Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.07.2020, Az. IV ZB 11/20

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 11443

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[X.]:[X.]:[X.]:2020:150720BIVZB11.20.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 11/20
vom
15. Juli 2020
in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die Vorsitzende [X.]in [X.], die [X.] [X.], Prof. Dr.
Karczewski, [X.] und die [X.]in [X.]

am 15. Juli 2020

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Be-schluss des Landgerichts München
I

31. Zivilkammer

vom 27.
Januar 2020 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Entscheidung

auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens

an das Be-schwerdegericht zurückverwiesen.

Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren wer-den nicht erhoben.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf

festgesetzt.

Gründe:

[X.] Die Klägerin hat die Beklagte auf Auskunft über die Höhe der Stornokosten und auf Rückzahlung desjenigen Betrages in Anspruch ge-nommen, den die Beklagte wegen des Rücktritts der Reisenden
von ei-nem Reisevertrag dieser über den tatsächlichen Rücktrittsschaden hin-aus in Rechnung gestellt hatte.
Die Reisende hatte bei der Beklagten eine Pauschalreise vom 8. bis
22.

bucht. Nachdem sie am 5. April 2017 von dem Vertrag zurückgetreten 1
-
3
-

sepreises gemäß den vereinbarten Reise-
und Zahlungsbedingungen) in Rechnung, die
sie
mit der geleisteten Zahlung der Reisenden verrechne-te und den Differenzbetrag erstattete. Die Reisende
hatte ferner
einen Vertrag mit einem
Reiserücktrittsversicherer geschlossen. Dieser erstat-tete ihr abzüglich der vereinbarten Selbstbeteiligung von 30
Der Reiserücktrittsversicherer trat den von ihm ge-gen die Beklagte im Wege der Legalzession nach §
86 [X.] geltend ge-machten Anspruch an die Klägerin ab.

Nachdem die Beklagte die verlangte Auskunft im Rahmen ihrer Klageerwiderung erteilt und einen
Betrag von 363,14

überwiesen hatte, haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt und wechselseitig Kostenanträge gestellt. Das [X.] hat der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Die hier-gegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Landgericht (Einzelrich-ter) durch den angefochtenen Beschluss zurückgewiesen.

Mit der vom Beschwerdegericht wegen der grundsätzlichen Bedeu-tung der [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Klä-gerin das Ziel, die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten aufzuerlegen.

I[X.]
[X.] führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerde-gericht.

1. [X.] ist gemäß §
574 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2, Abs.
3 ZPO statthaft. Ihre Zulassung ist nicht deshalb unwirksam, weil der Einzelrichter entgegen §
568 Satz
2 Nr.
2 ZPO anstelle des Kollegi-ums entschieden und damit gegen das Verfassungsgebot des gesetzli-2
3
4
5
-
4
-
chen [X.]s (Art.
101 Abs.
1 Satz
2 GG) verstoßen hat. An eine den-noch erfolgte Zulassung ist das Rechtsbeschwerdegericht gemäß §
574 Abs.
3 Satz
2 ZPO gebunden ([X.], Beschlüsse vom 19.
August 2014

[X.], NJW 2014, 3520 Rn.
4; vom 13.
Juli 2004 -
VI [X.], NJW-RR 2004, 1717
unter I 1
[juris Rn.
5]; vgl. auch [X.]/[X.], ZPO 33.
Aufl. §
91a Rn.
29; [X.]/[X.] aaO §
574 Rn.
9).

2. [X.] ist auch begründet. Die angefochtene Entscheidung unterliegt bereits deshalb der Aufhebung, weil sie unter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen [X.]s ergangen ist. Der Einzelrichter durfte nicht selbst entscheiden, sondern hätte das Verfahren wegen der von ihm angenommenen grundsätzlichen Bedeu-tung der Rechtssache gemäß §
568 Satz
2 Nr.
2 ZPO der mit drei [X.] übertragen müssen. Mit seiner Entscheidung hat er die Beurteilung der grundsätzlichen Bedeutung der Sache dem [X.] als dem gesetzlich zuständigen [X.] entzogen. Diesen Verstoß gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen [X.]s hat der [X.] wegen zu beachten (vgl. [X.], Beschlüsse vom 7. Mai 2020

[X.], [X.], 1077 Rn.
3; vom 19.
August 2014 aaO Rn.
5; vom 13.
Juli 2004 aaO Rn.
6; vgl. auch [X.]/[X.] aaO §
574 Rn.
9).

II[X.] Nach Zurückverweisung wird der Einzelrichter die Sache der Kammer zu übertragen haben, wenn er der Rechtssache nach erneuter Prüfung weiterhin grundsätzliche Bedeutung beimisst. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass es nicht Zweck einer Ent-scheidung über die Kosten des Rechtsstreits nach §
91a ZPO ist, Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu klären, soweit es um Fragen des materiellen Rechts geht. Grundlage der Entscheidung ist [X.] eine summarische Prüfung, bei der das Gericht grundsätzlich da-von absehen kann, in einer rechtlich schwierigen Sache nur wegen der 6
7
-
5
-
Verurteilung der Kosten alle für den hypothetischen Ausgang bedeutsa-men Rechtsfragen zu klären ([X.], Urteil vom 18.
April 2013 -
III ZR 156/12, [X.]Z 197, 147 Rn.
13; Beschlüsse vom 7.
Februar 2018 -
VII ZB 28/17 juris Rn.
10; vom 28.
Oktober 2008 -
VIII ZB 28/08, NJW-RR 2009, 422 juris Rn.
5; [X.]/[X.], ZPO 33.
Aufl. §
91a Rn.
27).

Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die Reise-rücktrittsversicherung in den Anwendungsbereich des §
86 [X.] fällt,
stellt eine derartig schwierige Frage des materiellen Rechts dar.
§
86 [X.] findet, wie sich bereits aus seiner Stellung
im Gesetz ergibt, auf die Schadenversicherung, nicht dagegen auf die [X.] (vgl. bereits Senatsurteil vom 4.
Juli 2001 -
IV ZR 307/00, [X.], 1100 juris Rn.
22
-
25 zur Krankentagegeldversicherung
unter der Geltung von § 67 Abs. 1 [X.] a.F.).

In Rechtsprechung und Schrifttum wird vielfach vertreten, dass die Reiserücktrittsversicherung eine Schadenversicherung oder dieser [X.] ähnlich ausgestaltet sei, so dass §
86 [X.] entweder direkt oder zumindest analog Anwendung finde ([X.], Urteil vom 18.
Juli 2016

27 O 425/15, BeckRS 2016, 117240; [X.], Urteil vom 9.
Juni 2016 -
4 S 36/15 juris Rn.
13
-
20; [X.], Urteil vom 17.
März 2014

14 O 298/13, juris Rn.
37
-
42; [X.], Urteil vom 14.
Oktober 2019

142
C 353/18, BeckRS 2019, 31335
Rn. 15 -
17; [X.] in [X.], [X.] 9.
Aufl. §
86 Rn.
33; Armbrüster in [X.]/[X.], [X.] 30.
Aufl. §
86 Rn.
5; Brand in [X.]/Pauge/Steinmeyer, Ge-samtes Medizinrecht 3.
Aufl. §
86 Rn.
5; unklar HK-[X.]/Muschner, 4.
Aufl. §
86 Rn.
2, 3). Demgegenüber lehnen andere eine direkte oder entsprechende Anwendung von §
86 [X.] auf die Reiserücktrittsversi-cherung ab (LG München
I, Urteil vom 27.
April 2006 -
31 [X.], BeckRS 2011, 12097; [X.] in Burmann/[X.]/[X.]/[X.], 8
9
-
6
-
Straßenverkehrsrecht 26.
Aufl. §
86 Rn.
13). Das Beschwerdegericht seinerseits will auf die konkrete Ausgestaltung des [X.] abstellen, der hier indessen einschließlich der maßgeblichen Versi-cherungsbedingungen nicht zur Akte gereicht
wurde. Für die Klärung dieser Rechtsfrage im Rahmen einer Kostenentscheidung gemäß §
91a ZPO dürfte daher von
vornherein kein Raum
sein.

IV. Von der Erhebung von Gerichtskosten wird gemäß §
21 Abs.
1 Satz
1 GKG abgesehen.

[X.]
[X.]
Prof. Dr. Karczewski

[X.]
[X.]
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom [X.] -
113 [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 27.01.2020 -
31 [X.] -

10

Meta

IV ZB 11/20

15.07.2020

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.07.2020, Az. IV ZB 11/20 (REWIS RS 2020, 11443)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 11443

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VI ZB 17/13

IX ZB 56/19

III ZR 156/12

IV ZB 11/20

31 T 18460/19

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