Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.04.2017, Az. 5 AZR 740/16 (F)

5. Senat | REWIS RS 2017, 11900

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Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird - unter Zurückweisung der Revision im Übrigen - das Urteil des [X.] vom 6. November 2012 - 7 Sa 251/12 - in seinen Nummern 27 und 28 aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Wesentlichen darüber, ob die Vergütung des [X.] durch [X.] Gesetze gekürzt worden ist.

2

Die beklagte [X.] betreibt in N eine nach [X.] Schulrecht als Ersatzschule genehmigte private Grund- und [X.]. An dieser ist der Kläger als Lehrer beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist zuletzt der [X.] vom 12. September 1983, in dem es auszugsweise heißt:

        

„§ 1   

        

…       

        

Das Arbeitsverhältnis lehnt sich an den [X.]vertrag ([X.]) vom 23.02.1961 an.

        

…       

        

§ 3     

        

…       

        

Die volle Vergütung steht der Lehrkraft bei Erteilung von 28 [X.] (Unterrichtsstunden) zu.

        

Einstufung hiernach in Gruppe III [X.], (31. LASt.)

        

das ergibt derzeit

        

Hinsichtlich des Anspruchs auf Zahlung einer Weihnachtsgratifikation gelten die entsprechenden Bestimmungen des [X.] in der jeweils gültigen Form, sei es dem Grunde wie der Höhe nach.“

3

Am 8. April 2008 schlossen die Parteien eine „[X.]“, die lautet:

        

„Die Parteien hatten im Arbeitsvertrag vom 12.09.1978 vereinbart, dass sich ihr Arbeitsverhältnis an den [X.] ([X.]) anlehnen soll.

        

Angesichts der Novellierung des [X.] für den öffentlichen Dienst vereinbaren die Parteien hiermit deklaratorisch, dass sich ihr Arbeitsverhältnis ab dem 01.11.2006 an den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) anlehnen soll.“

4

Die monatliche Vergütung des [X.] betrug ab März 2010 4.050,83 Euro brutto. Abrechnungen des gezahlten Arbeitsentgelts nach § 108 [X.] erteilte ihm die Beklagte nicht.

5

Die [X.] erließ aufgrund der mit der [X.] ([X.]), der [X.] ([X.]) und dem Internationalen Währungsfond ([X.]) getroffenen Vereinbarungen [X.]. das Gesetz Nr. 3833/2010 über dringende Maßnahmen zur Bewältigung der Krise der Staatsfinanzen, das in den hier wiedergegebenen Teilen zum 1. Jan[X.]r 2010 in [X.] gesetzt wurde ([X.] der [X.] Teil I Blatt Nr. 40 vom 15. März 2010). Nach der dem Berufungsgericht vorgelegten Übersetzung des [X.] enthält es [X.]. folgende Regelungen:

        

„Artikel 1

        

Kürzung der Bezüge im weiteren öffentlichen Sektor

        

…       

        

§ 2     

        

Die Zulagen jeder Art, die Entschädigungen und Entgelte im allgemeinen, sowie alles mit jeder anderen Bezeichnung Bestimmte und alles in welcher auch immer allgemeinen oder besonderen Bestimmung Vorgesehene für die Amtsträger und Angestellten der öffentlichen Hand, der juristischen Personen des öffentlichen Rechts und der kommunalen Gebietskörperschaften, der ständigen Mitglieder der Streitkräfte und der [X.]n Polizei sowie auch der Feuerwehr und der [X.] werden um einen Anteil von zwölf vom Hundert (12%) gekürzt.

        

Die Zulagen der Paragraphen A3 der Art. 30 und 33 des [X.] ([X.] 297 Teil A) in der geltenden Fassung, werden um einen Anteil von zwanzig vom Hundert (20%) gekürzt und die Zulagen für [X.], [X.] und Urlaub werden um einen Anteil von dreißig vom Hundert (30%) gekürzt.

        

Die Bestimmungen des vorliegenden Paragraphen werden auch auf das Personal angewendet, welches sich in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis mit der öffentlichen Hand, den juristischen Personen des öffentlichen Rechts und der kommunalen Gebietskörperschaften, den Streitkräften, der [X.]n Polizei, der Feuerwehr und der [X.] befindet und haben Vorrang vor jeder allgemeinen oder besonderen Bestimmung oder Klausel oder Bedingung eines Tarifvertrags, eines Schiedsspruchs oder eines Arbeitsvertrags oder einer (sonstigen) Vereinbarung.

        

…       

        

§ 4     

        

Bei dem Personal mit einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis des § 2, auf welches die Bestimmungen des [X.] nicht anzuwenden sind, sind von der in § 2 vorgesehenen Kürzung die Zulagen ausgenommen, die mit dem Familienstand oder der dienstlichen Laufbahn zusammenhängen, sowie auch die an die Gesundheitsschädlichkeit oder Gefährlichkeit der Arbeit oder mit postgrad[X.]len Studienabschlüssen verbundenen. Wenn an das vorgenannte Personal keine Zulagen, Entschädigungen oder Entgelte im Sinn des ersten Absatzes des § 2 des vorliegenden (Artikels) geleistet werden, sind die Bezüge jeder Art um sieben vom Hundert (7%) zu kürzen.“

6

Darüber hinaus erließ die [X.] das Gesetz Nr. 3845/2010 über Maßnahmen für die Anwendung des Stützungsmechanismus für die [X.] Wirtschaft von Seiten der Mitgliedsländer der [X.] und des [X.], das in den hier wiedergegebenen Teilen zum 1. Juni 2010 in [X.] gesetzt wurde ([X.] der [X.] Teil I Blatt Nr. 65 vom 6. Mai 2010). Nach der dem Berufungsgericht vorgelegten Übersetzung des [X.] heißt es in diesem [X.].:

        

„Dritter Artikel

        

Maßnahmen für die Kürzung der öffentlichen Ausgaben

        

…       

        

§ 3     

        

Bei dem Personal mit einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis des § 2 des Artikels 1 des [X.], auf welches die Bestimmungen des [X.] nicht anzuwenden sind, sind von der in § 1 vorgesehenen Kürzung die Zulagen ausgenommen, die mit dem Familienstand oder der dienstlichen Laufbahn zusammenhängen, sowie auch die an die Gesundheitsschädlichkeit oder Gefährlichkeit der Arbeit oder mit postgrad[X.]len Studienabschlüssen verbundenen. Wenn an das vorgenannte Personal keine Zulagen, Entschädigungen oder Entgelte im Sinn des § 1 geleistet werden, sind die Bezüge jeder Art um drei vom Hundert (3%) zu kürzen. Die ordentlichen Bezüge, die Zulagen, Entschädigungen und Entgelte im allgemeinen, sowie alles mit jeder anderen Bezeichnung Bestimmte und alles in welcher auch immer allgemeinen oder besonderen Bestimmung oder Klausel oder Bedingungen eines Tarifvertrags, eines Schiedsspruchs oder eines Arbeitsvertrags oder einer (sonstigen) Vereinbarung vorgesehene für ausnahmslos alle Arbeitstätigen bei Rechtsträgern des ersten Absatzes des § 5 des Art. 1 des [X.] in der geltenden Fassung, werden um einen Anteil von drei vom Hundert (3%) gekürzt.

        

Von der Kürzung des vorausgegangenen Absatzes sind ausgenommen die Zulagen, die mit dem Familienstand oder der dienstlichen Laufbahn zusammenhängen sowie auch die an die Gesundheitsschädlichkeit oder Gefährlichkeit der Arbeit oder mit postgrad[X.]len Studienabschlüssen verbundenen.“

7

Die Beklagte kürzte unter Berufung auf die vorgenannten Gesetze für die [X.] ab Oktober 2010 die Vergütung des [X.] einschließlich der Jahressonderzuwendungen.

8

Der Kläger hat mit der am 31. Dezember 2010 eingereichten und mehrfach - zuletzt im Berufungsverfahren - erweiterten Klage für den [X.]raum Oktober 2010 bis August 2012 die Differenz zwischen der arbeitsvertraglich vereinbarten und der tatsächlich gezahlten Vergütung verlangt. Er hat gemeint, die [X.]n Gesetze könnten den Inhalt seines in [X.] zu erfüllenden, [X.] Recht unterliegenden Arbeitsverhältnisses nicht ändern. Die Beklagte habe ihm für die geleisteten Zahlungen Abrechnungen nach § 108 [X.] zu erteilen.

9

Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 14.721,80 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach bestimmter Staffelung zu zahlen;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, ihm für den [X.]raum Jan[X.]r 2007 bis August 2012 Abrechnungen des Entgelts in Textform zu erteilen, die Angaben über den Abrechnungszeitraum und die Zusammensetzung des Arbeitsentgelts, insbesondere über Art und Höhe von Zuschlägen, Zulagen, sonstigen Vergütungen, Art und Höhe von Abzügen, Abschlagszahlungen und Vorschüssen enthalten;

        

3.      

die Beklagte für den Fall, dass sie die Verpflichtung nach Ziff. 2 nicht innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Urteilszustellung erfüllt, zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 20,00 Euro je nicht erteilter Abrechnung zu verurteilen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Die Klage sei unzulässig, weil sie wegen ihrer [X.]immunität nicht vor [X.] Gerichten verklagt werden könne. Die Gesetze Nr. 3833/2010 und Nr. 3845/2010 wirkten unmittelbar auf das Arbeitsverhältnis des [X.] ein und führten ohne jeden weiteren Umsetzungsakt zu einer Verminderung seiner Vergütung. Zudem finde der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) auf das Arbeitsverhältnis sowie § 108 [X.] auf ausländische [X.] keine Anwendung. Schließlich habe das [X.] bei der Klage auf Abrechnungen die Ausschlussfrist des § 70 [X.] bzw. § 37 TV-L nicht beachtet.

Das Arbeitsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Das [X.] ihr stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Senat hat mit Beschluss vom 3. März 2015 das Revisionsverfahren bis zur Erledigung des Vorabentscheidungsersuchens durch den Gerichtshof der [X.] im Rechtsstreit [X.] ./. Nikiforidis (Beschluss vom 25. Febr[X.]r 2015 - 5 [X.] (A) - [X.], 75) ausgesetzt.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet, soweit sich die Beklagte gegen die Erteilung von Abrechnungen für den gesamten Streitzeitraum wendet. Im Übrigen ist sie unbegründet.

I. Die Klage ist zulässig.

Die beklagte [X.] genießt in Bezug auf das Arbeitsverhältnis des [X.] keine Staatenimmunität. Das hat der Senat in einem Parallelverfahren für Lehrkräfte, die an der Ersatzschule der Beklagten in [X.] im Rahmen von Arbeitsverhältnissen beschäftigt werden, in seinem am heutigen Tag ergangenen Urteil ([X.] 26. April 2017 - 5 [X.] - Rn. 15 ff.), auf dessen Begründung zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, entschieden.

II. Die Zahlungsklage ist begründet.

Die [X.] Gesetze [X.]r. 3833/2010 und [X.]r. 3845/2010 haben die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung des [X.] nicht gekürzt. Auch insoweit wird zur Begründung auf die vorgenannte Senatsentscheidung verwiesen ([X.] 26. April 2017 - 5 [X.] - Rn. 25 ff.). Dementsprechend steht dem Kläger die Differenz zwischen der vereinbarten und der von der Beklagten tatsächlich gezahlten Vergütung zu. Dabei hat das [X.] zutreffend angenommen, dass sich das Arbeitsverhältnis der Parteien nach dem [X.] in seiner jeweiligen Fassung bestimmt. Dass dem Berufungsgericht bei der Berechnung der [X.] Fehler unterlaufen sind, wird von der Revision nicht aufgezeigt und ist auch sonst nicht ersichtlich. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 [X.]r. 1 BGB iVm. den [X.] des § 24 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 [X.].

III. In welchem Umfang die Klage auf Abrechnungen begründet ist, kann der Senat indes aufgrund der bisherigen Feststellungen des [X.]s nicht entscheiden.

1. Der Kläger hat für das gezahlte Arbeitsentgelt Anspruch auf Abrechnungen nach § 108 Abs. 1 [X.] (vgl. [X.] 26. April 2017 - 5 [X.] - Rn. 45 ff.). Doch hat das [X.], wie die Revision zu Recht rügt, die Ausschlussfristenregelung des § 37 Abs. 1 [X.] nicht beachtet. Danach verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnisse, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit von den Beschäftigten und vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden, wobei für denselben Sachverhalt die einmalige Geltendmachung des Anspruchs auch für später fällige Leistungen ausreicht.

Aus den bisherigen Feststellungen des [X.]s ergibt sich nicht, ob, wann und ab welchem Zeitraum der Kläger vor Erhebung der Klage den Anspruch auf Abrechnungen nach § 108 [X.] den Anforderungen des § 37 Abs. 1 [X.] entsprechend geltend gemacht hat. Das wird im erneuten Berufungsverfahren nachzuholen sein.

2. Mit der Aufhebung der Verpflichtung zur Erteilung von Abrechnungen entfällt zugleich die Grundlage für die Festsetzung einer Entschädigung nach § 61 Abs. 2 ArbGG.

        

    Koch    

        

    [X.]    

        

    Weber    

        

        

        

    Zorn    

        

    [X.]    

                 

Meta

5 AZR 740/16 (F)

26.04.2017

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Nürnberg, 4. April 2012, Az: 12 Ca 56/11, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.04.2017, Az. 5 AZR 740/16 (F) (REWIS RS 2017, 11900)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 11900

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