Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.09.2023, Az. 5 StR 251/23

5. Strafsenat | REWIS RS 2023, 6256

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Ausschluss eines Richters im Strafverfahren: Vernehmung des Richters als Zeuge "in der Sache"


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 16. Dezember 2022 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als [X.] tätige Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Beschwerdeführer wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung eines früheren Urteils zu einer einheitlichen Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und eine Einziehungsentscheidung getroffen.

2

Die auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Er beanstandet zu Recht, dass an der Entscheidung ein [X.] mitgewirkt hat, der von der Ausübung seines [X.]amts gemäß § 22 Nr. 5 StPO [X.] Gesetzes ausgeschlossen war.

3

1. Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde: Der Beschwerdeführer war wegen der [X.] zunächst mit zwei Tatbeteiligten vor einer allgemeinen [X.] angeklagt. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass er zur Tatzeit womöglich noch Heranwachsender war, trennte die [X.] das Verfahren gegen ihn ab und legte es der [X.] vor, die es übernahm. Die Hauptverhandlungen beider Spruchkörper fanden zeitgleich statt; in beiden wurde der Geschädigte als Zeuge vernommen. In der Hauptverhandlung vor der allgemeinen [X.] beantragten die Verteidiger der gesondert Verfolgten, den [X.]vorsitzenden zu den Angaben des Geschädigten in der gegen den Angeklagten geführten Hauptverhandlung zeugenschaftlich zu vernehmen, um vermeintliche Widersprüche in den Aussagen nachzuweisen. Nach einer kurzen Unterbrechung wurde der sogleich herbeigerufene [X.]vorsitzende zu dem beantragten Beweisthema förmlich vernommen. Die [X.] setzte ihre Hauptverhandlung in unveränderter Besetzung bis zur Urteilsverkündung fort, nachdem der Angeklagte nunmehr einem bereits zuvor gemachten Verständigungsvorschlag zugestimmt hatte.

4

2. Die zulässig erhobene Verfahrensrüge ist begründet. Sie nötigt zur Aufhebung des Urteils mitsamt den Feststellungen.

5

a) Der [X.]vorsitzende war nach seiner Vernehmung [X.] Gesetzes von der weiteren Ausübung seines Amtes in dem Verfahren ausgeschlossen. Denn er hat „in der Sache“ im Sinne von § 22 Nr. 5 StPO als Zeuge ausgesagt.

6

aa) [X.] setzt keine Verfahrensidentität voraus. Sie ist auch dann gegeben, wenn ein [X.] in einem anderen Verfahren zu demselben Tatgeschehen förmlich vernommen worden ist, das er jetzt abzuurteilen hätte. Die Vernehmung muss sich nicht auf eigene Wahrnehmungen zum Tatgeschehen beziehen. Es genügt, wenn sie Umstände thematisiert, die der [X.] auch in dem ihm vorliegenden Verfahren im Hinblick auf Schuld- und Straffrage in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht bewerten muss ([X.], Beschlüsse vom 22. Januar 2008 – 4 [X.], [X.], 283; vom 22. Mai 2007 – 5 [X.], [X.], 711; vom 27. September 2005 – 4 [X.], [X.], 113, 114).

7

bb) So liegt es hier. Die Vernehmung des [X.]vorsitzenden als Zeuge zu den Angaben des Geschädigten betraf das auch in der von ihm geleiteten Hauptverhandlung zu beurteilende [X.]. Die Aussage des Geschädigten musste der Vorsitzende auch in seinem Verfahren bewerten.

8

b) Das Urteil unterliegt nach § 338 Nr. 2 StPO der Aufhebung, weil ein [X.] Gesetzes ausgeschlossener [X.] daran mitgewirkt hat. Denn die Hauptverhandlung ist auch nach der Zeugenvernehmung des Vorsitzenden unter seiner Leitung fortgesetzt und das Urteil mit ihm verkündet worden. Der [X.] braucht deshalb nicht zu entscheiden, ob er der Ansicht folgen könnte, wonach allein das Unterzeichnen der [X.] durch einen gemäß § 22 Nr. 5 StPO ausgeschlossenen [X.] einen Revisionsgrund nach § 338 Nr. 7 StPO begründen soll (so aber [X.], Beschlüsse vom 11. November 2020 – 2 StR 241/20, NStZ 2021, 751, 752; vom 13. Oktober 2021 – 2 [X.], [X.], 794).

[X.]     

      

[X.]     

      

[X.]

      

Resch     

      

von Häfen     

      

Meta

5 StR 251/23

12.09.2023

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Berlin, 16. Dezember 2022, Az: 541 KLs 21/22

§ 22 Nr 5 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.09.2023, Az. 5 StR 251/23 (REWIS RS 2023, 6256)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 6256

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

5 StR 530/06 (Bundesgerichtshof)


2 StR 76/17 (Bundesgerichtshof)

Keine Unvoreingenommenheit eines Richters bei Hinweis auf Bedeutung eines Geständnisses


2 StR 250/18 (Bundesgerichtshof)

Verletzung des Anwesenheitsrechts des Angeklagten bei einer Urkundenverlesung


1 StR 382/17 (Bundesgerichtshof)

Relativer Revisionsgrund in Strafsachen: Weitere Sitzungsvertretung durch einen als Zeugen vernommenen Staatsanwalt


4 StR 507/07 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

2 StR 418/19

2 StR 241/20

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.