16. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 12100
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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Auf die Berufung des Antragstellers wird das am 12. Dezember 2017 verkündete Urteil des Landgerichts Köln – Kammer für Baulandsachen – abgeändert.
Der Umlegungsbeschluss des Antragsgegners vom 30.11.2016 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens erster Instanz hat der Antragsgegner zu tragen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Antragsgegner und die Beteiligte zu 23. zu tragen.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollsteckbar. Dem Antragsgegner wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Antragstellers gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Antragsteller vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Der Beteiligten zu 23. wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Antragstellers gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Antragsteller vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 25.200,00 € festgesetzt.
I.
Das Landgericht – Kammer für Baulandsachen – hat mit Urteil vom 12.12.2017, auf welches wegen des zu Grunde liegenden Tatbestands, der erstinstanzlich gestellten Anträge und der Einzelheiten der Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der zulässige Antrag sei nicht begründet.
Die beabsichtigte Umlegung sei gemäß § 45 S. 2 Nr. 2 BauGB für den umgrenzten Bereich zulässig, weil es sich bei diesem Ortsteil um einen solchen im Sinne des § 34 BauGB handele, für den sich aus der Eigenart der näheren Umgebung hinreichende Kriterien für die Neuordnung der Grundstücke ergäben und weil die vorgesehene Neuordnung der Grundstücke städtebaulich und wirtschaftlich günstige Grundstücke entstehen lasse.
Die Umgebung entspreche einem Baugebiet der Baunutzungsverordnung, denn es handle sich um ein reines Wohngebiet im Sinne des § 3 BauNVO. Ziel der Umlegung sei die Neugestaltung, um weitere Wohnhausgrundstücke zu erhalten. Das Maß deren baulicher Nutzung werde bestimmt durch die überbaubare Grundstücksfläche, die Anzahl der Geschosse und die maximale Höhe der Gebäude. Im streitigen Bereich reiche die Bandbreite der überbaubaren Grundstücksfläche (GRZ) in der vorhandenen Umgebungsbebauung von 0,3 - 0,5. Die zulässige Obergrenze liege für eine Wohnbebauung nach dem geltenden § 17 BauNVO bei 0,4, was deshalb auch für die hier zu erwartende künftige Bebauung maßgeblich sei. Das seien ausreichende Kriterien im Sinne von §§ 45 S. 2 Nr. 2, 34 BauGB für die Zulässigkeit der Umlegung in diesem Gebiet. Eine nähere Konkretisierung erfahre dies erst in den nach Durchführung der Umlegung ausstehenden einzelnen Baugenehmigungsverfahren.
Auch die Abgrenzung des Umlegungsgebiets sei nicht zu beanstanden. Die Umlegungsstelle habe insoweit ein sehr weites Ermessen. Letztlich seien Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte ausschlaggebend. Das treffe ohne weiteres für das Grundstück des Antragstellers zu, unabhängig davon, dass es selbst seit Jahren erschlossen sei.
Der Antragsgegner verfolge damit auch privatnützige und nicht ausschließlich öffentliche und damit für den Antragsteller fremdnützige Ziele. Die Gesamtwürdigung aller wesentlichen Umstände ergebe hier, dass die beabsichtigte Maßnahme insgesamt auch im wohlverstandenen Interesse aller Grundstückseigentümer liege. Gleichgültig sei, dass der Anlass der Umlegung fremd- oder gemeinnützig sei. Ziel der Umlegung sei die Schaffung der Möglichkeit einer Bebaubarkeit der rückwärtigen Teile der vorhandenen und bebauten Grundstücke durch deren unmittelbare Erschließung. Diese reduziere sich weder auf den Ausbau der bereits vorhandenen Stichstraße zu Zwecken der Gemeinde noch begründe die Privatnützlichkeit der Umlegung eine Ermessenseinschränkung, die zu schaffenden Erschließungsanlage auf das absolute Minimum zu beschränken.
Im Ergebnis liege hier ein klassischer Fall einer Umlegungslage vor.
Soweit der Antragsteller durch einen entsprechenden Beweisantrag unter Beweis gestellt habe, die beabsichtigte Bebauung füge sich nicht in die Umgebung ein und bringe Unruhe in das Gebiet, beinhalte das keine konkrete Tatsachenbehauptung, welche – etwa durch den beantragten richterlichen Augenschein – zu überprüfen sei. Die Behauptung sei auch bedeutungslos, weil allenfalls beachtlich sei, dass auf den neu entstehenden Grundstücken nichts gebaut werden könne, das sich in die Umgebungsbebauung einfüge. Das sei aber nicht dargelegt und nicht unter Beweis gestellt worden.
II.
Gegen dieses seinem Prozessbevollmächtigten am 20.12.2017 zugestellte Urteil hat der Antragsteller am 10.01.2018 und damit rechtzeitig Berufung eingelegt und diese durch Schriftsatz vom 11.02.2018, eingegangen am 15.02.2018, rechtzeitig begründet.
Mit seiner Berufung verfolgt er sein erstinstanzliches Begehren weiter.
Er rügt die Verletzung materiellen Rechts. Das Landgericht habe verkannt, dass die Voraussetzungen des § 55 BauGB nicht vorlägen. Diese seien aber zu prüfen – und abzulehnen – gewesen, weil es hier nicht nur um eine Umgestaltung der vorhandenen Grundstücke gehe, sondern auch um den Ausbau der bisherigen defizitären Erschließung des angrenzenden Baugebiets unter Einbeziehung von Flächen der Grundstücke des Umlegungsgebiets, die hierdurch nachgebessert werden solle. Ohne einen Bebauungsplan sei das gesetzlich nur für die Fälle einer "behutsamen Nachverdichtung" vorgesehen. Eine solche beabsichtige der Antragsgegner nicht. Das ergebe sich schon aus der üppigen Dimensionierung der Erschließungsstraße und des geplanten Wendeplatzes. Kennzeichen einer Nachverdichtung – ausgeführt etwa in den Leitlinien zur Nachverdichtung der Stadt C oder in einem Positionspapier der Architektenkammer NW – sei es hingegen, dass die bisherige Infrastruktur ohne deren Ausbau genutzt werden könne.
Auch die Voraussetzungen des § 45 BauGB ließen sich nicht feststellen. Ein Bebauungsplan liege weder vor noch sei ein solcher beabsichtigt. Die Voraussetzungen des § 45 S. 2 Nr. 2 BauGB wiederum lägen nach den Feststellungen des Landgerichts deshalb nicht vor, weil danach die Grundstücksteile, die zu den neu entstehenden Grundstücken werden sollten, derzeit nicht bebaubar seien, weshalb für sie die Voraussetzungen des § 34 BauGB gerade nicht anzunehmen seien.
Ferner rügt er die Verletzung formellen Rechts, konkret die mangelnde Sachaufklärung. Das Landgericht habe seinen Beweisantrag nicht ablehnen dürfen. Schon die Grundannahme einer unzureichenden Konkretisierung der unter Beweis gestellten Tatsachen sei unzutreffend. Dass und warum die geplanten Baumaßnahmen Unruhe in das Gebiet tragen würden, habe er ausführlich in seinem Schriftsatz vom 8.6.2017 dargelegt. Das könne nicht mit der knappen Angabe, es fehle an der Darlegung, dass keinerlei nach § 34 BauGB zulässige Bebauung sich hier in die Umgebung einfüge, beantwortet werden. Das klammere nämlich den Altbestand der bisherigen Bebauung aus. Die beantragte Inaugenscheinnahme hätte ergeben, dass sich die durch die Umlegung vorgesehene Bebauung nicht in die Umgebungsbebauung einfüge.
Verkannt habe die Baulandkammer auch, dass eine Vielzahl verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen eine wie hier beabsichtigte Hinterlandbebauung im Anwendungsbereich des § 34 BauGB kritisch sehe, sei es, dass im konkreten Fall die höchstzulässige GRZ oder die Bebauungstiefe überschritten werde. Insoweit dürfe nicht auf die künftige Situation nach dem Bau der Erschließungsstraße abgestellt werden. Es müssten die Voraussetzungen des § 34 für die gesamte Fläche bereits vor Beginn der Umlegung feststellbar sein. Das darin festgelegte Einfügungsgebot beschränke sich nicht auf Art und Maß der geplanten Bebauung. Auch der Charakter als Hinterlandbebauung sei dabei ein Kriterium. Die vorgetragene Absprache mit der Bauordnungsbehörde genüge nicht für die Annahme einer dermaßen beschränkten Bebauung. Denn es stehe ja noch nicht einmal fest, dass die Einschätzung des BauOAmts zutreffend sei. Das Baulandgericht habe insoweit eine eigene Bewertung vorzunehmen.
Unzutreffend seien die Ausführungen des Landgerichts zur zu erwartenden Bebauung. Es reiche aus, dass der Antragsgegner die Folgen der Umlegung auf die zu erwartende Bebauung und die dort zu besorgende Grundflächenzahl nicht bedacht habe, um die Umlegungsentscheidung als ermessensfehlerhaft zu erkennen. Diese könnten auch nicht durch die Erwägungen der Baulandkammer ersetzt werden, es sei keine Wohnbebauung zu erwarten, die über den Wert von 0,4 komme. Tatsächlich sei bei einigen Grundstücken, werde die vorgesehene Planung und der vorgesehene Zuschnitt der neu entstehenden Grundstücke umgesetzt, eine GRZ von bis zu 1,0 zu besorgen. Das würden die Verwertung der Hausakten der betroffenen Grundstücke und eine Ortsbesichtigung zur richterlichen Augenscheinseinnahme ergeben.
Die Baulandkammer habe sich - soweit es eine typische Umlegungslage annehme – auf nicht einschlägige Rechtsprechung des erkennenden Baulandsenats bezogen. Das trage seine Entscheidung nicht.
Ferner habe die Baulandkammer verkannt, dass die geplante Maßnahme hier in erster Linie gemeinnützig sei, was ihr die Privatnützigkeit als Merkmal einer Umlegung nehme und zu deren Rechtswidrigkeit führe. Die Gemeinnützigkeit ergebe sich aus der üppigen Gestaltung des Wendeplatzes. Seine Anlage sei auch nach dem Vortrag des Antragsgegners nur der bislang defizitären Erschließung des angrenzenden, durch die weiterzubauende Stichstraße erschlossenen Baugebiets geschuldet. Primärziel der Umlegung sei danach nicht die Erschließung der Hinterlagen. Der in erster Linie gemeinnützige Zweck der geplanten Maßnahme schließe eine Umlegung ohne Bauleitplanung aus.
Der Antragsteller beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Umlegungsbeschluss des Antragsgegners vom 30.11.2016 aufzuheben.
Der Antragsgegner und Stadt L beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil.
Der Antragsteller gehe von falschen Tatsachen aus. Die Bebauung des angrenzenden Baugebiets sei nicht auf Grundlage eines in seiner Verwirklichung steckengebliebenen Bebauungsplans, sondern auf Basis von § 34 BauGB und eines Erschließungsvertrags erfolgt. Daraus folge, dass es sich bei der weiterzubauenden Stichstraße nicht um einen Privatweg handle und insgesamt nicht um eine defizitäre, hier zu reparierende Erschließung.
Es sei auch nicht ersichtlich, dass die angeführten Leitlinien der Stadt C oder ein Positionspapier der AKNW geeignet seien, die tatsächlichen Voraussetzungen einer Umlegung zur Nachverdichtung der Wohnbebauung oder von Baumaßnahmen nach näherer Maßgabe von § 34 BauGB zu konkretisieren.
Primäres Ziel der geplanten Umlegung sei es auch nicht, der Gemeinde günstige Verkehrsflächen zu verschaffen, sondern die Schaffung von zehn zur Bebauung geeigneten neuen Grundstücken. Das sei nur durch den Weiterbau der schon vorhandenen Stichstraße nebst Bau des Wendeplatzes auch in der vorgesehenen Dimensionierung zu erreichen. Die bisherige Erschließung des angrenzenden Baugebiets sei mitnichten defizitär, sondern dafür genügend. Dort sei namentlich auch eine funktionierende Wendefläche vorhanden.
Dass nach geltendem Recht eine Bebauung eines Grundstücks in zweiter Hinterliegerlage nicht zulässig sei, nehme den Grundstücken nicht den Charakter, dass ihre Bebaubarkeit sich nach § 34 BauGB richte. Für eine Umlegung nach Maßgabe von § 45 S. 2 Nr. 2 BauGB sei ohnehin nur darauf abzustellen, ob die geplante Umlegung zu einer Bebaubarkeit der neuen Grundstücke nach § 34 BauGB führt. Erforderlich und ausreichend sei, dass sich die Zulässigkeit künftiger Bebauung in einem „34er-Gebiet“ aus den durch die Umgebungsbebauung aufgestellten Kriterien ergebe. Das konkretisiere die Bebaubarkeit der künftig entstehenden Grundstücke, auch nach der stattgefundenen Abstimmung mit den zuständigen städtischen Dienststellen, ausreichend. Der Haus- bzw. Wohnungsbau, wie er in dem Zuteilungsvorschlag des Umlegungsverfahrens vorgesehen sei, werde vom Bauaufsichtsamt als genehmigungsfähig angesehen, Vorhaben, die diesen Rahmen überschritten, hingegen nicht. Bedeutungslos sei, inwieweit die einbezogenen Flächen, namentlich das gartengenutzte Hinterland, derzeit bebaubar wären.
Die Formalrüge sei nicht ausgeführt. Der Beweisantrag sei schon unzulässig gewesen, weil er sich pauschal auf früheres Vorbringen bezogen habe. Zudem werde eine Rechtstatsache unter Beweis gestellt. Diese sei der Inaugenscheinnahme nicht zugänglich.
Die Umlegung nach § 45 BauGB hänge nicht von den Voraussetzungen des § 55 BauGB ab. Dieser erweitere die Möglichkeiten der Umlegung lediglich dahin, dass die Vorwegausscheidung von Verkehrsflächen auch im sog. "34er-Gebiet" zulässig sei.
Die Sorge, wegen der Bestandsbebauung im Lichte der neuen Grundstückszuschnitte sei eine für Neubauvorhaben zulässige GRZ von bis zu 1,0 zu erwarten, sei unbegründet. Die geplante Neuordnung der einbezogenen Grundstücke berücksichtige, dass keine solchen entständen, die eine größere GRZ für WR und WA als 0,4 ergäben. Nur durch Einbeziehung von Garagenflächen, Zufahrten und Spielflächen gelange man auf eine GRZ von höchstens 0,8. Das begründe aber nicht die Sorge einer intensiveren und höheren Bebauung der neu entstehenden Grundstücke. Zudem handle es sich bei den derzeit vorgesehenen künftigen Grundstücksgrenzen nur um ein Arbeitsmodell; die verschiedenen Eigentümer der an die W-R Straße angrenzenden Grundstücke seien ihrer seit dem 01.08.1972 bestehenden Einmessungspflicht nach § 16 Vermessungskatastergesetz NRW nicht nachgekommen, weshalb derzeit noch nicht bekannt sei, welche konkreten GRZ'en sich ergäben. Endgültig würden – auch unter Berücksichtigung dieser Problematik – die künftigen Grenzen erst im Umlegungsplan festgelegt.
Die Umlegung diene auch keineswegs ausschließlich öffentlichen Interessen. Die Umlegung sei privatnützig angelegt. Das belege schon der Umstand, dass als Ersatz für die eingeworfenen Grundstücke den bisherigen Eigentümern nach Möglichkeit die Grundstücke zugeteilt werden sollten, die aus ihren Einwurfgrundstücken entstünden. Obwohl gesetzlich für den Fall einer Neuordnungsumlegung nicht vorgeschrieben, unterschritten die beanspruchten Verkehrsflächen mit rd. 12 % des Umlegungsgebiets nicht den Grenzwert von 30 % für den Fall einer erstmaligen Erschließung.
Die Umlegung sei auch nicht unverhältnismäßig. Ein maßstabsgebender qualifizierter Bebauungsplan sei nicht erforderlich, weil, wie die Baulandkammer zutreffend ausgeführt habe, die maßgeblichen Kriterien einer nach § 34 BauGB zulässigen Bebauung sich in hinreichender Weise feststellen ließen. Diese Umgebungsbebauung stelle den Planersatz dar, nicht der Umlegungsplan.
Der Senat hat einen Ortstermin durchgeführt, das Umlegungsgebiert einschließlich der dieses umschließenden Altbebauung im Geviert zwischen der N Straße und dem H Weg und zwischen der J Straße und der W – R Straße in L E sowie den teilweise in dieses Gebiet führenden Q- I Weg nebst der an ihn angrenzenden Bebauung in richterlichen Augenschein genommen und die Verfahrensbeteiligten, soweit sie sich mit Sachanträgen beteiligen, persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Augenscheinseinnahme wird auf das Protokoll vom 21. Januar 2020, wegen des Ergebnisses der Anhörung der Beteiligten auf den Berichterstattervermerk vom selben Tag verwiesen.
III.
Die nach §§ 529 ZPO, 221 BauGB zugrunde zu legenden Tatsachen begründen eine andere, dem Antragsteller günstigere Entscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO. Entgegen der Ansicht des erstinstanzlichen Gerichts lagen im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Verwaltungsakts (und liegen auch heute) die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Umlegung gem. §§ 45, 46 BauGB nicht vor.
Gem. § 45 S. 1 BauGB können zur Erschließung oder Neugestaltung von Gebieten bebaute und unbebaute Grundstücke durch Umlegung in der Weise neu geordnet werden, dass nach Lage, Form und Größe für die bauliche oder sonstige Nutzung zweckmäßig gestaltete Grundstücke entstehen. Eine solche Umlegung kann gem. § 45 S. 2 BauGB sowohl im Geltungsbereich eines (bereits bestehenden oder noch aufzustellenden) Bebauungsplans gem. § 30 BauGB als auch innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Sinne von § 34 BauGB durchgeführt werden, hier aber nur, wenn sich aus der Eigenart der näheren Umgebung oder einem einfachen Bebauungsplan im Sinne des § 30 Absatz 3 BauGB hinreichende Kriterien für die Neuordnung der Grundstücke ergeben.
Ein Bebauungsplan gem. § 30 Abs. 1 oder Abs. 3 BauGB liegt hier weder vor noch ist die Aufstellung eines solchen durch den Rat der Stadt L beabsichtigt. Das entspricht dem durchgängigen Sachvortrag aller Verfahrensbeteiligten und ist vom Antragsgegner im Termin zur mündlichen Verhandlung noch einmal bestätigt worden. Die Stadt L sehe weiterhin ein dringendes Bedürfnis für die Ausweisung weiteren Baulands. Für die Aufstellung von weiteren Bebauungsplänen stünden die erforderlichen Ressourcen aber nicht zur Verfügung.
Im konkreten Fall ist die von dem Antragsgegner gewollte Nachverdichtung im Blockinnern des von der W-R Straße, N Straße , J Straße und dem H Weg gebildeten Gevierts im Bereich der weitläufigen Hausgärten jedoch ohne Bauleitplanung rechtlich nicht möglich. Es besteht ein Planungsbedürfnis im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB, soll auch dort ein Wohnen ermöglicht werden.
Eine Umlegung nach Maßgabe des § 45 Satz 2 Nr. 2 BauGB scheidet hierfür aus, weil nahezu die gesamte Fläche des vom Umlegungsbeschluss erfassten Umlegungsgebiets nicht Teil des sie umgebenden im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB ist. Die langgestreckten sich in östlicher Richtung an den Q – I Weg anschließenden Gartenflächen nehmen aufgrund ihrer Größe und dem Nichtvorhandensein maßstabsbildender Bebauung nicht mehr an dem Bebauungszusammenhang der sie umgebenden Gebäude teil.
Unstreitig handelt es sich bei den entlang der äußeren Geviertstraßen in geschlossener Bauweise errichteten Wohnhäuser zusammen mit den mit Grenzabstand errichteten Wohngebäuden entlang des Q – I Wegs um einen Bebauungszusammenhang, der Bestandteil des im Zusammenhang bebauten Ortsteils L E ist. Denn "Ortsteil" im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist. Ein "Bebauungszusammenhang" ist gegeben, soweit die aufeinanderfolgende Bebauung trotz vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt. Die entlang der J Straße im Norden, der W-R Straße im Süden, der N Straße im Osten und dem H Weg im Westen errichteten Gebäude mit Satteldächern – vorwiegend Mehrfamilienhäuser, in wenigen Fällen mit gewerblicher Nutzung im Erdgeschoss oder mit Räumen für freie Berufe – sind zwei- bis fünf-geschossig. Sie vermitteln unzweifelhaft den Eindruck einer zum größten Teil Anfang bis Mitte des letzten Jahrhunderts entstandenen organischen Siedlungsstruktur. Es finden sich nur einige wenige Lücken in der ansonsten geschlossenen aufeinanderfolgenden Bebauung, die allerdings nie breiter als ein Grundstück und durchweg nicht breiter als ca. 10 m sind. Eine Fortsetzung erfährt der Bebauungszusammenhang im Innern des Gevierts durch die deutlich jüngeren Gebäude entlang des von Westen in das von den genannten Straßen und Gebäuden umschlossene Gebiet hineingeführten Q – I Wegs. Hier finden sich meist zweigeschossige Wohngebäude mit ausgebautem Dachgeschoss, vorwiegend Doppelhäuser und Hausreihen. Die Zahl der an allen Erschließungsstraßen straßenrandnah errichteten Gebäude weist zusammen mit der Umgebungsbebauung, unabhängig davon wieweit man den Radius zieht, das für einen Ortsteil notwendige Gewicht auf und bringt eine eigene organische Siedlungsstruktur zum Ausdruck.
Nach der Wertung des Senats und nach dem Eindruck, den er sich anlässlich des Ortstermins von den Örtlichkeiten, der Umgebung und der Bebauung verschafft hat, gehören die Flurstücke G 1, G 2 , G 3 , G 4 , G 5 , G 6 und die südlichen Teile der Flurstücke G 7 und G 8, d.h. der größte Teil des Umlegungsgebiets hingegen diesem Bebauungszusammenhang nicht mehr an.
Für die Anwendung von § 34 Abs. 1 BauGB reicht es nach der Rechtsprechung des BVerwG, der der Senat folgt, nicht aus, dass ein Grundstück von einer zusammenhängenden Bebauung umgeben ist. Erforderlich ist vielmehr, dass das Grundstück selbst einen Bestandteil des Zusammenhangs bildet, selbst also an dem Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit teilnimmt. Fehlt es hieran, so liegt das Grundstück zwar geographisch, nicht jedoch auch im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB "innerhalb" eines Bebauungszusammenhangs (BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2015 – 4 C 5.14 –, BVerwGE 152, 275-283, Rn. 11 ff m.w.N.). Eine Zugehörigkeit zum Bebauungszusammenhang kann bei bloßen Baulücken oder Grundstücken gegeben sein, die wegen ihrer natürlichen Beschaffenheit einer Bebauung entzogen sind, vor allem aber bei bebauten Grundstücken, soweit die darauf befindliche Bebauung geeignet ist, den Bebauungszusammenhang selbst herzustellen oder an seiner Entstehung mitzuwirken.
Dass eine dieser Voraussetzungen hier gegeben ist, lässt sich nicht feststellen.
Wegen des Ausmaßes des vom Umlegungsbeschluss erfassten Bereichs, wegen der Lage der betroffenen Grundstücke, ihrer Größe und Ausrichtung, und wegen der Umgebung des Umlegungsgebiets und den Umrissen der aufstehenden Bebauung wird auf den vom Antragsgegner zur Akte gereichten maßstabsgerechten Plan des Umlegungsgebiets Nr. 000 verwiesen. An der darin dargestellten baulichen Situation hat sich nach den Feststellungen des Senats im Ortstermin nichts Wesentliches geändert. Die weitläufige Freifläche ist weiterhin nahezu unbebaut und von umfangreichem Baum- und Strauchbewuchs sowie gärtnerischer Nutzung gekennzeichnet. Bei ihr handelt es sich offenkundig nicht um eine bloße Baulücke, wie bereits der Umstand belegt, dass letztlich Ziel der Umlegung eine Baureifmachung von mindestens 10 Bauplätzen sein soll. Die Freifläche besteht aus großen Gartenbereichen, auf denen sich einige gestreut liegende, untergeordnete Baulichkeiten von geringem Ausmaß in Gestalt von Gartenhäusern, Geräteschuppen, Pergolen, Spielgeräten sowie einigen wenige Garagen befinden. Topographische oder sonstige Besonderheiten bestehen nicht.
Die sämtlich als Nebenanlagen (§ 14 BauNVO) zu den Hauptnutzungen anzusehenden Baulichkeiten vermögen keinen Zusammenhang zwischen der Freifläche und der Blockrandbebauung herzustellen. Denn bei ihnen handelt es sich nicht um dem dauernden Aufenthalt von Menschen dienende Bauwerke. „Bebauung“ im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist nicht jede beliebige bauliche Anlage. Den Bebauungszusammenhang selbst herstellen oder zu seiner Entwicklung beitragen können nur Bauwerke, die optisch wahrnehmbar sind und ein gewisses Gewicht haben, so dass sie geeignet sind, ein Gebiet als einen Ortsteil mit einem bestimmten Charakter mitzuprägen (BVerwG, Urteil vom 14. September 1992 - 4 C 15.90 -, juris). Das BVerwG hat hieraus gefolgert, dass zur „Bebauung“ im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB grundsätzlich nur Bauwerke gehören, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen; anderen Anlagen fehlt von vornherein die maßstabsbildende Kraft (BVerwG, Beschlüsse vom 2. März 2007 – 4 B 15.00 – und vom 2. April 2007 – 4 B 7.07 -, jeweils juris).
Nichts anderes gilt für einen weiteren vom Senat im Ortstermin in Augenschein genommenen, mit Wohnmöblierung versehenen Einraum-Hinterhofanbau auf dem Grundstück W - R Straße 01 mit max. ca. 10-12 qm Grundfläche. Er kann bereits infolge fehlender Sanitäreinrichtungen nicht zum dauernden Aufenthalt von Menschen genutzt werden, auch wenn seine selbstständige Bewohnbarkeit im Ortstermin behauptet wurde. Zudem vermittelt er eher den Eindruck eines Gartenhauses oder Abstellraums und stellt damit ebenfalls eine dem an der Straße gelegenen Wohngebäude untergeordnete Nebenanlage dar.
Eine Zugehörigkeit des Umlegungsgebiets zum Bebauungskomplex ergibt sich auch nicht aus der Existenz des zweigeschossigen Wohnhauses in zweiter Reihe auf dem Grundstück W - R Straße 02 . Dieses ist ebensowenig wie ein im weiteren Verlauf des Gartens und noch auf der südlichen Hälfte aufstehendes, etwa 8 - 10 m langes und 3 - 4 m breites, eingeschossiges, mit Well-Eternit oder Wellblech eingedecktes, augenscheinlich Wohnzwecken dienendes Gebäude geeignet, einen Bebauungszusammenhang der Freifläche mit der Straßenrandbebauung herzustellen. Beide Bauwerke liegen am südöstlichen Rand des Umlegungsgebiets und prägen – sofern man sie nicht von vornherein als singuläre Bauwerke im Hinterland aus der Betrachtung ausscheidet – die Freifläche nicht als bebaubar. Hierzu fehlt ihnen ersichtlich die maßstabsbildende Kraft. Der Bebauungszusammenhang endet in der Örtlichkeit klar abgegrenzt an den rückwärtigen Außenwänden der Wohngebäude an der W - R Straße und der N Straße sowie den Wohnhäuser Nr. 03 bis 04 an der J Straße. Im Westen grenzt er sich durch die Bebauung am Ende der Stichstraße, den Wohngebäuden am Q- I Weg von der unbebauten Fläche ab. Die Wohnbauten im Garten des Grundstücks W- R-Straße 02 werden aufgrund ihrer Lage vom Betrachter als der Straßenrandbebauung zugehörig wahrgenommen.
Dies zugrunde gelegt, handelt es sich bei dem Umlegungsgebiet bei wertender Betrachtung weitestgehend um einen von einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB umschlossenen Außenbereich im Sinne von § 35 BauGB, sogenannter Außenbereich im Innenbereich. Folglich bedürfen die weiteren von den Beteiligten aufgeworfenen rechtlichen Fragestellungen keiner Klärung mehr. Insbesondere kann dahinstehen, ob ein die Rechtswidrigkeit des Umlegungsbeschlusses begründendes Planungsbedürfnis schon deshalb besteht, weil die zur Bebauung vorgesehenen Grundstücksflächen nur durch eine neu zu schaffende Verkehrsfläche erschlossen und erst so konkret bebaubar würden. Ebenso kann offen bleiben, ob die für die Verkehrsfläche erforderlichen Bereiche – auch nach der Änderung von § 55 Abs. 2 BauGB im Jahre 2004 – aus dem Anwendungsbereich des § 45 Abs. 1 BauGB herausfielen, weil ihre Umlegung ein bereits bestehendes Baurecht auf der gesamten Fläche voraussetzt.
Ohne, dass es danach noch darauf ankäme, scheitert eine Umlegung hier jedoch auch daran, dass es an der weiteren Voraussetzung des § 45 Satz 2 Nr. 2 BauGB fehlt, nämlich dass sich aus der Eigenart der näheren Umgebung hinreichende Kriterien für die Neuordnung der Grundstücke ergeben.
Hinreichende Kriterien für die Neuordnung der von der Umlegung betroffenen Grundstücke im Sinne von § 45 Satz 2 Nr. 2 BauGB sind vorhanden, wenn die Bebauung der näheren Umgebung nach Art und Maß der baulichen Nutzung, nach der Bauweise und nach der überbaubaren Grundstücksfläche wie die Festsetzungen eines Bebauungsplans verlässlich angibt, was im Umlegungsgebiet an Bebauung zulässig ist.
Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Die Neuordnungskriterien erwiesen sich als nicht hinreichend bestimmt, weil der Zulässigkeitsrahmen des § 34 BauGB infolge der inhomogenen Struktur der Straßenrandbebauung Wohngebäude mit zwei, drei, vier oder sogar fünf Geschossen zuließe. Derart massive Bauten in einem bislang ersichtlich dem Ruhe- und Erholungsbedürfnis der Bewohner dienenden Bereich hat auch der Antragsgegner nicht im Auge. Sie ließen sich jedoch ohne gemeindliche Steuerung kaum verhindern. Hinzukommt, dass derzeit Vorgaben für die Lage künftiger Wohnhäuser im Blockinneren gänzlich fehlen. In der Umgebungsbebauung existiert mit Ausnahme der Anlagen auf dem Grundstück W – R Straße 02 keine Hinterlandbebauung. Die Gebäude sind straßennah in erster Reihe errichtet. Auch dieser Umstand spricht dafür, dass eine geordnete städtebauliche Entwicklung sich auf den unbebauten Flächen im Umlegungsgebiet nur mittels sachgerechter Bauleitplanung, ggfs. im Wege der Aufstellung eines Bebauungsplans nach § 13a BauGB erreichen lässt.
IV.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 91, 100, 708 Nr. 10, 711 ZPO, 221 BauGB. Die unterschiedlichen Kostenentscheidungen im erstinstanzlichen Verfahren und in der Berufungsinstanz sind dem Umstand geschuldet, dass die Stadt L als Beteiligte sich lediglich im Berufungsverfahren durch eine Antragstellung dem Kostenrisiko unterworfen hat.
Meta
27.02.2020
Oberlandesgericht Hamm 16. Zivilsenat
Urteil
Sachgebiet: U
Vorgehend: Landgericht Köln, 65 O 2/17; Nachgehend: Bundesgerichtshof, 3 ZR 65/20
Zitiervorschlag: Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 27.02.2020, Az. 16 U 2/18 (REWIS RS 2020, 12100)
Papierfundstellen: REWIS RS 2020, 12100
Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.
Oberlandesgericht Hamm, 16 U 2/18, 23.02.2023.
Oberlandesgericht Hamm, 16 U 2/18, 27.02.2020.
Bundesgerichtshof, III ZR 65/20, 17.02.2022.
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
III ZR 65/20 (Bundesgerichtshof)
Baulandsache: Umlegungsbeschluss für den Außenbereich im Innenbereich
III ZR 46/20 (Bundesgerichtshof)
Baulandsache: Befugnis zur Einlegung der Revision bei Aufhebung eines Umlegungsbeschlusses als rechtswidrig; materielle Voraussetzungen einer …
16 U 2/18 (Oberlandesgericht Hamm)
16 U 7/13 (Oberlandesgericht Hamm)
16 U (Baul) 5/03 (Oberlandesgericht Hamm)