Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.05.2017, Az. VII ZB 2/17

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 10188

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:310517BVIIZB2.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 2/17

vom

31.
Mai 2017

in dem Zwangsvollstreckungsverfahren

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO §§ 764, 828, § 775 Nr. 3, § 776 Satz 1; [X.] § 20
Jedenfalls soweit ein zulässiges Rechtsbeschwerdeverfahren
wegen einer Forde-rungspfändung beim [X.] anhängig ist, ist dieser kraft Devolutivef-fekts zuständiges [X.] im Sinne der §§
764, 828 ZPO. Er kann daher die Zwangsvollstreckung einstellen und Pfändungsbeschlüsse aufheben.
[X.], Beschluss vom 31. Mai 2017 -
VII ZB 2/17 -
LG [X.] am Main

AG [X.] am Main

-
2
-
Der VII.
Zivilsenat des [X.]s hat am
31.
Mai
2017
durch [X.]
Eick, [X.], Dr.
Kartzke, Prof.
Dr.
Jurgeleit und die Richterin Sacher
beschlossen:
Die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss des Landgerichts [X.] am Main vom 23.
September 2016 (2-03 O 315/16) wird eingestellt.
Der [X.] des Amtsgerichts [X.] am Main vom 12.
Oktober 2016
(82 M 15838/16) wird aufgehoben.

Gründe:
I.
Mit Urteil des Berufungsgerichts in [X.] vom 16.
November 2011 wurde die Schuldnerin verurteilt, an die Gläubigerin den Gegenwert von 6.906.600
USD in [X.] zuzüglich Zinsen und Verfahrenskosten zu zahlen. Das Landgericht [X.] am Main erklärte dieses Urteil mit Beschluss vom 23.
September 2016 für vollstreckbar und setzte die von der Schuldnerin bis zur Rechtskraft der Vollstreckbarerklärung zu erbringende Sicherheitsleistung
auf 13.200.000

.
Die Vollstreckbarerklärung wurde der Schuldnerin erst am 9.
Mai 2017 zugestellt.
Auf Grundlage der mit der Vollstreckungsklausel versehenen
Vollstreck-barerklärung hat das Amtsgericht F.

auf Antrag der Gläubigerin 1
2
-
3
-
durch Beschluss vom 12.
Oktober 2016 Forderungen der Schuldnerin gegen mehrere Drittschuldner gepfändet. Auf die Erinnerung der Schuldnerin
hat es
mit Beschluss vom 7.
November 2016 den [X.] aufgehoben
und die Wirksamkeit des Aufhebungsbeschlusses von seiner Rechtskraft ab-hängig gemacht. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin hat das Beschwer-degericht mit Beschluss vom 16.
Januar 2017 zurückgewiesen. Wie das [X.] hat auch das Beschwerdegericht angenommen, ein Pfändungsbe-schluss habe vor Zustellung der Vollstreckbarerklärung nicht erlassen werden dürfen. Gegen die Entscheidung des [X.] hat die Gläubigerin die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde eingelegt.
Die Schuldnerin hat
Hinterlegungsbescheinigungen vorgelegt, nach de-nen
sie am 21.
November 2016 und am 23.
März 2017 bei der Gerichtskasse F.

Beträge von 12.882.931,46

-
insgesamt somit 13.200.000

-
hinterlegt hat.
Sie begehrt die Einstellung der [X.] und die Aufhebung des [X.].

II.
Entsprechend §
20 Abs.
2 [X.] ist die Zwangsvollstreckung einzustel-len und der erlassene [X.] aufzuheben.
1.
Die Vorschriften des Anerkennungs-
und Vollstreckungsausführungs-gesetzes vom 19.
Februar
2001 in der Fassung vom 30.
November
2015 ([X.] I S.
2146) -
[X.]
-
sind hier entsprechend
anwendbar. Da
sich die Voll-streckbarerklärung auf ein [X.] Urteil aus dem [X.] und somit auf eine Entscheidung bezieht, die in einem vor dem 10.
Januar 2015 eingeleiteten gerichtlichen Verfahren ergangen ist, richtet sich das Verfahren der Vollstreck-3
4
5
-
4
-
barerklärung gemäß Art.
66 Abs.
2 der Verordnung ([X.]) Nr.
1215/2012 des [X.]päischen Parlaments und des Rates vom 12.
Dezember 2012 über die ge-richtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entschei-dungen in Zivil-
und Handelssachen (ABl. Nr.
L
351 vom 20.
Dezember 2012, S.
1) -
[X.]-Ia-VO -
nach der Verordnung ([X.]) Nr.
44/2001 des Rates vom 22.
Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil-
und Handelssachen (ABl.
Nr.
L
12 vom 16.
Januar 2001, S. 1) -
[X.]-I-VO. Auf solche Altverfah-ren sind die Vorschriften des Anerkennungs-
und Vollstreckungsausführungs-gesetzes entsprechend
anzuwenden (vgl. [X.], Beschluss vom 17.
Mai
2017
-
VII ZB 64/15 m.w.N.).
2. Die Regelung des §
20 Abs.
2 [X.] entspricht §
775 Nr.
3, §
776 Satz
1 ZPO (vgl. BT-Drucks.
11/351, S.
26 zu §
22 Abs.
2 [X.] in der [X.] von 1988).
Liegt ein in §
775 ZPO (oder entsprechend in §
20
Abs.
2
[X.])
benanntes Vollstreckungshindernis vor, stellt das Vollstre-ckungsorgan von Amts wegen die Vollstreckung ein (vgl. MünchKommZPO/
[X.]/Brinkmann, 5.
Aufl., §
775 Rn.
24; Musielak/[X.], ZPO, 14.
Aufl., §
775 Rn.
12; [X.]/Schütze/[X.], ZPO, 4.
Aufl., §
775 Rn.
50; [X.]/Stöber, ZPO, 31.
Aufl., §
775 Rn.
9; [X.], 7.
Aufl., §
775 Rn.
14; vgl. auch [X.], Urteil vom 27.
Juni 1957 -
III ZR 51/56, [X.]Z
25, 60, 65
f.).
Für die Pfändung von Forderungen ist grundsätzlich das Amtsgericht als Vollstreckungsgericht zuständiges [X.], §§
764,
828 ZPO.
Je-denfalls soweit diesbezüglich ein zulässiges Rechtsmittelverfahren anhängig ist, geht die Zuständigkeit kraft [X.] auf das jeweilige Rechtsmittelge-richt über
(vgl. [X.]/Schütze/[X.], ZPO, 4.
Aufl., §
764 Rn.
4; [X.]/Schütze/[X.], ZPO, 4.
Aufl., §
828 Rn.
3a; [X.]/Stöber,
ZPO, 6
7
-
5
-
31.
Aufl., §
764 Rn.
1 und §
828 Rn.
1). Aufgrund der
zulässigen
Rechtsbe-schwerde
der Gläubigerin
ist daher
der [X.] in Bezug auf den angefochtenen [X.] zuständiges [X.].
3. Die Voraussetzungen für eine Einstellung der Zwangsvollstreckung und eine Aufhebung des [X.] nach §
20
Abs.
2 [X.] sind gegeben, weil die Schuldnerin durch Vorlage von
öffentlichen Urkunden
nach-gewiesen
hat, dass sie Sicherheit in Höhe von 13.200.000

a)
Die Beurteilung dieses
von Amts wegen zu berücksichtigenden
Voll-streckungshindernisses
unterliegt nicht den im Rechtsbeschwerdeverfahren geltenden
Beschränkungen gemäß
§
577 Abs.
2 Satz
4 i.V.m. §
559 Abs.
1 Satz
1 ZPO. Dies gilt jedenfalls dann,
wenn das Hindernis
-
wie hier durch Hin-terlegung am 23.
März 2017
-
erst während des [X.] entstanden ist.
Denn es
geht nicht um eine Überprüfung der Entscheidung des [X.], sondern um die vom [X.] als nun zuständi-gem [X.] zu beachtenden Grenzen der Vollstreckung.
b) Bei den Hinterlegungsbescheinigungen und den ebenfalls vorgelegten Annahmeanordnungen der Hinterlegungsstelle handelt es sich um öffentliche Urkunden, §
415 Abs.
1 ZPO
(vgl. [X.]/Stöber, ZPO, 31. Aufl., §
775 Rn.
6).
Aus ihnen und dem von ihnen in Bezug genommenen Hinterlegungsantrag der
Schuldnerin, der ebenfalls berücksichtigt werden kann
(vgl. [X.]/Stöber,
aaO,
§
751 Rn.
4), ergibt sich, dass es sich bei den eingezahlten Beträgen um eine
Sicherheit
handelt, die
zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus der Voll-streckbarerklärung vom 23.
September 2016 hinterlegt wurde.
Zwar hat die Schuldnerin in ihrem
Antrag auf Annahme der Geldhinterle-gung
vom 28.
Oktober 2016
in dem hierbei ausgefüllten Formblatt in der Zeile "[X.]"
bei der vorgesehenen Möglichkeit "a) Sicherheitsleis-8
9
10
11
-
6
-
tung"
lediglich "---"
eingetragen. Sie hat dann jedoch unter "b) sonstige (Angabe zur Rechtfertigung der Hinterlegung)"
angegeben: "Die Hinterlegung erfolgt auf Grund von §
20 Abs.
1 Anerkennungs-
und Vollstreckungsausführungsgesetz ([X.])".
Außerdem hat sie in dem begleitenden Schriftsatz, der ebenfalls als Antrag auf Annahme von Geldhinterlegung bezeichnet ist, als Begründung aus-geführt, dass die Gläubigerin offenbar am 23.
September 2016 einen Beschluss des Landgerichts [X.] am Main
(Az. 2-03 O 315/16)
zur Vollstreckbarerklä-rung eines zwischen den Parteien
ergangenen Urteils in [X.] erwirkt habe.
Die Schuldnerin sei nach §
20 Abs.
1 [X.] befugt, die Zwangsvollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe des Betrages abzuwenden, wegen dessen der Berechtigte vollstrecken darf. Die Schuldnerin beantrage insofern die Annahme der Geldhinterlegung.
Diese Erklärungen können nicht anders verstanden werden, als dass der
Geldbetrag
zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus der Vollstreckbar-keitserklärung vom 26.
September 2016 hinterlegt wurde.
§
20 Abs.
1 [X.] hat (nur) die Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einer [X.] zum Inhalt.
Gericht, Datum und Aktenzeichen dieses Titels
(vgl. §
8 Abs.
1 Satz
3 Nr.
2 des Hinterlegungsgesetzes des [X.] vom 8.
Oktober
2010 [GVBl. I S.
306] -
HessHintG)
sind ausdrücklich erwähnt und ergeben sich außerdem auch aus dem beigefügten [X.] vom
12.
Oktober 2016.
Nichts anderes gilt für die zweite Einzahlung, die zur selben Sache erfolgte, §
8 Abs.
5 HessHintG.
Die Befürchtung der
Gläubigerin,
die Hinterlegungen seien auf den Pfän-dungsbeschluss vom 12.
Oktober 2016 bezogen, weshalb die Schuldnerin die hinterlegten Beträge bei Aufhebung des [X.] zurückfordern könnte, ist unbegründet. Der von der Schuldnerin als Hinterlegungsgrund in Bezug genommene §
20 Abs.
1 [X.] hat die Abwendung der Zwangsvoll-12
13
-
7
-
streckung aus einem Titel zum Gegenstand; bei dem [X.] [X.] es sich jedoch nicht um einen Titel. Die Schuldnerin hat ihrem Antrag auf Hinterlegung den [X.] vom 12.
Oktober
2016 lediglich [X.].
Eine
auch inhaltlich fernliegende Erklärung, der [X.] würde entfallen, sobald der [X.] aufgehoben sei, ist ihrem Antrag nicht zu entnehmen.
Die Beifügung erklärt sich daraus, dass ihr einerseits der Titel noch nicht zugestellt, dieser aber im [X.] genannt war, und sie andererseits im Ergebnis mit der Hinterlegung die Aufhebung dieses Beschlusses bezweckte.
c) Die
Höhe
der von der Schuldnerin geleisteten Sicherheitsleistung ent-spricht der Festsetzung in der Vollstreckbarerklärung vom 23.
September 2016, die erkennbar eine Sicherheit im Sinne von §
20 [X.] betrifft. Sie
reicht daher zur Abwendung der Zwangsvollstreckung vor Rechtskraft der Vollstreckbar-erklärung aus.
Ob die hinterlegten 13.200.000

s-sen der Berechtigte vollstrecken darf (§
20 Abs.
1 [X.]), kann insoweit offen bleiben. Da allein die inländische Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung die maßgebliche Grundlage für die Zwangsvollstreckung in [X.] ist (vgl. [X.], Beschluss vom 4.
März
1993 -
IX
ZB
55/92, [X.]Z
122, 16, 18, juris Rn.
17 m.w.N.), ist eine Zwangsvollstreckung nicht über die in der Vollstreck-

14
15
-
8
-
barerklärung enthaltenen Beschränkungen hinaus zulässig. Zu diesen Be-schränkungen gehört auch die Festsetzung, dass die Abwendung der Zwangs-vollstreckung durch Sicherheitsleistung in einer bestimmten Höhe abgewendet werden kann.

Eick
[X.]
Kartzke

Jurgeleit

Sacher

Vorinstanzen:
AG [X.] am Main, Entscheidung vom 07.11.2016 -
82 M 15838/16 -

LG [X.] am Main, Entscheidung vom 16.01.2017 -
2-9 T 570/16 -

Meta

VII ZB 2/17

31.05.2017

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.05.2017, Az. VII ZB 2/17 (REWIS RS 2017, 10188)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 10188

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VII ZB 2/17

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