Bundesgerichtshof, Urteil vom 26.03.2024, Az. VIa ZR 1659/22

6a. Zivilsenat | REWIS RS 2024, 2065

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Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 5a. Zivilsenats des [X.] vom 28. November 2022 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Berufungsantrag auf Zahlung (Hauptforderung in Höhe von 39.545,80 € nebst Zinsen) und die [X.] auf Feststellung und Freistellung zurückgewiesen worden sind.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug in Anspruch.

2

Er erwarb am 20. Februar 2020 einen von der Beklagten hergestellten gebrauchten [X.], der mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor der [X.] (Schadstoffklasse Euro 6) ausgerüstet ist.

3

Das [X.] hat die auf Zahlung von Schadensersatz nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs, Feststellung des Annahmeverzugs sowie Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.] ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat insoweit zugelassenen Revision verfolgt er seine Berufungsanträge weiter.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision des [X.] hat Erfolg.

I.

5

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

6

Dem Kläger stehe ein Anspruch aus den §§ 826, 31 BGB nicht zu. Ein [X.] könne als solches nicht die Sittenwidrigkeit begründen. Weder sei vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Beklagte das [X.] durch unzutreffende Angaben über ein [X.] getäuscht habe. Auch in Bezug auf die weiteren behaupteten Abschalteinrichtungen seien Umstände im Sinne einer sittenwidrigen Schädigung nicht erkennbar. Der Kläger habe keine Umstände substantiiert dargetan, die auf unzulässige Abschalteinrichtungen in diesem Sinne schließen ließen.

7

Einem Anspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV stehe entgegen, dass der Kläger ein Verschulden der Beklagten nicht dargetan habe.

II.

8

Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren teilweise nicht stand.

9

1. Zwar begegnen die vom Kläger insbesondere unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG angegriffenen Erwägungen, auf die das Berufungsgericht die Verneinung eines Schadensersatzanspruchs gemäß §§ 826, 31 BGB gestützt hat, mit Rücksicht auf die höchstrichterlich geklärten Maßstäbe für Einrichtungen der [X.] ohne Prüfstandsbezug einerseits (vgl. etwa [X.], Beschlüsse vom 19. Januar 2021 - [X.], NJW 2021, 921 Rn. 16 ff. und vom 9. März 2021 - [X.] 889/20, NJW 2021, 1814 Rn. 26 ff.) und für die an den Klägervortrag zu stellenden Anforderungen andererseits (vgl. etwa [X.], Urteil vom 13. Juli 2021 - [X.] 128/20, [X.], 1252 Rn. 20 ff.; Beschluss vom 4. Mai 2022 - [X.], juris Rn. 20 f.) keinen durchgreifenden Bedenken.

2. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Urteils entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des [X.] gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der [X.] zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], [X.]Z 237, 245 Rn. 29 bis 32). Ein Anspruch auf Ersatz des [X.] wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung setzt dabei zwar ein Verschulden des Herstellers voraus. Dieses wird aber vermutet und muss vom Anspruchsteller folglich nicht dargelegt werden. Vielmehr muss sich der Hersteller entlasten ([X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 59; Urteil vom 25. September 2023 - [X.], NJW 2023, 3796 Rn. 13). Auch die weiteren, insofern geltenden Maßstäbe sind geklärt (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 58 ff. und Urteil vom 25. September 2023 - [X.], NJW 2023, 3796 Rn. 13 f.). Feststellungen in diesem Sinn hat das Berufungsgericht nicht getroffen.

Das Berufungsgericht hat daher zwar im Ergebnis zu Recht einen Anspruch des [X.] auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], [X.]Z 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen [X.] zustehen kann (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso [X.], Urteile vom 20. Juli 2023 - [X.], [X.], 1839 Rn. 21 ff.; - [X.], juris Rn. 16 f.; Urteil vom 12. Oktober 2023 - [X.], juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

Die angefochtene Entscheidung ist demnach im beantragten Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil sie sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird auf der Grundlage der mit Urteil des Senats vom 26. Juni 2023 in der Sache [X.] aufgestellten Grundsätze die erforderlichen Feststellungen zu einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV zu treffen haben, nachdem es dem Kläger Gelegenheit gegeben hat, den [X.] zu berechnen und dazu vorzutragen.

[X.]     

      

Krüger     

      

Götz

      

Vogt-Beheim     

      

Katzenstein     

      

Meta

VIa ZR 1659/22

26.03.2024

Bundesgerichtshof 6a. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Dresden, 28. November 2022, Az: 5a U 1055/22

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 26.03.2024, Az. VIa ZR 1659/22 (REWIS RS 2024, 2065)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 2065

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VII ZR 412/21

III ZR 303/20

III ZR 267/20

VI ZR 128/20

VI ZR 889/20

VI ZR 433/19

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