Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.10.2015, Az. IV ZR 211/14

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 3954

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR
211/14

Verkündet am:

14. Oktober 2015

Heinekamp

Amtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

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Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.], die Richter Dr.
Karczewski, [X.] und die Richterin [X.] im schriftli-chen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO mit Schriftsatzfrist bis zum 25.
September 2015

für Recht erkannt:

Auf die Revision der
Klägerseite wird das Urteil des
20.
Zivilsenats des [X.] vom 2. Mai 2014
aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisions-verfahrens, an
das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d.
[X.]) be-gehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rück-zahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer kapitalbildenden
Le-bensversicherung.
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Diese wurde aufgrund eines Antrags d.
[X.] mit [X.] zum 1.
August 2001 nach dem so genannten Policenmodell des §
5a [X.] in der seinerzeit
gültigen Fassung (im Folgenden §
5a [X.] a.F.) abgeschlossen.

D. [X.] zahlte von August
2001
bis Juni 2010 Prämien in Höhe von insgesamt 12.696,53

26.
Mai 2010
kündigte d. [X.] den Vertrag und der Versicherer zahlte den Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom September 2010 erklärte d. [X.]
den Widerspruch nach §
5a Abs.
1 Satz
1 [X.] a.F.

Mit der Klage verlangt d.
[X.]
Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten [X.], insgesamt 6.711,53

.

Nach Auffassung d.
[X.] ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen, weil d. [X.] nicht ordnungsgemäß über das
[X.] belehrt wurde
und das Policenmodell mit den Lebensversi-cherungsrichtlinien der [X.] nicht vereinbar
sei.

Das [X.] hat die Klage abgewiesen, das [X.] die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit
der Revision ver-folgt d. [X.] das Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur [X.] an das Berufungsgericht.
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I. Dieses
hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus
unge-rechtfertigter Bereicherung verneint. Der Versicherer habe zwar nicht ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht belehrt. Der Vertrag sei aber gemäß §
5a Abs.
2 Satz 4
[X.] a.F. ein Jahr nach Zahlung der [X.] Prämie endgültig wirksam geworden.

II.
Die Revision ist begründet.

1. Ein Anspruch auf Prämienrückzahlung aus §
812 Abs.
1 Satz 1 Alt. 1 BGB kann d. [X.] nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung versagt werden.

a) Der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag schafft nach dem für das Revisionsverfahren maßgeblichen Sachverhalt keinen Rechtsgrund für die Prämienzahlung. Er ist infolge des Wider-spruchs d. [X.] nicht wirksam zustande gekommen. Der Widerspruch war -
ungeachtet des Ablaufs der in §
5a Abs.
2 Satz 4 [X.] a.F. normierten Jahresfrist
-
rechtzeitig.

aa) Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden [X.] belehrte der Versicherer d. [X.] -
auch un-ter Berücksichtigung des Vorbringens der Revisionserwiderung
-
nicht
ordnungsgemäß i.S. von §
5a Abs.
2 Satz
1 [X.] a.F. über das [X.].
Die im Versicherungsschein enthaltene Belehrung ist in-haltlich fehlerhaft, weil danach der Widerspruch
"schriftlich"
zu erheben ist. Mit Wirkung zum 1.
August 2001 wurde §
5a Abs.
1 Satz 1 [X.] durch das Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts 8
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und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr vom 13.
Juli 2001 ([X.] I, 1542) dahin geändert, dass der Widerspruch in "Textform"
erfolgen kann. Die Textform stellt eine Erleichterung gegen-über der Schriftform dar.
Es bedarf nicht mehr der traditionellen Schrift-form, sondern eine Verkörperung in "Textform"
ist ausreichend, d.h. es genügt, wenn die Erklärung in Textform lesbar gemacht werden kann (vgl. Senatsurteile vom 10.
Juni 2015 -
IV
ZR 105/13, [X.], 876 Rn.
11; 29.
Juli 2015 -
IV ZR 448/14, [X.], 1104 Rn. 24 und IV
ZR 112/14, juris Rn. 12).
Die beiden Begriffe sind entgegen der An-sicht
der Revisionserwiderung nicht deckungsgleich.

Für einen solchen Fall bestimmte §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. zwar, dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt. Das Widerspruchsrecht bestand hier aber nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort.

Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des [X.] der [X.] vom 19.
Dezember 2013 ([X.], 225). Der Senat hat mit Urteil vom 7.
Mai 2014 (IV
ZR 76/11, [X.], 101 Rn.
17-34) entschieden und im Einzelnen begründet, die Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der [X.] und der [X.] keine Anwendung findet und für davon er-fasste Lebens-
und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn d. [X.] -
wie hier
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nicht ordnungsgemäß über das Recht zum [X.] belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat.
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bb) Die Kündigung des
Versicherungsvertrages
steht dem
Wider-spruch nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
36 m.w.N.). Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits voll-ständiger Leistungserbringung kommt ebenfalls nicht in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
37 m.w.N.).

b) Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechts-widrigkeit des §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. sind nicht auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken, sondern nur ei-ne Rückwirkung entspricht dem [X.] (dazu im Einzelnen Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
42-44).

2. Der Höhe nach umfasst der [X.] nach §
812 Abs.
1 Satz
1 Alt.
1 BGB nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien. Vielmehr muss sich d. [X.] bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwick-lung den jedenfalls bis zur Kündigung des
Vertrages
genossenen Versi-cherungsschutz anrechnen lassen. Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung [X.] (Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
45 m.w.N.; vgl. auch Senatsurteile vom 29.
Juli 2015 -
IV ZR 384/14, [X.], 1101 Rn.
35 ff. und IV
ZR 448/14, [X.], 1104 Rn. 33
ff.).

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Da es hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuver-weisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
46).

[X.] [X.] Dr.
Karczewski

[X.]

[X.]

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 23.05.2012 -
26 [X.]/11 -

O[X.], Entscheidung vom 02.05.2014 -
20 [X.] -

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Meta

IV ZR 211/14

14.10.2015

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.10.2015, Az. IV ZR 211/14 (REWIS RS 2015, 3954)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 3954

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Zitiert

IV ZR 448/14

IV ZR 384/14

20 U 132/12

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