Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.12.2012, Az. IX ZB 7/12

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 374

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 7/12

vom

13. Dezember 2012

in dem Verbraucherinsolvenzverfahren

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 850e Nr. 3; [X.] § 36 Abs. 4
Hat der Drittschuldner bei der Berechnung des pfändbaren Teils des Arbeitseinkom-mens Geld-
und [X.] zusammengerechnet, kann der Schuldner eine niedrigere Bewertung der [X.] nur im Wege der Klage vor dem Pro-zessgericht erreichen; ein beim Insolvenzgericht eingereichter Festsetzungsantrag gegen den Treuhänder ist unzulässig.

[X.], Beschluss vom 13. Dezember 2012 -
IX ZB 7/12 -
LG [X.]

[X.]

-

2

-

Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.],
[X.] und [X.], die Richterin [X.] und [X.] Pape

am
13. Dezember 2012
beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten wird der Be-schluss der 4. Zivilkammer des [X.] vom 5.
Dezember 2011 aufgehoben.

Die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss des [X.] vom 19. September 2011 wird [X.].

Der Schuldner trägt die Kosten beider Rechtsmittel.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf
6.537,60

(544,80 x 12)
festgesetzt.

Gründe:

I.

Am 4. Mai 2011 wurde das Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet und der weitere Beteiligte zum Treuhänder 1
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bestellt. Der Schuldner ist abhängig erwerbstätig. Sein Arbeitgeber führt den pfändbaren Teil des Arbeitslohns an den Treuhänder ab.

Mit Schreiben vom 5. Juni 2011 hat der Schuldner beim Insolvenzgericht die Berechnung des pfändbaren Teils seiner Bezüge, insbesondere die Einbe-ziehung des vom Arbeitgeber gestellten, auch für Privatfahrten
und für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstelle
nutzbaren Dienstwagens beanstandet. Der Treuhänder ist dem Antrag entgegen getreten. Das Insolvenzgericht hat den Antrag abgelehnt. Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners hat das Beschwerdegericht den Wert der [X.] abweichend festgesetzt und die Kosten der Beschwerde der Insolvenzmasse auferlegt. Mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde will der Treuhänder die Aufhebung des Beschlusses des [X.] und die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde erreichen.

II.

1. Die
Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2,
§ 793 ZPO statthaft
und auch im Übrigen zulässig. Das Insolvenzgericht hat als [X.] (§ 36 Abs. 4 Satz 1 [X.]) über die Höhe des [X.] Einkommens des Schuldners entschieden. In einem solchen Fall bestimmt sich auch der Rechtsmittelzug nach den vollstreckungsrechtlichen Vorschriften (vgl. [X.], Beschluss vom 16. Juni 2011 -
IX ZB 166/11, [X.], 486 Rn. 4; vom 5. Juni 2012 -
IX ZB 31/10, [X.], 672 Rn. 3). Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde zugelassen.

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2. In der Sache führt die Rechtsbeschwerde zur Aufhebung des [X.] Beschlusses und zur Zurückweisung der sofortigen Beschwerde des Schuldners. Der Antrag des Schuldners war
wegen fehlender Zuständigkeit des Insolvenzgerichts
unzulässig.

a) Nach § 36 Abs. 4 [X.] ist das Insolvenzgericht zuständig für Ent-scheidungen darüber, ob ein Gegenstand nach den in § 36 Abs. 1 Satz 2 [X.] in Bezug genommenen Vorschriften der Zivilprozessordnung, darunter auch diejenigen des § 850e ZPO, zur Insolvenzmasse gehört. Allein der Umstand, dass die Anwendung des § 850e
Nr. 3 ZPO zwischen den Parteien des Rechtsmittelverfahrens streitig ist, führt jedoch
noch nicht zu einer Zuständigkeit des
Insolvenzgerichts als besonderes Vollstreckungsgericht. Voraussetzung ist vielmehr, dass die in Bezug genommenen Vorschriften der Zivilprozessordnung eine Maßnahme oder eine Entscheidung des Vollstreckungsgerichts vorsehen, für welche nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Insolvenzgericht zuständig wird (vgl. [X.], Beschluss
vom 11. Mai 2010 -
IX [X.], [X.], 584 Rn. 2 mwN;
Urteil vom 3. November 2011 -
IX ZR 46/11, [X.], 979 Rn. 14; Beschluss
vom 5. Juni 2012 -
IX
ZB 31/10, [X.], 672 Rn. 6).

b) Die Zusammenrechnung des in Geld zahlbaren Einkommens und der Naturalien obliegt dem Drittschuldner, nicht dem Vollstreckungs-
oder dem In-solvenzgericht. Einer gerichtlichen Anordnung bedarf es -
anders als im Falle der Zusammenrechnung nach § 850e Nr. 2 ZPO
-
nicht ([X.]/Walker/
Kessal-Wulf, Vollstreckung
und Vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl., §
850e Rn.
12; [X.], ZPO, 4. Aufl., § 850e Rn. 36). Damit gibt es keine Grundlage für die vom
Schuldner beantragte anderweitige
Festsetzung
des pfändbaren Betrages.

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5

-

c) In
der Kommentarliteratur wird
im Anschluss an eine ältere Entschei-dung des [X.] ([X.] 1963, 227
= [X.] 1962, 700; ebenso
LG [X.] [X.] 1995, 325) allerdings vertreten, das [X.] könne auf Antrag des Gläubigers, des Schuldners oder des Dritt-schuldners eine "klarstellende"
Entscheidung über die Bewertung der [X.] treffen, die für das Prozessgericht in einem späteren Einziehungsprozess bindend sei (Musielak/[X.], ZPO, 9. Aufl., § 850e Rn. 14; [X.]/Stöber, ZPO, 29. Aufl., § 850e Rn. 26; [X.], ZPO, 4. Aufl., §
850e Rn.
36;
MünchKomm-ZPO/[X.], 3. Aufl., § 850e Rn. 37;
[X.]/Walker/
Kessal-Wulf, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl., §
850e Rn.
12;
ähnlich Bengelsdorf, [X.], 176, 184;
gegen eine Bindungswirkung
allerdings
Stein/[X.], ZPO, 22. Aufl., § 850e Rn. 64; wohl auch OLG Hamm [X.] 1962, 700). Begründet wird diese Ansicht damit, dass es sich bei dem Festsetzungsantrag um einen einfachen, billigen und schnellen Weg zu einer gerichtlichen Klärung von Streitfragen handele, der zudem geeignet sei, einen (weiteren) Rechtsstreit zwischen dem Gläubiger und dem Drittschuldner zu vermeiden. Gibt es keine gesetzliche Grundlage für eine Entscheidung des Vollstreckungsgerichts (oder hier des Insolvenzgerichts in seiner Eigenschaft
als besonderes Vollstreckungsgericht), kann einem "[X.]"
jedoch schon gegenüber den Verfahrensbeteiligten -
hier: gegenüber dem Schuldner und dem Treuhänder
-
keine bindende Wirkung zukommen.
Erst recht gilt dies im Verhältnis zur Drittschuldnerin, welche die streitigen [X.] vorgenommen hat, am vorliegenden Antrags-
und Beschwerdeverfah-ren
aber
nicht beteiligt war. Im Falle eines Obsiegens des Schuldners sähe sie sich dessen Nachforderungen ausgesetzt, ohne rechtliches Gehör erhalten zu haben.
Warum in einem solchen Fall die Masse für die Kosten des "Klarstel-lungsbeschlusses"
aufkommen soll, ist ebenfalls nicht verständlich.
Verbindlich kann die streitige Berechnung des pfändungsfreien Betrages im Falle des 7
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6

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§
850e Nr. 3 ZPO (nur)
im Einziehungsprozess geklärt werden, insbesondere
im Rahmen einer (Zahlungs-
oder Feststellungs-) Klage des Schuldners oder des Treuhänders gegen den Drittschuldner; eine Bindungswirkung im Verhältnis zum nicht an diesem Rechtsstreit beteiligten Treuhänder oder Schuldner
kann durch eine Streitverkündung erreicht werden. Führt die im vorliegenden Verfah-ren beantragte "Klarstellung"
nicht zu einer verbindlichen Feststellung des pfändbaren Betrages, kann sie ihren Zweck also nicht erfüllen, fehlt das Rechtsschutzinteresse für den auf ihren Erlass gerichteten Antrag.

III.

Der angefochtene Beschluss kann damit keinen Bestand haben. Er ist aufzuheben (§ 577 Abs. 4 ZPO). Da die Aufhebung nur wegen [X.] bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat in der

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7

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Sache selbst zu entscheiden (§ 577 Abs. 5 ZPO). Die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss des Insolvenzgerichts wird
zurückgewie-sen.

Kayser
[X.]
[X.]

[X.]
Pape

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 19.09.2011 -
10 [X.] 158/11 -

LG [X.], Entscheidung vom 05.12.2011 -
4 [X.]/11 -

Meta

IX ZB 7/12

13.12.2012

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.12.2012, Az. IX ZB 7/12 (REWIS RS 2012, 374)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 374

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