Bundesfinanzhof, Urteil vom 25.05.2011, Az. I R 60/10

1. Senat | REWIS RS 2011, 6289

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Gegenstand

Steuerfreiheit der Beteiligungserträge gemeinnütziger Körperschaften aus gewerblich geprägten Personengesellschaften


Leitsatz

Die Beteiligung einer gemeinnützigen Stiftung an einer gewerblich geprägten vermögensverwaltenden Personengesellschaft ist kein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine gemeinnützige Stiftung. Im Streitjahr 2006 erzielte sie als Kommanditistin Einkünfte aus Beteiligungen an drei gewerblich geprägten Personengesellschaften in Höhe von insgesamt 3.125.719,17 €. Die Personengesellschaften, an denen die Klägerin beteiligt ist, üben vermögensverwaltende Tätigkeiten aus. In dem jeweiligen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung der Personengesellschaften sind die Einkünfte der Gesellschaften und aus den Beteiligungen aufgrund der Fiktion des § 15 Abs. 3 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG 2002) als gewerbliche Einkünfte festgestellt worden.

2

In ihrer Körperschaftsteuererklärung für das Streitjahr erklärte die Klägerin diese [X.] als Einkünfte aus steuerfreier Vermögensverwaltung. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) erfasste demgegenüber die Einkünfte im Körperschaftsteuerbescheid des [X.], weil er davon ausging, die Klägerin unterhalte insoweit wirtschaftliche Geschäftsbetriebe i.S. des § 14 der Abgabenordnung (AO).

3

Der dagegen erhobenen Klage gab das [X.] ([X.]) mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2011, 23 veröffentlichtem Urteil vom 23. Juni 2010  4 K 2258/09 statt.

4

Mit seiner Revision rügt das [X.] die Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, das Urteil des [X.] aufzuheben und die Klage abzuweisen.

5

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Revision ist unbegründet. Das [X.] hat zu Recht angenommen, die Klägerin unterhalte mit ihren streitgegenständlichen Beteiligungen an den gewerblich geprägten Personengesellschaften keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb i.S. des § 14 [X.].

7

1. a) Die Klägerin ist gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 des [X.] ([X.] 2002) von der Körperschaftsteuer befreit. Soweit sie einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält, ist die Steuerbefreiung ausgeschlossen (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 [X.] 2002). Abweichendes gilt, wenn ein Zweckbetrieb vorliegt (§ 64 Abs. 1 [X.]), was vorliegend unstreitig ausscheidet.

8

b) Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ist nach der Legaldefinition in § 14 [X.] eine selbständige nachhaltige Tätigkeit, durch die Einnahmen und andere wirtschaftliche Vorteile erzielt werden und die über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht. Die Absicht, Gewinn zu erzielen, ist nicht erforderlich (§ 14 Satz 2 [X.]). Ebenso wenig muss eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr vorliegen. Aus der gesetzlichen Definition ergibt sich, dass ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb --insoweit als Oberbegriff (vgl. Beschluss des [X.] --[X.]-- vom 8. November 1971 GrS 2/71, [X.], 440, [X.] 1972, 63; Senatsurteil vom 27. Juli 1988 [X.]/84, [X.], 500, [X.] 1989, 134)-- in der Regel durch die Erzielung von Einkünften aus Gewerbebetrieb i.S. des § 15 EStG 2002 begründet wird. Denn dabei ist begrifflich auch der Rahmen einer Vermögensverwaltung i.S. des § 14 Satz 3 [X.] überschritten (Senatsurteil vom 27. März 2001 [X.], [X.], 239, [X.] 2001, 449).

9

c) Für die Beteiligung an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft, bei der der Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen ist, gilt nichts anderes (Senatsurteile vom 9. Mai 1984 [X.], [X.], 252, [X.] 1984, 726; in [X.], 500, [X.] 1989, 134; vom 22. Januar 1992 [X.]/90, [X.] 167, 144, [X.] 1992, 628; in [X.], 239, [X.] 2001, 449, m.w.N.). Denn auch die daraus bezogenen Gewinnanteile stellen Einkünfte des Gesellschafters aus Gewerbebetrieb dar (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG 2002). Dies folgt aus dem System der Besteuerung von Mitunternehmerschaften, das die einzelnen Mitunternehmer --unabhängig von ihrer [X.] als Gewerbetreibende und Steuersubjekte behandelt, und gilt gleichermaßen für Kommanditbeteiligungen und Beteiligungen an Publikumspersonengesellschaften (a.[X.], [X.] 2001, 837; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 5. Aufl., § 14 Rz 16). Ist eine Körperschaft an mehreren Personengesellschaften beteiligt, werden diese Beteiligungen gemäß § 64 Abs. 2 [X.] als ein (einheitlicher) wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb behandelt.

2. Wie das [X.] zutreffend entschieden hat, gilt dies jedoch dann nicht, wenn es sich --wie im [X.] um eine Kommanditbeteiligung an einer vermögensverwaltenden, aber gewerblich geprägten Personengesellschaft handelt (gl.A. [X.], ebenda; [X.], [X.] 2006, Heft 4, S. 35; [X.], Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, S. 382; [X.], [X.], 581, 583 f.; Schauhoff, Handbuch der Gemeinnützigkeit, 2. Aufl., [X.]; anders [X.] in [X.]/[X.], Die Besteuerung gemeinnütziger Vereine, Stiftungen und der juristischen Personen des öffentlichen Rechts, 6. Aufl., [X.]; [X.], Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb des gemeinnützigen Vereins, [X.] f.; [X.], Gemeinnützigkeit im Steuerrecht, 10. Aufl., S. 300).

a) Nach dem Wortlaut des § 14 [X.] liegt ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb nur vor, wenn die Betätigung über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht. Die Gesellschafter --und damit auch eine als Mitunternehmerin beteiligte steuerbefreite [X.] erzielen zwar bei einer gewerblich geprägten Personengesellschaft in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit gewerbliche Einkünfte. Mit der Feststellung gewerblicher Einkünfte steht auch für den Regelfall fest, dass die Vermögensverwaltung überschritten ist; denn Einkünfte aus Gewerbebetrieb und Vermögensverwaltung schließen einander im Grundsatz aus ([X.] vom 3. Juli 1995 GrS 1/93, [X.] 178, 86, [X.] 1995, 617; vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, [X.], 405, 427, [X.] 1984, 751, 762). In materiell-rechtlicher Hinsicht erzielen gewerblich geprägte Personengesellschaften aber konstitutiv nur aufgrund der Fiktion des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG 2002 Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Der Sache nach gehen die Gesellschafter hingegen einer vermögensverwaltenden und nicht einer gewerblichen Tätigkeit nach; es ist gerade eines der Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG 2002, dass tatsächlich keine Tätigkeit i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 ausgeübt wird. Diese Fiktion gewerblicher Einkünfte des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG 2002 wird in § 14 [X.] für den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb indes nicht aufgegriffen; § 14 [X.] verknüpft das Vorliegen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs auch nicht mit der Erzielung gewerblicher Einkünfte. Da es sich bei dem Begriff des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs nicht um einen ertragsteuerlichen, sondern um einen eigenständigen abgabenrechtlichen Begriff handelt, wäre für einen Gleichlauf mit § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG 2002, um den rechtsstaatlichen Anforderungen des Gesetzesvorbehalts zu genügen, deshalb eine entsprechende Fiktion oder ein Verweis auf die Einkünfte i.S. des § 15 EStG 2002 erforderlich.

b) Auch der Zweck der Besteuerung wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe gebietet keine Besteuerung gewerblich geprägter Einkünfte. Die Gewinne aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben werden aus Gründen der [X.] von der Steuerbefreiung ausgenommen. Den vermögensverwaltenden Tätigkeiten misst der Gesetzgeber demgegenüber, wie aus § 14 [X.] ersichtlich, keine erhebliche Wettbewerbsrelevanz zu (Senatsurteil vom 25. August 2010 [X.]/09, [X.], 312). Vor dem Hintergrund dieses Ziels bedürfen Einkünfte aus an sich vermögensverwaltenden Tätigkeiten, die sich nur aufgrund der Fiktion des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG 2002 in gewerbliche Einkünfte wandeln, keiner Besteuerung. Mit § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG 2002 sollte die vormalige sog. Geprägerechtsprechung des [X.] festgeschrieben und eine Gleichbehandlung mit Kapitalgesellschaften gewährleistet werden (BTDrucks 10/3663, [X.]). Es ist nicht erkennbar, dass die gewerbliche Fiktion vermögensverwaltender Tätigkeiten in § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG 2002 dem Wettbewerbsschutz dient.

c) Die Beteiligungen der Klägerin an den gewerblich geprägten Personengesellschaften begründen danach keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Sie sind vielmehr von der Steuerfreiheit des § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 [X.] 2002 umfasst.

d) Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass in den Bescheiden zur gesonderten und einheitlichen Feststellung die [X.] der Klägerin als gewerbliche Einkünfte festgestellt worden sind.

Die vorliegend für die [X.] der Beteiligungs-Kommanditgesellschaften zuständigen Finanzämter haben zwar gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a [X.] mit bindender Wirkung (§ 182 Abs. 1 [X.]) festgestellt, dass diese Gesellschaften gewerblich tätig waren, die Klägerin daran als Mitunternehmerin beteiligt war und sie aus diesen Beteiligungen Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt hat ([X.]-Beschluss in [X.], 405, 427, [X.] 1984, 751, 762). Ob diese gewerblichen Einkünfte bei der Klägerin einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb begründen, ist damit aber nicht zugleich entschieden, weil gewerbliche Einkünfte zwar in der Regel, aber nicht notwendigerweise mit Einkünften aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben i.S. des § 14 [X.] deckungsgleich sind. Nach dem [X.]-Beschluss vom 11. April 2005 GrS 2/02 ([X.] 209, 399, [X.] 2005, 679) werden nur solche Merkmale in die [X.] einbezogen, die von den Gesellschaftern in ihrer gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit gemeinschaftlich verwirklicht werden. Darüber, ob die gewerblichen Einkünfte bei der Klägerin steuerfrei oder als wirtschaftliche Geschäftsbetriebe zu beurteilen sind, ist außerhalb des Feststellungsverfahrens allein bei der Klägerin zu entscheiden. Soweit den [X.] in [X.], 500, [X.] 1989, 134 und in [X.], 239, [X.] 2001, 449 eine abweichende Auffassung entnommen werden könnte, hält der Senat hieran nicht länger fest.

3. Ob vorstehende Grundsätze auch für Einkünfte i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG 2002 gelten, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Jedoch müssen beide Varianten des § 15 Abs. 3 EStG 2002 nicht notwendig einheitlich entschieden werden. Denn --anders als im [X.] üben im Fall des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG 2002 die Gesellschafter in ihrer gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit jedenfalls auch eine originäre gewerbliche Tätigkeit aus. Diese begründet damit auch einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb der als Mitunternehmerin beteiligten steuerbefreiten Körperschaft, der möglicherweise auch die (gewerblich gefärbten) Einkünfte, die bei isolierter Betrachtung als Vermögensverwaltung zu beurteilen wären, zuzuordnen sind.

Meta

I R 60/10

25.05.2011

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 23. Juni 2010, Az: 4 K 2258/09, Urteil

§ 14 AO, § 180 Abs 1 Nr 2 Buchst a AO, § 182 Abs 1 AO, § 15 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2002, § 15 Abs 3 Nr 1 EStG 2002, § 15 Abs 3 Nr 2 EStG 2002, § 5 Abs 1 Nr 9 KStG 2002

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 25.05.2011, Az. I R 60/10 (REWIS RS 2011, 6289)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6289

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