Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.11.2014, Az. XII ZB 186/13

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 1607

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 186/13

vom

5. November 2014

in der Betreuungssache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB §§ 194, 242 [X.]; FamFG §§ 168 Abs. 1 Satz 2 und 3, 292 Abs. 1
Die Einrede der Verjährung ist im Festsetzungsverfahren vom Rechtspfleger zu be-rücksichtigen. Dabei hat er nicht nur zu prüfen, ob der Anspruch verjährt ist, sondern auch, ob die Einrede gegebenenfalls treuwidrig erfolgt und ihr damit §
242 BGB ent-gegensteht (im [X.] an [X.]sbeschluss vom 11.
April 2012
XII
ZB
459/10

FamRZ 2012, 1051).
[X.], Beschluss vom 5. November 2014 -
XII ZB 186/13 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 5.
November 2014 durch den Vorsitzenden Richter Dose
und [X.], Dr.
Günter, Dr.
Botur und Guhling
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des
weiteren Beteiligten
zu
3
wird der Beschluss der 3.
Zivilkammer des [X.] vom 22.
März 2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens,
an das Land-gericht zurückverwiesen.
[X.]: 8.889

Gründe:
I.
Der Beteiligte zu
3 fordert, vertreten durch die Staatskasse (im [X.]: Staatskasse),
gezahlte Betreuervergütung
von der Betroffenen
zurück.
Die Betroffene leidet an einer schizoaffektiven Psychose.
Die Beteiligte zu
1 wurde im Jahr 2005 zur [X.] (im Folgenden: Betreuerin) mit den Aufgabenkreisen Sorge für die Gesundheit einschließlich Zustimmung zu ärztlicher Heilbehandlung, Aufenthaltsbestimmung und Entscheidung über die Unterbringung bestellt.

1
2
-
3
-
Im Jahr 2005 erklärte die Betroffene
gegenüber dem Betreuungsgericht, lediglich über monatliche Einnahmen von rund
800

ö-he von rund 2.600

. Daraufhin wurde der Betreuerin eine Vergü-tung aus der Staatskasse
bewilligt. Nachdem die Betreuung am 12.
November 2012 unter anderem auf den Aufgabenkreis Vermögenssorge erweitert worden war, legte die Betreuerin dem Betreuungsgericht mit Schreiben vom 17.
No-vember 2012 ein Vermögensverzeichnis vor, wonach die Betroffene neben Renteneinnahmen in Höhe von nunmehr rund
850

h-nung im Wert von rund 60.000

in Höhe von rund 195.000

t.
Mit Beschluss vom 28.
Januar 2013 hat das Amtsgericht der Betroffenen
aufgegeben, wegen der zu Unrecht verauslagten Vergütungen an die Staats-kasse einen Betrag von 14.432,87

Auf die Beschwerde der Be-troffenen
und der Verfahrenspflegerin hat das Beschwerdegericht den [X.] auf 5.544

reduziert. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbe-schwerde der Staatskasse, mit der diese die Wiederherstellung des amtsge-richtlichen Beschlusses erreichen will.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der [X.] Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Beschwer-degericht.
1. Das Beschwerdegericht hat seine in [X.], 116 veröffentlichte Entscheidung
wie folgt begründet: Grundsätzlich habe das Amtsgericht die [X.]

und im Übrigen auch der Höhe nach zutreffend berechnete

Vergü-3
4
5
6
-
4
-
tung zu Recht zurückgefordert. Nach Befriedigung der Forderungen der Betreu-erin seien deren Ansprüche gegen die Betroffene nach §
1836
e Abs.
1 BGB auf die Staatskasse übergegangen. Sie könnten im Wege des [X.] ge-gen die Betroffene geltend gemacht werden. Jedoch komme ein Regress nur für die nach dem 31.
Dezember 2009 gezahlten
Beträge in Betracht, weil im Übrigen Verjährung eingetreten sei. Zwar könne die Verfahrenspflegerin die Einrede der Verjährung nicht für die Betroffene erheben. Jedoch sei auch der Vortrag der Betroffenen als Einrede aufzufassen. Sie habe zum Ausdruck ge-bracht, dass sie die Vergütung nicht erstatten wolle und dass sie die Auffassung der Verfahrenspflegerin zum
Verjährungseintritt teile.
Der Regressanspruch verjähre
in drei Jahren (§
195 BGB). Es komme für den Beginn der Verjährung nicht darauf an, dass der Regressanspruch erst nach Wegfall der Mittellosigkeit der Betroffenen durchgesetzt werden könne. Der gesetzliche Forderungsübergang nach §
1836
e Abs.
1 BGB lasse den [X.] der Verjährung unberührt; die Staatskasse trete als Zessionar auch insoweit in die Gläubigerstellung des Betreuers ein. Maßgeblicher Zeitpunkt für den [X.] sei damit unter Berücksichtigung der §§
207 Abs.
1 Nr.
4, 209 BGB der Schluss des Jahres der jeweiligen Zahlung durch die Staatskasse. [X.] worden sei die Verjährung erst durch das Schreiben des [X.] vom 8.
Januar 2013. Zu diesem Zeitpunkt seien die [X.] bereits verjährt gewesen,
die auf vor dem 1.
Januar 2010 erbrachten Zahlungen beruht hätten. Damit könne ein Regress nur für die für den Zeitraum vom
17.
Oktober 2009 bis 16.
Oktober 2012 [X.] angeordnet werden.
Der Betroffenen sei es auch nicht nach [X.] und Glauben verwehrt, sich auf Verjährung zu berufen. Zwar spreche viel dafür, dass die Betroffene im Jahr 2005 vorsätzlich über ihre Vermögensverhältnisse getäuscht habe, was unter 7
8
-
5
-
dem Gesichtspunkt des unredlichen Verhaltens zu einem solchen Ausschluss führen könne. [X.] Einwendungen könnten im Verfahren über die Festsetzung der Betreuervergütung indes nicht geprüft werden, was auch im Verfahren auf Anordnung eines [X.]
gelte. Insoweit fehle es an einer Entscheidungskompetenz des für die Festsetzung der Betreuervergütung bzw. des [X.] zuständigen [X.]. Die Klärung des Bestehens oder Nichtbestehens privatrechtlicher Forderungen sei im geltenden Recht Sache des Richters. Diese Kompetenzverteilung dürfe nicht umgangen werden. Bei dem Vorwurf, durch Vorspiegelung falscher Tatsachen Zahlungen der Staats-kasse veranlasst zu haben, handele es sich

jedenfalls mittelbar

um die [X.] einer deliktischen Haftung der Betroffenen gegenüber dem Land. Die Klärung dieser Haftungsfrage sei einem gegebenenfalls anhängig zu [X.] vorbehalten.
2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Frei von Rechtsfehlern
sind
allerdings die Ausführungen des [X.] dazu, dass der Betreuerin, deren berufsmäßige
Führung der Betreuung festgestellt war, nach Maßgabe der §§
1908
i Abs.
1, 1836 Abs.
1 BGB,
§§
1 Abs.
1
und Abs.
2 Satz 1 VBVG iVm §§
292 Abs.
1, 168 FamFG ei-ne im Hinblick auf ihre
Ausbildung als Diplom-Sozialpädagogin mit einem Stun-densatz von 44

pauschale Vergütung zu bewilligen gewesen sei (§
4 Abs.
1 Satz
2 Ziff.
2 VBVG), und dass der zugrunde zu legende Stun-denansatz sich nach Maßgabe des §
5 Abs.
2 Satz
2 VBVG bestimme.
b) Gleiches gilt für die Annahme des [X.], dass die Vo-raussetzungen des [X.] nach §
1836
e Abs.
1 Satz
1 BGB gegeben sind. Der Umstand, dass die Betroffene vorliegend zum Zeitpunkt der Leistungen der Staatskasse im Hinblick auf ihr vorhandenes Vermögen
nicht 9
10
11
-
6
-
mittellos im Sinne des §
1836
d
BGB war, hindert den Anspruchsübergang nicht. Voraussetzung des [X.] nach §
1836
e Abs.
1 Satz
1 BGB ist nur, dass die Staatskasse den Anspruch des Betreuers ganz oder teil-weise befriedigt, nicht aber, dass die Voraussetzungen für eine Inanspruch-nahme gerade der Staatskasse vorliegen

1835 Abs.
4 Satz
1, §
1835
a Abs.
3, §
1836 Abs.
1 Satz
3 iVm §
1 Abs.
2 Satz
2 VBVG), der Betroffene
also im Sinne des §
1836
d
BGB
mittellos ist oder im Zeitpunkt der Leistung der Staatskasse mittellos war ([X.]/[X.] 6.
Aufl. §
1836
e Rn.
3).

c) Nicht gefolgt werden kann dem Beschwerdegericht
allerdings, soweit es einen Teil der Rückforderung als verjährt angesehen hat, ohne zu prüfen, ob die Betroffene die Einrede der Verjährung überhaupt erheben durfte.
aa) Zutreffend
hat das Beschwerdegericht freilich erkannt, dass der [X.] für den Betreuten die Einrede der Verjährung nicht erheben kann ([X.]sbeschluss vom 22.
August 2012

XII
ZB
474/11

FamRZ 2012, 1798
Rn.
11
ff.). Dass das Landgericht
den Vortrag der Betroffenen dahin ausgelegt hat, die Betroffene
wolle selbst die Einrede der Verjährung erheben, bewegt sich im Rahmen tatrichterlicher Auslegung und gibt zu rechtlichen Bedenken keinen Anlass.
bb) Zu Recht ist das Beschwerdegericht
auch davon ausgegangen, dass dem Schuldner unter dem Gesichtspunkt des unredlichen Verhaltens die Beru-fung auf die Verjährung gemäß §
242 BGB versagt sein kann.
Der Einrede der Verjährung (§
214 Abs.
1 BGB) kann der Arglisteinwand nicht nur dann entgegengesetzt werden, wenn der Schuldner den Gläubiger absichtlich von der Erhebung der Klage abgehalten hat. Vielmehr reicht
aus, dass der Schuldner durch sein Verhalten objektiv

sei es auch unab-
sichtlich

bewirkt, dass die Klage nicht rechtzeitig erhoben wird, und die 12
13
14
15
-
7
-
spätere
[X.] unter Berücksichtigung aller Umstände des Ein-
zelfalls
mit dem Gebot von [X.] und Glauben unvereinbar wäre; insoweit ist ein strenger
Maßstab
anzulegen ([X.] Urteile vom 14.
November 2013

IX
ZR
215/12

NJW-RR 2014, 1020 Rn.
15 mwN und vom 14.
September
2004

XI
ZR
248/03

NJW-RR 2005, 415, 416; [X.]/[X.] 6.
Aufl. [X.]. zu §
194 Rn.
19;
Palandt/Ellenberger BGB 73.
Aufl. Überbl.
vor
§
194 Rn.
16
ff.; [X.]/Saar
BGB 14.
Aufl. §
1836
e Rn.
3).
In Fällen der vorliegenden Art besteht die Besonderheit
darin, dass die regelmäßige Verjährungsfrist bereits spätestens mit Bewilligung
der Vergütung durch die Staatskasse nach §
1 Abs.
2 Satz
1 VBVG zu laufen beginnt,
die Staatskasse den
Betroffenen
wegen seiner

vermeintlichen

Mittellosigkeit nicht zeitnah in Anspruch nehmen kann und die Verjährung auch nicht ge-hemmt ist ([X.]sbeschluss
vom 25.
Januar 2012

XII
ZB
605/10
BtPrax 2012, 118 Rn.
16, 19
und
24).
cc) Zu Unrecht ist das Beschwerdegericht
allerdings davon ausgegan-gen, dass die Frage, ob §
242 BGB der Einrede der Verjährung entgegensteht, der Überprüfung durch den Rechtspfleger
im Festsetzungsverfahren entzogen ist.

(1)
Für das Verfahren auf Festsetzung der Betreuervergütung ist gemäß §
3 Nr.
2 lit.
b
RPflG iVm
§§
292 Abs.
1, 168 FamFG der Rechtspfleger [X.] zuständig. Seine Kompetenz umfasst die Entscheidung über Grund und Höhe des Vergütungsanspruchs, nicht jedoch die Entscheidung über Gegenan-sprüche wegen mangelhafter Amtsführung. Er ist deshalb grundsätzlich nur zur Entscheidung über Einwendungen berufen, die im Vergütungsrecht ihren Grund haben, nicht aber
über solche, die auf mangelhafte Amtsführung gestützt wer-16
17
18
-
8
-
den ([X.]sbeschluss vom 11.
April 2012

XII
ZB
459/10

FamRZ 2012, 1051 Rn.
18 mwN).
Bei der Einrede der Verjährung handelt es sich um eine im Festset-zungsverfahren berücksichtigungsfähige Einwendung, die im Vergütungsrecht ihren Grund hat
(vgl. [X.]sbeschluss vom 25.
Januar 2012

XII
ZB
605/10

BtPrax 2012, 118
Rn.
10 und 28; [X.] 2000,
197, 198).

(2) Allerdings gehört zu
der
Prüfung, ob der Anspruch verjährt ist, [X.] die Frage, ob sich der Schuldner überhaupt auf die Einrede der Verjährung berufen kann. Deshalb muss die Prüfungskompetenz des [X.] so-wohl das "ob"
als auch das "wie"
einer möglichen Verjährung umfassen. [X.] muss er alle damit einhergehenden Vorfragen, hier also die Frage, ob der Einrede §
242 BGB entgegensteht, beantworten
können. Zutreffend ver-weist die Rechtsbeschwerde darauf, dass es wenig praktikabel ist, über die Be-rechtigung der [X.] nur teilweise zu entscheiden und eine weite-re Prüfung einem neuen Verfahren vorzubehalten. In diesem Fall wäre die Staatskasse zudem gezwungen, ihre Regressansprüche, soweit sie der Verjäh-rungseinrede anheimgefallen sind, im Erkenntnisverfahren anhängig zu machen (vgl. zum Einwand der Verwirkung BayObLG Beschluss vom 18.
Februar 2004

3Z
BR
251/03
s Rn.
12).
3. Gemäß §
74 Abs.
5 FamFG ist der angegriffene Beschluss aufzuhe-ben. Der [X.] kann nicht abschließend in der Sache entscheiden, da diese nicht zur Endentscheidung reif ist, §
74 Abs.
6 Satz
1 FamFG. Denn das Be-schwerdegericht hat

aus seiner Sicht folgerichtig

keine abschließenden [X.]en
zu §
242 BGB getroffen.
Bei der erneuten Behandlung wird das Beschwerdegericht
zu berück-sichtigen haben, dass der Einwand nach §
242 BGB keine absichtlichen 19
20
21
22
-
9
-
Falschangaben
voraussetzt. Vielmehr reicht es aus, dass der Schuldner durch sein Verhalten objektiv

sei es auch unabsichtlich

bewirkt, dass der [X.] nicht rechtzeitig geltend gemacht wird, und die spätere Verjährungs-einrede unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls mit dem Gebot von [X.] und Glauben unvereinbar wäre (vgl. [X.] Urteil vom 14.
November 2013

IX
ZR
215/12

NJW-RR 2014, 1020 Rn.
15 mwN).

Dose

Schilling

Günter

Botur

Guhling
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 28.01.2013 -
785 [X.] 526/05 -

LG [X.], Entscheidung vom 22.03.2013 -
3 [X.] -

Meta

XII ZB 186/13

05.11.2014

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.11.2014, Az. XII ZB 186/13 (REWIS RS 2014, 1607)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1607

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Wird zitiert von

XII ZB 101/13

Zitiert

XII ZB 186/13

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