Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.04.2014, Az. 5 StR 113/14

5. Strafsenat | REWIS RS 2014, 6146

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS

5 StR 113/14
vom
24. April 2014
in der Strafsache
gegen

wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.

-
2
-

Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 24. April 2014 beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 26. August 2013 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugend-schutzkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von [X.] in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit schwerem sexuellem Miss-brauch eines Kindes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Mona-ten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.

1. Nach den Feststellungen des [X.] besuchte der 9-jährige Neben-kläger

S.

an zwei nicht näher feststellbaren Tagen von Mitte August 2011 bis Mitte Oktober 2011 gemeinsam mit seinem damals 9-jährigen Verwandten

M.

den Angeklagten. Bei diesen Besuchen stimulierten sich der Nebenkläger und der Angeklagte jeweils gegenseitig manuell am entblößten erigierten Penis; beim zweiten Besuch nahm der Angeklagte entsprechende Handlungen auch mit dem Zeugen M.

vor und führte zusätzlich bei diesem den Oralverkehr durch.

Der Angeklagte hat die Taten bestritten
und eine Reihe von
Falschbelas-tungsmotiven angeführt, die im Wesentlichen auf Auseinandersetzungen mit der Fa-milie S.

, insbesondere dem älteren Bruder des [X.], dem Zeugen

Sc.

, zurückzuführen seien. Das [X.] sieht den Angeklagten ausschließlich aufgrund der
Angaben des Zeugen M.

als überführt
an. Es hat den Sachver-1
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3
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halt festgestellt, den der Zeuge konstant geschildert
hat,
und die in der Aussage ent-haltenen Divergenzen
zugunsten des Angeklagten nicht zugrunde gelegt. Keines der vom Angeklagten genannten [X.] habe einen engen Bezug zum Zeugen M.

aufgewiesen; gegen die Einbindung des Zeugen M.

in ein eventuelles Komplott der Familie S.

spreche jeweils die Entstehungsgeschichte seiner Aussage und der
des Zeugen

Sc.

. Die
Angaben des [X.]
hat das [X.] nicht herangezogen, weil sie
Abweichungen im Kerngeschehen aufwiesen, detailarm seien und eine fremdsuggestive Beeinflussung durch den Zeu-gen

Sc.

, bei dem der Angeklagte im Sommer 2011
ebenfalls unter ähnli-chen Umständen den Oralverkehr durchgeführt haben soll,
nicht ausgeschlossen werden konnte.

2. Die der Verurteilung zugrundeliegende Beweiswürdigung hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Würdigung der Aussage des von der [X.] als einzigen Belastungszeugen herangezogenen Zeugen M.

erfüllt die insofern geltenden strengen Anforderungen nicht
(vgl. etwa [X.], Urteile
vom 29.
Juli 1998

1
StR 94/98, [X.]St
44, 153, 158
f., und vom 12.
Dezember 2012

5
StR 544/12

sowie
Beschluss vom 30.
August 2012

5
StR 394/12,

NStZ-RR
2013, 19
und 119).

a) Die Urteilsgründe enthalten schon keine zusammenhängende Darstellung der Aussage des Zeugen M.

mit den zugehörigen Details, die eine [X.] der [X.] und -konstanz sowie eine Auseinandersetzung mit den im Einzelnen festgestellten, auch das Kerngeschehen betreffenden, Abweichungen in der eigenen Aussage des Belastungszeugen für das Revisionsgericht überprüfbar machen.
Hinzu
kommt, dass das [X.] zwar keine Feststellungen auf die An-gaben des [X.] gestützt
hat;
es hat sich aber
auch nicht damit auseinan-dergesetzt, ob diese
insgesamt der Glaubhaftigkeit der
zugrunde gelegten Angaben
entgegenstehen könnten.

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5
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4
-

b) Das [X.] befasst sich zudem nur beiläufig
mit der Entstehungsge-schichte der Aussagen des Zeugen M.

und des [X.],
ohne sie nä-her auszuführen.
Namentlich teilen die Urteilsgründe nicht mit, wie es zur Aufde-ckung der Taten und zur Anzeigeerstattung kam. Der Entstehungsgeschichte einer Aussage kommt aber gerade
bei der Bewertung kindlicher Zeugen in [X.] besondere Bedeutung zu (vgl. [X.], Beschluss vom 5. November 1997

3
StR 558/97, [X.]R StGB § 176 Abs. 1 Beweiswürdigung 3).
Ihre Darstellung war hier gerade mit Blick
auf das von dem Angeklagten behauptete [X.] und den Tatvorwurf

Sc.

betreffend unentbehrlich.

Der Zeuge M.

ist erstmals am 13. Januar 2012
polizeilich vernommen worden. Ausgangspunkt für seine Vernehmung waren die Angaben des [X.] in dessen polizeilicher Vernehmung vom 9.
Januar 2012. Das [X.] hätte deshalb darstellen
müssen, welche Angaben der Nebenkläger in dieser vorangegan-genen Vernehmung gemacht hat und wie es wiederum zur Entstehung
und Entwick-lung dieser
Aussage kam.

Am 16.
Januar 2012 ist dann der Zeuge

Sc.

zu dem ihn betreffenden (von der Staatsanwaltschaft inzwischen eingestellten) Missbrauchsvorwurf gegen den Angeklagten polizeilich vernommen
worden. Dieser enge zeitliche Zusammen-hang seiner Vernehmung mit den polizeilichen Vernehmungen der geschädigten Kinder, die Ähnlichkeit der Tatvorwürfe und der Umstand, dass sich um die Familie des [X.], insbesondere um seinen Bruder

, eine Reihe von möglichen [X.]n rankt, hätten es erfordert, auch ihn betreffend Aussageent-stehung und -entwicklung eingehender darzustellen und insbesondere auch in [X.] Zusammenhang die Umstände und den Zeitpunkt der Anzeigeerstattung im
Ein-zelnen darzulegen.

c) Schließlich ist die Feststellung, der Zeuge M.

habe vor seiner [X.] mit niemandem über das Geschehen gesprochen (UA S.
17), durchgrei-6
7
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5
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fenden Zweifeln unterworfen. Insbesondere wäre zu erörtern gewesen,
ob und in-wieweit zwischen dem Zeugen M.

und dem Nebenkläger Gespräche über die gemeinsam erlebten Taten, deren Aufdeckung und das Ermittlungsverfahren stattge-funden haben, um eine gegenseitige Beeinflussung der Zeugen

auch vor dem [X.] einer möglichen Fremdsuggestion durch den Zeugen

Sc.

(vgl. UA S.
19)

ausschließen zu können. Zudem erscheint die Annahme, dass die von der Polizei über den wesentlichen Inhalt der Aussage des [X.] informierten El-tern des Zeugen M.

vor dessen Vernehmung ihren
Sohn nicht auf die Vorwür-fe angesprochen haben
sollen, schon nach der Lebenserfahrung zweifelhaft.
Inso-weit verweist der Senat ergänzend
auf den Revisionsvortrag im Zusammenhang mit einer zulässig erhobenen Aufklärungsrüge.

3.
Die Sache bedarf daher insgesamt neuer
Verhandlung und Entscheidung. Angesichts
des Alters der zur Tatzeit kindlichen Zeugen und der gesamten [X.] wird das neue Tatgericht die Einholung von [X.] ernsthaft zu erwägen haben.

Der Senat weist darauf hin, dass die Aussagen des [X.] und des Zeugen

Sc.

durchaus geeignet sein könnten, die Angaben des Zeugen M.

zu stützen. Dies setzt freilich eine sorgfältige Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten
gegenseitiger
Beeinflussung der drei
Zeugen voraus.

Basdorf
Schneider
Dölp

Berger
Bellay

10
11

Meta

5 StR 113/14

24.04.2014

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.04.2014, Az. 5 StR 113/14 (REWIS RS 2014, 6146)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6146

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