ansinnen absieht und der Täter dies zumindest für möglich hält und billigend in Kauf nimmt, sind die tatbestandlichen Vorausset-zungen des § 177 Abs. 1 Nr. 2 StGB erfüllt. Dies gilt in gleicher Weise, wenn der Täter zunächst zu anderen Zwecken zwar keine Gewalt verübt, aber mit Gefahr für Leib oder Leben des Opfers gedroht hatte (vgl. [X.], Urteile vom 10.
Oktober 2002 -
2 [X.], [X.], 42, 44; vom 31. August 1993 -
1 [X.], [X.]R StGB § 177 Abs. 1 Drohung 8). Demgegenüber genügt es nicht, dass das Opfer aufgrund der früher zu anderen Zwecken angewende-ten Gewalt oder ausgesprochenen Drohung noch Angst empfindet, der Täter dies erkennt und zur Umsetzung seiner nunmehr gefassten Absichten ausnutzt, ohne indes ausdrücklich oder konkludent unter Bezugnahme auf die ursprüngli-che Gewalt oder Drohung eine neue Drohung zum Ausdruck zu bringen (vgl. [X.], Beschluss vom 5. Oktober 2004 -
3 [X.], [X.], 268, 269).
b) Nach diesen Maßstäben belegen die Feststellungen eine Vergewalti-gung nicht. Die vom Angeklagten in der Wohnung des Opfers ausgesprochene 5
6
-
5
-
Drohung diente nicht dazu, die Nebenklägerin zu veranlassen, sexuelle [X.] vorzunehmen oder zu erdulden. Eine spätere Aktualisierung dieser [X.] zur Durchsetzung der neu gefassten sexuellen Absichten des Angeklag-ten ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Es ist nicht festgestellt, dass der Angeklagte vor der Vornahme der sexuellen Handlungen in dem Hotelzimmer ausdrücklich oder zumindest konkludent auf die ursprüngliche Bedrohung Be-zug
nahm. Dafür könnte zwar etwa sprechen, dass der Angeklagte die Neben-klägerin aufforderte, sich auszuziehen, und die Pistole in das Hotelzimmer mit-genommen hatte, auch wenn der Grund für letzteres nicht festgestellt ist. Ande-rerseits begann der Angeklagte mit den sexuellen Handlungen erst, nachdem die Nebenklägerin sich ihm während der Autofahrt zugewendet und seine [X.], ob er mit ihr schlafen könne, entsprechend beantwortet hatte. Auch wenn dieses Verhalten der Nebenklägerin vor allem durch ihre Angst begründet war, hätte es vor diesem Hintergrund sowie im Hinblick auf das Nachtatverhalten des Angeklagten eindeutigerer Feststellungen bedurft, um eine finale Bedro-hung zur Erzwingung der sexuellen Handlungen mit genügender Sicherheit zu belegen.

3. Die Einstellung des Verfahrens wegen des Verbrauchs der Strafklage durch die Verurteilung wegen Mordes kommt nicht in Betracht. Aus den vom [X.] in den Urteilsgründen und dem [X.] in seiner An-tragsschrift dargelegten Gründen stellt das Tötungsdelikt eine andere pro-zessuale Tat dar. Auch wenn man berücksichtigt, dass die bis zu den sexuellen Handlungen fortdauernde Angst der Nebenklägerin auf der Tötung des M.

K.

sowie der in unmittelbarem Zusammenhang hiermit ausgesprochenen Drohung beruhte, ist das Geschehen in dem Hotelzimmer mit demjenigen in der Wohnung der Nebenklägerin nicht derart eng verknüpft, dass eine [X.] Aburteilung als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs 7
-
6
-
erscheint, zumal eine Verurteilung nach § 177 StGB gemäß den obigen Aus-führungen ein zumindest konkludentes Aktualisieren der Bedrohungslage und damit ein neues Tätigwerden des Angeklagten erfordert.
4. Die Sache bedarf somit neuer Verhandlung und Entscheidung.
Becker

Hubert Schäfer

Gericke Spaniol
8

Meta

3 StR 385/12

16.10.2012

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.10.2012, Az. 3 StR 385/12 (REWIS RS 2012, 2306)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2306

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 StR 385/12 (Bundesgerichtshof)

Vergewaltigung: Ausnutzung früher zu anderen Zwecken angewendeter Gewalt


4 StR 34/07 (Bundesgerichtshof)


5 StR 386/22 (Bundesgerichtshof)

Besonders schwere Vergewaltigung: Strafzumessung bei Prostituierter als Tatopfer


3 StR 256/04 (Bundesgerichtshof)


4 StR 178/06 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

3 StR 385/12

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.