Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.01.2020, Az. X ZR 33/19

X. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 11965

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[X.]:[X.]:[X.]:2020:140120BXZR33.19.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS
X
ZR
33/19
vom
14.
Januar 2020
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

Akteneinsicht XXIV
ZPO § 299 Abs. 1
a)
Zu den Prozessakten im Sinne des § 299 Abs.
1 ZPO gehören [X.] alle Schriftsätze und Unterlagen, die bei dem Gericht zu dem [X.] geführt werden.
b)
Eine Ausnahme hiervon gilt, wenn das Gericht mit Rücksicht auf einen
bei der Einreichung der Unterlagen erklärten Vorbehalt einer [X.] von einer Weitergabe der Unterlagen an die Gegenpartei abgesehen hat.
[X.], Beschluss vom 14. Januar 2020 -
X [X.] -
[X.]

[X.]

-
2
-
Der X.
Zivilsenat des [X.] hat am 14.
Januar 2020 durch [X.]
[X.],
die Richterinnen Dr.
[X.], Dr.
Marx
und
Dr.
[X.] sowie [X.]
Rensen
beschlossen:
Die Erinnerung der Beklagten gegen die Versagung von Einsicht in die im Schriftsatz der Klägerin vom 2.
September 2019 be-zeichneten Unterlagen
wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung eines ein Mobilfunksystem
betreffenden Patents in Anspruch.
Das [X.] hat dem erstinstanzlich zuletzt auf [X.], Rech-nungslegung und Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz gerichte-ten Klagebegehren in vollem Umfang entsprochen. Das Berufungsgericht hat die Klage hinsichtlich eines Teils des Rechnungslegungsanspruchs abgewiesen und die weitergehende Berufung der Beklagten zurückgewiesen
([X.], Urteil vom 22.
März 2019 -
2
U
31/16; [X.] 2019, 6087). Hiergegen
wenden sich die [X.]en und die Streithelferin der Klägerin mit Revision und Nichtzulassungsbeschwerde.
Bei den vom Berufungsgericht übersandten Akten befindet
sich ein [X.], der
mit "Geheimhaltungsschutz" gekennzeichnet ist und einen von der Klägerin als Teil der Berufungserwiderung eingereichten Schriftsatz nebst [X.] enthält. Einige Seiten dieses Schriftsatzes und einige dieser Anlagen hat die Klägerin als "streng vertraulich" gekennzeichnet; zugleich hat sie sinnge-mäß darum gebeten, die
so
gekennzeichneten Teile nur an bestimmte [X.] weiterzugeben und diese zur Vertraulichkeit zu verpflichten.
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3
-
Das Berufungsgericht hat dieses Begehren mit Beschluss vom 14.
Dezember 2016 zurückgewiesen
und der Klägerin anheimgestellt, die ein-gereichten Unterlagen gegen ein teilgeschwärztes Exemplar auszutauschen. Die Klägerin teilte daraufhin mit, sie habe -
zusätzlich zur vollständigen Fassung -
bereits ein teilgeschwärztes Exemplar der in Rede stehenden Unterlagen bei Gericht eingereicht.
Mit Beschluss vom 17.
Januar 2017
hat das Berufungsgericht angeord-net, dass die als streng vertraulich gekennzeichneten Teile nur den anwaltli-chen Vertretern der Streithelferin zur Kenntnis zu bringen und diese zur Ver-schwiegenheit auch gegenüber der Streithelferin verpflichtet seien und dass hinsichtlich der Beklagten eine Vertraulichkeitsvereinbarung mit näher bezeich-netem Inhalt angebracht erscheine. Zum Abschluss einer solchen Vereinbarung und zur Überlassung der ungeschwärzten Unterlagen an die Beklagten ist es in der Folgezeit nicht gekommen.
Die Geschäftsstelle des [X.] hat dem Prozessbevoll-mächtigten der Klägerin auf dessen Antrag die Gerichtsakten nebst den [X.] Unterlagen zur Verfügung gestellt. Der Überlassung dieser Unterla-gen an
die Prozessbevollmächtigten der Beklagten ist die Klägerin entgegenge-treten. Die Geschäftsstelle hat dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten nach Rückfrage beim Vorsitzenden die Akten ohne diese Unterlagen zur Verfü-gung gestellt.
Die Beklagten
beantragen, ihnen
Einsicht in die bislang nicht übermittel-ten Unterlagen zu gewähren. Die Klägerin tritt dem entgegen.
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4
-
II.
Der Antrag der Beklagten ist gemäß §
573 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache hat er keinen Erfolg.
1.
Der Antrag ist als Erinnerung gegen die Entscheidung der Ge-schäftsstelle gemäß §
573 Abs.
1 Satz
1 und Abs.
3 ZPO statthaft.
Der Statthaftigkeit der Erinnerung
steht nicht entgegen, dass die Ent-scheidung der Geschäftsstelle auf Anordnung des Senatsvorsitzenden ergan-gen ist. Zwar ist die Erinnerung
gemäß §
573 Abs.
1 ZPO nur gegen Entschei-dungen eines beauftragen oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zulässig, nicht aber gegen Entscheidungen des [X.].
Danach ist eine Erinnerung gegen die Entscheidung, Akteneinsicht nur in den Räumen des Gerichts zu gewähren, nicht statthaft, weil die Entscheidung über die Versendung an einen anderen Ort in das Ermessen des Vorsitzenden gestellt
ist ([X.], Beschluss vom 1.
Februar 2012 -
V
ZB
254/11, BeckRS 2012, 3792). Die Entscheidung über die Frage, ob überhaupt Akteneinsicht zu erteilen ist, obliegt in den Fällen des §
299 Abs.
1 ZPO hingegen der Geschäftsstelle. Die damit eröffnete Möglichkeit einer Erinnerung wird nicht dadurch ausge-räumt, dass
die Geschäftsstelle vor ihrer Entscheidung eine Anordnung des Vorsitzenden einholt.
Ob etwas Anderes gilt, wenn
der Vorsitzende unmittelbar eine Entschei-dung gegenüber dem Antragsteller erlässt, kann dahingestellt bleiben. Im [X.] ist die Anordnung des Vorsitzenden den
Beklagten nicht bekanntgegeben worden. Ihnen
gegenüber ist die Entscheidung vielmehr durch die [X.] ergangen.
2.
Die Erinnerung ist unbegründet.
Den
Beklagten steht kein Recht auf Einsicht in die in Rede stehenden Unterlagen zu, weil diese nicht Bestandteil der Gerichtsakten geworden sind 8
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-
5
-
und die Klägerin deren Weitergabe
an die Beklagten
ohne besondere Geheim-haltungsmaßnahmen nicht zugestimmt hat.
a)
Gemäß
§
299 Abs.
1 ZPO
können die [X.]en
die Prozessakten
einsehen. Diese
Regelung gilt gemäß §
555 Abs.
1 ZPO im Revisionsverfahren
entsprechend.
Zu den Prozessakten gehören grundsätzlich alle Schriftsätze und [X.], die bei dem Gericht zu dem Rechtsstreit geführt werden. In den Rechts-mittelinstanzen sind
hiervon
auch die in den Vorinstanzen angefallenen [X.] umfasst, auf die diese Voraussetzung zutrifft. Dies sind im Wesentlichen die von den [X.]en eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und die im [X.] selbst erstellten Dokumente. Nicht zu den Prozessakten gehören hingegen beigezogene Akten aus anderen gerichtlichen oder behördlichen Verfahren ([X.], Urteil vom 18.
Oktober 1951 -
IV
ZR
152/50, NJW 1952, 305, 306).
b)
Im Streitfall geht es nicht um beigezogene Akten, sondern um [X.], die die Klägerin eingereicht hat. Diese fallen dennoch nicht unter den Tatbestand des §
299 Abs.
1 ZPO, weil die Klägerin sie nur unter Vorbehalt eingereicht hat und das Berufungsgericht mit Rücksicht auf diesen Vorbehalt von einer Weitergabe an die Beklagten abgesehen hat.
Nach §
299 Abs.
1 ZPO hängt das Einsichtsrecht einer [X.] zwar nicht von der Zustimmung der übrigen [X.]en oder sonstiger Verfahrensbeteiligter ab. Hiervon zu unterscheiden ist aber die vorgelagerte Frage, unter welchen Voraussetzungen
ein von einer [X.] eingereichtes Dokument zu den [X.] zu nehmen und damit vom Gegenstand des Einsichtsrechts umfasst ist.
Die Frage, welche Dokumente zur Akte zu nehmen sind, unterliegt zwar ihrerseits grundsätzlich nicht der Entscheidung
der [X.]en, sondern derjeni-gen des Gerichts. Dieses wiederum hat grundsätzlich alle Unterlagen zu den 14
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6
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Prozessakten zu nehmen, die eine [X.] oder sonstige Personen zu dem be-treffenden Verfahren einreichen. Wenn indes eine [X.] schon bei der [X.] von Unterlagen zu erkennen gibt, dass diese der Gegenseite nur unter bestimmten Voraussetzungen zugänglich gemacht werden sollen, werden diese jedenfalls dann nicht zum Bestandteil der Prozessakten, wenn das Gericht mit Rücksicht auf diesen Vorbehalt von einer Weitergabe
an den Gegner absieht.
Eine [X.], die dem Gegner bestimmte Informationen nur dann zukom-men lassen will, wenn besondere Maßnahmen zur Geheimhaltung getroffen werden, hat allerdings
die Möglichkeit, zunächst nur eine teilgeschwärzte [X.] der betreffenden Unterlagen einzureichen und das Gericht um Anordnung geeigneter Geheimhaltungsmaßnahmen zu ersuchen ([X.], [X.] vom 25.
April 2018 -
2
W
8/18, juris Rn.
7). [X.] sie die Unterlagen ohne entsprechende Sicherheitsvorkehrungen ein, muss sie grundsätzlich [X.] rechnen, dass diese den anderen Verfahrensbeteiligten unabhängig von darin enthaltenen eigenen Betriebs-
und Geschäftsgeheimnissen zur Verfügung gestellt werden ([X.], 2
W
8/18, juris Rn.
8; vgl. auch [X.], Beschluss vom 8.
November 2004
-
29
W
2601/04, NJW 2005, 1130, 1131).
Hinreichende Sicherheitsvorkehrungen in diesem Sinne hat eine
[X.] grundsätzlich aber auch dann getroffen, wenn sie neben einer für die Prozess-akten und für die Zustellung an den Gegner bestimmten teilgeschwärzten [X.] zugleich eine vollständige Fassung einreicht und hierbei klarstellt, dass diese nur unter bestimmten Voraussetzungen dem Gegner zugänglich gemacht werden soll. Diese Vorgehensweise ist zwar wenig zweckmäßig, weil das [X.] die geschwärzten Passagen grundsätzlich nicht zum Nachteil eines ande-ren Beteiligten berücksichtigen darf, ohne diesem rechtliches Gehör zu gewäh-ren (so zutreffend [X.], NJW 2005, 1130). Dieser Umstand rechtfer-tigt es aber nicht, die Unterlagen entgegen dem ausdrücklich geäußerten Willen der einreichenden [X.] zu den Prozessakten zu nehmen.
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7
-
Prozesshandlungen dürfen grundsätzlich nicht unter eine Bedingung ge-stellt werden. Ein Verstoß gegen diesen Grundsatz hat im [X.], dass die Handlung als unwirksam oder unzulässig anzusehen ist (vgl. etwa [X.], Urteil vom 11.
Juli 1995 -
X
ZR
99/92, [X.]Z 130, 259 = GRUR
1996, 109, juris Rn.
95 -
Klinische Versuche; Beschluss vom 1.
Juni 2017 -
V
ZB
106/16, NJW-RR 2017, 1145 Rn.
11). Entsprechend diesen Grundsätzen kann grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, dass eine [X.] [X.] zu einem Gerichtsverfahren einreichen will, wenn sie deren Weiterleitung an den Gegner von einer Bedingung abhängig macht. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Einreichung von Schriftsätzen oder anderen Unterlagen als Pro-zesshandlung zu qualifizieren ist. Wie bei der Beurteilung von [X.] muss jedenfalls auch bei der Beurteilung der Frage, ob bestimmte Unterla-gen zu den Prozessakten zu nehmen sind, grundsätzlich von Anfang an [X.] bestehen. Diese Klarheit besteht in aller Regel, wenn Unterlagen ohne Vorbehalt zu einem bestimmten Verfahren eingereicht werden. An ihr fehlt es hingegen, wenn die einreichende [X.] die Weiterleitung an den Gegner von Bedingungen abhängig macht.
c)
Die Versagung der Einsicht in die in Rede stehenden Unterlagen verletzt nicht den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör.
Art.
103 Abs.
1 GG wäre allerdings verletzt, wenn das Berufungsgericht seine Entscheidung zum Nachteil der Beklagten auf die in Rede stehenden Unterlagen
gestützt hätte, ohne der Beklagten in angemessener Weise Gele-genheit zur Stellungnahme zu geben. Ein solcher Verstoß kann aber im Rah-men
21
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8
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einer Revision oder Nichtzulassungsbeschwerde gerügt werden. Einer
Einsicht der Beklagten in die betreffenden Unterlagen bedarf es hierzu nicht, denn der Verstoß besteht gegebenenfalls gerade darin, dass die angefochtene Entschei-dung keine Grundlage im Inhalt der Prozessakten findet.

[X.]
[X.]
Marx

[X.]
Rensen
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 19.01.2016 -
4b O 49/14 -

[X.], Entscheidung vom [X.] -
I-2 [X.] -

Meta

X ZR 33/19

14.01.2020

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.01.2020, Az. X ZR 33/19 (REWIS RS 2020, 11965)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 11965

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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X ZR 33/19

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