Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.05.2019, Az. 9 AZR 295/18

9. Senat | REWIS RS 2019, 7089

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Gegenstand

Arbeitnehmerstatus - Übersetzer


Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] - Kammern [X.] - vom 5. März 2018 - 9 [X.]/17 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der [X.] dem Kläger gegenüber ausgesprochenen Kündigung des Vertragsverhältnisses und in diesem Zusammenhang vorrangig um die Frage, ob das Vertragsverhältnis ein Arbeitsverhältnis ist.

2

Die Beklagte beschäftigte den Kläger seit dem [X.] auf der Grundlage mehrerer „Honorarverträge“ als Übersetzer für die [X.]. Der letzte dieser Verträge datiert vom 14. Dezember 2016 und enthält [X.]. folgende Bestimmungen:

        

§ 1 Leistung

        

Der Auftragnehmer verpflichtet sich, ab 01. Jan[X.]r 2017 für die Bundesstelle für F folgende Aufgaben zu übernehmen: Inhaltlich und sprachlich einwandfreies Übersetzen von …

        

§ 2 Honorar

        

Der Auftragnehmer erhält für seine Leistungen ein Stundenhonorar:

        

Dieses Stundenhonorar staffelt sich wie folgt:

        

-       

Vorselektion (Hören/Lesen) der Texte

31,50 €/Stunde

        

-       

Einteilung nach Prioritäten und Erstellen einer Inhaltsübersicht der Texte

36,50 €/Stunde

        

-       

Zusammenfassung

41,50 €/Stunde

        

-       

Inhaltsangabe

46,50 €/Stunde

        

-       

Übersetzung/Wortprotokoll

56,50 €/Stunde

        

-       

Grundlagenarbeit

36,50 €/Stunde

        

In dem vereinbarten [X.] ist die z.Z. gesetzlich geltende Mehrwertsteuer von 19 % enthalten. MwSt.-Änderungen wirken sich entsprechend auf das Stundenhonorar aus. Das Honorar ist fällig nach Rechnungsstellung, sobald der Auftraggeber die Leistung abgenommen hat.

        

Mit dem vereinbarten Honorar sind alle Aufwendungen des Auftragnehmers (Steuern, Beiträge zur Berufsgenossenschaft, Kosten für die An- und Abfahrt sowie alle Risiken bei Unfall, Krankheit, Tod) abgegolten.

        

Von Seiten des Auftraggebers werden keinerlei Steuern, Sozialabgaben oder sonstige Versicherungen abgeführt. Die pünktliche Abführung der auf das Honorar zu entrichtenden Steuern (insbesondere Einkommensteuer) obliegt dem Auftragnehmer. Der Auftragnehmer verpflichtet sich, am Markt aufzutreten, um weitere Auftraggeber zu gewinnen.

        

§ 3 Auftragsabwicklung

        

1.    

Der Auftragnehmer führt die Leistung in eigener Verantwortung aus.

        

2.    

Arbeitszeit und Arbeitsort werden, soweit nicht durch die Eigenart des Auftrags vorgegeben, von dem Auftragnehmer selbstständig bestimmt.

        

3.    

Der Auftraggeber ist berechtigt, die Leistung durch Einzelangaben zu konkretisieren. Weisungen werden dem Auftragnehmer nicht erteilt.

        

4.    

Dem Auftragnehmer steht es frei, die Aufträge durch eigenes Personal bearbeiten zu lassen, soweit dies vorab nach den Bestimmungen des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes von den zuständigen Stellen der Bundesstelle für F überprüft und eine Sicherheitsfreigabe erteilt wurde.

        

…       

        

§ 4 Arbeitsmittel

        

Arbeitsgeräte/Arbeitsmittel werden von dem Auftragnehmer gestellt, soweit sie nicht aus sicherheitlichen Gründen vom Auftraggeber überlassen werden müssen.

        

…       

        

§ 8 Berichtspflicht

        

Der Auftragnehmer verpflichtet sich, dem Auftraggeber über den jeweiligen Stand der Leistungen im Abstand von 2 Wochen kostenlos Auskunft zu geben.“

3

Der Kläger erbrachte seine Übersetzungsleistungen in der Dienststelle der [X.] in [X.] Dort stellte die Beklagte dem Kläger ein Büro mit einem [X.] zur Verfügung, das er zu den allgemeinen Bürozeiten zu nutzen berechtigt war. Die zur Übersetzung anstehenden Dokumente, Audiodateien und Texte befanden sich ausschließlich auf diesem [X.]. Die Beklagte machte dem Kläger weder Vorgaben hinsichtlich der Arbeitszeiten noch teilte sie ihn in Dienstpläne ein. Suchte der Kläger das Büro nicht auf, informierte er die Dienststelle. Die Beklagte wies den sieben bei ihr eingesetzten Übersetzern, so auch dem Kläger, einen Beschäftigten der Dienststelle als „Betreuer“ zu. Dieser koordinierte die Übersetzungsarbeiten, die der Kläger eigenständig durchzuführen hatte, legte die Bearbeitungsreihenfolge unter Beachtung ihrer Dringlichkeit fest, kontrollierte das Arbeitsergebnis und fungierte allgemein als Ansprechpartner.

4

Mit Schreiben vom 24. Febr[X.]r 2017, das dem Kläger am 8. März 2017 zuging, erklärte die Beklagte die Kündigung des Vertrags zum 31. März 2017.

5

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Kündigung der [X.] sei unwirksam, weil der Personalrat vor Ausspruch der Kündigung nicht beteiligt worden sei und kein die Kündigung sozial rechtfertigender Grund bestehe. Er könne sich auf den gesetzlichen Kündigungsschutz berufen, weil das Vertragsverhältnis der Parteien als Arbeitsverhältnis zu q[X.]lifizieren sei. Dies folge insbesondere daraus, dass er die Arbeitszeit nicht frei festlegen könne, die Übersetzungsaufträge in der Dienststelle erledigen müsse und die Bearbeitungsreihenfolge von der [X.] vorgegeben werde. Außerdem könne er die Aufträge faktisch nicht durch eigenes Personal abwickeln, weil die Sicherheitsüberprüfung nach dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz, an die eine Übertragung der Übersetzungstätigkeit an Dritte geknüpft sei, im Einzelfall sechs oder mehr Monate betrage.

6

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der [X.] vom 24. Febr[X.]r 2017 nicht aufgelöst worden ist.

7

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage mit der Begründung beantragt, die Parteien habe ein freier Dienstvertrag verbunden. Dies belege nicht zuletzt der Umstand, dass der Kläger frei darüber habe entscheiden können, ob und gegebenenfalls an welchen Tagen er Übersetzungsaufträge annehme. Der Kläger habe seine Arbeitsleistung bei entsprechendem Bedarf in einer der anderen Dienststellen der [X.] erbringen können. Die Bindung an die von der [X.] eingerichteten Dienststellen sei allein der Art der Dienstleistung geschuldet, die in der Bearbeitung sicherheitsrelevanter Daten bestehe.

8

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat die Berufung der [X.] gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte das Ziel weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die [X.]evision der [X.] ist begründet. Mit der Begründung des [X.] durfte dem Kündigungsschutzbegehren des [X.] nicht entsprochen werden. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen kann der [X.] nicht abschließend beurteilen, ob das Vertragsverhältnis der [X.]en ein Arbeitsverhältnis ist, das durch die Kündigung der [X.] vom 24. Februar 2017 aufgelöst worden ist. Das angefochtene Urteil war deshalb aufzuheben und die Sache nach § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

I. Im Ergebnis zutreffend ist das [X.] davon ausgegangen, dass der vom Kläger zur Entscheidung gestellte Feststellungsantrag als Kündigungsschutzantrag iSd. § 4 [X.] zulässig ist. Gegenstand einer Kündigungsschutzklage nach § 4 Satz 1 [X.] ist das Begehren festzustellen, dass „das Arbeitsverhältnis“ durch die konkrete, mit der Klage angegriffene Kündigung zu dem in ihr vorgesehenen Termin nicht aufgelöst worden ist. Die betreffende Feststellung erfordert nach dem Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung eine Entscheidung über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ([X.] 21. April 2016 - 2 [X.] - [X.]n. 16). Das Gericht hat deshalb inzidenter zu überprüfen, ob das [X.]echtsverhältnis der [X.]en als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist (vgl. zum Befristungskontrollrecht [X.] 21. November 2017 - 9 [X.] - [X.]n. 19). Besteht kein Arbeitsverhältnis, kann ein der Klage stattgebendes Urteil nicht ergehen; vielmehr ist die Klage schon aus diesem Grund abzuweisen (vgl. [X.] 12. Mai 2011 - 2 [X.] - [X.]n. 18).

II. Das [X.] ist rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, die [X.]en verbinde ein Arbeitsverhältnis. Auf der Grundlage der von ihm festgestellten Tatsachen durfte das [X.] nicht zu dem Schluss gelangen, die [X.]en seien von den Bestimmungen des [X.] mit der Folge abgewichen, dass ihre [X.]echtsbeziehung als Arbeitsverhältnis anzusehen ist.

1. Das [X.] ist zunächst zutreffend von den rechtlichen Grundsätzen ausgegangen, die das [X.] zur Abgrenzung eines Arbeitsverhältnisses von dem [X.]echtsverhältnis eines selbstständigen Unternehmers aufgestellt hat.

a) Ein Arbeitsverhältnis unterscheidet sich von dem [X.]echtsverhältnis eines selbstständig Tätigen durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der Verpflichtete befindet. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung [X.], fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (vgl. § 84 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 HGB). Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Letztlich kommt es für die Beantwortung der Frage, welches [X.]echtsverhältnis im konkreten Fall vorliegt, auf eine Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls an. Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Die zwingenden gesetzlichen [X.]egelungen für Arbeitsverhältnisse können nicht dadurch abbedungen werden, dass die [X.]en ihrem Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung geben. Der objektive Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist letztere maßgeblich, weil sich aus der praktischen Handhabung der Vertragsbeziehungen am ehesten [X.]ückschlüsse darauf ziehen lassen, von welchen [X.]echten und Pflichten die Vertragsparteien ausgegangen sind, was sie also wirklich gewollt haben. Die Vorschrift des § 611a BGB spiegelt diese [X.]echtsgrundsätze wider ([X.] 21. November 2017 - 9 [X.] - [X.]n. 23 mwN).

b) Die Tatsacheninstanzen haben bei der Prüfung des Arbeitnehmerstatus einen weiten Beurteilungsspielraum. Ihre Würdigung ist nur daraufhin zu überprüfen, ob sie den [X.]echtsbegriff des Arbeitnehmers selbst verkannt, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt, bei der Subsumtion den [X.]echtsbegriff wieder aufgegeben oder wesentliche Umstände außer Betracht gelassen haben ([X.] 21. November 2017 - 9 [X.] - [X.]n. 26).

2. Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs hält das Urteil des [X.] einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

a) Das [X.] ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, die Vertragsbestimmungen als solche seien die eines Vertrags, den der Kläger als Selbstständiger erfüllen sollte. Die Auslegung seitens des [X.] ist insoweit frei von [X.]echtsfehlern.

aa) Der „Honorarvertrag“ räumt der [X.] keine fachlichen Weisungsrechte ein. Vielmehr bestimmt § 3 Nr. 1 des Vertrags, dass der Kläger die geschuldeten Übersetzungsleistungen in eigener Verantwortung erbringt. § 3 Nr. 3 Satz 1 des Vertrags berechtigt die Beklagte dabei, die von dem Kläger zu erbringende Leistung zu konkretisieren, ohne dass hierdurch ein Weisungsrecht begründet wird (§ 3 Nr. 3 Satz 2 des Vertrags). Der Kläger sollte gemäß § 3 Nr. 2 des Vertrags auch die Arbeitszeit und den Ort der Arbeitsleistung selbstständig bestimmen können. Soweit die Vertragsbestimmung diese Freiheit einschränkt, wenn „die Eigenart des Auftrags“ Arbeitszeit oder Arbeitsort vorgibt, liegt hierin kein Widerspruch. Denn auch in diesen Fällen wird der [X.] nicht das [X.]echt eingeräumt, dem Kläger in örtlicher oder zeitlicher Hinsicht Weisungen zu erteilen.

bb) Gegen die Annahme, der „Honorarvertrag“ habe einen arbeitsvertraglichen Inhalt, spricht zudem der Umstand, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, die geschuldete Leistung in Person zu erbringen. Gemäß § 3 Nr. 4 des Vertrags ist der Kläger vielmehr unter den dort näher bezeichneten Voraussetzungen berechtigt, die Aufträge durch eigenes Personal bearbeiten zu lassen. [X.]äumt eine Vertragspartei der anderen Vertragspartei das [X.]echt ein, Dritte in die Leistungserbringung einzubinden, weist dies auf eine selbstständige Tätigkeit hin (vgl. [X.] 11. August 2015 - 9 [X.] - [X.]n. 25).

cc) Ein weiteres Indiz für einen Vertragswillen, der auf die Vereinbarung eines [X.]echtsverhältnisses als Selbstständiger gerichtet ist, findet sich in § 4 des Vertrags. Nach dieser Bestimmung stellt der Kläger die Arbeitsgeräte/Arbeitsmittel grundsätzlich selbst. Eine Ausnahme gilt nur für die Fälle, in denen „sicherheitliche Gründe“ Abweichendes erfordern.

dd) Schließlich legen die [X.]egelungen in § 2 Abs. 5 Satz 3 des Vertrags die Annahme eines freien [X.]echtsverhältnisses nahe. Danach ist der Kläger „verpflichtet ..., am Markt aufzutreten, um weitere Auftraggeber zu gewinnen“. Verständigen sich die Vertragsparteien darauf, dass eine Vertragspartei während der Laufzeit des Vertrags andere berufliche und gewerbliche Aktivitäten zu entfalten berechtigt - und im Streitfall sogar verpflichtet - ist, ist dies ein Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit ([X.] 11. August 2015 - 9 [X.] - [X.]n. 26).

ee) Für den Status des [X.] sind die sonstigen Bestimmungen unter § 2 des Vertrags unerheblich. Hiernach erhält der Kläger für seine Leistungen ein „Stundenhonorar“ (§ 2 Abs. 1 des Vertrags), das nach [X.]echnungsstellung fällig ist (§ 2 Abs. 3 Satz 3 des Vertrags). Die Art der Vergütung spielt für die Abgrenzung verschiedener Vertragstypen keine [X.]olle, da sich die persönliche Abhängigkeit des Verpflichteten danach bestimmt, inwieweit die Ausführung der versprochenen Leistungen weisungsgebunden und damit fremdbestimmt erfolgt. Entscheidend sind die Umstände der Dienstleistung, nicht aber die Modalitäten der Vergütungszahlung (vgl. [X.] 27. Juni 2017 - 9 [X.] - [X.]n. 29).

ff) Gleiches gilt für die steuer- und sozialversicherungsrechtliche Abwicklung des [X.]echtsverhältnisses. Nach § 2 Abs. 5 Satz 1 des Vertrags sollte die Beklagte nicht verpflichtet sein, Steuern und Sozialabgaben abzuführen. Die Behandlung der vereinbarten Vergütung ist für die Frage, welcher Natur das [X.]echtsverhältnis ist, ohne Belang. Dies folgt bereits daraus, dass das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis und das Arbeitsverhältnis nicht identisch sind (vgl. [X.] 8. Mai 2018 - 9 AZ[X.] 531/17 - [X.]n. 20).

b) [X.]echtsfehlerhaft ist allerdings die Annahme des [X.], auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen lasse die tatsächliche Durchführung des Vertrags darauf schließen, die [X.]en hätten abweichend von den Bestimmungen des Vertrags ein Arbeitsverhältnis begründen wollen.

aa) Das [X.] ist davon ausgegangen, der Kläger sei ungeachtet der vertraglichen Bestimmungen in den Betrieb der [X.] eingebunden gewesen und habe derart den Weisungen der [X.] unterstanden, dass die [X.]echtsbeziehung der [X.]en als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren sei. Der als [X.]ahmenvertrag konzipierte [X.] bestimme die vom Kläger zu erbringenden Leistungen nicht soweit, dass die Arbeitsaufgabe des [X.] klar umrissen sei. Aus diesem Umstand hat das [X.] auf ein Weisungsrecht der [X.] geschlossen. In diesem Zusammenhang hat das [X.] einerseits festgestellt, die Beklagte habe dem Kläger „die jeweiligen Übersetzungsaufträge ... zugeteilt“; andererseits ist es davon ausgegangen, die Beklagte habe „dem Kläger Aufgaben zur Erledigung angeboten“.

bb) Diese Begründung ist in zweifacher Hinsicht rechtsfehlerhaft.

(1) Das [X.] ist unzutreffend davon ausgegangen, ein [X.]ahmenvertrag, der die Umstände der zu erbringenden Leistung nicht im Einzelnen festlege, setze ein Weisungsrecht der einen [X.] gegenüber der anderen [X.] voraus, das typischerweise für ein Arbeitsverhältnis kennzeichnend sei. Gerade das [X.]echt der selbstständigen Leistungserbringung kennt [X.]ahmenverträge, in denen die Vertragsparteien lediglich die grundsätzliche Ausgestaltung ihrer Geschäftsbeziehung regeln. Der [X.] hat in der Vergangenheit mehrfach [X.]ahmenverträge als Verträge mit einem Selbstständigen gewertet (vgl. [X.] 21. November 2017 - 9 [X.] -; 17. Oktober 2017 - 9 [X.] -; 27. Juni 2017 - 9 [X.] -). Für die rechtliche Einordnung des Vertrags kommt es darauf an, ob der [X.]ahmenvertrag der einen [X.] das [X.]echt zubilligt, frei über die Annahme der künftigen Einzelverträge zu entscheiden, oder ob einer [X.] ein Weisungsrecht zustehen soll, infolge dessen sie die zu erbringende Leistung einseitig und für die andere [X.] verbindlich festzulegen berechtigt ist.

(2) Die angefochtene Entscheidung beruht außerdem auf widersprüchlichen Feststellungen. Die Bindungswirkung nach § 559 Abs. 2 ZPO entfällt, wenn die Feststellungen des [X.] unklar, lückenhaft oder widersprüchlich sind. Solche Mängel sind auch ohne Verfahrensrüge iSv. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b, § 559 Abs. 1 Satz 2 ZPO von Amts wegen zu berücksichtigen ([X.] 18. Juli 2017 - 1 [X.] - [X.]n. 25). Auf der einen Seite hat das [X.] festgestellt, die Beklagte habe dem Kläger „die jeweiligen Übersetzungsaufträge ... zugeteilt“. [X.]äumt ein Vertrag einer Vertragspartei das [X.]echt ein, andere Aufgaben zuzuteilen, dh. zuzuweisen, ohne dass der anderen [X.] ein Mitspracherecht zusteht, indiziert dies zwar ein für Arbeitsverträge typisches Weisungsrecht. Davon kann nach den getroffenen Feststellungen jedoch nicht ausgegangen werden, weil das [X.] auf der anderen Seite angenommen hat, die Beklagte habe „dem Kläger Aufgaben zur Erledigung angeboten“. [X.]äumt ein Vertrag einer Vertragspartei lediglich die Befugnis ein, der anderen Vertragspartei ein Angebot zu unterbreiten, das diese nicht anzunehmen verpflichtet ist, spricht dies gegen die Annahme eines Weisungsrechts.

III. Diese [X.]echtsfehler führen zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen ist es dem [X.] nicht möglich, den [X.]echtsstreit abschließend zu entscheiden (vgl. § 563 Abs. 3 ZPO). Es bedarf deshalb einer Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

1. Im erneuten Berufungsverfahren wird das [X.] zunächst widerspruchsfrei festzustellen haben, auf welche Weise die [X.]en die durch den [X.] lediglich rahmenmäßig beschriebenen Übersetzungsleistungen in der täglichen Praxis konkretisierten. Sollte sich dabei herausstellen, dass die Beklagte dem Kläger die einzelnen Übersetzungsaufträge einseitig „zuwies“, ohne dem Kläger ein gleichberechtigtes Mitspracherecht einzuräumen, spricht dies für ein Weisungsrecht und damit für die Annahme eines Arbeitsvertrags. Sollte die Beklagte dem Kläger die einzelnen Übersetzungsaufträge lediglich „angeboten“ haben, ohne das [X.]echt für sich in Anspruch zu nehmen, diesbezüglich einseitige Anordnungen zu treffen, indiziert dies, dass die [X.]en ein freier Dienstvertrag verband.

2. Unter Berücksichtigung der zu treffenden Feststellungen sowie sämtlicher Umstände wird das [X.] erneut zu prüfen haben, ob das [X.]echtsverhältnis aufgrund seiner tatsächlichen Handhabung als Arbeitsverhältnis oder als freies Dienstverhältnis zu qualifizieren ist. Nach den bisher getroffenen Feststellungen sind die folgenden Gesichtspunkte zu beachten:

a) Nach den Feststellungen des [X.] stand es dem Kläger frei, Übersetzungsaufträge der [X.] anzunehmen und das ihm von der [X.] zur Verfügung gestellte Büro nicht zu nutzen. Dies spricht für ein freies Dienstverhältnis. Weder machte die Beklagte dem Kläger Vorgaben hinsichtlich der Arbeitszeit noch teilte sie ihn in die Dienstpläne ein. Soweit der Kläger eingewandt hat, die Beklagte habe erwartet, dass er die ihm angetragenen Übersetzungsleistungen erbringe, übersieht er, dass die Äußerung von Erwartungen mit der Erteilung von Weisungen nicht identisch ist (vgl. [X.] 17. Oktober 2017 - 9 [X.] - [X.]n. 27).

b) Der Umstand, dass der Kläger die Übersetzungsleistungen ausschließlich in der Dienststelle der [X.] in [X.] erbrachte, lässt für sich genommen demgegenüber nicht den Schluss zu, die Beklagte habe ein arbeitsvertragliches Weisungsrecht für sich in Anspruch genommen. Für Personen, die im Geschäftsbereich von Sicherheitsbehörden sicherheitsrelevante Büroarbeiten erledigen, ist es typisch, dass diese ihre Tätigkeit in den ihnen zur Verfügung gestellten [X.]äumen verrichten und damit an einen bestimmten Ort gebunden sind. Eine solche Bindung besagt nichts über eine persönliche Abhängigkeit einer Vertragspartei (vgl. zu Lehrkräften [X.] 21. November 2017 - 9 [X.] - [X.]n. 40).

c) Der Arbeitszeitsouveränität des [X.], die regelmäßig ein freies Dienstverhältnis kennzeichnet, steht es nicht automatisch entgegen, dass er die von ihm angenommenen Aufträge während der allgemeinen Bürozeiten erledigte. Die organisatorische Bindung an die Öffnungszeiten der [X.]äumlichkeiten des Auftraggebers begründet für sich genommen kein eindeutiges arbeitsvertragliches Weisungsrecht des Auftraggebers. Es ist auch für Selbstständige nicht unüblich, dass sie die vertraglichen Leistungen im [X.]ahmen der organisatorischen Gegebenheiten des Auftraggebers zu erbringen haben (vgl. [X.] 21. Juli 2015 - 9 AZ[X.] 484/14 - [X.]n. 25). Zwar kann in der Anordnung, eine Tätigkeit nur in bestimmten [X.]äumlichkeiten zu verrichten, und einer nur zeitlich beschränkten Zurverfügungstellung dieser [X.]äumlichkeiten eine zeitliche Weisungsgebundenheit liegen. Der Kläger hat allerdings nicht geltend gemacht, es sei ihm deshalb in zeitlicher Hinsicht kein wesentlicher Spielraum verblieben (vgl. hierzu [X.] 21. November 2017 - 9 [X.] - [X.]n. 36). Vielmehr hat er eingeräumt, er habe über „ein bestimmtes Zeitfenster“ verfügt.

d) Soweit der Kläger geltend macht, er habe von der ihm unter § 3 Nr. 4 des Vertrags eingeräumten Befugnis, die Übersetzungsaufträge von [X.] erledigen zu lassen, niemals Gebrauch gemacht, weil die erforderliche Sicherheitsüberprüfung geraume Zeit in Anspruch genommen hätte, beruft er sich auf tatsächliche Schwierigkeiten. Das [X.] wird zu würdigen haben, ob diese Schwierigkeiten ein Maß erreichten, das ihm die Ausübung des vertraglichen Übertragungsrechts unmöglich machte, und die tatsächliche Handhabung des Auftragsverhältnisses daher für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses spricht.

e) Soweit der Kläger darauf verweist, die Beklagte beschäftige Arbeitnehmer, die sie mit ähnlichen Übersetzungsaufträgen betraut habe wie ihn, übersieht er, dass es für die Einordnung der [X.]echtsbeziehung der [X.]en allein auf deren [X.]echtsverhältnis, nicht aber auf das anderer Mitarbeiter ankommt (vgl. [X.] 21. November 2017 - 9 [X.] - [X.]n. 42). Denn aus der [X.]echtsnatur des einen kann nicht ohne Weiteres auf die [X.]echtsnatur des anderen [X.]echtsverhältnisses geschlossen werden.

f) Es kommt auch nicht entscheidend darauf an, mit wessen Arbeitsmitteln der Kläger die übernommenen Aufträge ausgeführt hat. Dass die Beklagte dem Kläger Wörterbücher zur Verfügung stellte, die er im [X.]ahmen seiner Übersetzungstätigkeit heranzog, lässt nicht den Schluss zu, dass er als Arbeitnehmer in die betriebliche Sphäre der [X.] eingebunden war. Ein Unternehmer muss einen Vertrag nicht notwendig mit eigenen Arbeitsmitteln erfüllen (vgl. [X.] 27. Juni 2017 - 9 AZ[X.] 133/16 - [X.]n. 50).

g) Die rechtliche Einordnung des Vertragsverhältnisses hängt auch nicht entscheidend vom Umfang der Übersetzungstätigkeit ab. Dieser gibt regelmäßig nur Auskunft darüber, ob ein Teilzeit- oder ein Vollzeitrechtsverhältnis vorliegt. Der Umfang, in dem der Kläger tätig war, lässt im Streitfall auf ein Vollzeitrechtsverhältnis schließen. Aber auch die aus einem Vollzeitrechtsverhältnis und einer langen Zeit der Zusammenarbeit resultierende wirtschaftliche Abhängigkeit vermag ein Arbeitsverhältnis nicht zu begründen (vgl. [X.] 21. November 2017 - 9 [X.] - [X.]n. 41).

h) Sollte das [X.] im [X.]ahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung aller Umstände des Streitfalls nicht zu einem eindeutigen Ergebnis gelangen, hat es zu beachten, dass die [X.]en den Vertrag als „Honorarvertrag“ bezeichnet haben. Der Vorrang der praktischen Handhabung der Vertragsbeziehungen vor der formalen Vertragstypenwahl durch die [X.]en bedeutet nicht, dass die Entscheidung der [X.]en für eine bestimmte Art von Vertrag irrelevant wäre. Kann die vertraglich vereinbarte Tätigkeit - wie im Streitfall - typologisch sowohl in einem Arbeitsverhältnis als auch im [X.]ahmen eines [X.]echtsverhältnisses, das einen Selbstständigen verpflichtet, geleistet werden, ist die Entscheidung der Vertragsparteien für einen bestimmten Vertragstypus zu berücksichtigen (vgl. [X.] 21. November 2017 - 9 [X.] - [X.]n. 44).

        

    Kiel    

        

    Zimmermann    

        

    Suckow    

        

        

        

    Faltyn    

        

    [X.]    

                 

Meta

9 AZR 295/18

21.05.2019

Bundesarbeitsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Freiburg (Breisgau), 19. Juli 2017, Az: 1 Ca 127/17, Urteil

§ 4 S 1 KSchG, § 611a Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.05.2019, Az. 9 AZR 295/18 (REWIS RS 2019, 7089)

Papier­fundstellen: NJW 2019, 3331 REWIS RS 2019, 7089

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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