Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.10.2012, Az. XII ZB 404/12

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 1979

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII
[X.]/12

vom

24. Oktober 2012

in der [X.]

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
FamFG §§
62, 303
Im Verfahren der Beschwerde gegen eine [X.] kann nach dem Tod des Betroffenen von den gemäß §
303 FamFG beschwerdeberechtigten [X.] oder Vertrauenspersonen kein Feststellungsantrag nach §
62 FamFG ge-stellt werden (Abgrenzung zu [X.] Beschluss vom 6.
Oktober 2011
V
ZB
314/10
-
FamRZ 2012, 212).
[X.], Beschluss vom 24. Oktober 2012 -
XII [X.]/12 -
LG [X.] II

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 24.Oktober 2012
durch den
Vorsitzenden Richter Dose
und die Richter Schilling, Dr.
Günter, Dr.
Nedden-Boeger und Dr.
Botur
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde
des Beteiligten zu
1 gegen den Beschluss der 6.
Zivilkammer des [X.]s [X.]
II vom 5.
Juni 2012 wird zurückgewiesen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht hat am 29.
September 2011 nach Einholung eines Sachverständigengutachtens für die 1931
geborene Betroffene eine Betreuung für alle Angelegenheiten eingerichtet. Gegen diese Entscheidung hat der Betei-ligte zu
1 als [X.] der Betroffenen Beschwerde eingelegt. Im Laufe des Be-schwerdeverfahrens, in dem das [X.] die Einholung eines ergänzenden Sachverständigengutachtens angeordnet hat, ist die Betroffene am 1.
Januar 2012 verstorben. Der Beteiligte
zu
1 hat seine Beschwerde mit dem Antrag auf-rechterhalten, die Rechtswidrigkeit der [X.] festzustellen. Das [X.] hat sein Rechtsmittel als unzulässig verworfen; hiergegen wendet
sich der Beteiligte zu
1 mit seiner Rechtsbeschwerde.
1
-
3
-
II.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §
70 Abs.
3 Nr.
1 FamFG auch ohne Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft, weil das Verfahren eine [X.] zur Bestellung eines Betreuers zum Gegenstand hat. Daran [X.] nichts, dass das Beschwerdegericht nicht mehr über die angefochtene [X.], sondern bereits über einen Feststellungsantrag nach §
62 Abs.
1 FamFG entschieden hat und das Rechtsbeschwerdeverfahren nur noch auf die Überprüfung dieser Entscheidung abzielt ([X.]/[X.] 4.
Aufl. §
62 FamFG Rn.
8; vgl. auch [X.] Beschlüsse vom 22.
Juli 2010 -
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ZB
292/10
-
veröffentlicht bei juris Rn.
9
und vom 6.
Oktober 2011 -
V
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314/10
-
FamRZ 2012, 211 Rn.
5).
Das Rechtsmittel ist auch im Übrigen zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
1. Nach Auffassung des [X.]s ist
der Antrag des Beteiligten zu
1 auf postume Feststellung der Rechtswidrigkeit der [X.] unzu-lässig. Zwar stelle die Anordnung einer Betreuung für den Betreuten einen ge-wichtigen Grundrechtseingriff dar, so dass dieser selbst das Recht habe, eine nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit zur Gewährleistung eines effek-tiven Rechtsschutzes herbeizuführen. Dieses Recht stehe nach dem Tode des Betreuten aber nicht dessen Angehörigen zu, denn ein Makel oder eine Stigma-tisierung, die postum beseitigt werden müssten, hafte der
Anordnung einer Be-treuung nicht an.
2. Gegen diese Erwägungen ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern.
Das Verfahren betreffend die Anordnung einer Betreuung erledigt sich insgesamt mit dem Tod des Betreuten, weil von diesem Zeitpunkt an nicht mehr 2
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4
5
6
-
4
-
entschieden zu werden braucht, ob und welche Maßnahmen zum Schutz des Betroffenen ergriffen werden müssen (vgl. [X.]/Sternal FamFG 17.
Aufl. §
22 Rn.
41). Verstirbt der Betroffene daher im Laufe des Beschwerdeverfahrens, wird die ursprünglich zulässige
Beschwerde eines weiteren Verfahrensbeteilig-ten gegen eine in der Vorinstanz angeordnete Betreuung infolge der durch den Tod des Betroffenen eingetretenen Erledigung regelmäßig unzulässig, weil eine Sachentscheidung durch das Beschwerdegericht nicht mehr ergehen kann. Der Beteiligte zu
1 war demgegenüber auch nicht befugt, durch Umstellung seiner Anträge im Beschwerdeverfahren nach dem Tode der Betroffenen eine Sach-entscheidung über einen Feststellungsantrag nach §
62 Abs.
1 FamFG herbei-zuführen, denn für diesen Antrag fehlt ihm nach der zutreffenden Ansicht des [X.]s die erforderliche Antragsberechtigung.
a) Ein Antragsrecht ergibt sich für den Beteiligten zu
1 insbesondere nicht aus §
303 Abs.
2 FamFG, wonach das Recht der Beschwerde gegen die Bestellung eines Betreuers im Interesse des Betroffenen auch den dort be-stimmten Angehörigen und Vertrauenspersonen des Betroffenen zusteht. Das Recht zur Einlegung der Beschwerde gegen die Anordnung der Betreuung um-fasst nicht gleichzeitig die Antragsbefugnis nach §
62 Abs.
1 FamFG. Denn §
62 Abs.
1 FamFG setzt nach seinem eindeutigen Wortlaut voraus, dass der "Beschwerdeführer"
selbst durch die erledigte Maßnahme in seinen Rechten verletzt worden ist. Demgemäß kann nur derjenige Beteiligte nach §
62 Abs.
1 FamFG antragsbefugt sein, dessen eigene Rechtssphäre betroffen ist und der ein berechtigtes Feststellungsinteresse nach §
62 Abs.
2 FamFG hat. Hieraus hat der Senat bereits abgeleitet, dass dem Verfahrenspfleger des Betroffenen trotz seines Beschwerderechts
kein eigenes Antragsrecht nach §
62 Abs.
1 FamFG zusteht (vgl. Senatsbeschluss vom 15.
Februar 2012 -
XII
ZB
389/11
-
FamRZ 2012, 619 Rn.
13). Nichts anderes gilt für den nach §
303 Abs.
2 FamFG
privilegierten Personenkreis (vgl. auch [X.] Beschluss vom 6.
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2011

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314/10
-
FamRZ 2012, 211 Rn.
9 für die nach §
429 FamFG Be-schwerdeberechtigten).
b) Ein Antragsrecht des Beteiligten zu 1 kann sich auch nicht aus seiner Stellung als Erbe nach der verstorbenen Betroffenen ergeben. Aus der Bindung an die Person des Beschwerdeführers und an den Eingriff in dessen Rechte folgt der höchstpersönliche Charakter des nach §
62 Abs.
2 FamFG erforderli-chen Feststellungsinteresses, in den der Erbe nicht kraft Erbrechts eintreten kann (vgl. [X.] Beschluss vom 6.
Oktober 2011 -
V
ZB 314/10
-
FamRZ 2012, 211 Rn.
10; OLG [X.] [X.] 2010, 269).
c) Schließlich ist es in einem erledigten Betreuungsverfahren auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht geboten, Angehörigen eines verstorbe-nen Betroffenen -
etwa im Wege einer teleologisch erweiternden Auslegung von §
62 Abs.
2 FamFG (vgl. [X.] Beschluss vom 6.
Oktober 2011 -
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314/10
-
FamRZ 2012, 211 Rn.
11)
-
durch einen Fortsetzungsfeststellungsantrag die Geltendmachung eines postmortalen Rehabilitationsinteresses zu ermöglichen.
[X.]) Dabei steht es im Ausgangspunkt allerdings außer Frage, dass die gerichtliche Bestellung eines Betreuers für den unter Betreuung Gestellten ei-nen schwerwiegenden Grundrechtseingriff darstellt. Denn die Einrichtung einer Betreuung kann
den Betreuten nicht nur in seiner allgemeinen Handlungsfrei-heit (Art.
2 Abs.
1 GG)
beschränken, sondern sie greift auch gewichtig in das Grundrecht auf Schutz der Persönlichkeit aus Art.
2 Abs.
1 i.V.m. Art.
1 Abs.
1 GG ein. Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit schützt insbesondere vor [X.] oder entstellenden Darstellungen des eigenen [X.]. Zwar wollte der Gesetzgeber mit der Einführung der rechtlichen Be-treuung die Stigmatisierung und Diskriminierung psychisch erkrankter oder see-lisch behinderter Volljähriger in Grenzen halten. Gleichwohl entfaltet die Anord-8
9
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-
6
-
nung der Betreuung für den Betroffenen weiterhin eine gewisse stigmatisieren-de Wirkung in seinem [X.] und beruflichen Umfeld. Denn mit der Einrich-tung der Betreuung ist notwendigerweise die Einschätzung verbunden, dass der Betroffene zumindest in einem bestimmten Rahmen nicht in der Lage ist, seine eigenen Angelegenheiten zu regeln und gegebenenfalls seinen Willen frei zu bilden; hierdurch wird sein Persönlichkeitsbild negativ geprägt und beeinträch-tigt (vgl. Senatsbeschluss vom 9.
Februar 2011 -
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526/10
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FamRZ 2011, 630 Rn.
5; [X.] FamRZ 2010, 1624 Rn.
34 und 46). Dies kann sich auch nach der Erledigung einer Betreuungsmaßnahme fortsetzen und das künftige berufliche und das private Leben des unter Betreuung Gestellten beeinträchti-gen. Aus diesem Grunde kann der Betroffene sein Rehabilitationsinteresse in einem erledigten Betreuungsverfahren regelmäßig durch einen Feststellungsan-trag nach §
62 FamFG zur Geltung bringen.
[X.]) Aus alledem folgt aber nicht, dass auch den Angehörigen eines unter Betreuung Gestellten die Möglichkeit gegeben werden müsste, dessen Rehabi-litationsinteressen nach seinem Tode weiterverfolgen zu können (zum alten Verfahrensrecht vgl. bereits KG [X.] 2009, 264
f. sowie zur Unterbringung OLG [X.] BtPrax 2006, 231; [X.], 640
f.; [X.], 1645
f.).
Ein Verstorbener wird durch das Grundrecht auf freie Entfaltung der Per-sönlichkeit nicht mehr geschützt, weil Träger dieses Grundrechts nur lebende Personen sein können ([X.] NJW 1971, 1645, 1647). Zwar folgt aus der Ga-rantie der Menschenwürde nach Art.
1 Abs.
1 GG auch ein postmortales [X.], weil die Verpflichtung der st[X.]tlichen Gewalt, dem Einzelnen Schutz gegen Angriffe auf seine Menschenwürde zu gewähren, nicht mit dem Tod endet. Indessen hat das [X.] in ständiger Recht-sprechung betont, dass die Schutzwirkungen des aus der Menschenwürdega-11
12
-
7
-
rantie abgeleiteten postmortalen Persönlichkeitsrechts nicht vergleichbar sind mit den Schutzwirkungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts lebender Per-sonen, welches sich aus Art.
2 Abs.
1 i.V.m. Art.
1 Abs.
1 GG ergibt (vgl. zuletzt [X.] NJW 2001, 2957, 2959; [X.] NJW 2006, 3409). Durch das postmor-tale Persönlichkeitsrecht sind zum einen der allgemeine Achtungsanspruch, der dem Menschen kraft seines [X.] zusteht, und zum anderen der sittli-che, personale und [X.] Wert geschützt, den die Person durch ihre eigene Lebensleistung erworben hat ([X.] NJW 2001, 2957, 2959; [X.] NJW 2006, 3409). Vor diesem Hintergrund hat das [X.] mit Recht darauf ab-gestellt, dass der Anordnung einer rechtlichen Betreuung eine schicksalhafte Erkrankung des Betreuten zugrunde liegt und ihr deshalb weder ein Schuldvor-wurf noch ein Unwerturteil anhaften (vgl. [X.], 1645, 1646). Durch den Umstand, dass zu ihren Lebzeiten eine rechtliche Betreuung ange-ordnet worden ist, wird die verstorbene Betroffene weder in ihrem allgemeinen Achtungsanspruch herabgesetzt noch erniedrigt. Ein besonderes Bedürfnis zur Geltendmachung eines postmortalen Rehabilitationsinteresses, wie es der [X.] ausnahmsweise für den Fall der Überprüfung der Rechtmäßig-

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8
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keit einer durch den Tod des Betroffenen erledigten [X.] angenommen hat (vgl. [X.] Beschluss vom 6.
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314/10
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FamRZ 2012, 211 Rn.
14), besteht daher in Betreuungsverfahren nicht.

Dose

Schilling

Günter

Nedden-Boeger

Botur
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 29.09.2011 -
XVII 241/11 -

LG [X.] II, Entscheidung vom 05.06.2012 -
6 [X.] -

Meta

XII ZB 404/12

24.10.2012

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.10.2012, Az. XII ZB 404/12 (REWIS RS 2012, 1979)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1979

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