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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII [X.]
Verkündet am:
18.
Juli 2012
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
[X.] § 1603 Abs. 1
a) Wird der Unterhaltspflichtige von seinem erwachsenen Kind, das seine bereits erlangte wirtschaftliche Selbständigkeit wieder verloren hat, auf Unterhalt in Anspruch genommen, ist es nicht zu beanstanden, wenn der Tatrichter ihm und seiner Ehefrau im Regelfall ei-nen [X.] zubilligt, wie ihn die [X.] Tabelle und die [X.] vorsehen (im [X.] an Senatsurteil
vom 18.
Januar 2012 -
XII
ZR 15/10
-
FamRZ
2012, 530).
b) Der [X.] trägt bereits dem Umstand Rechnung, dass die Ehegatten durch ihr Zusammenleben [X.]se erzielen (im [X.] an Senatsurteil [X.], 350 = FamRZ 2010, 1535).
BGH, Urteil vom 18. Juli 2012 -
XII [X.] -
OLG [X.]
[X.]
-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 18.
Juli 2012 durch den
Vorsitzenden
Richter
Dose
und die Richter
Weber-Monecke, Dr.
Klinkhammer, Schilling und Dr. Botur
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 25.
Zivilsenats -
Senat für Fami-liensachen
-
des Oberlandesgerichts [X.] vom 8.
Juni 2010 wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von dem Beklagten rückständigen Volljährigenunter-halt aus übergegangenem Recht.
Der Kläger erbrachte für den 1969 geborenen [X.] des Beklagten, der wegen Depressionen und einer Alkoholabhängigkeit arbeitsunfähig
ist, u. a. in der [X.]
von April 2007
bis März 2009
Sozialhilfe in Form von Hilfe zum Le-bensunterhalt von über 850
Der Beklagte ist Rentner und bezieht ein monatliches Nettoeinkommen von rund 1.603
Die Ehefrau des Beklagten
erzielt ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von rund 485
Eheleute bewohnen zusammen eine Eigentumswohnung,
für die Finanzie-rungs-
und laufende Kosten zu zahlen sind.
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Das Amtsgericht hat den Beklagten verurteilt, an den Kläger für die [X.] von April 2007 bis März 2009 monatlich 70
insgesamt also 1.680
.
Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewie-sen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Berufungsgericht zuge-lassenen Revision.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist unbegründet.
I.
Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass dem [X.] des [X.] in dem streitgegenständlichen [X.]raum kein Unterhaltsanspruch gegen
den Beklagten zugestanden habe, so dass ein solcher auch nicht auf den Klä-ger habe übergehen können. Der Beklagte sei leistungsunfähig. Dem Grunde nach stehe einem unterhaltspflichtigen
Elternteil, der schon Rente beziehe, ge-genüber Kindern, die bereits einmal eine eigene Lebensstellung erlangt hätten, ein Selbstbehalt von 1.400
diesen Betrag nicht.
Befinde sich der Unterhaltspflichtige seit
mehreren Jahren im [X.], habe das Kind regelmäßig eine eigene Lebensstellung erlangt, leite seine Lebensstellung also nicht mehr -
wie das seine Ausbildung betreibende Kind
-
von der des Pflichtigen ab. Das Kind befinde sich in der Regel selbst bereits in einem höheren Lebensalter, so dass der Unterhaltspflichtige
seine Lebensver-hältnisse längerfristig seinem Einkommensniveau angepasst habe. Da er nicht 3
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mehr im Arbeitsleben stehe, könne er die Inanspruchnahme auf Unterhalt auch nicht durch zusätzliche Erwerbstätigkeit ausgleichen. Von daher sei es gerecht-fertigt, den allgemeinen,
gegenüber volljährigen Kindern geltenden Selbstbehalt angemessen zu erhöhen, wobei der für den Elternunterhalt geltende Betrag insoweit als angemessen erscheine. Dem stehe nicht entgegen, dass nach der sozialhilferechtlichen Regelung des §
94 Abs.
2 Satz
2 1.
Halbsatz
SGB
XII eine Vermutung dafür bestehe, dass der Anspruch in Höhe der in §
94 Abs.
2 Satz
1 SGB
XII genannten Beträge übergehe und mehrere Unterhaltspflichtige zu gleichen Teilen hafteten. Aufgrund der dargelegten konkreten Umstände sei diese Vermutung im vorliegenden Fall widerlegt, so dass dahinstehen könne, ob der [X.] des Beklagten überhaupt im Sinne von §
53 SGB
XII behindert sei.
II.
Diese Ausführungen halten im Ergebnis rechtlicher Überprüfung stand.
1.
Entgegen der Auffassung der Revision war die Berufung zulässig. [X.] weist die Revisionserwiderung darauf hin, dass die Berufung den in §
520 Abs.
3 Satz
2
ZPO aufgestellten Anforderungen entspricht.
Von einer Berufungsbegründung ist namentlich zu verlangen, dass sie auf den zur Entscheidung stehenden Streitfall zugeschnitten ist und erkennen lässt, aus welchen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen das angefochtene Urteil unrichtig sei ([X.]/[X.] ZPO 29.
Aufl. §
520 Rn.
35 mwN). Dabei ist die Schlüssigkeit der Begründung keine Zulässigkeitsvoraussetzung (Zöl-ler/[X.] aaO Rn.
34 mwN).
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Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der Beklagte hat in seiner Berufung im Einzelnen begründet, warum seiner Auffassung nach etwaige [X.] verwirkt seien. Damit hat die Berufung eine tragende Be-gründung der erstinstanzlichen Entscheidung angegriffen, die nur von einer teilweisen Verwirkung ausgegangen war, und demgemäß den Anforderungen des §
520 Abs.
3 Satz
2 Nr.
2 ZPO Rechnung getragen.
2.
Ebenso wenig ist revisionsrechtlich zu beanstanden, dass das Beru-fungsgericht
einen Unterhaltsanspruch nach §
1601 [X.] verneint hat.
a) Nach §
94 Abs.
1 Satz
1 SGB
XII geht der zivilrechtliche Unterhaltsan-spruch eines Sozialhilfeberechtigten bis zur Höhe der geleisteten Aufwendung auf den Träger der Sozialhilfe über.
Dass das Berufungsgericht vorliegend offen gelassen hat, ob der [X.] des Beklagten im Sinne von §
53 SGB
XII behindert ist und der Anspruch damit gemäß §
94 Abs.
2 Satz
1 SGB
XII nur in begrenzter Höhe übergegangen
ist, begegnet keinen Bedenken. Zwar wird gemäß §
94 Abs.
2 Satz
2 SGB
XII ver-mutet, dass der
Anspruch insoweit übergeht. Diese gesetzliche Vermutung ist jedoch widerlegbar, weshalb auch
eine vom Unterhaltsschuldner geltend ge-machte Leistungsunfähigkeit zu berücksichtigen ist (vgl. Senatsurteil vom 18.
Januar 2012 -
XII
ZR
15/10
-
FamRZ 2012, 530 Rn.
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f.).
b) Auch durfte das Berufungsgericht
von einem
erhöhten Selbstbehalt ausgehen.
aa) Gemäß §
1603 Abs.
1 [X.] ist nicht unterhaltspflichtig, wer bei Be-rücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefähr-dung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Dem [X.] sollen grundsätzlich die Mittel verbleiben, die er zur ange-10
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messenen Deckung des seiner Lebensstellung entsprechenden allgemeinen Bedarfs benötigt
(Senatsurteil vom 18.
Januar 2012 -
XII
ZR
15/10
-
FamRZ 2012, 530 Rn.
16 mwN).
Die Bemessung des dem Unterhaltspflichtigen zu be-lassenden Selbstbehalts ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats zwar Aufgabe des Tatrichters. Dabei ist es diesem nicht verwehrt, sich an Erfah-rungs-
und Richtwerte anzulehnen, sofern nicht im Einzelfall besondere Um-stände eine Abweichung gebieten. Der Tatrichter muss aber die gesetzlichen Wertungen und die Bedeutung des jeweiligen Unterhaltsanspruchs berücksich-tigen (Senatsurteil
vom 9.
Januar 2008 -
XII
ZR 170/05
-
FamRZ 2008, 594 Rn.
24 mwN).
(1) Nach Erlass des Berufungsurteils hat der Senat entschieden, dass es gerechtfertigt ist, den Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen gegenüber seinem erwachsenen Kind, das seine bereits erlangte wirtschaftliche Selbständigkeit wieder verloren hat, mit einem erhöhten Betrag, wie er in den Tabellen und Leit-linien für den Elternunterhalt als Mindestbetrag vorgesehen ist, und der sich bis zum [X.] auf 1.400
anzusetzen und ggf. noch dadurch zu erhö-hen, dass dem Unterhaltspflichtigen ein etwa hälftiger Anteil seines für den El-ternunterhalt einsetzbaren bereinigten Einkommens zusätzlich verbleibt (vgl. Senatsurteil vom 18.
Januar 2012 -
XII
ZR
15/10
-
FamRZ 2012, 530 Rn.
20). Zwar müssen Eltern regelmäßig damit rechnen, ihren Kindern auch über die Vollendung des 18.
Lebensjahres hinaus zu Unterhaltsleistungen verpflichtet zu sein, bis diese ihre Berufsausbildung abgeschlossen haben und wirtschaftlich selbständig sind. Haben die Kinder danach aber eine eigene Lebensstellung erlangt, in der sie auf elterlichen Unterhalt nicht mehr angewiesen sind, kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass sie diese Elternunabhängigkeit auch behalten. Darauf dürfen sich, wenn nicht bereits eine andere Entwicklung absehbar ist, grundsätzlich auch die Eltern einstellen (Senatsurteil vom 18.
Januar 2012 -
XII
ZR
15/10
-
FamRZ 2012, 530 Rn.
17).
Verliert das [X.]
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wachsene Kind zu einem späteren [X.]punkt wieder seine wirtschaftliche Selb-ständigkeit, findet die Inanspruchnahme des Unterhaltspflichtigen in der Regel erst statt, wenn dieser sich selbst bereits in einem höheren Lebensalter [X.], seine Lebensverhältnisse demzufolge bereits längerfristig seinem Einkom-mensniveau angepasst hat oder sogar bereits Rente bezieht und sich dann [X.] Unterhaltsforderung ausgesetzt sieht, mit der er nach dem regelmäßigen Ablauf nicht mehr zu rechnen brauchte
(Senatsurteil vom 18.
Januar 2012 -
XII
ZR
15/10
-
FamRZ 2012, 530 Rn.
18).
(2) Ist der Unterhaltspflichtige
-
wie hier
-
verheiratet, gehört zu dessen nach §
1603 Abs.
1 [X.] beim Verwandtenunterhalt zu berücksichtigenden sonstigen Verbindlichkeiten auch die Unterhaltspflicht gegenüber seiner Ehe-frau nach §§
1360, 1360
a [X.], soweit diese nicht über ausreichendes eigenes Einkommen verfügt (Senatsurteil vom 8.
Juni 2005 -
XII
ZR
75/04
-
FamRZ 2006, 27, 29).
Sofern die dargelegten
Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des
in der [X.] Tabelle und den Unterhaltsrechtlichen Leitlinien an sich für den Elternunterhalt bestimmten, erhöhten Selbstbehalts auf Seiten des [X.] vorliegen,
ist es wegen der Vergleichbarkeit der jeweiligen Inte-ressenlagen nicht zu beanstanden, wenn der Tatrichter auch auf den dort für den vorrangigen Ehegatten bestimmten Selbstbehalt, der sich für die hier maß-gebliche [X.] auf 1.050
,
zurückgreift. Damit
ergibt sich unter Berücksich-tigung des erhöhten Selbstbehalts
für den Unterhaltspflichtigen von 1.400
zusammengerechneter [X.] von 2.450
(vgl. Senatsurteil [X.], 350 = FamRZ 2010, 1535 Rn.
39 ff.).
Der durch das Zusammenle-ben der Eheleute eingetretenen [X.] wird dann bereits durch die unterschiedlichen Selbstbehaltssätze der Ehegatten Rechnung getragen (Se-natsurteil [X.], 350 = FamRZ 2010, 1535 Rn.
43).
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bb) Diesen Anforderungen trägt das Berufungsurteil hinreichend Rech-nung.
(1) Aus Rechtsgründen ist nichts dagegen zu erinnern, dass das Beru-fungsgericht
dem Beklagten einen erhöhten Selbstbehalt von 1.400
hat.
In dem hier streitgegenständlichen [X.]raum von 2007 bis 2009 belief sich der auch im Rahmen des Elternunterhaltsanspruchs maßgebliche erhöhte angemessene Selbstbehalt auf mindestens 1.400
n
vom Berufungsgericht in
Bezug genommenen Feststellungen des Amtsgerichts war der erwachsene [X.] des Beklagten seit langem wirtschaftlich
selbständig. Mit dem Empfang der hier im Streit stehenden Sozialleistungen hatte jener erst zu einem späteren [X.]punkt seine wirtschaftliche
Selbständigkeit wieder verloren. Damit sah sich der Beklagte einer Unterhaltsforderung ausgesetzt, mit der er nach dem regelmäßigen Ablauf nicht mehr zu rechnen brauchte.
Dabei kommt es nach der Rechtsprechung des Senats nicht darauf an, dass der Beklagte bei seiner Inanspruchnahme bereits Rente bezogen hat. Maßgeblich
ist allein, dass er
nach der zwischenzeitlich eingetretenen wirtschaftlichen Selbständigkeit [X.] volljährigen [X.]es mit keiner weiteren Unterhaltspflicht für diesen zu rechnen brauchte und sein Vertrauen hierauf deswegen -
wie beim Elternunter-halt
-
besonders schutzwürdig ist.
(2) Soweit es die Ehefrau des Beklagten anbelangt, hat das Berufungs-gericht
zwar nicht ausdrücklich auf den [X.] abgestellt. Letztlich hat es aber auf die Unterhaltsberechnung des Amtsgerichts und damit auf den dort für die Ehefrau
eingestellten Selbstbehalt von 1.050
Bezug genommen, der den Beträgen der [X.] Tabelle für den Elternunterhalt entnommen ist.
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Soweit die Revision rügt, das Berufungsgericht habe die durch die ge-meinsame Haushaltsführung auf Seiten des Beklagten eintretenden [X.] nicht berücksichtigt, verkennt
sie, dass der
[X.] bereits durch die unterschiedlichen Selbstbehaltssätze der Ehegatten Rechnung getragen wird.
c) Dass das Berufungsgericht nach alledem aufgrund der von der [X.] im Übrigen nicht angegriffenen Feststellungen zur Leistungsunfähigkeit des Beklagten gelangt ist, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Danach verfügen die Eheleute über ein Gesamteinkommen von rund 2.088
Damit ergibt sich -
einschließlich des bereinigten Wohnvorteils
-
ein Gesamteinkommen von rund 2.306
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Nach Abzug des [X.]s von 2.450
bleibt ein negativer Betrag in Höhe von rund 144
e-klagten fehlt.
Dose
Weber-Monecke
RiBGH [X.]
hat Urlaub und kann
deswegen nicht unterschreiben.
Dose
Schilling
RiBGH Dr. Botur hat
Urlaub und kann deswegen
nicht unterschreiben.
Dose
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 09.12.2009 -
30 F 22/09 -
OLG [X.], Entscheidung vom 08.06.2010 -
II-25 UF 232/09 -
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Meta
18.07.2012
Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat
Sachgebiet: ZR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.07.2012, Az. XII ZR 91/10 (REWIS RS 2012, 4526)
Papierfundstellen: REWIS RS 2012, 4526
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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