Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.11.2022, Az. VIII ZR 212/21

8. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 10277

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Tenor

Der Senat beabsichtigt, über die Zulassung der Revision erst nach der Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] in dem Verfahren [X.]/21 zu entscheiden und bis dahin das vorliegende Verfahren gemäß § 148 ZPO analog aus den in den Senatsbeschlüssen vom 10. Mai 2022 ([X.], juris Rn. 7 ff.) und vom 30. August 2022 ([X.], noch nicht veröffentlicht, Rn. 3 ff.) genannten Gründen auszusetzen.

Gründe

1

1. Die vorliegend eine Aussetzung des Verfahrens tragenden Fragen sind mit denjenigen in den vorgenannten Senatsbeschlüssen vergleichbar.

2

2. Der Entscheidungserheblichkeit dieser Fragen steht nicht entgegen, dass das Berufungsgericht den erst in zweiter Instanz gehaltenen Sachvortrag des [X.] zu den Umständen des Vertragsschlusses und des Vorliegens eines - aus seiner Sicht ein Widerrufsrecht (§ 355 Abs. 1, § 312c Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 312g Abs. 1 BGB in der vom 21. März 2016 bis zum 30. Juni 2018 geltenden Fassung, inhaltlich identisch mit heutiger Fassung) begründenden - Fernabsatzvertrags (über eine Finanzdienstleistung) nach § 529 Abs. 1 Nr. 2, § 531 Abs. 2 ZPO unberücksichtigt gelassen hat.

3

Zwar hat der Kläger neuen Sachvortrag gehalten, dieser ist aber teilweise unstreitig und insoweit ungeachtet des § 531 ZPO stets vom Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde zu legen (vgl. [X.], Urteile vom 17. Oktober 2018 - [X.], [X.]Z 220, 77 Rn. 28; vom 26. Januar 2021 - [X.], [X.], 390 Rn. 29; Beschluss vom 8. Mai 2018 - [X.], NJW 2018, 2269 Rn. 25; jeweils mwN).

4

a) Entgegen der Ansicht der Nichtzulassungsbeschwerde ist der Vortrag des [X.] zu den Umständen des Vertragsschlusses, den er in der Berufungsinstanz mit Schriftsatz vom 3. März 2021 gehalten hat, neu im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 2, § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Denn in der Klageschrift hatte er noch vorgetragen, er "und die Beklagte" hätten "den Leasingvertrag in den Geschäftsräumen des aus dem Leasingvertrag ersichtlichen Kreditvermittlers" geschlossen. Hiernach war ein gesetzlicher beziehungsweise rechtsgeschäftlich bestellter Vertreter der [X.] beim Vertragsschluss anwesend.

5

Demgegenüber hat der Kläger in der Berufungsinstanz vorgebracht, die Klageschrift enthalte einen "redaktionellen Fehler" und sein erstinstanzlicher Vortrag, wonach der "streitgegenständliche Leasingvertrag im stationären Handel abgeschlossen" worden sei, sei unrichtig. Denn er habe sich vor Vertragsschluss "lediglich in den Geschäftsräumen des den hiesigen Leasingvertrag vermittelnden Autohauses" befunden, was jedoch nicht ausreichend sei, den Vertrag als "Präsenzgeschäft" zu werten. Das Autohaus als Vertragsvermittler habe nicht, wie zuvor behauptet, als Stellvertreter der [X.], sondern "nur als Bote" gehandelt.

6

b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist dieser neue Sachvortrag in einem entscheidungserheblichen Teil unstreitig.

7

aa) Zwar hat die Beklagte den Klägervortrag, wonach die Mitarbeiterin des Autohauses keine weitergehenden Befugnisse gehabt hätte, als das Leasingformular der [X.] nach deren Vorgabe auszufüllen und die Legitimation beziehungsweise die Identität des [X.] zu bestätigen, mithin "lediglich als Ausfüllhilfe" tätig gewesen sei, bestritten (§ 138 Abs. 3 ZPO). Denn die Beklagte hat demgegenüber vorgebracht, die Mitarbeiterin des Autohauses habe dem Kläger den Inhalt des Leasingvertrags vollumfänglich erläutert und sei dazu ermächtigt gewesen, ihm verbindliche Informationen zu geben. Damit liegt hinsichtlich des Umfangs der Befugnisse der Mitarbeiterin des Autohauses (neuer) streitiger Sachvortrag vor, der nach § 531 Abs. 2 ZPO insoweit zutreffend vom Berufungsgericht nicht berücksichtigt wurde. Der Kläger hat Gründe im Sinne von § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO, wonach dieser Vortrag ausnahmsweise zuzulassen wäre, nicht vorgebracht, vielmehr hat er selbst einen "redaktionellen Fehler" eingeräumt.

8

Er hat sich den seinem eigenen Vortrag (Mitarbeiterin als bloße "Ausfüllhilfe") widersprechenden [X.]vortrag (Mitarbeiterin sei zur Auskunfts- und Informationserteilung befugt) nicht, auch nicht hilfsweise unter dem Gesichtspunkt des gleichwertigen Parteivorbringens zu eigen gemacht (vgl. hierzu [X.], Urteile vom 15. Dezember 1993 - [X.], NJW-RR 1994, 1405 unter [X.] mwN; vom 14. Februar 2000 - [X.], [X.], 1641 unter [X.]; vom 18. Januar 2018 - [X.], NJW 2018, 2412 Rn. 39).

9

bb) Jedoch ist nach [X.] zwischen den Parteien in der Berufungsinstanz unstreitig geworden, dass die Mitarbeiterin des Autohauses jedenfalls nicht als Stellvertreterin der [X.] gehandelt hat. Den entsprechenden Vortrag des [X.], wonach diese "nicht als rechtsgeschäftlicher Stellvertreter der [X.] tätig" geworden sei, hat die Beklagte nicht bestritten.

c) Dies hat das Berufungsgericht nicht beachtet und den gesamten Klägervortrag nicht berücksichtigt. Dadurch hat es die Präklusionsvorschrift des § 531 Abs. 2 ZPO offensichtlich fehlerhaft angewandt und - wie von der Nichtzulassungsbeschwerde zutreffend gerügt - das rechtliche Gehör des [X.] (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt (vgl. Senatsbeschluss vom 29. September 2021 - [X.], juris Rn. 13 mwN).

Anders als die Nichtzulassungsbeschwerdeerwiderung meint, kann die Entscheidungserheblichkeit dieser Gehörsverletzung derzeit nicht verneint werden. Denn die Frage, ob das Vorliegen eines Fernabsatzgeschäfts (über Finanzdienstleistungen) lediglich dann ausscheidet, wenn dem Verbraucher ein Stellvertreter des Unternehmers gegenübertritt, und es daher bei - wie hier - fehlender Stellvertretung auf Befugnisse zur Auskunfts- und Informationserteilung nicht ankommt, ist Gegenstand der Vorlagefrage im eingangs genannten Verfahren vor dem [X.] (vgl. [X.] des [X.] vom 24. August 2021 - 2 O 238/20, juris Rn. 74, 95 [X.]; vom 28. September 2021 - 2 O 378/20 u.a., juris Rn. 154, 157).

3. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.

Dr. Bünger     

      

[X.]     

      

Dr. Schmidt

      

Wiegand     

      

Dr. Matussek     

      

Hinweis:

Das Verfahren ist durch Beschluss vom 17. Januar 2023 ausgesetzt und durch Rücknahme vom 29. Februar 2024 erledigt worden.

Meta

VIII ZR 212/21

22.11.2022

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Stuttgart, 4. Juni 2021, Az: 6 U 117/20, Beschluss

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.11.2022, Az. VIII ZR 212/21 (REWIS RS 2022, 10277)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 10277

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