Bundesgerichtshof, Urteil vom 30.04.2024, Az. VIa ZR 1279/22

6a. Zivilsenat | REWIS RS 2024, 2538

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Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 3. Zivilsenats des [X.] vom 2. August 2022 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufungsanträge zu I, zu [X.] und zu [X.] zurückgewiesen worden sind.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf bis 16.000 € festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Er erwarb am 7. Februar 2017 ein von der Beklagten hergestelltes, gebrauchtes Kraftfahrzeug [X.], das mit einem ebenfalls von der Beklagten hergestellten Dieselmotor der [X.] (Schadstoffklasse Euro 5) ausgerüstet ist.

3

Das [X.] hat die auf Zahlung von Schadensersatz nebst Zinsen, Zahlung von [X.], Feststellung des Annahmeverzugs und Freistellung von Rechtsverfolgungskosten gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.], mit der er seine Anträge aus dem ersten Rechtszug im Wesentlichen weiterverfolgt hat, ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht im Hinblick auf die Frage, ob § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV individualschützender Natur seien, zugelassenen Revision verfolgt der Kläger nur seine Berufungsanträge zu I (Schadensersatz nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Herausgabe des Pkw), zu [X.] (Feststellung des Annahmeverzugs) und zu [X.] (Freistellung von Rechtsverfolgungskosten) weiter.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision des [X.] hat Erfolg.

A.

5

Die Revision des [X.] ist uneingeschränkt statthaft. Das angefochtene Urteil unterliegt aufgrund der Zulassung durch das Berufungsgericht in vollem Umfang, d.h. sowohl in Bezug auf einen Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB als auch wegen eines Schadensersatzanspruchs gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.], der revisionsrechtlichen Nachprüfung. Mit Rücksicht auf die insofern geltenden Maßstäbe (vgl. [X.], Urteil vom 21. Februar 2022 - [X.], [X.]Z 233, 16 Rn. 17 mwN) kommt eine Beschränkung der Rechtsmittelzulassung etwa im Sinne einer auf § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] beschränkten Eröffnung des Rechtswegs nicht in Betracht. Denn die Ansprüche auf den „großen Schadensersatz“ einerseits und auf den [X.] andererseits knüpfen jeweils im [X.] an die [X.] bei Abschluss des Kaufvertrags an. Sie unterscheiden sich lediglich durch unterschiedliche Methoden der Schadensberechnung ([X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], [X.]Z 237, 245 Rn. 45). Ungeachtet bestimmter unterschiedlicher Voraussetzungen haben die Ansprüche deshalb eine Vielzahl von Gesichtspunkten gemeinsam. Danach liegen weder unterschiedliche Streitgegenstände vor, noch kann von einem abtrennbaren Teil eines prozessualen Anspruchs die Rede sein.

B.

I.

6

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

7

Die Beklagte hafte nicht gemäß §§ 826, 31 BGB wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung auf Schadensersatz. Denn der Kläger habe die Voraussetzungen einer vorsätzlichen Täuschung durch Repräsentanten der Beklagten nicht hinreichend dargetan. Auch könne die Verwendung eines Thermofensters allein mangels Prüfstandsbezugs nicht die Sittenwidrigkeit begründen, und der Kläger habe weder insofern weiterführende Umstände noch greifbare Anhaltspunkte für andere, in seinem Fahrzeug verwendete Abschalteinrichtungen vorgetragen.

8

Ein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] komme nicht in Betracht, weil es sich bei den genannten Bestimmungen der [X.] nicht um Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB handele.

II.

9

Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

1. Es begegnet allerdings keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.

2. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Urteils entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des [X.] gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der [X.] zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], [X.]Z 237, 245 Rn. 29 bis 32).

Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des [X.] auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], [X.]Z 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen [X.]s zustehen kann (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso [X.], Urteile vom 20. Juli 2023 - [X.], [X.], 1839 Rn. 21 ff.; - [X.], juris Rn. 16 f.; Urteil vom 12. Oktober 2023 - [X.], juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

Die angefochtene Entscheidung ist demnach im tenorierten Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil sie sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Die Sache ist insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, einen [X.] darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des Senats vom 26. Juni 2023 ([X.], [X.]Z 237, 245) die erforderlichen Feststellungen zu den Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] zu treffen haben.

[X.]     

      

Möhring     

      

Götz   

      

Rensen     

      

Vogt-Beheim     

      

Meta

VIa ZR 1279/22

30.04.2024

Bundesgerichtshof 6a. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 2. August 2022, Az: 3 U 86/21

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 30.04.2024, Az. VIa ZR 1279/22 (REWIS RS 2024, 2538)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 2538

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VII ZR 412/21

III ZR 303/20

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