Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.08.2011, Az. 1 StR 317/11

1. Strafsenat | REWIS RS 2011, 3755

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
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StR 317/11

vom
24. August
2011
in der Strafsache
gegen

wegen Steuerhinterziehung
u.a.

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Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 24. August
2011 beschlos-sen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 22. November 2010 im [X.] mit den Feststellungen zu der Vorverurteilung des Ange-klagten aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in elf Fällen und wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in sechs Fällen zu der Ge-samtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt und deren Voll-streckung zur Bewährung ausgesetzt.
Soweit sich die Revision des Angeklagten gegen den Schuldspruch rich-tet, ist sie unbegründet, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der [X.] aus den vom [X.] in seiner Antragsschrift vom 21. Juli 2011 dargelegten Gründen, die durch die Gegenerklärung hierzu nicht entkräftet werden, insoweit keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
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Demgegenüber hat der Rechtsfolgenausspruch wegen der Verletzung sachlichen Rechts -
Verstoß gegen § 51 Abs. 1 BZRG -
keinen Bestand.
Gemäß § 51 Abs. 1 BZRG dürfen dem Betroffenen -
hier dem Angeklag-ten -
eine Verurteilung und die zugrunde liegende Tat im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht mehr zu seinem Nachteil verwertet werden, wenn die Verurteilung im [X.] getilgt worden ist oder wenn sie hätte getilgt werden müssen (Tilgungsreife).
In den Feststellungen zur Person des Angeklagten findet sich der [X.] auf seine Verurteilung durch das [X.] Aurich vom 17. Oktober 1990
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rechtskräftig am selben Tag -
wegen versuchter Brandstiftung in Tatein-heit mit versuchtem Versicherungsbetrug zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, unter kurzer Schilderung des zugrunde liegenden Sachverhalts.
Bei jener Verurteilung aus dem Jahre 1990 beträgt die Tilgungsfrist 15
Jahre (§ 46 Abs. 1 Nr. 4 BZRG). Zum Zeitpunkt der Verurteilung des Ange-klagten in diesem Verfahren am 22. November 2010 war somit längst [X.] eingetreten. Anhaltspunkte dafür, dass der Ablauf der Frist gehemmt war (§ 47 BZRG) -
etwa wegen weiterer noch nicht tilgungsreifer Vorverurteilungen oder weil die Bewährungsstrafe noch nicht erlassen ist -
sind nicht ersichtlich.
Schon die -
vorbehaltslose -
Erwähnung der früheren Verurteilung in der Hauptverhandlung und in den Urteilsgründen stellt einen unzulässigen Vorhalt und daher einen Verstoß gegen § 51 Abs. 1 BZRG dar (vgl. [X.], Beschluss vom 19. Februar 1992 -
2 [X.]). Dies könnte den Bestand des [X.] allerdings dann nicht gefährden, wenn auszuschließen wäre, dass sich der Rechtsfehler bei der Strafzumessung zum Nachteil des Ange-3
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klagten ausgewirkt hat. Dies ist hier indes nicht der Fall; die [X.] hat die Vorverurteilung zum Nachteil des Angeklagten verwertet.
Zwar hat das [X.] dem Angeklagten bei den allgemeinen Straf-zumessungserwägungen zur Festsetzung der Einzelstrafen einen -
bis zu den nunmehr abgeurteilten Taten -
untadeligen Lebenslauf bescheinigt. Bei den Erwägungen zur Strafaussetzung zur Bewährung hat es festgestellt, dass die Vorstrafe einer günstigen Sozialprognose nicht entgegenstehe.
Jedoch hat die [X.] bei ihrer Entscheidung, bei allen Taten (Einzel-)freiheitsstrafen zu verhängen, auch wenn diese unter sechs Monaten liegen (§ 47 Abs. 1 StGB), die Vorverurteilung des Angeklagten einbezogen. Von den 17 [X.] liegen 14 unter sechs Monaten (sechs mal drei Monate, acht mal vier Monate). Die [X.] hat dazu folgende Erwä-gungen angestellt:
"Die besonderen Umstände, die die Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Angeklagten unerlässlich machen, liegen bereits
in Form der [X.], der organisierten Arbeitsweise und der jeweils entstan-denen nicht unerheblichen Schäden vor, die insgesamt eine nicht uner-hebliche kriminelle Energie des Angeklagten offenbaren. Im Übrigen ist auch die -
wenn auch nicht einschlägige -
Vorstrafe (vgl. [X.] in [X.], StGB § 47 Rn. 11) zu berücksichtigen. Zwar lässt sich bei Wiederholungstätern die Unerlässlichkeit einer Freiheitsstrafe nicht schematisch bejahen (vgl. [X.], 116). Die Beurtei-lung der Frage, ob die Verhängung einer Freiheitsstrafe unter sechs [X.] zur Einwirkung auf einen Wiederholungstäter wegen der in der Tat oder Persönlichkeit liegenden Umständen unerlässlich ist, hängt viel-mehr -
ebenso wie beim Ersttäter -
von den Umständen des Einzelfalls ab. Vor dem Hintergrund der Verhängung einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren im Jahr 1990, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, zeichnet sich nach dem vom Angeklagten gewonnenen persönli-chen Eindruck klar ab, dass die Verhängung einer Freiheitsstrafe das einzige Mittel ist, den Angeklagten vom Fortsetzen strafbaren Verhaltens abzubringen."
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Damit hat die [X.] auch der Vorverurteilung wesentliches Ge-wicht bei der Entscheidung nach § 47 Abs. 1 StGB beigemessen. Der Senat
vermag nicht auszuschließen, dass das [X.] ohne die Vorstrafe inso-weit anders entschieden hätte, und ebenso wenig, dass diese die Festsetzung der Einzelstrafen sowie der Gesamtstrafe auch sonst zum Nachteil des Ange-klagten beeinflusst hat.
Der Rechtsfolgenausspruch hat daher keinen Bestand. Mit Ausnahme derjenigen zur Vorverurteilung sind die zugehörigen Feststellungen vom Rechtsfehler nicht erfasst und können insoweit bestehen bleiben. Sie dürfen durch weitere Feststellungen, die zu den bisher getroffenen nicht in [X.] stehen, ergänzt werden.
Der Schriftsatz des Verteidigers vom 22. August 2011 hat dem Senat bei seiner Entscheidung vorgelegen.
[X.]Wahl

Hebenstreit

Graf Sander
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Meta

1 StR 317/11

24.08.2011

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.08.2011, Az. 1 StR 317/11 (REWIS RS 2011, 3755)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3755

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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