Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.09.2023, Az. VIa ZR 1724/22

6a. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 6956

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Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 2. Zivilsenats des [X.] vom 1. Dezember 2022 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht hinsichtlich der [X.] zu 1 und zu 5 zum Nachteil des [X.] entschieden hat.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Der Kläger kaufte im Jahr 2016 von einem Dritten ein von der [X.] hergestelltes Kraftfahrzeug [X.] 3.0 [X.] als Gebrauchtwagen. Das Fahrzeug ist mit einem von der [X.] entwickelten und hergestellten Dieselmotor der Baureihe [X.] ([X.] 5) ausgerüstet. Die Abgasrückführung wird temperaturabhängig gesteuert und unter Einsatz eines sogenannten "Thermofensters" bei bestimmten Außentemperaturen reduziert.

3

Der Kläger hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - zuletzt die Erstattung des Kaufpreises nebst Zinsen abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs sowie die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten begehrt. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.] ist ohne Erfolg geblieben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge zu 1 (Erstattung des Kaufpreises) und zu 5 (Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten) vollumfänglich weiter.

Entscheidungsgründe

4

Die wirksam auf deliktische Schadensersatzansprüche nebst davon abhängiger Nebenansprüche beschränkte Revision (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.] 1031/22, [X.] 2023, 1133 Rn. 8 ff.) hat Erfolg.

I.

5

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen wie folgt begründet: Ein Schadensersatzanspruch gemäß § 826 BGB stehe dem Kläger nicht zu, da das Verhalten der Beklagten gegenüber dem Kläger auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht als sittenwidrig zu qualifizieren sei. Auch Ansprüche nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV oder Art. 5 der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 bestünden nicht, da diese Bestimmungen keine Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB seien.

II.

6

Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

7

1. Die Revision beanstandet nicht, dass das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch des [X.] aus §§ 826, 31 BGB verneint hat, weil es greifbare Anhaltspunkte für ein [X.] Verhalten der Beklagten nicht feststellen konnte (vgl. § 559 Abs. 2 ZPO). Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich.

8

2. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV wegen der Verwendung des Thermofensters aus Rechtsgründen bereits im Ansatz verneint hat.

9

Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV nicht verneint werden. Wie der [X.] nach Erlass der angefochtenen Entscheidung entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des [X.] gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der [X.] zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.] 335/21, NJW 2023, 2259 Rn. 29 ff., zur [X.] bestimmt in [X.]Z).

Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des [X.] auf die Gewährung des sogenannten "großen Schadensersatzes" verneint (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.] 335/21, NJW 2023, 2259 Rn. 22 ff.). Es hat jedoch unberücksichtigt gelassen, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen [X.]s zustehen kann (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 ff.). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Form des Thermofensters getroffen.

III.

Die angefochtene Entscheidung ist daher in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben, nachdem sie sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts kann eine deliktische Haftung der Beklagten wegen jedenfalls fahrlässiger Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht ausgeschlossen werden. Der [X.] kann daher nicht in der Sache selbst entscheiden, sondern verweist die Sache im Umfang der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, einen möglichen [X.] darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des [X.]s vom 26. Juni 2023 ([X.] 335/21, NJW 2023, 2259) die erforderlichen Feststellungen zu den Voraussetzungen und gegebenenfalls zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV zu treffen haben.

[X.]     

      

Möhring     

      

Krüger

      

Wille     

      

Liepin     

      

Meta

VIa ZR 1724/22

18.09.2023

Bundesgerichtshof 6a. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Koblenz, 1. Dezember 2022, Az: 2 U 835/21

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.09.2023, Az. VIa ZR 1724/22 (REWIS RS 2023, 6956)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 6956

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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