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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Verpflichtungserklärung gemäß § 68 AufenthG 2004; Pflicht zur Erstattung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz auch bei Flüchtlingsanerkennung
Die Erstattungspflicht aus einer Verpflichtungserklärung gemäß § 68 AufenthG (juris: AufenthG 2004) umfasst auch Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, die der Ausländer während eines Asylverfahrens bezogen hat. Das gilt auch dann, wenn das Asylverfahren mit Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft endet. Die Flüchtlingsanerkennung begründet auch keinen atypischen Fall, der die Heranziehung des Garantiegebers nur im Wege einer Ermessensentscheidung ermöglichen würde.
Der Kläger wendet sich gegen seine Inanspruchnahme zur Erstattung von Sozialleistungen, die die Beklagte seiner [X.] Schwägerin [X.] gewährt hat.
Der Kläger verpflichtete sich im Juni 2008 schriftlich gegenüber der Beklagten, vom Beginn der voraussichtlichen Visumsgültigkeit "bis zur Beendigung des Aufenthalts ... oder bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck" nach § 68 [X.] u.a. die Kosten für den Lebensunterhalt von [X.] zu tragen. Daraufhin erhielt diese ein bis zum 29. August 2008 gültiges Besuchervisum und reiste damit am 1. Juli 2008 in das [X.] ein.
Am 9. Oktober 2008 stellte sie einen Asylantrag, den das [X.] ([X.]) mit Bescheid vom 22. April 2009 ablehnte. Die Beklagte gewährte ihr ab Januar 2010 Leistungen nach dem [X.]. Mit rechtskräftigem Urteil vom 27. Oktober 2010 verpflichtete das Verwaltungsgericht die [X.] zur Flüchtlingsanerkennung von [X.] Daraufhin erkannte ihr das [X.] mit Bescheid vom 10. Januar 2011 die Flüchtlingseigenschaft zu. Am 9. März 2011 erteilte ihr die Beklagte eine befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 [X.].
Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 1. September 2010 forderte die Beklagte den Kläger zur Erstattung der an [X.] für die zwischen März und August 2010 gewährten Leistungen (ohne Krankenhilfekosten) in Höhe von 1 273,31 € auf. Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid aufgehoben, da der Kläger für den o.g. Zeitraum des Leistungsbezugs von [X.] nicht hafte. Ihr Aufenthaltszweck habe sich, wie § 55 Abs. 3 AsylVfG bestätige, bereits mit der Stellung des später zur Flüchtlingsanerkennung führenden Asylantrags geändert.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des [X.] geändert und die Klage abgewiesen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs nach § 68 [X.] lägen vor. Die mit der Asylantragstellung im Oktober 2008 einhergehende Aufenthaltsgestattung rechtfertige keine andere Beurteilung. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 [X.] würden Leistungen nach dem [X.] nicht gewährt, soweit der erforderliche Lebensunterhalt anderweitig, insbesondere aufgrund einer Erklärung nach § 68 Abs. 1 Satz 1 [X.] gedeckt werde. Diese Regelung setze zwingend voraus, dass die Haftung aufgrund einer Verpflichtungserklärung trotz der Asylantragstellung fortbestehe. Die Erstattungspflicht entfalle auch nicht im Nachhinein, wenn der Asylantrag Erfolg habe. Der Betroffene erlange durch die in § 55 Abs. 3 AsylVfG geregelte Anrechnung der Aufenthaltszeiten nicht rückwirkend einen Aufenthaltstitel und sei auch nicht bereits mit dem Asylantrag "in eine Anspruchsposition hineingewachsen". Nach dem Wortlaut der Verpflichtungserklärung sei für den Kläger das Risiko der Erstattung evtl. Leistungen nach dem [X.] auch erkennbar gewesen. Seine Erstattungsverpflichtung verstoße nicht gegen die Richtlinie 2003/9/[X.]. Gemäß Art. 13 Abs. 3 und 4 der Richtlinie könnten die Mitgliedstaaten die Leistungsgewährung davon abhängig machen, dass die Asylbewerber nicht über ausreichende Mittel verfügten und ggf. eine Erstattung verlangen. Von diesen Bestimmungen werde die vom Kläger eingegangene Verpflichtung nach § 68 [X.] nicht erfasst, da sie ausschließlich das Rechtsverhältnis zwischen den Mitgliedstaaten und den Asylbewerbern ausgestalteten. In dem hier vorliegenden Regelfall habe es mangels atypischer Gegebenheiten keiner Ermessenserwägungen für die Inanspruchnahme des [X.] bedurft.
Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung der [X.]/[X.] und 2003/9/[X.] und beantragt eine Vorlage an den [X.]. Nach Unionsrecht habe die Flüchtlingsanerkennung nur deklaratorischen Charakter, wirke daher auf den Zeitpunkt der Antragstellung zurück, und die Mitgliedstaaten dürften die Ausgaben für die [X.] Sicherung der Asylsuchenden nicht von deren Verwandten zwangsweise finanzieren lassen. Das Berufungsgericht habe die faktischen Auswirkungen der drohenden Haftung des [X.] auf das Verhalten seiner Schwägerin übersehen, deren Wissen um die Erstattungspflicht dazu geführt habe, dass sie während ihrer Schwangerschaft auf die Inanspruchnahme [X.]r Leistungen verzichtet habe. Zudem sei mit der vorformulierten Verpflichtungserklärung die Haftung für Umstände auf den Kläger verlagert worden, die ausschließlich in der Sphäre des Staates lägen. Schließlich werde der Kläger willkürlich ungleich behandelt gegenüber [X.] in Fällen, in denen ein Ausländer auch ohne verwaltungsgerichtliches Verfahren vom [X.] anerkannt und ihm alsbald ein Aufenthaltstitel erteilt worden sei.
Die zulässige Revision des [X.] ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat die Klage gegen den auf § 68 [X.] gestützten [X.] ohne Verstoß gegen [X.] (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) abgewiesen. Die vom Kläger abgegebene Verpflichtungserklärung ist wirksam und erfasst die an seine Schwägerin gewährten Leistungen (1.). Seine Erstattungspflicht entfällt nicht dadurch, dass [X.] einen Asylantrag gestellt hat und ihr daraufhin die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist (2.). Die Heranziehung des [X.] bedurfte keiner Ermessensentscheidung (3.).
Gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 [X.] hat, wer sich der Ausländerbehörde oder einer Auslandsvertretung gegenüber verpflichtet hat, die Kosten für den Lebensunterhalt eines Ausländers zu tragen, sämtliche öffentlichen Mittel zu erstatten, die für den Lebensunterhalt des Ausländers einschließlich der Versorgung mit Wohnraum und der Versorgung im Krankheitsfalle und bei Pflegebedürftigkeit aufgewendet werden, auch soweit die Aufwendungen auf einem gesetzlichen Anspruch des Ausländers beruhen. Nach Absatz 2 der Vorschrift bedarf die Verpflichtung der Schriftform; sie ist nach Maßgabe des [X.] vollstreckbar. Diese Regelung setzt die Befugnis der erstattungsberechtigten Stelle voraus, den Erstattungsanspruch durch Verwaltungsakt (Leistungsbescheid) geltend zu machen (Urteil vom 24. November 1998 - BVerwG 1 [X.] 33.97 - BVerwGE 108, 1 <4 f.> zu § 84 AuslG 1990 = [X.] 402.240 § 84 AuslG 1990 Nr. 2 S. 4
Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Leistungsbescheids bestimmt sich grundsätzlich nach der im Zeitpunkt seines Erlasses maßgeblichen Sach- und Rechtslage (vgl. Urteil vom 16. Oktober 2012 - BVerwG 10 [X.] 6.12 - BVerwGE 144, 326 = [X.] 402.242 § 66 [X.] Nr. 2, jeweils Rn. 12). Ob und in welcher Weise die Behörde aus Gründen des materiellen Rechts auf nachträgliche Änderungen der Sachlage reagieren muss, kann im vorliegenden Fall dahinstehen. Denn die nach [X.] erfolgte Flüchtlingsanerkennung von [X.] steht der Inanspruchnahme des [X.] für die ihr während des Asylverfahrens gewährten Leistungen nicht entgegen und begründet auch keinen atypischen Umstand, demzufolge die Beklagte den Kläger nur im Wege einer Ermessensentscheidung hätte heranziehen dürfen.
1. Das Berufungsgericht hat die vom Kläger abgegebene Verpflichtungserklärung vom 6. Juni 2008 als wirksam und hinreichend bestimmt angesehen. Aufgrund des insoweit eindeutigen Wortlauts, der Leistungen nach dem [X.] ausdrücklich erwähnt, hat es sie dahingehend ausgelegt, dass die übernommene Haftung auch diese Sozialleistung erfasst. Die erstmals in der Revisionsverhandlung erhobene Rüge des [X.], die Beklagte habe die handschriftliche datumsmäßige Befristung seiner Erklärung nachträglich gestrichen, verhilft der Revision nicht zum Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Erklärung dahingehend ausgelegt, dass sie vom Beginn der voraussichtlichen Gültigkeit des Visums ab 1. Juli 2008 "bis zur Beendigung des Aufenthalts oder bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck" gilt ([X.], 9 f.). [X.] gehören die Auslegung einer Willenserklärung, d.h. die Ermittlung des [X.] unter Würdigung der ihrer Abgabe zugrunde liegenden Umstände zur Tatsachenfeststellung (Kraft, in: [X.], VwGO, 13. Aufl. 2010, § 137 Rn. 51 m.w.N.), an die das Revisionsgericht mangels erhobener Verfahrensrügen gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden ist. Diese Bindung tritt nur dann nicht ein, wenn die Auslegung des Tatrichters auf einem Rechtsirrtum oder einem Verstoß gegen allgemeine Erfahrungssätze, Denkgesetze oder Auslegungsregeln beruht (vgl. u.a. Urteil vom 19. Februar 1982 - BVerwG 8 [X.] 27.81 - BVerwGE 65, 61 <69> = [X.] 406.11 § 131 BBauG Nr. 45 S. 35
2. Zutreffend hat das Berufungsgericht entschieden, dass weder die Asylantragstellung als solche noch die Flüchtlingsanerkennung von [X.] der Erstattungspflicht des [X.] für die von ihr während des Asylverfahrens bezogenen Leistungen entgegenstehen.
2.1 Der Senat folgt der Auffassung des Berufungsgerichts, die Asylantragstellung durch den in der Verpflichtungserklärung genannten Ausländer hindere nicht die Inanspruchnahme des Garantiegebers (ebenso [X.], Urteil vom 21. März 2013 - 12 S 1188/12 -, [X.], 348; [X.], Beschluss vom 12. November 2008 - L 11 [X.]/08 AY -, [X.], 427; a.[X.], Urteil vom 3. März 1998 - 12 [X.] -
Nichts anderes ergibt sich - entgegen der Annahme der Revision - aus der Richtlinie 2003/9/[X.] vom 27. Januar 2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten ([X.] Nr. L 31 S. 18). Deren Vorschriften gelten gemäß Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie für alle Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen, die an der Grenze oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats Asyl beantragen, solange sie als Asylbewerber im Hoheitsgebiet verbleiben dürfen, sowie für ihre Familienangehörigen, wenn sie nach nationalem Recht von diesem Asylantrag erfasst sind. Nach Art. 13 Abs. 1 und 2 der Richtlinie tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass Asylbewerbern ab Antragstellung materielle Aufnahmebedingungen gewährt werden, die einem Lebensstandard entsprechen, der die Gesundheit und den Lebensunterhalt der Asylbewerber gewährleistet. Gemäß Absatz 3 der Vorschrift können die Mitgliedstaaten die Gewährung der materiellen Aufnahmebedingungen und der Gesundheitsversorgung davon abhängig machen, dass die Asylbewerber nicht über ausreichende Mittel für einen derartigen Lebensstandard verfügen. Nach Absatz 4 können sie von den Asylbewerbern verlangen, dass diese für die Kosten der in dieser Richtlinie vorgesehenen materiellen Aufnahmebedingungen und der Gesundheitsversorgung gemäß Absatz 3 ganz oder teilweise aufkommen und ggf. eine Erstattung verlangen. Diese Regelungen sowie insbesondere die Erwägungsgründe Nr. 5 und 7, die die Gewährleistung eines menschenwürdigen Lebens für Asylbewerber betonen, machen deutlich, dass die Richtlinie allein auf die [X.] Sicherung von Asylbewerbern zielt. Der Schutz dieser Personengruppe ist ihr Anliegen und nicht die Verschonung Dritter, die sich aufgrund einer autonomen Entscheidung verpflichtet haben, im Falle der Visumerteilung für den Unterhalt eines Ausländers aufzukommen. Hinsichtlich des ggf. aus sittlichen Erwägungen entstehenden inneren Drucks, auf die Inanspruchnahme von Sozialleistungen mit Blick auf eine zukünftige Inanspruchnahme des Garantiegebers zu verzichten, erscheint ein Asylbewerber nicht schutzbedürftig. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Schutzzweck der Richtlinie, Asylbewerbern ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, durch faktische Rücksichtnahme auf einen Garantiegeber konterkariert würde oder gar leerliefe. Die Richtlinie 2003/9/[X.] steht daher offenkundig der Inanspruchnahme eines [X.] aus einer von ihm übernommenen Verpflichtungserklärung nicht entgegen; eine unionsrechtliche Zweifelsfrage stellt sich insoweit nicht (acte clair).
2.2 Zutreffend erweist sich ferner die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dass die Erstattungspflicht des [X.] nicht rückwirkend durch die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an [X.] weggefallen ist. Zwar wird einem Ausländer gemäß § 55 Abs. 3 AsylVfG, soweit der Erwerb oder die Ausübung eines Rechts oder einer Vergünstigung von der Dauer des Aufenthalts im [X.] abhängig ist, die Zeit eines Aufenthalts nach Absatz 1 - d.h. das Bestehen einer gesetzlichen Aufenthaltsgestattung - angerechnet, wenn der Ausländer unanfechtbar als Asylberechtigter anerkannt oder ihm unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist (§ 55 Abs. 3 AsylVfG in der hier maßgeblichen Fassung des [X.] vom 19. August 2007, [X.]). Dem Betreffenden wird jedoch nicht rückwirkend ein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 1 bzw. 2 [X.] erteilt. Die Regelung ordnet auch sonst nicht umfassend an, dass bei Erfolg des Asylantrages der Antragsteller in allen rechtlichen oder tatsächlichen Belangen rückwirkend so zu stellen wäre, als seien An- bzw. Zuerkennung des Status bereits am Tage der Antragstellung erfolgt, und kann auch nicht als Ausformung eines entsprechenden (ungeschriebenen) Rechtsgrundsatzes gewertet werden. Zudem wirkt diese Regelung, die die Ableitung von [X.] aus der Dauer aussichtsloser Asylverfahren verhindern (BTDrucks 9/875 S. 21 zu § 17 Abs. 3 AsylVfG 1982) und die Eingliederung von Asylberechtigten und anerkannten Flüchtlingen in das wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Leben der [X.] erleichtern soll (Urteil vom 19. Oktober 2011 - BVerwG 5 [X.] 28.10 - BVerwGE 141, 94 = [X.] 130 § 4 [X.] Nr. 14, jeweils Rn. 16), nach Sinn und Zweck nur zugunsten des Asylberechtigten bzw. anerkannten Flüchtlings und äußert keine Wirkungen zugunsten eines Garantiegebers als Drittem.
Völker- und unionsrechtliche Regelungen stehen dem nicht entgegen. Zwar weist die Revision zutreffend darauf hin, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowohl nach der Konzeption des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 ([X.] - BGBl 1953 II S. 560) als auch der Richtlinie 2011/95/[X.] des [X.] und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Neufassung - [X.] Nr. L 337 [X.]) nur ein deklaratorischer Akt ist (vgl. UNH[X.]R, Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, 1979, Nr. 28 und Erwägungsgrund Nr. 21 der Richtlinie 2011/95/[X.]). Das führt jedoch nicht zum Erfolg der Revision. Denn die [X.] selbst gewährt dem Flüchtling unmittelbar kein Aufenthaltsrecht, sondern nur [X.] gemäß Art. 33 GFK; im Übrigen stehen ihre Gewährungen unter dem Vorbehalt des rechtmäßigen Aufenthalts (vgl. zu Art. 26 und Art. 31 GFK: Urteil vom 15. Januar 2008 - BVerwG 1 [X.] 17.07 - BVerwGE 130, 148 = [X.] 402.22 Art. 26 [X.] Nr. 3, jeweils Rn. 16 ff.). Aus Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/[X.], demzufolge die Mitgliedstaaten so bald wie möglich nach Zuerkennung des internationalen Schutzes Personen, denen der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel ausstellen, ergibt sich, dass das Aufenthaltsrecht für den anerkannten Flüchtling unionsrechtlich an die Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes anknüpft, die sich ungeachtet der deklatorischen Natur der Anerkennung gerade keine umfassende Rückwirkung beimisst. Im Übrigen wirken sich weder die Regelungen der [X.] noch der Richtlinie 2011/95/[X.] auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger als Garantiegeber und der Beklagten aus. Auch insoweit besteht offenkundig keine Notwendigkeit, den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 A[X.]V anzurufen.
3. Schließlich ist die Vorinstanz zu Recht davon ausgegangen, dass hier ein Regelfall vorliegt und die Beklagte über die Heranziehung des [X.] nicht im Wege einer Ermessensentscheidung befinden musste. Es entspricht der Rechtsprechung des [X.], dass der aus einer Erklärung nach § 68 [X.] Verpflichtete im Regelfall zur Erstattung heranzuziehen ist, ohne dass es dahingehender Ermessenserwägungen bedürfte. Ein Regelfall liegt vor, wenn die Voraussetzungen der Aufenthaltsgenehmigung einschließlich der finanziellen Belastbarkeit des Verpflichteten im Verwaltungsverfahren geprüft worden sind und nichts dafür spricht, dass die Heranziehung zu einer unzumutbaren Belastung führen könnte. Hingegen hat die erstattungsberechtigte Stelle bei atypischen Gegebenheiten im Wege des Ermessens zu entscheiden, in welchem Umfang der Anspruch geltend gemacht wird und welche Zahlungserleichterungen dem Verpflichteten ggf. eingeräumt werden. Wann in diesem Sinne ein Ausnahmefall vorliegt, ist anhand einer wertenden Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden und unterliegt voller gerichtlicher Nachprüfung (Urteile vom 24. November 1998 - BVerwG 1 [X.] 33.97 - BVerwGE 108,1 <18> = [X.] 402.240 § 84 AuslG 1990 Nr. 2 S. 4
Im vorliegenden Fall hat der Kläger die Verpflichtungserklärung im Hinblick auf einen familiär begründeten zweimonatigen Besuchsaufenthalt seiner Schwägerin abgegeben. Anders als in der dem Urteil vom 24. November 1998 zugrunde liegenden Fallkonstellation, die die Aufnahme von bosnischen [X.] betraf, war der im Visumverfahren geltend gemachte Aufenthaltszweck von [X.] rein privater Natur und keine durch eine politische Leitentscheidung oberster Landes- und Bundesbehörden begründete öffentliche Angelegenheit (Urteil vom 24. November 1998 a.a.[X.] f. bzw. S. 18 f.). [X.] Stellen tragen - anders als in der damaligen Fallgruppe der Aufnahme von Bürgerkriegsflüchtlingen - auch keine Mitverantwortung durch eine von der [X.] angeordnete "großzügige" Prüfung der Visumvoraussetzungen. Mit seiner Verpflichtungserklärung hat der Kläger vielmehr vollumfänglich das Risiko übernommen, dass seine Schwägerin das [X.] nicht rechtzeitig vor Ablauf der Geltungsdauer des [X.] verlässt, sondern den Aufenthaltszweck durch die Asylantragstellung ändert und während des Asylverfahrens öffentliche Leistungen in Anspruch nimmt. Schließlich begründet auch die Flüchtlingsanerkennung von [X.] keinen Umstand, der eine Ermessensentscheidung als notwendig erscheinen ließe, um rückwirkend für die [X.] eine gerechte Lastenverteilung zwischen Kläger und öffentlicher Hand ermöglichen zu können. Denn hinsichtlich des vergleichsweise geringen Betrags in Höhe von 1 273,31 € ist auch mit Blick auf die Wertung des Gesetzgebers, die in der in § 8 Abs. 2 [X.] getroffenen Regelung zum Ausdruck kommt, kein atypischer Fall gegeben. Danach kann Personen, die sechs Monate oder länger eine Verpflichtung nach § 68 Abs. 1 Satz 1 [X.] gegenüber einer in § 1 Abs. 1 [X.] genannten Person erfüllt haben, ein monatlicher Zuschuss gewährt werden, wenn außergewöhnliche Umstände in der Person des Verpflichteten den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Diese Zuschussregelung betrifft zwar nur Fälle, in denen der [X.] tatsächlich Leistungen erbringt. Die ihr zugrunde liegende gesetzliche Wertung ist aber auch bei der Frage zu berücksichtigen, ob von der Erstattungspflicht aus einer Verpflichtungserklärung im Ermessenswege abgesehen werden kann. Im Übrigen bleibt die Möglichkeit einer Reduzierung der Kostenschuld aus [X.] - wofür hier nichts ersichtlich ist - dem Vollstreckungsverfahren vorbehalten (vgl. Urteil vom 16. Oktober 2012 - BVerwG 10 [X.] 6.12 - BVerwGE 144, 326 = [X.] 402.242 § 66 [X.] Nr. 2, jeweils Rn. 36 f.).
Meta
13.02.2014
Bundesverwaltungsgericht 1. Senat
Urteil
Sachgebiet: C
vorgehend OVG Lüneburg, 5. Juli 2013, Az: 4 LC 317/11, Beschluss
§ 4 Abs 1 S 2 AufenthG 2004, § 5 Abs 1 S 1 Nr 1 AufenthG 2004, § 25 AufenthG 2004, § 68 AufenthG 2004, § 55 Abs 1 AsylVfG 1992, § 55 Abs 3 AsylVfG 1992, § 1 Abs 1 AsylbLG, § 8 AsylbLG, Art 33 FlüAbk, Art 3 EGRL 9/2003, Art 13 EGRL 9/2003, Art 24 Abs 1 EURL 95/2011, § 137 Abs 2 VwGO
Zitiervorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 13.02.2014, Az. 1 C 4/13 (REWIS RS 2014, 7939)
Papierfundstellen: REWIS RS 2014, 7939
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
1 C 10/16 (Bundesverwaltungsgericht)
Verpflichtungsgeber haftet für die Lebensunterhaltskosten von Bürgerkriegsflüchtlingen auch nach Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft
7 A 128/17 (Verwaltungsgericht Osnabrück)
12 A 60/17 (Verwaltungsgericht Hannover)
4 K 1716/20 (Verwaltungsgericht Stuttgart)
Aufenthaltsrechtliche Verpflichtungserklärung; Erlass eines eine allgemeine Erstattungspflicht feststellenden Verwaltungsaktes
4 A 531/17 (Verwaltungsgericht Lüneburg)
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