Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.06.2013, Az. IX ZB 38/10

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 5040

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX
ZB 38/10

vom

13. Juni
2013

in dem
Insolvenzverfahren

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 35 Abs. 2 Satz 2, § 295 Abs. 2
a)
Der eine Restschuldbefreiung anstrebende Schuldner ist bei mangelndem wirt-schaftlichem Erfolg seiner freigegebenen selbständigen Tätigkeit vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht verpflichtet, ein abhängiges Dienstverhältnis einzu-gehen.
b)
Der Schuldner hat umfassend über seine Einnahmen aus der selbständigen Tätig-keit Auskunft zu geben, wenn er geltend macht, im Hinblick auf mangelnde Erträ-ge keine oder wesentlich niedrigere Beträge, wie nach dem fiktiven Maßstab des § 295 Abs. 2 [X.] geboten ist, an die Insolvenzmasse abführen zu können.
[X.], Beschluss vom 13. Juni 2013 -
IX ZB 38/10 -
LG [X.]

[X.]

-

2

-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.],
die
Richter
Raebel, [X.],
Dr. Fischer
und Dr. Pape

am
13. Juni
2013
beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde
des Schuldners wird der
Beschluss der 7. Zivilkammer des [X.] vom 18.
Februar
2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung,
auch über die Kosten des [X.], an das Beschwerdegericht
zu-rückverwiesen.

Der Gegenstandswert des [X.] wird auf 5.000

Gründe:

I.

Über das Vermögen des Schuldners wurde auf
seinen Antrag am 13.
März 2008
das Insolvenzverfahren eröffnet. Während des Insolvenzverfah-rens übte der Schuldner, der 1959 geboren wurde,
eine Beschäftigung als selb-ständiger Handelsvertreter aus. Mit Schreiben vom 14.
April 2008
gab der In-solvenzverwalter diese Tätigkeit frei. Er unterrichtete den Schuldner
darüber, 1
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dass er verpflichtet sei, die Gläubiger durch Zahlungen an den Verwalter so zu stellen, als ob er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre. [X.] über das im Rahmen einer angemessenen unselbständigen Tätigkeit er-zielbare Nettoeinkommen erteilte der Schuldner nicht. Er wies ohne nähere An-gaben darauf
hin, aus seiner selbständigen Tätigkeit keinen
den Pfändungsfrei-betrag übersteigenden Gewinn erzielt zu haben. Seine Bemühungen, eine an-gestellte Tätigkeit als Handelsvertreter zu erhalten, seien erfolglos geblieben.

In seinem Schlussbericht vom 23. Januar 2009
führte der Verwalter aus, der Schuldner hätte im Hinblick auf seinen erlernten Beruf als Industriekauf-mann sowie nicht bestehender Unterhaltspflichten ein jedenfalls im pfändbaren Bereich liegendes Nettoeinkommen in Höhe von-nen. Im Schlusstermin vom 31. März 2009 beantragten die weiteren Beteiligten zu 1 und zu 2 unter Bezugnahme auf den Schlussbericht des Verwalters, dem Schuldner die Restschuldbefreiung wegen Verstoßes gegen § 290 Abs. 1 Nr.
5 [X.] zu versagen.

Das Insolvenzgericht hat dem Schuldner die Restschuldbefreiung ver-sagt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des
Schuldners ist ohne Erfolg ge-blieben. Mit der Rechtsbeschwerde begehrt der Schuldner unter Aufhebung der angegriffenen Beschlüsse die Zurückweisung der Versagungsanträge.

II.

Die gemäß §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 ZPO, §
289 Abs.
2 Satz
1, §§
4, 6
[X.], § 7 [X.]
aF, Art.
103f Satz
1 EG[X.] statthafte Rechtsbeschwerde
ist 2
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zulässig.
Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen
Entscheidung und zur [X.] an das Beschwerdegericht.

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, die gestellten [X.] seien zulässig, insbesondere sei unter Bezugnahme auf den Schlussbe-richt der Versagungsgrund des § 290
Abs. 1 Nr. 5 [X.] glaubhaft gemacht [X.]. Er
liege auch der Sache nach vor. Der Schuldner habe
seine Auskunfts-
und Mitwirkungspflichten grob fahrlässig verletzt. Er sei verpflichtet gewesen, an der Ermittlung und Bestimmung eines aus einem angenommenen
angemes-senen Dienstverhältnis zu erzielenden Einkommens mitzuwirken. Insbesondere
hätte er dem Insolvenzverwalter
Bewerbungsunterlagen vorlegen
müssen, da-mit dieser hätte überprüfen können, ob und gegebenenfalls unter welchen Be-dingungen dem Schuldner
Dienstverhältnisse
angeboten worden seien. Dies hätte den Verwalter und das Gericht in die Lage versetzt, ein von dem Schuld-ner im Rahmen eines Dienstverhältnisses zu erzielendes Einkommen
zu ermit-teln. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

2. Den Schuldner trifft im laufenden Insolvenzverfahren nicht die Pflicht, ein abhängiges Dienstverhältnis einzugehen.

Nach § 35 Abs. 2 Satz 1 [X.] hat der Insolvenzverwalter, wenn der Schuldner eine selbständige Tätigkeit ausübt oder
beabsichtigt, eine entspre-chende Tätigkeit aufzunehmen, zu erklären, ob Vermögen aus dieser Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört. Dem Verwalter steht eine Entscheidungsalternative zu. Er kann sich entweder dafür entscheiden, dass das Vermögen des [X.] aus der selbständigen Tätigkeit in der Masse verbleibt und die sich hieraus ergebenden Verbindlichkeiten als Masseverbindlichkeiten geltend gemacht werden können, oder, dass das sich aus der selbständigen Tätigkeit ergebende 5
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Vermögen massefrei
wird. Für diesen Fall ordnet § 35 Abs. 2 Satz 2 [X.] an, dass § 295 Abs. 2 [X.] entsprechend gilt. Inhalt und Reichweite dieser Verwei-sung werden
in Rechtsprechung und Schrifttum nicht einheitlich beurteilt.

a) Für den Gesetzgeber war entscheidend, dass mit der
Möglichkeit der Freigabe der selbständigen Tätigkeit keine
Besserstellung der Selbständigen gegenüber den abhängig Beschäftigten verbunden sein sollte. Während [X.] des abhängig beschäftigten Schuldners im Rahmen des
Insolvenzverfah-rens, soweit sie die Pfändungsfreigrenzen übersteigen, unmittelbar vom [X.] erfasst werden (§ 36 Abs. 1 [X.]), flössen
bei einer auflagen-freien Freigabe der selbständigen Tätigkeit des Schuldners die hieraus sich er-gebenden Einkünfte ohne eine Sonderregelung unmittelbar dem Schuldner
oder dessen Neugläubigern zu. Um die Gleichbehandlung
beider Gruppen von Schuldnern
im Allgemeinen zu erreichen, hat der Gesetzgeber die Freigabe mit einer [X.] entsprechend
§ 295 Abs. 2 [X.] verknüpft. Die mit der Beurteilung des wirtschaftlichen Erfolges und mit der Ermittlung des Gewinns aus der wirtschaftlichen Tätigkeit verbundenen Probleme sollten hierdurch ohne besonderen Verwaltungs-
und Kontrollaufwand gelöst werden können (vgl. BT-Drucks.
16/3227
S. 17).

b)
Im [X.] hieran wird
überwiegend die Ansicht vertreten,
die [X.] des § 35 Abs. 2 Satz 2 [X.] auf § 295 Abs. 2 [X.] beinhalte eine Rechtsfolgenverweisung auf die Rechtslage in der Wohlverhaltensphase. [X.] habe
der Schuldner nach der Freigabe zum Ausgleich das fiktive [X.] Einkommen abzuführen, welches er nach seiner beruflichen Qualifikation aufgrund seiner Ausbildung und seines beruflichen Werdegangs in einem Dienst-
oder Arbeitsverhältnis hätte verdienen können
([X.],
[X.], 775; MünchKomm-[X.]/Lwowski/[X.], 2. Aufl., § 35 Rn. 47; Graf-Schlicker/
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Kexel, [X.], 3. Aufl., § 35 Rn. 25; HmbKomm-[X.]/[X.], 4. Aufl., § 35 Rn.
264; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], § 35 Rn. 162). Die [X.] profitiere nicht vom wirtschaftlichen Erfolg des Schuldners, nehme
aber auch nicht an dessen
Risiko teil (HmbKomm-[X.]/[X.], aaO).
Der Schuldner habe deshalb wie im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 295 Abs. 2 [X.] dem Insolvenzverwalter die hierfür notwendigen Angaben zu
machen;
über sein tat-sächliches Einkommen als Selbständiger müsse er dagegen nicht berichten
(vgl. [X.],
[X.], aaO; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], aaO Rn. 163).

Nach anderer Auffassung
sind
die
Grundsätze
des § 295 Abs. 2 [X.] im Hinblick auf die im Insolvenzverfahren fehlende Verpflichtung, eine Erwerbstä-tigkeit aufnehmen zu müssen, für die [X.] des § 35 Abs. 2 [X.] nicht maßgeblich.
Wegen der strukturellen Unterschiede zwischen dem Insol-venzverfahren und der Wohlverhaltensphase sei
nur auf
das tatsächlich erzielte Einkommen aus selbständiger Tätigkeit
abzustellen. Was über den Pfändungs-freigrenzen liege, müsse abgeführt werden ([X.],
Z[X.] 2011, 2150; [X.], Z[X.] 2010, 2068).

c)
Zutreffend ist eine vermittelnde Ansicht. Der Schuldner muss nur dann etwas abführen, wenn er tatsächlich Gewinn aus seiner selbständigen Tätigkeit erzielt hat. Die [X.] ist aber der Höhe nach beschränkt gemäß dem Maßstab des § 295 Abs. 2 [X.].

aa) Nach den vom Senat zu § 295 Abs. 2 [X.] entwickelten Grundsätzen muss sich der Schuldner in der Wohlverhaltensphase im Rahmen seiner Er-werbsobliegenheit um ein Anstellungsverhältnis bemühen, wenn der Ertrag aus seiner selbständigen Tätigkeit hinter demjenigen zurückbleibt, was dem Treu-10
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händer bei einer angemessenen abhängigen Beschäftigung aus der [X.] zufließen würde ([X.], Beschluss vom 7.
Mai 2009 -
IX
ZB 133/07, [X.], 1291 Rn.
5; vom 14.
Januar 2010 -
IX
ZB 242/06, [X.], 426 Rn.
5; vom 19.
Mai 2011
-
IX [X.], NZI
2011, 596
Rn.
7; vom 19. Juli 2012 -
IX [X.], [X.] 2012, 386 Rn. 16). Der Schuldner, der sich trotz man-gelnden Erfolgs seiner selbständigen Tätigkeit nicht bemüht hat, eine nach [X.] und den Verhältnissen des Arbeitsmarkts mögliche Beschäfti-gung zu erlangen, kann sich nicht darauf berufen, aufgrund fehlender Einnah-men hätten ihm keine Zahlungen an den Treuhänder oblegen. Vermag der Schuldner hingegen -
etwa aufgrund seines Alters oder seines gesundheitlichen Zustandes
-
nicht, durch ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis pfändbare Bezüge zu erwirtschaften, so obliegen ihm keine Zahlungen an den Treuhänder gemäß §
295 Abs.
2 [X.], wenn die ausgeübte selbständige Beschäftigung ebenfalls keine solchen Erträge hervorbringt ([X.], Beschluss
vom 19.
Mai 2011, aaO Rn.
8; vom 19. Juli 2012, aaO).

[X.]) Diese Grundsätze können im Hinblick auf die systematischen Unter-schiede zwischen dem Insolvenzverfahren und der sich anschließenden Wohl-verhaltensphase nicht unmittelbar auf
den Anwendungsbereich des § 35 Abs.
2 Satz 2 [X.] übertragen werden. Insbesondere ist der
Schuldner, der sich die Möglichkeit der Restschuldbefreiung erhalten will, nicht verpflichtet, notfalls eine abhängige Beschäftigung aufzunehmen.

[X.]) Die Regelung des § 35 Abs. 2 [X.] bezieht sich ausschließlich auf das Insolvenzverfahren. Mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens endet das Er-klärungsrecht des Insolvenzverwalters, weil eine Erklärung im Restschuldbe-freiungsverfahren im Hinblick auf die Aufhebung des
Insolvenzbeschlags [X.] wäre (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.], aaO, Rn. 133).
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(2) Die Obliegenheiten des §
295 Abs.
1 [X.] unterscheiden sich zudem inhaltlich von den Pflichten, welche den Schuldner im eröffneten Verfahren tref-fen. Nach §
295 Abs.
1 Nr.
1 [X.] hat der Schuldner eine angemessene [X.] auszuüben oder sich um eine solche zu bemühen. Im [X.] gilt dies nicht. Die Arbeitskraft des Schuldners gehört nicht zur [X.]. Der Schuldner kann zu
einer Erwerbstätigkeit nicht gezwungen werden ([X.], Urteil vom 11. Mai 2006 -
IX ZR 247/03, [X.]Z 167, 363 Rn.
16; Beschluss vom 18. Dezember 2008 -
IX ZB 249/07, [X.], 361 Rn. 11). Auch ist nach geltendem Recht eine Erwerbsobliegenheit für den Schuldner während des Insolvenzverfahrens nicht vorgesehen (vgl. aber § 290 Abs.
1 Nr.
7 RegE-[X.], BT-Drucks. 17/11268 S. 7, 17/13535 S. 12).

[X.]) Im Hinblick auf die fehlende Erwerbsverpflichtung kann zwar die Grundlage der nach § 35 Abs. 2 Satz 2, § 295 Abs. 2 [X.] abzuführenden Be-träge nur der von dem Schuldner aus der selbständigen Tätigkeit erzielte [X.] sein; Maßstab ist aber das nach § 295 Abs. 2 [X.] zu bestimmende fiktive Nettoeinkommen.

[X.]) Die Vorschrift des §
295 Abs.
2 [X.] löst die zu berücksichtigenden Erträge vom tatsächlichen wirtschaftlichen Erfolg der selbständigen Tätigkeit des Schuldners. Das anzunehmende fiktive Nettoeinkommen ist dabei aus ei-nem angemessenen Dienstverhältnis zu berechnen. Angemessen ist nur eine dem Schuldner mögliche abhängige Tätigkeit ([X.], Beschluss vom 5.
April 2006 -
IX ZB 50/05, [X.], 413 Rn.
13; vom 19.
Mai 2011, aaO
Rn.
6; vom 17.
Januar 2013 -
IX ZB 98/11, [X.], 380 Rn. 10; vom 26. Februar 2013
-
IX [X.], [X.], 579 Rn. 7; vgl. auch Urteil vom 18. April 2013 -
IX [X.], [X.], 1129 Rn. 14). Zur inhaltlichen Bestimmung der vom Gesetz-15
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geber ausdrücklich als [X.] (BT-Drucks. 16/3227 S. 17; vgl. auch [X.], Beschluss vom 9. Juni 2011 -
IX [X.], [X.] 2011, 448 Rn. 9) be-zeichneten Zahlungsverbindlichkeit des Schuldners während des vorausgehen-den Insolvenzverfahrens kann deshalb auch nicht auf dessen tatsächlich erziel-tes Einkommen aus selbständiger Tätigkeit abgestellt werden. Müsste der Schuldner das gesamte pfändbare Einkommen
aus seiner selbständigen Tätig-keit an den Insolvenzverwalter abführen, könnten die mit der Freigaberegelung des § 35 Abs. 2 [X.] verbundenen Ziele nicht wirksam erreicht werden. Die Neuregelung des § 35 Abs. 2 [X.] bezweckt, den Schuldner zu einer selbstän-digen Erwerbstätigkeit zu motivieren (BT-Drucks. 16/3227 S. 11). Die Förde-rung einer selbständigen Tätigkeit des Schuldners, mit dem ihm auch der [X.] nach Abschluss des Insolvenzverfahrens erleichtert werden soll, könnte bei einer umfassenden [X.] nicht verwirklicht werden. Der nach "Freigabe" einer selbständigen Tätigkeit gemäß §
35 Abs.
2 [X.] vom Schuld-ner durch diese Tätigkeit erzielte Neuerwerb haftet daher während des eröffne-ten ([X.] grundsätzlich nur den Neugläubigern,
nicht aber den [X.] ([X.], Beschluss vom 9. Juni 2011, aaO Rn. 11; Urteil vom 9.
Februar 2012 -
IX ZR 75/11, [X.]Z 192, 322 Rn. 14, 28; [X.], Z[X.] 2008, 1101, 1106). Daher bilden die Einkünfte einer unselbständigen und nicht der tatsächlich ausgeübten freiberuflichen Tätigkeit die Bemessungsgrundlage für die nach § 35 Abs.
2 Satz 2 [X.] zugunsten der Masse abzuführenden Zahlun-gen ([X.], Urteil vom 18.
April 2013, aaO).

(2) Für ein solches Verständnis spricht ferner der Gesichtspunkt, dass der Gesetzgeber ausdrücklich davon ausgegangen ist, mit der angesprochenen Verweisung ließen sich die mit der Beurteilung des wirtschaftlichen Erfolgs und der mit der der Ermittlung des Gewinns aus der selbständigen Tätigkeit [X.]
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denen Probleme ohne besonderen Verwaltungs-
und Kontrollaufwand lösen (BT-Drucks. 16/3227 S. 17).

dd) Der vorstehende Maßstab führt zu unterschiedlichen Fallgruppen, die auch den Inhalt und Umfang der den Schuldner treffenden Auskunftspflichten näher bestimmen.

[X.]) Zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass die Freigabe nach § 35 Abs. 2 [X.] für den Schuldner zusätzliche Verpflichtungen auslöst, deren Nichtbeachtung zur Versagung der Restschuldbefreiung führen kann. Hierbei handelt es sich im Gegensatz zur Wohlverhaltensphase nicht um Obliegenheiten, sondern um im Insolvenzverfahren zu beachtende Mitwir-kungspflichten des Schuldners, deren grobfahrlässige oder vorsätzliche Verlet-zung unmittelbar den Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 5 [X.] eröffnen
(vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.], aaO
Rn.
163; FK-[X.]/[X.], 7. Aufl., § 35 Rn. 24a; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], aaO, §
290 Rn. 62; [X.]/[X.], [X.], 13. Aufl., § 35 Rn. 105; HmbKomm-[X.]/[X.], aaO). Eine entsprechende Anwendung des andersartigen [X.] nach § 296 [X.] scheidet daher bereits aus systematischen Gründen aus ([X.], [X.] 2013, 85, 86; [X.], Z[X.] 2011, 1489, 1493
f). Zu den vom Schuldner nach § 35 Abs. 2 Satz 2 [X.] zu beachtenden Pflichten gehört insbesondere, die nach § 295 Abs. 2 [X.] maßgeblichen Be-träge an den Insolvenzverwalter abzuführen. Hierbei handelt es sich um eine eigenständige [X.], auf deren Einhaltung der Insolvenzverwalter einen unmittelbaren Anspruch hat (vgl. [X.], Beschluss vom 9. Juni 2011, aaO Rn. 9) und die im Regelfall eine jährliche Zahlung gebietet (vgl. [X.], Beschluss vom 19. Juli 2012, aaO Rn. 14). Im Zusammenhang mit der [X.] aus § 35 Abs. 2 Satz 2, § 295 Abs. 2 [X.] ist der Schuldner gegenüber dem 19
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Insolvenzverwalter und dem Insolvenzgericht auch auskunftspflichtig. [X.] hat der Schuldner die für die Ermittlung des fiktiven Maßstabs notwen-digen Angaben gegenüber dem Insolvenzgericht und dem Insolvenzverwalter zu machen,
aus denen sich die ihm mögliche abhängige Tätigkeit und das an-zunehmende fiktive Nettoeinkommen ableiten lassen (vgl. [X.], Beschluss vom 14. Mai 2009 -
IX [X.], Z[X.]
2009, 1268 Rn.
9; vom 26. Februar 2013, aaO Rn. 9).

(2) Liegt der Gewinn aus der selbständigen Tätigkeit unterhalb des pfändbaren Betrages bei abhängiger Tätigkeit, besteht keine [X.]. Der Schuldner hat
aber im Rahmen seiner Auskunftspflicht umfassend über seine Einnahmen Mitteilung zu geben. Insbesondere ist er gehalten, gegenüber dem Insolvenzverwalter und dem Insolvenzgericht überprüfbare Angaben zur Gewinnermittlung aus seiner selbständigen Tätigkeit zu machen, damit [X.] werden kann, ob der Schuldner tatsächlich nicht in der Lage ist, ganz oder teilweise hieraus abführungspflichtige Beträge nach § 295 Abs. 2 [X.] aufzu-bringen.

(3) Liegt das Einkommen des Schuldners aus selbständiger Tätigkeit über dem
pfändbaren Betrag aus dem von ihm
erzielbaren Einkommen
aus un-selbständiger Tätigkeit, hat er den pfändbaren Betrag
aus dieser Tätigkeit an den Insolvenzverwalter abzuführen. Auskunft über etwaige Gewinne aus seiner selbständigen Tätigkeit muss er, wenn er seiner [X.] genügt,
nicht erteilen (vgl. [X.], Beschluss vom 26. Februar 2013, aaO Rn. 8).

d) Das Beschwerdegericht hat bislang keine Feststellungen dazu getrof-fen, ob der Schuldner in der Lage ist, aus seiner selbständigen Tätigkeit nach §
35 Abs. 2 Satz 2, § 295 Abs. 2 [X.] abzuführende Beträge
ganz oder teilwei-21
22
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se aufzubringen.
Ein Verstoß gegen die [X.] des § 35 Abs.
2 Satz
2 [X.] kann daher nach dem bisherigen Verfahrensstand dem Schuldner nicht angelastet werden.

III.

Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben. Er ist aufzuheben. Da der Senat zu einer eigenen Sachentscheidung nicht in der [X.] ist, ist die Sache zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zu-rückzuverweisen (§
577 Abs.
4 Satz 1 ZPO).

Ri[X.] Raebel ist im Urlaub

und kann deshalb nicht unter-

schreiben.

Kayser
Kayser
[X.]

Fischer
Pape

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 10.08.2009 -
22 IN 45/08 -

LG [X.], Entscheidung vom 18.02.2010 -
7 T 219/09 -

24

Meta

IX ZB 38/10

13.06.2013

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.06.2013, Az. IX ZB 38/10 (REWIS RS 2013, 5040)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5040

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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