Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.07.2014, Az. 5 StR 292/14

5. Strafsenat | REWIS RS 2014, 3687

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS

5
StR 292/14
vom
30. Juli 2014
in der Strafsache
gegen

wegen
Raubes u.a.

-
2
-

Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 30. Juli 2014
beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 19.
März 2014 nach §
349 Abs.
4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das
Landgericht hat den Angeklagten wegen Raubes in Tateinheit mit (vorsätzlicher) Körperverletzung und wegen (vorsätzlicher) Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und dessen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten dringt entsprechend dem [X.] mit der Sachrüge durch, weswegen es eines näheren [X.] auf die erhobenen Verfahrensrügen nicht bedarf.

1.
Der Generalbundesanwalt hat wie folgt Stellung genommen:

Sowohl der Ausschluss des § 20 StGB als auch die Annahme des § 21 StGB begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

1. [X.] hat sich bei der Beurteilung der Frage der Schuldfähigkeit der
Sachverständigen angeschlossen, ohne deren wesentliche Anknüpfungs-
und Befundtatsachen im Urteil so wie-derzugeben, wie es zum Verständnis des Gutachtens und zur Be-urteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich wäre (vgl. Senat, [X.] vom 14. September 2010 -
5 [X.]; Beschluss vom 1
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2. Dezember 2011 -
5 [X.]). Insbesondere lässt sich nicht nachvollziehen, aufgrund welcher Symptome die Sachverständige zu ihrer Entscheidung gelangt ist, die durch den Angeklagten [X.] Taten seien von ihm im Zustand einer erheblich einge-schränkten Steuerungsfähigkeit begangen worden. Die Taten selbst sind angesichts seines [X.] Hintergrundes und in [X.] auf seine finanziellen Verhältnisse nicht in einem Maße auffäl-lig, dass ihre symptomatische Bedeutung im
Rahmen der diagnos-tizierten hebephrenen Schizophrenie auf der Hand lag. Angesichts dessen mangelt es auch an einer nachvollziehbaren Darlegung und Begründung, in welcher Weise sich das angenommene [X.] auf den Angeklagten und seine Handlungsmöglichkeiten in den konkreten [X.] ausgewirkt hat. Die Argumentati-on, dass die Schizophrenie eine so schwere Erkrankung sei, dass sich jede weitere Begründung im Hinblick auf die Frage nach ihren tatauslösenden Wirkungen generell erübrigt, ist mit der
heutigen Auffassung über dieses Störungsbild keinesfalls mehr vereinbar (vgl. [X.] in Forensische Psychiatrie, 3. Aufl., S.
151). Die Fä-higkeit eines von der Schizophrenie Betroffenen zu einsichtsge-mäßem
Handeln und/oder der Steuerbarkeit seiner Handlungen ist vielmehr jeweils in Abhängigkeit vom Stadium der Erkrankung für jeden Einzelfall gesondert zu bewerten ([X.], aaO). Es muss deshalb für jede einzelne Tat festgestellt werden, ob sich der zum Tatzeitpunkt bestehende psycho-pathologische Zustand ursäch-lich auf die Einsichts-
oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (vgl. [X.], 527 f.; [X.] 1986, 14; Senat, Beschluss vom 2. Dezember 2011 -
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[X.]). Daran fehlt es hier.

Auf die vorgenannte Begründung konnte hier auch nicht unter Hinweis auf die Angaben der Bewährungshelferin des Angeklag-ten verzichtet werden. Diese schildert lediglich für den [X.] 2012 ein Verhalten, das auf einen Zustand akuter Schizophre-nie zu diesem Zeitpunkt hindeuten könnte. Die [X.] geschah jedoch bereits einen Monat zuvor am 7. November 2012. Zu den unmittelbar vor und nach diesem Zeitpunkt am 2., 6. und 9. No-vember 2012 geführten Telefonaten bekundete die Zeugin keine Auffälligkeiten ([X.]). Bekundungen über das Verhalten des Angeklagten unmittelbar
vor oder nach der zweiten Tat am 3.
März 2013 konnte die Bewährungshelferin mangels Kontakts nicht treffen. Das Opfer der zweiten Tat und dessen Ehefrau be-kundeten zwar, es habe kein Anlass für die Tat vorgelegen. Fest-stellungen zum Zustand des Angeklagten lassen sich ihren Anga--
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ben aber ebenfalls nicht entnehmen. Der Eindruck des Geschädig-ten, der Angeklagte habe die Tat möglicherweise gar nicht ge-wollt

([X.]), lässt sich mangels näherer Begründungen nicht einordnen.

Das in der Hauptverhandlung gezeigte Verhalten des Angeklagten und seine Erklärungsversuche zu den Taten vermögen allenfalls einen Beleg für seinen aktuellen Zustand, nicht jedoch für die [X.] des symptomatischen Zusammenhangs der Erkrankung zu seinen Taten zu liefern. Darüber hinaus hat die Sachverständige explizit, wenngleich ohne nähere Begründung, festgestellt, dass die Taten gerade auch in der dis[X.] Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten begründet seien ([X.]) und nicht der [X.] Schizophrenie entspringen würden. Zur Art dieser diagnostizierten dis[X.] Persönlichkeitsstruktur, die die hebephrene Schizophrenie akzentuieren soll, fehlt es an tatsachenfundierten Feststellungen, auch und gerade im Hinblick auf deren Wechselspiel mit der hebephrenen Schizophrenie.

Mangels hinreichender Tatsachengrundlagen und nachvollziehba-rer Begründung zu den Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB so-wie des erforderlichen Zusammenhangs im Sinne des § 63 StGB kann hier nicht mit der notwendigen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Bege-hung der Taten aufgehoben war, auch wenn dies unwahrschein-lich anmutet. Deshalb kann auch der Schuldspruch keinen [X.] haben.

Dem schließt sich der Senat an. Er hebt über den Antrag des [X.] hinaus auch die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen auf. Zwar hat sich die [X.] in Einklang mit dessen Ausführungen, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird, auch in Bezug auf Tat
2 ([X.] zum Nachteil der Zeugin [X.]

) rechtsfehlerfrei von der Täterschaft des [X.] überzeugt. Dem neuen Tatgericht soll jedoch ermöglicht werden, in sich stimmige Feststellungen zu den jeweiligen Tatbildern zu treffen und sie im Blick auf deren Auswirkungen auf die Schuldfähigkeit des Angeklagten zu beur-teilen.
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5
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2. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auch die nach der Zu-schrift des [X.]
eingegangene Revision des Rechtsanwalts L.

voraussichtlich zur Aufhebung des Urteils geführt hätte. Einer ergän-zenden Stellungnahme des [X.] zu der von ihm erhobenen Rüge einer Verletzung des §
218 StPO wegen unterlassener Ladung zur Hauptverhandlung trotz fortbestehender Stellung als Pflichtverteidiger bedurfte es im Blick auf die umfassend erfolgreiche
Sachrüge indessen nicht mehr.

Basdorf
Dölp
König

Berger
Bellay

4

Meta

5 StR 292/14

30.07.2014

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.07.2014, Az. 5 StR 292/14 (REWIS RS 2014, 3687)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3687

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Referenzen
Wird zitiert von

4 StR 491/15

Zitiert

5 StR 229/10

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