Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.06.2015, Az. 4 StR 196/15

4. Strafsenat | REWIS RS 2015, 9610

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 196/15

vom
17. Juni
2015
in dem Sicherungsverfahren
gegen

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung
des Generalbun-desanwalts und des Beschwerdeführers am 17.
Juni
2015
gemäß §
349 Abs.
4 StPO beschlossen:

1.
Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des [X.] vom 26.
Januar 2015 mit den Fest-stellungen aufgehoben.
2.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des [X.] in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen rich-tet sich seine auf die Sachrüge gestützte Revision. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
1.
Der Unterbringungsanordnung liegen als von der Antragsschrift [X.] eine räuberische Erpressung in Tateinheit mit Sachbeschädi-gung, ein vollendeter und ein versuchter Wohnungseinbruchdiebstahl sowie ein vollendeter und vier
versuchte Diebstähle -
jeweils im besonders schweren Fall
-
zugrunde, die der Beschuldigte zwischen dem 3.
April und dem 11.
Juni 2014 begangen hat. Opfer der räuberischen Erpressung war die Schwägerin des damals in einer Obdachlosenunterkunft wohnenden Beschuldigten, der [X.] -

-
mittels 1
2
-
3
-
einer konkludenten Drohung zur Herausgabe von 30

n-deten Wohnungseinbruchdiebstahl beging er in Ausführung eines zuvor mit
einem Mittäter gefassten Tatplans; bei dem versuchten Wohnungseinbruch-diebstahl ließ er nach dem Einschlagen der Glasscheibe einer Außentür von der weiteren Te-handelte es sich um einen versuchten Einbruchdiebstahl in ein Mehrfamilien-haus sowie -
teilweise ebenfalls nur versuchte
-
Diebstähle aus Handtaschen, t-bahn bzw. auf Rolltreppen im [X.] und in einem Kaufhaus sowie vor einem Modegeschäft beging. Bei all diesen Taten handelte der Beschuldigte mit dem Willen, sich durch die wiederholte Begehung gleichgelagerter Diebstähle eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle zu verschaffen. Ferner stellte das [X.] einen von der Staatsanwaltschaft gemäß §
154 Abs.
1 StPO eingestellten versuchten Wohnungseinbruchdiebstahl
vom 24.
März 2014 fest, der daran scheiterte, dass es dem Beschuldigten nicht gelang, die Terrassentür aufzuhebeln.
Nach den weiteren Feststellungen der [X.] leidet der Beschul-digte nach einem im Jahr 1992 bei einem Verkehrsunfall erlittenen Schädelhirn-trauma an einem schweren hirnorganischen Psychosyndrom, welches als orga-nische Persönlichkeitsstörung mit im Vordergrund stehender Impulskontroll-störung das [X.] einer krankhaften seelischen Störung im Sinne des §
20 StGB erfülle. Aufgrund der im Vordergrund stehenden schweren Im-pulskontrollstörung sei eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit -
wie die [X.] im Rahmen der Be-weiswürdigung mitteilt und der Entscheidung zugrunde legt
-
aber nicht so sehr auf die Tatausführung, sondern auf die Tatentscheidung zu legen, die der [X.]
-
4
-
schuldigte in allen Fällen im Zustand nicht ausschließbar aufgehobener [X.] getroffen habe ([X.] 35).
2.
Diese Feststellungen und Wertungen des [X.] sind nicht [X.], die Anordnung der Maßregel des §
63 StGB zu rechtfertigen.
Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus setzt unter an-derem die positive Feststellung voraus, dass der Beschuldigte eine rechtswidri-ge Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§
20) oder der verminderten Schuld-fähigkeit (§
21) begangen hat. Hierfür muss vom Tatgericht im Einzelnen darge-legt werden, wie sich die festgestellte, einem Merkmal von §§
20, 21 StGB un-terfallende Erkrankung in der jeweiligen [X.] auf die Einsichts-
oder die Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat und warum die [X.] auf den ent-sprechenden psychischen Zustand zurückzuführen sind ([X.], Beschlüsse
vom 29.
Mai 2012 -
2
StR
139/12, [X.], 306, 307; vom 18.
November 2013 -
1
StR
594/13, [X.], 75, 76
mwN). Insoweit ist insbesondere
zu untersuchen, ob in der Person des Beschuldigten oder in seinen Taten letzt-lich nicht nur Eigenschaften und Verhaltensweisen hervortreten, die sich im Rahmen dessen halten, was bei schuldfähigen Menschen anzutreffen und übli-che Ursache für strafbares Verhalten ist (vgl. [X.], Urteil vom 2.
April 1997
-
2
StR
53/97, [X.], 383; Beschlüsse
vom 15.
Juli 1997 -
4
StR
303/97, [X.]R StGB §
63 Zustand
26; vom
19.
Februar 2015 -
2
StR
420/14).
Dem werden die Ausführungen des [X.] nicht gerecht. Es hat zwar eingehend dargelegt, dass der Beschuldigte an einem unter die [X.] des §
20 StGB fallenden krankhaften Zustand von einiger Dauer leidet. Die [X.] hat es aber versäumt, in einer für das Revisi-onsgericht nachvollziehbaren Weise zu erörtern, dass zwischen diesem Zu-stand und den abgeurteilten Taten ein symptomatischer Zusammenhang be-4
5
6
-
5
-
steht. Hierauf konnte jedenfalls angesichts der Besonderheiten des Falles nicht verzichtet werden. Denn die von dem Beschuldigten begangenen Taten dienten dem damals in einer Obdachlosenunterkunft wohnenden, seinen [X.] ([X.] e-Belege dafür, dass den abgeurteilten Taten ein durchgreifender Mangel der Im-pulskontrolle zugrunde gelegen hat, finden sich in der landgerichtlichen Ent-scheidung nicht. Vielmehr spricht gegen die Annahme einer gestörten Impuls-kontrolle etwa bei der
Tat
2 auch, dass diese nach gemeinsamer Planung mit einem Mittäter begangen wurde und Umstände nicht erkennbar sind, zu wel-chem [X.]punkt und wodurch der Beschuldigte hierbei in einem die Steuerungs-fähigkeit zumindest erheblich beeinträchtigenden Zustand einer gestörten Im-pulskontrolle geraten sein soll (vgl. zu einem ähnlich gelagerten Fall auch [X.], Beschluss vom 19.
Februar 2015 -
2
StR
420/14).
3.
Ergänzend weist der Senat ferner auf Folgendes hin:
Maßgebend für die Beurteilung der Schuldfähigkeit ist

20 StGB), bei [X.] mithin die [X.], zu welcher der Täter ge-handelt hat (§
8 Satz
1 StGB; vgl. [X.], StGB, 62.
Aufl., §
20 Rn.
2a mwN). Daher findet §
20 StGB jedenfalls dann keine Anwendung, wenn der Täter bei allen für die Verwirklichung des Tatbestands erforderlichen Handlun-gen -
wenn auch vermindert
-
schuldfähig war (vgl. für Dauerdelikte auch [X.], Beschluss vom 15.
Juni 2004
-
4
StR
176/04; Urteil vom 28.
September 2011
-
1
StR 129/11, [X.], 6, 7). Deshalb begegnet die Anwendung von §
20 StGB durch die [X.] Bedenken, wenn deren Ausführungen, [X.] auf die Tatausführung, sondern auf die Tatent-7
8
-
6
-
scheidung zu legen sei, die der Beschuldigte in allen Fällen im Zustand nicht ausschließbar aufgehobener Steuerungsfähigkeit getroffen habe, dahin zu [X.] sein sollten, dass bei der Tatausführung
seine Steuerungsfähigkeit
-
wenn auch vermindert
-
vorhanden war.
Auch vermag die im Rahmen der Feststellungen zum Tatgeschehen

e([X.]
17), die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht zu rechtfertigen. Denn diese darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei fest-steht, dass der Beschuldigte bei Begehung der [X.] schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war (st. Rspr.;
vgl. [X.], Beschluss vom
26. März 2015
-
2
StR
37/15 mwN; zur -
nicht festgestellten
-
verminderten Einsichtsfähigkeit und §
63 StGB: [X.], Beschluss vom 20. November 2012 -
1
StR
504/12, [X.], 246; siehe ferner -
auch zum Verhältnis Einsichts-/Steuerungsvermögen
-
Beschluss vom 2.
August 2012 -
3
StR 259/12; sowie Urteil vom 18.
Januar 2006 -
2
StR
394/05, [X.]R StGB §
20 Steuerungsfähigkeit
2).
Sost-Scheible
Franke
Mutzbauer

Bender
Quentin
9

Meta

4 StR 196/15

17.06.2015

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.06.2015, Az. 4 StR 196/15 (REWIS RS 2015, 9610)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 9610

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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4 StR 196/15

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