Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 13.12.2016, Az. 28 U 202/15

28. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 869

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Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 04.11.2015 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Anwaltshaftung auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch, daneben verlangt er die Feststellung ihrer weitergehenden Einstandspflicht.

Der Kläger lastet den Beklagten – namentlich dem seinerzeit sachbearbeitenden Beklagten zu 2 – an, ihn in einem vor dem Landgericht Wuppertal / Oberlandesgericht Düsseldorf geführten Regressprozess gegen Rechtsanwalt F fehlerhaft vertreten zu haben. Bei pflichtgemäßer Vorgehensweise – so der Kläger - hätte dieser Vorprozess Erfolg haben müssen. Dadurch wäre ihm der finanzielle Nachteil ersetzt worden, der ihm durch die im Jahre 1997 erfolgte Kündigung seines damaligen Arbeitsverhältnisses entstanden sei.

Dazu im Einzelnen:

Der Kläger war seit dem 01.04.1991 halbtags als Leiter der Dokumentationsstelle der J beschäftigt. Daneben bekleidete er eine weitere Halbtagsstelle bei dem E.

Die Dokumentationsstelle der J war seit den 1980er Jahren mit öffentlichen Mitteln gefördert worden. Im Jahre 1997 blieb die Mittelgewährung zunächst aus.

Mit Schreiben vom 27.10.1997 erklärte die J gegenüber dem Kläger die Kündigung des bei ihr bestehenden Arbeitsverhältnisses:

Sehr geehrter Herr L2,

wir haben Ihnen darlegen müssen, daß das Bundesministerium für Wirtschaft die Zuschußmittel für die von der J betriebene Dokumentationsstelle 1997 nicht gewährt.

Das bedeutet für die J

- die von Ihnen betreuten Arbeiten in der Dokumentationsstelle einzustellen

  und

- personelle Konsequenzen zu ziehen.

Wir müssen Ihnen deshalb betriebsbedingt zum 31.12.1997 kündigen.

Der Kläger ging zunächst von der Wirksamkeit dieser Kündigung aus.

Der Kläger erfuhr dann später, dass das Bundeswirtschaftsministerium doch noch drei Tage nach dem Kündigungsschreiben – also am 30.10.1997 – für die Dokumentationsstelle die öffentlichen Mittel für 1997 bewilligt und die J im Anschluss daran am 10.12.1997 zudem die Mittelbewilligung für 1998 beantragt hatte.

Der Kläger ging vor diesem Hintergrund davon aus, dass die ihm gegenüber erklärte Kündigung unwirksam sei bzw. ein Wiedereinstellungsanspruch bestehe. Zudem bestand seiner Ansicht nach der Verdacht eines der J anzulastenden Subventionsbetruges.

Der Kläger beauftragte daraufhin den seinerzeit noch in der Sozietät G & Partner in C tätigen Rechtsanwalt Dr. H mit der Wahrnehmung seiner Interessen. Später wechselte Rechtsanwalt Dr. H in die Anwaltssozietät S.

Entsprechend der vom Kläger verfolgten Zielsetzung reichte Rechtsanwalt Dr. H bei dem Arbeitsgericht Bonn (4 Ca 1850/99) die Klageschrift vom 23.07.1999 ein und beantragte, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht durch die Kündigung vom 27.10.1997 aufgelöst sei und die J zur Zahlung von 55.800,00 DM zu verurteilen. Hilfsweise beantragt er, die J zur Wiedereinstellung des Klägers zu verurteilen.

Diese Klage wurde durch Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 17.11.1999 abgewiesen. Die erklärte Kündigung sei nicht sittenwidrig gewesen. Weil die öffentlichen Mittel unstreitig nicht zu dem in den Vorjahren üblichen Zeitpunkt bewilligt worden seien, habe die J mit dem finanziellen Risiko leben müssen, den Kläger fortzubeschäftigen, ohne dass Fördermittel zur Verfügung standen. Deshalb sei das Motiv für die Kündigung nicht sachwidrig oder willkürlich gewesen.

Die dagegen von Rechtsanwalt Dr. H im Namen des Klägers eingelegte Berufung zum Landesarbeitsgericht Köln (8 Sa 84/00) wurde durch Urteil vom 09.10.2000 zurückgewiesen. In den Urteilsgründen wurde näher ausgeführt, dass die Kündigung selbst dann nicht als sittenwidrig anzusehen sei, wenn seitens der J bekannt gewesen sein sollte, dass die Mittelvergabe für 1997 bevorstand. Auch bestehe kein Wiedereinstellungsanspruch des Klägers.

Gegen dieses Urteil wurde von Rechtsanwalt Dr. H im Namen des Klägers Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht (2 AZN 20/01) eingelegt, die durch Beschluss vom 21.02.2001 zurückgewiesen wurde. Das Landesarbeitsgericht habe bei seiner Rechtsanwendung nicht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts missachtet. Eine etwaige unzutreffende Rechtsanwendung des Landesarbeitsgerichts könne nur auf eine zugelassene Revision hin überprüft werden.

Im Jahre 2005 erfuhr der Kläger in einer Fernsehsendung von den Grundzügen der Anwaltshaftung.

Er wandte sich am 11.11.2005 an den in T ansässigen Rechtsanwalt F, wobei der nähere Inhalt des erteilten Mandats streitig ist. Nach Darstellung des Klägers sollte Rechtsanwalt F die Bearbeitung des arbeitsrechtlichen Mandats durch Rechtsanwalt Dr. H umfassend überprüfen und zu etwaigen Regressansprüchen Stellung nehmen. Dazu legte der Kläger gegenüber Rechtsanwalt F am 25.11.2005 noch schriftlich dar, weshalb er einen Anwaltsfehler von Rechtsanwalt Dr. H vermute.

Am 27.01.2006 teilte Rechtsanwalt F dem Kläger telefonisch mit, dass eine Regressklage keinen Erfolg verspreche. Ergänzend führte Rechtsanwalt F in einem an den Kläger gerichteten Schreiben vom 03.02.2006 noch Folgendes aus:

… in unserem Gespräch vom 27.01.2006 habe ich Ihnen dargelegt, dass Herr Dr. H Ihr Mandat fehlerfrei geführt hat, auch wenn der Hinweis unterblieben ist, dass Sie sich ohne anwaltliche Hilfe an das Bundesverfassungsgericht hätten wenden können.

Innerhalb eines Schadensersatzprozesses müssten wir darlegen, weshalb die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand gehabt hätte. Unter dem gegenwärtigen Prozessrecht eine nicht lösbare Aufgabe. Damit fehlt für den Schadensersatzprozess ein wesentliches Merkmal: der Schaden.

Der Kläger wandte sich anschließend noch u.a. an die Rechtsanwälte Dr. L und Dr. I, um die Mandatsbearbeitung von Dr. H auf Regressmöglichkeiten prüfen zu lassen. Diese Anwälte teilten dem Kläger ebenfalls mit, dass die Voraussetzungen eines Regressanspruchs ihrer Einschätzung nach nicht vorlägen.

Gleichwohl fasste der Kläger im Spätherbst 2007 den Entschluss, eine Anwaltshaftungsklage gegen die Rechtsanwaltssozietät S & Partner, in der Rechtsanwalt Dr. H zwischenzeitig tätig war, vor dem Landgericht Bonn (15 O 541/07) einreichen zu lassen. In dem Kammertermin wurde der Kläger allerdings darauf hingewiesen, dass etwaige Regressansprüche verjährt seien. Der Kläger nahm daraufhin die Klage zurück.

Der Kläger beauftragte nunmehr die Rechtsanwälte T aus K mit der Wahrnehmung seiner Interessen. Diese machten am 30.12.2009 in seinem Namen vor dem Landgericht Wuppertal (3 O 466/09) eine Klage gegen Rechtsanwalt F anhängig, mit der wegen des vermeintlich unzutreffenden Rechtsrats über die nicht gegebenen Regressmöglichkeiten ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 11.039,00 EUR und daneben ein auf die weitergehende Ersatzpflicht bezogenes Feststellungsbegehren verfolgt wurde.

Im Verlaufe des vor dem Landgericht Wuppertal anhängigen Rechtsstreits beauftragte der Kläger nunmehr die jetzige Beklagte zu 1 – eine in M niedergelassene Anwaltssozietät – mit der weiteren Prozessführung. Dies teilte der Beklagte zu 2 als Sachbearbeiter dem Landgericht Wuppertal am 08.02.2010 mit.

Der Beklagte zu 2 verfasste einen zur Akte des Landgerichts gereichten Schriftsatz vom 23.06.2010 und vertrat den Kläger im Kammertermin vom 07.07.2010.

Durch Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 28.07.2015 wurde die Regressklage gegen Rechtsanwalt F abgewiesen. Die dagegen von den Beklagten eingelegte Berufung zum Oberlandesgericht Düsseldorf (24 U 147/10) wurde durch Beschluss vom 04.04.2011 gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.

Eine dagegen von den Rechtsanwälten U im Namen des Klägers verfasste Anhörungsrüge wurde durch weiteren Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26.05.2011 zurückgewiesen. Eine gegen die Entscheidungen des Landgerichts Wuppertal und des Oberlandesgerichts Düsseldorf eingelegte Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht wurde nicht zur Entscheidung angenommen. Eine vom Kläger persönlich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gerichtete Beschwerde wurde für unzulässig erklärt.

Am 10.10.2014 ließ der Kläger nunmehr die Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz auffordern, weil sie den Prozess vor dem Landgericht Wuppertal / Oberlandesgericht Düsseldorf fehlerhaft geführt hätten.

Am 31.10.2014 wiesen die Beklagten etwaige Regressansprüche zurück.

Am 03.01.2015 ließ der Kläger gegen die Beklagten zu 2 und 3 Mahnanträge bei dem Amtsgericht Hagen einreichen, die einen Anspruch auf „Schadensersatz aus Dienstleistungsvertrag gem. Schreiben vom 10.10.2014 – Teilforderung 410.000,00 EUR“ zum Gegenstand hatten. Die Mahnbescheide wurden am 13.01.2015 erlassen und den Beklagten zu 2 und 3 am 15.01.2015 zugestellt.

In der Anspruchsbegründung vom 08.08.2015 hat der Kläger näher ausgeführt, weshalb er die für ihn nachteiligen Entscheidungen der Arbeitsgerichte für unzutreffend erachtet und weshalb dies auf einer unzulänglichen Prozessführung von Rechtsanwalt Dr. H beruhen soll. Dieses fehlerhafte Vorgehen hätte Rechtsanwalt F nach Einschätzung des Klägers erkennen und noch vor Verjährungseintritt zur Erhebung der Regressklage raten müssen.

Den Beklagten sei wiederum anzulasten, ihn vor dem Landgericht Wuppertal bzw. Oberlandesgericht Düsseldorf mangelhaft beraten und vertreten zu haben. Sie hätten u.a. zu den im Vorprozess nicht thematisierten Voraussetzungen eines Wiedereinstellungsanspruchs nach § 826 BGB vortragen müssen. Im Übrigen seien seine Ansprüche auf effektiven Rechtsschutz und rechtliches Gehör verletzt worden. Wäre seitens der Beklagten ergänzend vorgetragen worden, dann hätte die Regressklage gegen Rechtsanwalt F Erfolg gehabt.

Der von den Beklagten aufgrund ihrer fehlerhaften Prozessführung zu ersetzende Schaden beziehe sich auf folgende Positionen:

 entgangene J-Bezüge ab 1998 bis 2015                                          360.585,53 EUR

 entgangene Sonderzahlung                                                         10.226,00 EUR

Außerdem habe die Kündigung des Arbeitsverhältnisses bei der J zur Folge gehabt, dass er die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung bei der E nicht wahrgenommen habe. Damit seien weitere Nachteile verbunden:

 entgangene E-Bezüge ab April 2002 bis 2015                            274.735,02 EUR

 entgangene Rentenansprüche                                            78.000,00 EUR

 Rechtsverfolgungskosten                                                          18.000,00 EUR

                                                                                    741.546,55 EUR

Davon seien abzuziehen:

 anderweitig erzielte Einkünfte                                                          89.327,00 EUR

                                                                                      22.305,00 EUR

 ersparte Aufwendungen                                                        219.914,55 EUR

Somit belaufe sich der Regressschaden auf                            410.000,00 EUR

Der Kläger hat beantragt,

1.              die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 410.000,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.01.2015 zu zahlen

2.              festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm allen weiteren Schaden zu ersetzen, der ihm aufgrund anwaltlicher Beratung durch die Beklagten aus dem Mandatsverhältnis vom 27.01.2010 in Sachen L2 ./. Rechtsanwalt F entstanden ist und künftig noch entstehen wird.

Die Beklagten haben beantragt,

              die Klage abzuweisen.

Sie haben die Auffassung vertreten, dass die Arbeitsgerichte zutreffende Entscheidungen getroffen hätten. Rechtsanwalt Dr. H habe den Sachverhalt fehlerfrei aufgearbeitet und zutreffend vorgetragen. Ein Wiedereinstellungsanspruch nach § 826 BGB sei in der Rechtsprechung nicht anerkannt. Auch die Ausführungen von Rechtsanwalt Dr. H  zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde seien zutreffend gewesen. Eine Verfassungsbeschwerde hätte keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Rechtsanwalt Dr. H sei damit ebenso wenig eine Pflichtverletzung anzulasten wie Rechtsanwalt F bei der Beurteilung der Regresschancen. Die Beklagten haben zudem die behauptete Schadenshöhe bestritten und die Verjährungseinrede erhoben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens wird auf den Inhalt des landgerichtlichen Urteils vom 04.11.2015 verwiesen. Das Landgericht hat darin die Regressklage abgewiesen und dies wie folgt begründet:

Ein Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagten aus §§ 280 Abs. 1, 611, 675 Abs. 1 BGB scheitere daran, dass der im arbeitsgerichtlichen Verfahren tätige Rechtsanwalt Dr. H das Verfahren fehlerfrei geführt habe. Insbesondere habe keine Sittenwidrigkeit der am 27.10.1997 erklärten Kündigung dargelegt werden können. Durch die nachträgliche Bewilligung der Fördergelder sei die Kündigung nicht sittenwidrig geworden. Im Übrigen habe die J die nicht zu beanstandende unternehmerische Entscheidung getroffen, den vorherigen Arbeitsplatz des Klägers wegfallen zu lassen bzw. dessen Arbeit durch andere Mitarbeiter wahrnehmen zu lassen. Diese Entscheidung könne nicht als mutwillig angesehen werden. In den vorausgegangenen Jahren seien die Fördergelder bereits zu einem viel früheren Zeitpunkt gewährt worden; dieser Zeitpunkt sei in 1997 verstrichen gewesen, so dass die J davon habe ausgehen müssen, dass es nicht zu einer Mittelgewährung kommen werde. Vor diesem Hintergrund habe auch kein Wiedereinstellungsanspruch aus § 826 BGB bestanden. Eine Verfassungsbeschwerde hätte ebenfalls keine Erfolgsaussicht gehabt.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seinen Regressanspruch weiterverfolgt und dies - zusammengefasst - wie folgt begründet:

Das landgerichtliche Urteil sei rechtsfehlerhaft, weil der vorgetragene Sachverhalt nur unzureichend ausgeschöpft und keine Beweise erhoben worden seien.

Das an Rechtsanwalt F erteilte Mandat habe sich nicht in der Frage erschöpft, ob seitens Dr. H zu einer Verfassungsbeschwerde hätte geraten werden müssen. Vielmehr sei Rechtsanwalt F zu einer umfassenden Prüfung verpflichtet gewesen, ob Rechtsanwalt Dr. H das Mandat ordnungsgemäß geführt habe.

Insofern sei übersehen worden, dass sehr wohl ein Wiedereinstellungsanspruch nach § 826 BGB bestanden habe. Die erforderliche vorsätzliche sittenwidrige Schädigung werde insbesondere in Fällen einer arglistigen Täuschung angenommen. Eine solche habe vorgelegen, dadurch dass die J öffentliche Mittel für 1998 beantragt habe, obwohl der Arbeitsplatz - für den die Mittel gezahlt wurden - weggefallen sei. Der Wiedereinstellungsanspruch ergebe sich zudem aus §§ 162, 242 BGB. Außerdem sei das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzt worden. Die Verweigerung der Wiedereinstellung habe zudem gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen. Entgegen der Einschätzung des Landgerichts habe auch ein Wiedereinstellungsanspruch aufgrund einer selbstbindenden Unternehmensentscheidung bestanden, zumal die J ja gegenüber dem Ministerium vorgegeben habe, der Arbeitsplatz würde weitergeführt. Insofern hätten auch Fehler von Rechtsanwalt Dr. H bei der Prozessführung vorgelegen, die zu den unrichtigen Entscheidungen der Arbeitsgerichte geführt hätten. Diese Fehler habe Rechtsanwalt F wiederum pflichtwidrig nicht gegenüber dem Kläger vorgetragen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts abzuändern und

1.              die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 410.000,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.01.2015 zu zahlen

2.              festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm allen weiteren Schaden zu ersetzen, der ihm aufgrund anwaltlicher Beratung durch die Beklagten aus dem Mandatsverhältnis vom 27.01.2010 in Sachen L2 ./. Rechtsanwalt F entstanden ist und künftig noch entstehen wird.

Die Beklagten beantragen,

              die Berufung zurückzuweisen.

Sie bestreiten, dass der Kläger seinerzeit ein umfassendes Mandat an Rechtsanwalt F erteilt habe. Aus den vorgelegten Unterlagen gehe vielmehr im Gegenteil hervor, dass Rechtsanwalt F sich nur mit der Frage befassen sollte, ob seinerzeit nach Abschluss des Arbeitsgerichtsprozesses noch eine Verfassungsbeschwerde mit Erfolg hätte eingelegt werden können. Im Übrigen sei es so gewesen, dass sie - die Beklagten - im Vorprozess durchaus umfassend zu den vom Kläger vertretenen Auffassungen vorgetragen hätten. Sie seien nicht gehalten gewesen, auch noch Ausführungen zu einem Wiedereinstellungsanspruch nach § 826 BGB zu machen, weil ein solcher Anspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht gekommen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Klägers ist unbegründet.

Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass dem Kläger weder ein Anspruch auf Zahlung von 410.000,00 EUR noch auf Feststellung der weitergehenden Einstandspflicht zusteht, denn die Voraussetzungen einer Anwaltshaftung aus §§ 280 Abs. 1, 611, 675 Abs. 1 BGB, § 128 S. 1 HGB analog liegen nicht vor.

Dabei ist im Ausgangspunkt festzuhalten, dass der Kläger die Beklagte zu 1 im Januar 2010 mit der Fortführung der am 30.12.2009 vor dem Landgericht Wuppertal anhängig gemachten Regressklage gegen Rechtsanwalt F beauftragt hat.

1. Pflichten bei der Prozessführung

Bei der Bearbeitung dieses Mandats war der federführend tätige Beklagte zu 2 verpflichtet, die Interessen des Klägers umfassend und in jeder Richtung wahrzunehmen. Ein mit der Prozessführung beauftragter Rechtsanwalt hat die zugunsten seines Mandanten sprechenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte so umfassend wie möglich darstellen, damit das Gericht sie bei seiner Entscheidung berücksichtigen kann und etwaige Fehler bei der Entscheidungsfindung vermieden werden (Vill, in: Handbuch der Anwaltshaftung, 4. Aufl. 2015, § 2 Rnr. 227). Der Anwalt muss letztlich den Versuch unternehmen, das Gericht davon zu überzeugen, dass und warum seine Rechtsauffassung richtig ist. Er muss bei der Prozessführung alles - einschließlich Rechtsausführungen - vorbringen, was die Entscheidung aus Sicht seines Mandanten günstig beeinflussen kann. Sofern die Klage auf verschiedene rechtliche Gesichtspunkte gestützt werden kann, ist der Sachvortrag so zu gestalten, dass alle in Betracht kommenden Gründe im Rahmen der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten konkret dargelegt werden (BGH NJW 2016, 957).

Vor diesem Hintergrund musste der Beklagte zu 2 überprüfen, ob mit der bereits erhobenen Klage etwaige Säumnisse des in Regress genommenen Rechtsanwalts F bei der Bearbeitung seines Mandats umfassend vorgetragen waren oder ob dazu noch ergänzend vorgetragen werden musste.

Insofern musste der Beklagte zu 2 sich zunächst darüber in Kenntnis setzen, welches Mandat der Kläger seinerzeit an Rechtsanwalt F erteilt hatte.

Sowohl das seinerzeit vom Kläger an Rechtsanwalt F gerichtete Schreiben vom 25.11.2005 als auch dessen abschließende schriftliche Stellungnahme vom 03.02.2006 befassten sich inhaltlich ausschließlich mit der Frage, ob Rechtsanwalt Dr. H gehalten gewesen wäre, dem Kläger nach Beendigung des Arbeitsgerichtsprozesses noch die Einlegung einer Verfassungsbeschwerde zu empfehlen.

Das jetzige Regressvorbringen zielt allerdings nicht darauf ab, dass Rechtsanwalt F bei der Beurteilung spezifisch verfassungsprozessualer Fragen ein Fehler unterlaufen und dementsprechend seitens der Beklagten vor dem Landgericht Wuppertal noch ergänzend dazu vorzutragen gewesen wäre. Vielmehr geht der Vorwurf des Klägers dahin, dass Rechtsanwalt F die Prozessführung von Rechtsanwalt Dr. H im Arbeitsgerichtsprozess falsch beurteilt habe und dass wiederum die Beklagten ergänzend dazu hätten vortragen müssen, wie dieser Arbeitsgerichtsprozess doch noch zum Erfolg hätte geführt werden können.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob Rechtsanwalt F seinerzeit überhaupt mandatiert war, die ordnungsgemäße Führung des Arbeitsgerichtsprozesses zu überprüfen. Die Beklagten bestreiten das und tragen vor, Rechtsanwalt F habe sich allein mit den Erfolgsaussichten einer Verfassungsbeschwerde befassen sollen.

Allerdings hatte Rechtsanwalt F sich vor dem Landgericht Wuppertal selbst nicht darauf berufen, das ihm erteilte Mandat sei beschränkt gewesen. Vor diesem Hintergrund musste der Beklagte zu 2 – um dem Gebot der umfassenden Rechtswahrnehmung gerecht zu werden – möglichst weitreichend dazu vortragen, welche Regressmöglichkeiten gegenüber Rechtsanwalt Dr. H bestanden haben sollten, die Rechtsanwalt F – vermeintlich – übersehen hatte.

Es ist allerdings nicht die Aufgabe des Regressgerichts, den nach Darstellung des Klägers unzulänglichen Vortrag des Beklagten zu 2 im Vorprozess praktisch von Amts wegen zu ergänzen. Denn sofern ein Kläger seinem vormaligen Rechtsanwalt das Unterlassen an sich gebotener Maßnahmen vorwirft, muss der Kläger diese Maßnahmen konkret vortragen. Dieser Vortrag macht dann den Gegenstand der Klage aus, an den das Regressgericht wegen des Beibringungsgrundsatzes gebunden ist (BGH WM 2016, 2091 - juris-Tz. 19).

Deshalb ist der Kläger gehalten, den vermeintlich im Vorprozess fehlenden Vortrag nachzuholen und darauf aufbauend im Einzelnen auszuführen, wie ein hypothetisch von Rechtsanwalt F zu empfehlender Regressprozess gegen Rechtsanwalt Dr. H erfolgreich zu führen gewesen wäre.

a) unterlassener Vortrag zu § 826 BGB

Der Kläger stellt in erster Linie darauf ab, dass ihm seinerzeit ein Wieder-einstellungsanspruch aus § 826 BGB gegen die J zugestanden habe. Diese Anspruchsgrundlage sei von Rechtsanwalt Dr. H im Arbeitsgerichtsprozess nicht vorgetragen worden. Dieses Versäumnis habe wiederum Rechtsanwalt F übersehen. Und der Beklagte zu 2  habe es ebenfalls pflichtwidrig an einem entsprechenden Prozessvortrag gegenüber dem Landgericht Wuppertal bzw. dem Oberlandesgericht Düsseldorf fehlen lassen.

Insoweit ist im Ausgangspunkt zutreffend, dass weder die Beklagten noch Rechtsanwalt F oder Rechtsanwalt Dr. H die Regelung in § 826 BGB als Grundlage für einen Wiedereinstellungsanspruch benannt hatten.

Die unterbliebene Benennung dieser Anspruchsgrundlage bedeutet aber keine anwaltliche Pflichtverletzung:

Zwar hatte das Bundesarbeitsgericht in einem Urteil vom 26.02.1987 obiter dictum angemerkt, dass § 826 BGB bei Vorliegen der Voraussetzungen die Rechtsgrundlage für einen Wiedereinstellungsanspruch sein könne (BAG NZA 1987, 419 – juris-Tz. 39). Auch die juristische Literatur beschäftigte sich mit einem aus § 826 BGB herzuleitenden Wiedereinstellungsanspruch (vgl. Oechsler, in: Staudinger BGB, Neubearb. 2014, § 826 Rnr. 121 m.w.N. aus dem älteren Schrifttum).

Die damalige Kündigung des Klägers musste aber aus anwaltlicher Sicht keinen Anlass bieten, die Regelung des § 826 BGB zusätzlich anzuführen, um die vom Kläger gewünschte Rechtsfolge zu begründen.

Auch wenn ein Rechtsanwalt – wie eingangs dargestellt – zu einem umfassenden Prozessvortrag gehalten ist, bedeutet das umgekehrt keine Rechtspflicht zur Weitschweifigkeit. Der Rechtsanwalt soll seinen Prozessvortrag vielmehr darauf ausrichten, „das Rechtsdickicht zu lichten“ (BGH NJW 2016, 957 – juris-Tz. 8; Vill a.a.O. § 2 Rnr. 54) und dem Gericht dadurch eine zutreffende rechtliche Würdigung des zur Entscheidung anstehenden Sachverhalts ermöglichen.

Vor diesem Hintergrund bestand weder für Rechtsanwalt F noch für den Beklagten zu 2 ein Anlass, Rechtsanwalt Dr. H eine unterlassene Erwähnung des § 826 BGB als Pflichtwidrigkeit vorzuwerfen.

Vielmehr hatte Rechtsanwalt Dr. H die Behauptung des Klägers, der in der Kündigung vom 27.10.1997 angeführte Kündigungsgrund „unterbliebene Mittelgewährung“ sei von der J nur vorgeschoben worden, im Arbeitsgerichtsprozess vorgetragen und unter den Gesichtspunkten „Sittenwidrigkeit“ und „Täuschung“ gründlich beleuchtet.

So hatte Rechtsanwalt Dr. H bereits in der beim Arbeitsgericht Bonn eingereichten Klageschrift vom 23.07.1999 dezidiert dazu vorgetragen, dass die Angaben der J, es würden keine Mittel bewilligt, bereits im Zeitpunkt der Kündigungserklärung falsch gewesen sei. Den Verantwortlichen der J wurde eine bewusste Täuschung einerseits des Bundeswirtschaftsministeriums und andererseits des Klägers vorgeworfen. Dieses Vorgehen sei als sittenwidrig zu bewerten; deshalb sei die Kündigung gem. § 138 BGB unwirksam. Jedenfalls bestehe nach Treu und Glauben bzw. unter dem Gesichtspunkt der nachwirkenden Fürsorgepflicht ein Wiedereinstellungsanspruch. Dieser Vortrag war von Rechtsanwalt Dr. H noch einmal in seiner beim Landesarbeitsgericht Köln eingereichten 61seitigen Berufungsbegründung wiederholt und weiter vertieft worden.

Rechtsanwalt Dr. H hatte sich mit seinem Vortrag an der damaligen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts orientiert, dass etwaige Benachteiligungen des Arbeitnehmers in den Fällen, in denen der angeführte Kündigungsgrund sich im Nachhinein als nicht gegeben herausstellt, unter den Gesichtspunkten „Unwirksamkeit der Kündigung aufgrund von Sittenwidrigkeit“ bzw. „Wiedereinstellungsanspruch nach Treu und Glauben (§ 242 BGB)“ zu überprüfen seien (BAG, Urt. 2 AZR 464/72 v. 19.07.1973; BAG, Urt. 2 AZR 726/93 v. 28.04.1994; BAG NZA 1997, 757; BAG NZA 1998, 254; BAG NZA 1998, 701).

Aus damaliger anwaltlicher Sicht war keine Fallgestaltung denkbar, in der sich ein Wiedereinstellungsanspruch des Klägers allein aus § 826 BGB hätte ergeben können, ohne dass sich die vom Kläger gewünschte Rechtsfolge nicht zugleich aus den von Rechtsanwalt Dr. H angeführten und ausführlich abgehandelten Regelungen der §§ 138, 242 BGB ergeben hätte.

Selbst wenn man aber Rechtsanwalt Dr. H für verpflichtet halten wollte, auch noch die Regelung des § 826 BGB anzuführen, und dementsprechend davon ausginge, dass Rechtsanwalt F eine Regressmöglichkeit übersehen und der Beklagte zu 2 dies im Vorprozess pflichtwidrig nicht vorgetragen habe, hätten die Anspruchsvoraussetzungen des § 826 BGB bei der gebotenen normativen Betrachtung ohnehin in keinem der Vorprozesse bejaht werden können, denn es fehlte an einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung.

Die Kündigung des Klägers wäre selbst dann nicht als sittenwidrig zu bewerten gewesen, wenn im Kündigungszeitpunkt die bevorstehende Mittelbewilligung positiv bekannt gewesen wäre. Das Arbeitsgericht Bonn und das Landesarbeitsgericht Köln haben dazu in ihren Urteilen vom 17.11.1999 bzw. vom 09.10.2000 zutreffend ausgeführt, dass das Motiv einer unternehmerischen Entscheidung allenfalls dann von gerichtlicher Seite beanstandet werden kann, wenn sich dieses Motiv als sachwidrig und willkürlich darstellt. Davon konnte aber nicht ausgegangen werden, weil nach der unstreitigen Prozesslage die Fördermittel für die Dokumentationsstelle im Vergleich zu den Vorjahren sehr spät bewilligt worden waren. Die J musste deshalb mit dem Risiko leben, den Kläger weiter zu beschäftigen, ohne dass künftig Fördermittel zur Verfügung standen. Vor diesem Hintergrund diente ihre Entscheidung, die Dokumentationsstelle aufzulösen bzw. den Arbeitsanfall auf andere Arbeitnehmer umzuverteilen, lediglich der Minimierung ihres finanziellen Risikos.

Zum anderen lässt sich nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststellen, dass in einem der Vorprozesse eine vorsätzliche Schädigung des Klägers angenommen worden wäre. Dabei ist für die hypothetische Entscheidungsfindung davon auszugehen, dass die jetzigen Regressparteien die Rollen der vormaligen Prozessparteien einnehmen. Die Beklagten bestreiten aber, dass der J im Kündigungszeitpunkt die Mittelbewilligung bekannt gewesen sei; ergänzend wird von ihnen der damalige Geschäftsführer der J als Zeuge für dessen Unkenntnis benannt. Auf eine solche Beweiserhebung kommt es aber nicht an, denn der für eine vorsätzliche Schädigung beweisbelastete Kläger behauptet im jetzigen Prozess selbst nicht, dass den Entscheidungsträgern der J die Mittelbewilligung bereits am 27.10.1997 positiv bekannt gewesen sei.

Unabhängig davon ergibt sich aus dem Vortrag des Klägers aus zweierlei Gründen nicht die Rechtsfolge seiner Wiedereinstellung:

Ein etwaiger Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB hätte vielmehr zur Folge, dass der Schädiger den Geschädigten auf der Grundlage der Differenzhypothese des § 249 BGB so stellen muss, als ob es das schädigende Ereignis nicht gegeben hätte. Der Standpunkt des Klägers ist aber der, dass die Verantwortlichen der J bei ihrem nach der Kündigung für das Jahr 1998 gestellten Fördermittelantrag gegenüber dem Bundeswirtschaftsministeriums die Kontinuität des Arbeitsplatzes des Klägers suggeriert hätten, während in Wahrheit dieser Arbeitsplatz weggefallen sei. Sieht man diese vom Kläger so bezeichnete „Kontinuitätssuggestion“ als schädigendes Ereignis an, so hätte allenfalls das Bundeswirtschaftsministerium die Rückzahlung der Fördermittel verlangen können. Wenn aber die J die Fördermittel für die Dokumentationsstelle zurückzuzahlen gehabt hätte, hätten keine finanziellen Mittel mehr vorgelegen, um den Kläger weiterzubeschäftigen.

Abgesehen davon besteht ein aus § 826 BGB herzuleitender Wieder-einstellungsanspruch - ebenso wie der aus § 242 BGB - dann nicht mehr, wenn der Arbeitgeber bereits eine anderweitige Disposition getroffen hat und ihm die unveränderte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zuzumuten ist (so das Landesarbeitsgericht Köln in seinem Urteil vom 09.10.2000 auf S. 11 unter Hinweis auf BAG, Urt. 2 AZR 160/96 v. 27.02.1997 = NJW 1997, 2257).

Im Zeitpunkt der Übernahme des Mandats durch Rechtsanwalt Dr. H hatte die J aber nach eigener Darstellung des Klägers eine solche Disposition in dem Sinne getroffen, dass sie seinen bisherigen Arbeitsplatz hatte wegfallen lassen.

b) unterlassener Vortrag zu §§ 242, 162 BGB

Soweit der Kläger den Beklagten anlastet, sie hätten im Vorprozess nicht bzw. nicht ausführlich genug zu einem Wiedereinstellungsanspruch aus §§ 162, 242 BGB – d.h. aus dem Gesichtspunkt der Bedingungsvereitelung – vorgetragen, ist dieser Vorwurf bereits in tatsächlicher Hinsicht unzutreffend.

Der Rechtsgedanke des § 162 BGB wurde vom Beklagten zu 2 im Schriftsatz vom 23.06.2010 auf S. 2 erwähnt. Ferner wurde dort das nunmehr vom Kläger für bedeutsam erachtete Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 27.02.1997 – 2 AZR 160/96 – als Argumentationsstütze angeführt. Auch in der Berufungsbegründung vom 30.11.2010 waren auf S. 10 Ausführungen zu § 162 BGB gemacht worden.

Damit waren das Landgericht Wuppertal und das Oberlandesgericht Düsseldorf aus anwaltlicher Sicht über die für bedeutsam erachtete Regelung zur Bedingungsvereitelung hinreichend in Kenntnis gesetzt worden.

Aber selbst wenn man zugunsten des Klägers annehmen wollte, dass die Beklagten im Vorprozess noch weiteren Vortrag dazu hätten halten müssen, dass die J den Kläger nach dem von ihr gestellten Förderantrag vom 30.12.1997 gem. § 162 BGB so hätte stellen müssen, als sei die Kündigung zurückgenommen worden, hätte dieser Vortrag bei normativ zutreffender Würdigung nicht für durchgreifend erachtet werden können.

Nach dem vom Kläger angeführten Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 27.02.1997 – 2 AZR 160/96 – verhielt es sich vielmehr so, dass später eintretende Veränderungen bezüglich der Kündigungsgründe die Wirksamkeit einer Kündigung prinzipiell nicht hinderten. Der Arbeitgeber verhalte sich – so das Bundesarbeitsgericht – allenfalls dann rechtsmissbräuchlich, wenn er bei Wegfall des betriebsbedingten Kündigungsgrundes an der Kündigung zwar festhalte, aber den veränderten Umständen nicht Rechnung trage und insbesondere keine Dispositionen treffe, die einem überwiegenden Interesse des Arbeitnehmers an der Fortführung des Arbeitsverhältnisses entgegen stehen.

Dieser Gesichtspunkt galt gleichermaßen für den in § 162 BGB geregelten Sonderfall des venire contra factum proprium. Danach wäre die unterbliebene Fortbeschäftigung des Klägers allenfalls dann als rechtsmissbräuchlich anzusehen gewesen, wenn die J den Kläger zunächst wegen Fortfalls der Fördermittel gekündigt und die nachfolgende Auszahlung der Fördermittel dann doch zum Anlass genommen hätte, die Dokumentationsstelle (bzw. den dortigen Arbeitsplatz des Klägers) ohne den Kläger unverändert fortbestehen zu lassen.

Der eigene Vortrag des Klägers geht aber dahin, dass die Dokumentationsstelle nicht unverändert fortbestanden habe. Dementsprechend hat auch das Landesarbeitsgericht in seinem Urteil zutreffend festgestellt, dass die vorherige Arbeitsstelle des Klägers weggefallen sei. Die J hatte also eine Disposition getroffen, die der Weiterbeschäftigung des Klägers bzw. seiner Wiedereinstellung entgegenstand.

c) unterlassener weiterer Prozessvortrag

Der Kläger stützt seinen Regressvorwurf gegenüber den Beklagten ergänzend u.a. darauf, es sei im Vorprozess eine breitere Darstellung dahingehend versäumt worden, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein Arbeitsplatzverlust nicht ohne Grund erfolgen dürfe. Es sei auch nicht dargestellt worden, dass es vor Ablauf der Kündigungsfrist kein dringendes betriebliches Erfordernis mehr für eine Kündigung bzw. Entlassung gegeben habe. Auch grundrechtsgestützte Argumente zur Herleitung des Wiedereinstellungsanspruchs seien nicht vorgetragen worden. Die Beklagten hätten außerdem versäumt, den Wiedereinstellungsanspruch mit einer selbstbindenden Unternehmerentscheidung zu begründen.

Diese Regressvorwürfe sind teilweise ebenfalls in tatsächlicher Hinsicht nicht nachzuvollziehen. Denn vom Beklagten zu 2 war in der Berufungsbegründung vom 30.11.2010 sehr wohl ausgeführt worden, dass der Arbeitgeber ein dringendes betriebliches Erfordernis darzulegen habe. Weiter hieß es dort, dass der Kläger seinen Arbeitsplatz ohne billigenswerten Grund verloren habe und dass damit das Grundrecht aus Art. 12 GG betroffen gewesen sei.

Ungeachtet dessen hätte aber auch der nunmehr vom Kläger für nötig erachtete weitere Prozessvortrag der Regressklage gegen Rechtsanwalt F nicht zum Erfolg verholfen.

Rechtsanwalt F musste vielmehr bei der Überprüfung der Tätigkeit von Rechtsanwalt Dr. H davon ausgehen, dass die juristischen Möglichkeiten, der Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu begegnen, nach Ablauf der Frist für die Kündigungsschutzklage begrenzt waren. Eine Weiterbeschäftigung bzw. Wiedereinstellung des Klägers kam unter jeglichen rechtlichen Ansätzen allenfalls dann in Betracht, wenn sich die J gegenüber dem Kläger treuwidrig verhalten hätte. Eine Treuwidrigkeit lag aber letztlich nicht vor, weil die J nach der zutreffenden rechtlichen Einschätzung der Arbeitsgerichte eine billigenswerte Entscheidung getroffen hatte, der Unsicherheit der Fördermittelbewilligung Rechnung zu tragen und die Arbeitsstelle des Klägers einzusparen.

d) weitere von den Beklagten geschuldete Prozessmaßnahmen

Der Kläger hält den Beklagten schließlich vor, sie hätten – abgesehen von der notwendigen Ergänzung ihres Vortrags -  auch noch durch andere Maßnahmen Einfluss darauf nehmen müssen, dass im Vorprozess keine für ihn nachteilige Entscheidung getroffen wurde.

Der Kläger führt dafür u.a. an, dass gegenüber dem Oberlandesgericht Düsseldorf die Revisionszulassungsgründe „Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung“ und „grundsätzliche Bedeutung“ hätten betont werden müssen. Im Übrigen hätte vorgetragen werden müssen, dass das Vorgehen des Oberlandesgerichts Düsseldorf den Anspruch auf effektiven Rechtsschutz sowie den Anspruch auf rechtliches Gehör verletze. Es habe eine Verlängerung der Stellungnahmefrist zur beabsichtigten Zurückweisung nach § 522 Abs. 2 BGB beantragt und die Hinzuziehung eines bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalts angeregt werden müssen.

Diese nach Auffassung des Klägers zusätzlich gebotenen Maßnahmen hätten aber für sich betrachtet keinen Einfluss auf die Sachentscheidungen des Landgerichts Wuppertal bzw. des Oberlandesgerichts Düsseldorf gehabt. Zu einer anderen, für ihn positiven Entscheidung wäre es nur gekommen, wenn - so meint der Kläger - die unter a) bis c)

dargestellten Argumente vorgetragen worden wären. Das ist aber aus den oben dargestellten Gründen nicht richtig.

2. Verjährung des Regressanspruchs

Selbst wenn man entgegen den vorstehenden Ausführungen davon ausgehen wollte, dass Rechtsanwalt F doch Ansätze für eine Haftung von Rechtsanwalt Dr. H hätte aufzeigen und dem Kläger insoweit ein rechtliches Vorgehen gegen ihn hätte anraten müssen, war zu bedenken, dass Rechtsanwalt Dr. H sich in dem Rechtsstreit vor dem Landgericht Bonn auf die Verjährung eines etwaigen Regressanspruchs berufen hatte. Diese Verjährungseinrede wäre auch zu berücksichtigen gewesen, wenn der hypothetischen Frage nachzugehen gewesen wäre, ob Rechtsanwalt F einer Regressklage gegen Rechtsanwalt Dr. H mit anderen Argumentationsansätzen zum Erfolg hätte verhelfen können.

Nach der seinerzeit einschlägigen Regelung in § 51b BRAO a.F. verjährten etwaige Regressansprüche gegen einen Anwalt drei Jahre von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch entstanden ist, spätestens jedoch drei Jahre nach der Beendigung des Auftrags. Im Streitfall war danach auf der Grundlage des Klägervortrags naheliegender Ansatzpunkt für die Annahme des Verjährungsbeginns der Ablauf der Frist zur Einlegung einer Verfassungsbeschwerde in dem von Rechtsanwalt Dr. H geführten arbeitsgerichtlichen Verfahren am 15.04.2001 und die damit -so jedenfalls die Einschätzung des Klägers- verlorene Möglichkeit einer Aufhebung der dort zu seinem Nachteil ergangenen Entscheidungen. (Zeitnah) beendet war das Rechtsanwalt Dr. H bzw. dessen Sozietät erteilte Mandat zur Prozessführung gegen die J dadurch, dass Rechtsanwalt Dr. H mit dem Kläger am 12.04.2001 ein abschließendes Gespräch über den Nichtannahmebeschluss des Bundesarbeitsgerichts geführt und ihm im Nachgang unter dem 17.04.2001 ein Gesprächsprotokoll übersandt hatte. Damit war ein etwaiger Regressanspruch gegen Rechtsanwalt Dr. H drei Jahre später - im Frühjahr 2004 -verjährt. Der Kläger hat Rechtsanwalt F aber erst im Jahre 2005 mandatiert. Zu diesem Zeitpunkt war ein Vorgehen gegen Rechtsanwalt Dr. H schon wegen des Verjährungseintritts aussichtslos.

Das Landgericht Bonn hat zwar in dem gegen Rechtsanwalt Dr. H geführten Rechtsstreit am 17.06.2008 darauf hingewiesen, dass an den Zeitpunkt Frühjahr 2004 möglicherweise unter dem Gesichtspunkt der Sekundärhaftung noch eine weitere 3-Jahres-Frist anzuschließen sei, so dass die Verjährung eines Regressanspruchs spätestens im Frühjahr 2007 eingetreten sei. Dieser Hinweis verstand sich aber nur vorsorglich. Tatsächlich war eine eventuelle Verpflichtung von Rechtsanwalt Dr. H, den Kläger auf eventuelle mit der Führung des Arbeitsgerichtsprozesses zusammenhängenden Anwaltsfehler hinzuweisen, bereits mit der Mandatsbeendigung im Frühjahr 2001 erloschen. Deshalb waren auch etwaige mit der unterlassenen Hinweiserteilung zusammenhängenden Ansprüche aus einer Sekundärhaftung Dr. H gem. § 51b BRAO a.F. drei Jahre später – also im Frühjahr 2004 - verjährt. Auf diesen Umstand ist der Kläger im Übrigen bereits mit Schriftsatz der vormals beauftragten Rechtsanwälte T vom 21.12.2009 hingewiesen worden.

III.

Der Senat hat die im nicht nachgelassenen Schriftsatz des Klägers vom 24.11.2016 enthaltenen weiteren Ausführungen zur Kenntnis genommen, aber nicht für durchgreifend erachtet.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1 ZPO. Über die vorläufige Vollstreckbarkeit wurde gem. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO befunden.

IV.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO).

 

Berichtigungsbeschluss vom 07.02.2017:

Auf den Antrag des Klägers wird das Senatsurteil vom 13.12.2016 wie folgt berichtigt:

Auf S. 4 muss es im zweiten Absatz statt „Hilfsweise beantragt er“ heißen „beantragte“.

Auf S. 6 muss es im vierten Absatz statt „Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 28.07.2015“ heißen „vom 28.07.2010“.

Auf S. 17 muss es im fünften Absatz statt „Fördermittelantrag vom 30.12.1997“ heißen „vom 10.12.1997“

Im Übrigen wird der Berichtigungsantrag des Klägers vom 04.01.2017 auf Berichtigung des Senatsurteils vom 13.12.2016 zurückgewiesen.

Gründe: Soweit der Kläger zu 2.), 3.) und 4.) im oben tenorierten Umfang eine Urteilsberichtigung beantragt, hat dies Erfolg. Bei dem einen fehlenden Buchstaben und den zwei unzutreffenden Ziffern handelt sich um offenbare (allerdings auch belanglose) Schreibfehler, deren Unrichtigkeit sich bereits aus dem jeweiligen Kontext ergibt. Der weitergehende Berichtigungsantrag hat hingegen keinen Erfolg. Es liegen keine Unrichtigkeiten i.S.d. §§ 319, 320 ZPO vor, sondern die beanstandeten Textpassagen geben das Verständnis des Senat vom Inhalt der jetzigen Prozessakte bzw. von den Akten der Vorprozesse wieder. Auch insofern dürfte den beanstandeten Punkten allerdings keine entscheidungserhebliche Bedeutung zukommen.

Meta

28 U 202/15

13.12.2016

Oberlandesgericht Hamm 28. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: U

Zitier­vorschlag: Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 13.12.2016, Az. 28 U 202/15 (REWIS RS 2016, 869)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 869

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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