Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.01.2021, Az. StB 46/20

3. Strafsenat | REWIS RS 2021, 9439

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Gegenstand

Anordnung des Vermögensarrests in Strafsachen: Zulässigkeit der Beschwerde


Tenor

1. Die Beschwerde der Angeklagten gegen den Beschluss des [X.] vom 28. Juli 2020 wird verworfen.

2. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.

1

Das [X.] hat die Angeklagte sowie neun Mitangeklagte am 28. Juli 2020 wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung - teilweise als Rädelsführer - an einer terroristischen [X.] im Ausland, der [X.]/[X.] ([X.]/ML), verurteilt und ihnen die Kosten des Verfahrens auferlegt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Durch Beschluss vom selben Tag hat es zur Sicherung der Vollstreckung von Kosten des Strafverfahrens gegen die Angeklagte in Höhe von 50.000 € den [X.] in ihr unbewegliches Vermögen angeordnet und einen Geldbetrag in entsprechender Höhe festgesetzt, durch dessen Hinterlegung sie die Vollziehung des [X.] abwenden und die Aufhebung der Vollziehung des [X.] verlangen kann. Die Angeklagte hat gegen den Beschluss Beschwerde mit der näher ausgeführten Begründung eingelegt, dass weder ein [X.] bestehe noch die Anordnung verhältnismäßig sei. Das [X.] hat entschieden, der Beschwerde nicht abzuhelfen.

II.

2

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

3

1. Die Beschwerde ist nach § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1 [X.] statthaft. Unter dem Begriff der Beschlagnahme im Sinne der Vorschrift ist auch der [X.] nach § 111e [X.] zu verstehen. Zwar lässt sich dafür nicht mehr die Überschrift des achten Abschnitts des ersten Buches der [X.] heranziehen (so noch zu § 111d [X.] aF [X.], Beschluss vom 11. Mai 1979 - StB 26/79 u.a., [X.]St 29, 13, 14). Allerdings gilt weiterhin, dass in der Wirkung für den Betroffenen der Arrest der Beschlagnahme insofern gleichsteht, als letztlich Vermögenswerte für den Staat in Beschlag genommen werden (s. [X.], Beschlüsse vom 11. Mai 1979 - StB 26/79 u.a., aaO S. 15; vom 20. November 1980 - StB 55/80, bei [X.], NStZ 1982, 188, 190; vom 3. Juni 2014 - [X.], NJW 2014, 3258 Rn. 4; [X.], Beschluss vom 17. August 2020 - 4 Ws 6/20, juris Rn. 9; vgl. auch KK-[X.]/[X.], 8. Aufl., § 111j Rn. 19).

4

2. Der angefochtene Beschluss ist nicht zu beanstanden. Die Voraussetzungen für die Anordnung des [X.]es nach § 111e Abs. 2 [X.] liegen vor. Ein solcher ist auch angemessen.

5

a) Gegen die Angeklagte ist ein Urteil mit einer Kostenentscheidung zu ihren Lasten ergangen.

6

Darüber hinaus muss der [X.] "zur Sicherung der Vollstreckung" erforderlich sein. Die Regelung beinhaltet nach dem Wortlaut und den gesetzgeberischen Motiven, dass der allgemeine Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, das Übermaßverbot und die bisherige Rechtsprechung zum "[X.]" zu beachten sind (vgl. BT-Drucks. 18/9525 [X.], 76 f.; [X.], Beschluss vom 25. Oktober 2017 - 1 [X.], NJW 2017, 3731 Rn. 15; KG, Beschluss vom 2. Juni 2020 - 4 Ws 21/20, juris Rn. 25; KK-[X.]/[X.], 8. Aufl., § 111e Rn. 4; LR/[X.], [X.], 27. Aufl., § 111e Rn. 11 ff., 38). Demnach kommt der Arrest nur in Betracht, wenn zu besorgen ist, dass ohne dessen Verhängung die Vollstreckung des Urteils vereitelt oder wesentlich erschwert werde (s. § 917 Abs. 1 ZPO; [X.], Beschluss vom 3. Juni 2014 - [X.], NJW 2014, 3258 Rn. 6). Hierbei sind alle Umstände zu würdigen, die geeignet sind, Anhaltspunkte für oder gegen eine drohende Vereitelung oder Erschwerung der Vollstreckung zu ergeben. Dazu können die Art und die Umstände der Verfehlung, die darauf bezogene Hartnäckigkeit und Dauer sowie Maß und Mittel der [X.] Berücksichtigung finden. Allerdings wird allein das Gewicht der zugrundeliegenden Tat nur in besonderen Ausnahmefällen ausreichen. Um einen [X.] bejahen zu können, sind vielmehr regelmäßig Erkenntnisse auch aus dem Verhalten nach der Tat, insbesondere unter dem Eindruck des laufenden Verfahrens, erforderlich, die auf eine entsprechende Vollstreckungsvereitelungsabsicht hindeuten könnten (zu alldem [X.], Beschluss vom 3. Juni 2014 - [X.], NJW 2014, 3258 Rn. 7 mwN).

7

Nach diesen Maßstäben ist der Arrest möglich und verhältnismäßig. Die Angeklagte ist wegen Mitgliedschaft in der terroristischen [X.] [X.]/ML verurteilt worden (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 12. November 2015 - AK 36/15, [X.], 170). Die [X.] ist bisherigen Erkenntnissen zufolge hierarchisch strukturiert, das Vorgehen war von klandestinem Verhalten geprägt (vgl. [X.], Beschluss vom 29. Oktober 2020 - StB 30/20, juris Rn. 12). Das [X.] hat nach den in der Hauptverhandlung gewonnenen Beweisergebnissen Anhaltspunkte dafür gefunden, dass die Angeklagte der Organisation in der Vergangenheit Geldmittel aus ihrem Privatvermögen zur Verfügung stellte. In einer mehrere Jahre zurückliegenden Versammlung des [X.] erklärte sie ihr grundsätzliches Einverständnis, freiwillig am bewaffneten Kampf in der [X.] teilzunehmen. Wie im angefochtenen Beschluss ausgeführt, hat sich aus ihrem letzten Wort ergeben, dass sie nach wie vor uneingeschränkt hinter den Zielen der [X.] steht und bereit ist, diesen alles andere unterzuordnen. Insgesamt ist danach die Befürchtung begründet, die Angeklagte werde ihr noch vorhandenes Privatvermögen, das im Wesentlichen aus einem Erbbaurecht an einem Grundstück in [X.]     besteht, einem Zugriff zur Begleichung der Verfahrenskosten entziehen. Dies gilt unabhängig davon, ob zu erwarten ist, ihr werde infolge der Taten ihre ärztliche [X.] entzogen. Dass es bislang nicht zu Veräußerungsbemühungen gekommen ist, lässt die Besorgnis einer Vollstreckungsvereitelung nicht entfallen.

8

Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass ein Arrest entbehrlich sein könnte, weil die Angeklagte die Verfahrenskosten, die in der Verhandlung an 234 Hauptverhandlungstagen vor dem [X.] angefallen sind und die dieses allein in Bezug auf Sachverständigen- sowie Zeugenauslagen auf bislang rund 200.000 € veranschlagt hat, aus ihrem Vermögen oder einem etwaigen Einkommen als Ärztin zu tragen in der Lage wäre. [X.], ebenso geeignete Mittel, um die Vollstreckung der Verfahrenskosten sicherzustellen, bestehen nicht.

9

b) Der Senat teilt die im Nichtabhilfebeschluss im Einzelnen dargelegte Ermessensentscheidung des [X.]s, wonach das Bedürfnis des Staates nach Sicherung seines voraussichtlichen Kostenerstattungsanspruchs die von der Anordnung betroffene Eigentumsposition der Angeklagten überwiegt. Dabei ist zwar einerseits zu berücksichtigen, dass der angeordnete Betrag weitgehend das gesamte Vermögen der Angeklagten erfasst, die Arrestanordnung bereits annähernd ein halbes Jahr besteht und sie mit Blick auf das laufende Revisionsverfahren noch weitere Zeit andauern wird (vgl. zu diesen Gesichtspunkten beim Arrest zur Rückgewinnungshilfe [X.], Beschluss vom 17. April 2015 - 2 BvR 1986/14, [X.], 348 Rn. 12 mwN). Allerdings hat die Angeklagte andererseits ein fortlaufendes Einkommen als Ärztin und kann mithin ihren Lebensunterhalt ohne Verbrauch ihres Vermögens sicherstellen. Eine besondere Belastung durch die Eintragung einer Sicherungshypothek, mittels derer der [X.] in das unbewegliche Vermögen gemäß § 111f Abs. 2 Satz 1 [X.] bewirkt wird, ergibt sich nach den konkreten Umständen zudem nicht.

[X.]                    Anstötz

Meta

StB 46/20

19.01.2021

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

§ 111e StPO, § 304 Abs 4 S 2 Halbs 2 Nr 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.01.2021, Az. StB 46/20 (REWIS RS 2021, 9439)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 9439

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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1 StR 163/17

2 BvR 1986/14

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