Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.12.2017, Az. 4 StR 287/17

4. Strafsenat | REWIS RS 2017, 1067

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:071217B4STR287.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 287/17

vom
7. Dezember
2017
in der Strafsache
gegen

wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 7.
Dezember 2017 gemäß §
349 Abs.
4 StPO beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 9.
Februar 2017 mit den Feststellungen aufge-hoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen [X.] einer widerstandsunfähigen Person

179 Abs.
1 Nr.
1, Abs.
5
Nr.
1 StGB
aF)
in zwei Fällen unter Einbeziehung einer anderen Strafe zu einer Ge-samtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung formellen und materiel-len Rechts gestützten Revision. Die Verfahrensbeanstandung ist aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] unzulässig; das [X.] hat jedoch mit der Sachrüge Erfolg.
1
-
3
-
1.
Nach den Feststellungen verbrachte die Nebenklägerin den späten Abend des 22.
August 2015 gemeinsam mit
dem Angeklagten und der Zeugin [X.]

; die beiden Frauen tranken Mischgetränke aus Wodka und Eistee. Gegen
Mitternacht brachen der Angeklagte und die Nebenklägerin auf, um gemeinsam den Zeugen W.

zu besuchen. Zu diesem Zeitpunkt war die Nebenklägerin
aufgrund ihres Alkoholkonsums deutlich angeheitert, wies aber keine sonsti-gen Ausfallerscheinungen auf. Bei dem Zeugen W.

trank sie weniger als
ein Glas Bier oder Wein. Auf der Rückfahrt vom Wohnort des Zeugen W.

beschloss der Angeklagte, mit der Nebenklägerin, die während der Autofahrt eingeschlafen war, zu sich nach [X.] zu fahren. Dort angekommen, befand sich die Nebenklägerin aufgrund ihrer Alkoholisierung in einem nahezu lethar-gischen Zustand;
ihr war es
nur noch in geringem Maße möglich, sich zu be-wegen, und sie vermochte nicht mehr ihrem Willen entsprechend zu handeln. Sie ließ sich von dem Angeklagten zu dessen im zweiten Obergeschoss liegen-der
Wohnung und dort in das Schlafzimmer führen, wo sie sich auf das Bett legte. Der Angeklagte schenkte ihr ein Glas Rotwein ein, das sie jedoch nicht mehr halten konnte und dessen Inhalt verschüttet wurde. Spätestens zu diesem Zeitpunkt erkannte der Angeklagte, dass sich die Nebenklägerin gegen die [X.] sexueller Handlungen durch ihn nicht würde wehren können. Er be-schloss, dies auszunutzen, und führte den vaginalen Geschlechtsverkehr mit ihr durch. Anschließend schlief sie ein. Im weiteren Verlauf der Nacht vollzog der
Angeklagte [X.] den vaginalen Geschlechtsverkehr mit ihr.
2.
Das angefochtene Urteil kann nicht bestehen bleiben, da
die Beweis-würdigung des [X.]

auch unter Berücksichtigung des eingeschränk-ten revisionsgerichtlichen Prüfungsumfangs (vgl. [X.], Urteile vom 12.
Janu-ar
2017

1
StR
360/16, [X.], 185 [[X.]]; vom 18.
September 2008
2
3
-
4
-

5
StR
224/08, [X.], 401, 402; vom 20.
Juni 2013

4
StR
159/13, juris Rn.
19)

rechtlicher Überprüfung nicht standhält. Sie erweist sich als lücken-haft.
a)
Das [X.] hat angenommen, dass sich die Nebenklägerin so-wohl während des erstmaligen als auch noch zum Zeitpunkt des späteren zwei-ten Geschlechtsverkehrs infolge einer akuten Alkoholintoxikation in einem Zu-stand tiefgreifender Bewusstseinsstörung befand und sie aufgrund dessen
wi-derstandsunfähig im Sinne des §
179 Abs.
1 Nr.
1 StGB
aF war.
Seine Über-zeugung, dass die Alkoholisierung der Nebenklägerin
dieses Ausmaß erreichte,
hat die [X.] maßgeblich auf die Angaben der von ihr
gehörten psychi-atrischen Sachverständigen gestützt. Die Sachverständige hat ausgeführt, bei einer nicht trinkgewohnten Person von zierlicher Statur

wie dies auf die Ne-benklägerin zutreffe

seien

nach Alkoholkonsum nicht zwangsläufig motorischer Natur sein, sondern könnten auch zu dem von der Nebenklägerin beschriebenen apathi-schen, schläfrigen Zustand führen, und zwar bereits ab einem Blutalkoholgehalt von etwa 2,3 bis 2,5
Promille.
Allerdings sei eine Bestimmung der Blutalkohol-konzentration
der Nebenklägerin n-gen, der [X.] und des Trinkzeitnicht möglich
gewesen (UA
24).
Das [X.] ist den Angaben der Sachverständigen gefolgt und hat das Vorliegen einer akuten Alkoholintoxikation
der
Nebenklägerin zum Zeitpunkt der Taten bejaht. Feststellungen zur
Höhe der Blutalkoholkonzentration der Neben-klägerin hat es nicht getroffen.
b)
Damit weist die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils im [X.] auf das Ausmaß der Alkoholisierung der
Nebenklägerin
zum Zeitpunkt der 4
5
-
5
-
Taten eine Lücke auf. Da
das [X.]
im Anschluss an die
Ausführungen der Sachverständigen davon ausgegangen ist, dass der

apathischezur [X.] im Sinne des §
179 Abs.
1 Nr.
1 StGB
aF führende Zu-stand
der Nebenklägerin
zumindest eine Blutalkoholkonzentration von etwa 2,3
Promille voraussetzte, durfte es jedenfalls hier nicht offen lassen, ob die Alkoholisierung der Nebenklägerin diesen Wert
auch tatsächlich erreichte, son-dern hätte
ihre Blutalkoholkonzentration für die beiden Tatzeitpunkte bestimmen
müssen
(vgl. für die Errechnung der Blutalkoholkonzentration des Angeklagten [X.], Urteil vom 13.
Mai 1993

4
StR
183/93, [X.], 519; Beschlüsse
vom 28.
April 2010

5
StR
135/10, [X.], 257, 258; vom 20.
November 1990

2
StR
424/90, [X.]R StGB §
21 Blutalkoholkonzentration
23).
Ange-sichts der relativ genauen Angaben im Urteil sowohl zu den Trinkmengen als auch zu den Trinkzeiten der Nebenklägerin

hiernach trank sie etwa zwischen 22 und 24
Uhr drei oder
vier Wodka-Eistee-Mischgetränke, wobei die Wodka-menge den Angaben der Zeugin [X.]

zufolge jeweils anderthalb bis zwei Dau-
menbreit

betrug und jedenfalls das erste Getränk deutlich mehr Eistee als Wodka enthielt
(UA
18), und während des anschließenden Aufenthalts beim Zeugen W.

weniger als ein Glas Bier oder Wein (UA
20)

ist
auch nicht
ersichtlich, dass eine Errechnung der Blutalkoholkonzentration vorliegend nicht möglich gewesen wäre.
Die lückenhafte Beweiswürdigung, auf der die Verurteilung insgesamt beruht, führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils einschließlich der ge-troffenen Feststellungen.
6
-
6
-
3.
Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Das neue Tatgericht wird Gelegenheit haben, zur Ermittlung der Alkoholisierung der Nebenklägerin einen rechtsmedizinischen Sachverständigen hinzuzuziehen.
Sost-Scheible
Roggenbuck
Franke

Quentin
Feilcke
7

Meta

4 StR 287/17

07.12.2017

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.12.2017, Az. 4 StR 287/17 (REWIS RS 2017, 1067)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 1067

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