Bundessozialgericht, Urteil vom 29.04.2010, Az. B 9 VS 1/09 R

9. Senat | REWIS RS 2010, 7076

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Soldatenversorgung - Versorgungskrankengeld - Höhe - Berechnung - Regelentgelt - Berücksichtigung der Gesamtverhältnisse - unbestimmter Rechtsbegriff - selbstständige Tätigkeit - Bemessungsgröße: tatsächlicher und fiktiver Vertreter - Gewinn - Gewinnerwartung - Gewinnprognose


Leitsatz

Ist das einem vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit selbstständig tätigen Beschädigten zustehende Versorgungskrankengeld "unter Berücksichtigung der Gesamtverhältnisse" (§ 16b Abs 4 BVG) festzusetzen, sind der Berechnung jedenfalls die Kosten für einen tatsächlichen oder fiktiven Vertreter für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit zugrunde zu legen, ohne dass es darauf ankommt, ob der Beschädigte aus der selbstständigen Tätigkeit langfristig einen Gewinn erwarten konnte.

Tatbestand

1

Streitig ist die Gewährung von [X.] ([X.]).

2

Der 1948 geborene Kläger war von Juli 1968 bis Juni 1980 als Soldat bei der [X.]. Später war er - zuletzt bis zum 31.3.2004 - versicherungspflichtig beschäftigt. Anschließend übte er eine selbstständige Tätigkeit aus. Für die [X.] vom 15.4. bis 14.10.2004 gewährte ihm die [X.] in Höhe von 19.170,30 Euro.

3

Ab 9.9.2004 war der Kläger arbeitsunfähig. Im selben Monat beantragte der Kläger Beschädigtenversorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz ([X.]). Nach seinen Angaben erhielt er aus einer privaten Krankenversicherung ein monatliches Krankengeld (KrG) von etwa 2.000 Euro. Für die [X.] der Teilnahme an einer medizinischen Maßnahme zur Rehabilitation vom 12.10. bis 9.11.2004 gewährte der zuständige Rentenversicherungsträger, [X.] ([X.]) [X.], dem Kläger Übergangsgeld ([X.]) in Höhe von täglich 92,48 Euro.

4

Mit Bescheid vom [X.] erkannte das beklagte Land - unter Hinweis auf den Erstbescheid der Wehrbereichsverwaltung West vom 21.12.2004 - "Prostataerkrankung im Stadium der [X.], Verlust von Prostatagewebe; Harninkontinenz" als Folgen einer Wehrdienstbeschädigung mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um [X.] nach § 30 Abs 1 [X.]esversorgungsgesetz ([X.]) an. Zur Prüfung eines Anspruchs des [X.] auf [X.] zog der Beklagte den den Kläger betreffenden Einkommensteuerbescheid für das [X.] sowie eine vom Steuerberater des [X.] erstellte Jahresübersicht über die geschäftliche Entwicklung der selbstständigen Tätigkeit in der [X.] von April bis Dezember 2004 bei. Mit Bescheid vom 21.3.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.8.2005 lehnte er die Gewährung von [X.] ab, weil der Kläger vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit ([X.]) keinen Gewinn erzielt habe und auch nicht erkennbar sei, dass er ohne die [X.] im weiteren Verlauf seiner selbstständigen Tätigkeit Gewinne erzielt hätte.

5

Klage und Berufung des [X.] haben keinen Erfolg gehabt (Urteile des [X.] vom 4.4.2007 und des [X.] <[X.]> vom [X.]). Das [X.] hat seine Entscheidung im Wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt:

Das [X.] des [X.] könne nicht nach der Regelung zur Kontinuität der Bemessungsgrundlage in § 16d [X.] auf der Grundlage des [X.] berechnet werden, das dem Kläger vom Träger der gesetzlichen Rentenversicherung für die [X.] der Teilnahme an einer medizinischen Maßnahme zur Rehabilitation vom 12.10. bis 9.11.2004 gewährt worden sei. Vielmehr komme allein eine Ermittlung des Regelentgelts "unter Berücksichtigung der [X.]" nach § 16b Abs 4 [X.] in Betracht. Da das [X.] im Grundsatz den wirtschaftlichen Schaden während der [X.] ausgleichen solle, habe sich auch die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der "[X.]" an dieser Zielrichtung zu orientieren. Dabei sei der bei einem Selbstständigen auszugleichende wirtschaftliche Schaden umfassend zu verstehen. Der Anspruch auf ein [X.] hänge danach nicht ausnahmslos davon ab, dass vor der schädigungsbedingten [X.] ein Gewinn aus selbstständiger Tätigkeit nachgewiesen sei. Insbesondere im [X.] einer selbstständigen Existenz werde der Wert der geleisteten Arbeit eines Selbstständigen oft erst in einem Gewinn deutlich, der sich nach Monaten oder Jahren zeige. [X.] sei jedoch, dass wenigstens langfristig ein Gewinn aus der der Bemessung zugrunde liegenden selbstständigen Tätigkeit zu erwarten sei. Dafür gebe es vorliegend keine konkreten Anhaltspunkte.

6

Es ergäben sich bereits Schwierigkeiten bei der Feststellung von Art, Inhalt und Umfang der Tätigkeit des [X.] in der [X.] vor Eintritt der [X.]. Gegenüber dem beklagten Land und im vorliegenden Gerichtsverfahren habe der Kläger seine Tätigkeit zunächst ausschließlich mit "Pharmareferent" angegeben. Dagegen habe er gegenüber der [X.]esagentur für Arbeit bei seinem Antrag auf Gewährung von Überbrückungsgeld seine Tätigkeit umfassender als "Marketingberater" bezeichnet und ausgeführt, dass es sich um die Gründung eines Unternehmens für Beratung, Marketing und Vertrieb sicherheitstechnischer und medizintechnischer Geräte sowie gesundheitsorientierter Produkte handele. Dazu seien drei Geschäftsbereiche geschildert worden, nämlich elektronisches Fahrradcodiersystem, Medizintechnik und Magnetfeldtherapiegeräte.

7

Wie aus der vom Kläger vorgelegten Übersicht von Einnahmen und Ausgaben im Jahre 2004 hervorgehe, hätten sich seine finanziellen Erwartungen nicht erfüllt. In den Monaten bis zum Eintritt der [X.] im September 2004 habe er überhaupt keine Erlöse aus betrieblicher Tätigkeit erzielt. Darüber hinaus ließen auch die Betriebsausgaben, die zum überwiegenden Teil aus Abschreibungen bestünden, nicht den Schluss auf eine intensive Geschäftstätigkeit zu. Die größten Rechnungsposten stellten die Zahlung der Umsatzsteuer im April 2004 sowie die fast identische Erstattung der Umsatzsteuer im Juli 2004 dar. Der Eindruck, den die im Verwaltungsverfahren vorgelegte betriebswirtschaftliche Auswertung vermittle, werde durch die im Berufungsverfahren vorgelegten umfangreichen Unterlagen des [X.] nicht widerlegt. Zwar gehe daraus hervor, dass der Kläger Konzepte erstellt und auch [X.] abgeschlossen habe. Es werde aber nicht deutlich, in welchem Umfang er auf dieser Grundlage tatsächliche Aktivitäten entfaltet habe. Jedenfalls hätten die möglichen Aktivitäten des [X.] in den etwa fünf Monaten bis zum Eintritt der [X.] nicht nur zu keinem Gewinn, sondern auch zu keinen Erlösen geführt, und es gebe auch keine konkreten Hinweise dafür, dass sich dies ohne den Eintritt der [X.] in absehbarer [X.] geändert hätte.

8

Soweit der Kläger in der Berufungsbegründung geltend gemacht habe, dass aufgrund schlechter Zahlungsmoral gewisse [X.]räume von der Rechnungserstellung bis zur endgültigen Zahlung zu berücksichtigen seien, habe sich dieses Vorbringen als unzutreffend erwiesen, denn die einzige Rechnung, die er habe vorlegen können, sei die über den Verkauf eines Wehenschreibers unter dem Rechnungsdatum vom 9.12.2004 gewesen. Der Kläger habe dagegen keine nicht bezahlten oder verspätet bezahlten Rechnungen aus der [X.] vor Eintritt der [X.] vorlegen können. Selbst wenn es naheliegend erscheine, dass dem Verkauf des Wehenschreibers Aktivitäten des [X.] aus der [X.] vor Eintritt der [X.] zugrunde gelegen hätten, so lasse sich daraus nicht herleiten, dass der Kläger wenigstens langfristig mit einem Gewinn aus der begonnenen selbstständigen Tätigkeit habe rechnen können. Dass sich seine Erwartungen aus dem Vertrieb des [X.] nicht erfüllt hätten, habe der Kläger in der mündlichen Berufungsverhandlung nachvollziehbar geschildert und dargelegt, dass er weder bei der Polizei noch bei den Versicherungsunternehmen auf erkennbares Interesse gestoßen sei.

9

Nach alledem könne ein Regelentgelt, auf dessen Grundlage ein [X.] berechnet werden könnte, nicht ermittelt werden.

Mit seiner vom [X.]essozialgericht ([X.]) zugelassenen Revision macht der Kläger ua geltend: Das [X.] habe zu Unrecht aus der vorliegenden Rechtsprechung des [X.] den Schluss gezogen, dass es bei Fehlen aktueller Einnahmen des noch in der Aufbauphase befindlichen Selbstständigen insbesondere auf die positive wirtschaftliche Weiterentwicklung des Unternehmens als Voraussetzung für die Gewährung von [X.] ankomme. Eine derartige Gewinnprognose sei nicht sachgerecht, weil sie sich jedenfalls in seinem Falle als äußerst schwierig darstelle. Daher stehe ihm unabhängig davon ein Anspruch auf [X.] unter Heranziehung der Kosten eines fiktiven Vertreters als Regelentgelt zu. Sollte es dagegen dennoch auf die fiktive weitere wirtschaftliche Entwicklung seiner selbstständigen Existenz ankommen, sei die von der Vorinstanz vorgenommene Einschätzung diesbezüglich verfahrensfehlerhaft erfolgt, weil dem Berufungssenat eigene Sachkunde der Branche und der speziellen Marktchancen eines selbstständigen Pharmareferenten wie auch der [X.] bei dem Produkt Bikefinder ohne Heranziehung eines Sachverständigen offenbar gefehlt habe. Jedenfalls sei er (der Kläger) vorher nicht zum Bestehen einer entsprechenden Sachkunde [X.] angehört worden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Urteile des Schleswig-Holsteinischen [X.] vom [X.] und des [X.] vom 4.4.2007 sowie den Bescheid des Beklagten vom 21.3.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.8.2005 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm [X.] für die [X.] vom 9.9. bis 31.12.2004 auf der Grundlage eines Regelentgelts zu gewähren, das sich an den Kosten für einen fiktiven Vertreter orientiert.

Der Beklagte beantragt,

die Revision des [X.] zurückzuweisen.

Zur Begründung nimmt er auf das angefochtene Urteil Bezug.

Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.] ist zulässig. Sie ist im Sinne einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und einer Zurückverweisung der Sache an das [X.] begründet. Die berufungsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen reichen nicht aus, um die Sache abschließend zu entscheiden.

Der Anspruch des [X.] auf [X.] richtet sich zunächst nach § 80 Satz 1 [X.] idF vom [X.] ([X.] 1258). Danach erhält ein Soldat, der eine Wehrdienstbeschädigung erlitten hat, nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Wehrdienstbeschädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des [X.], soweit im [X.] nichts Abweichendes bestimmt ist. Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger vor. Durch Bescheid des Beklagten vom [X.] sind bei ihm Folgen einer Wehrdienstbeschädigung anerkannt worden. Die ihm damit auf seinen Antrag zustehende Versorgung umfasst nach dem insoweit entsprechend anwendbaren § 9 [X.] [X.] ua auch Heilbehandlung (§§ 10 bis 24a [X.]). Dazu gehört auch [X.] iS der §§ 16 ff [X.] (vgl dazu allgemein B[X.], Urteil vom [X.] - B 9 [X.] 3/09 R - juris RdNr 28, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).

Nach dem hier einschlägigen § 16 Abs 1 Buchst a [X.] idF vom 30.11.2000 ([X.] 1638) wird [X.] nach Maßgabe der folgenden Vorschriften ua Beschädigten gewährt, wenn sie wegen einer Gesundheitsstörung, die als Folge einer Schädigung anerkannt ist oder durch eine anerkannte Schädigungsfolge verursacht ist, arbeitsunfähig im Sinne der Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung werden. Nach der Rechtsprechung des B[X.] zur gesetzlichen Krankenversicherung ist [X.] gegeben, wenn der Versicherte seine bisherige Erwerbstätigkeit wegen einer Krankheit nicht mehr verrichten kann (vgl dazu B[X.], aaO RdNr 42 mwN). Auch bei der entsprechenden Anwendung dieses Grundsatzes im [X.] Entschädigungsrecht ist - bei Fehlen abweichender Regelungen - zu verlangen, dass es sich bei der Tätigkeit, die aus Gesundheitsgründen nicht mehr verrichtet werden kann, um eine Erwerbstätigkeit handeln muss (B[X.], aaO RdNr 43).

Der Senat geht davon aus, dass der Kläger gemessen an diesen Kriterien im streitigen [X.]raum wegen seiner anerkannten Schädigungsfolgen arbeitsunfähig war. Dazu hat das [X.] allerdings selbst keine Tatsachenfeststellungen getroffen. Soweit es ([X.] seines Urteils) auf die Entscheidungsgründe des [X.] Bezug genommen hat (§ 153 Abs 2 [X.]G), bezieht sich dies ausdrücklich nur auf die Zugrundelegung des § 16b Abs 4 [X.] für die Berechnung des [X.]s. Selbst wenn man diese Bezugnahme weiter verstehen könnte (zu dem insoweit geltenden Bestimmtheitsgebot vgl allerdings B[X.] SozR 3-1500 § 142 [X.]), enthielte auch das erstinstanzliche Urteil selbst keine verwertbaren Tatsachenfeststellungen zu diesem Punkt. Vielmehr hat das [X.] in seinen Entscheidungsgründen ([X.]) zum Ausdruck gebracht, dass es insoweit der Begründung des angefochtenen Bescheides des Beklagten vom 21.3.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.8.2005 folge (§ 136 Abs 3 [X.]G). Darin wird ausgeführt, dass der Kläger seit dem [X.] aufgrund der mit Bescheid vom [X.] anerkannten Folgen einer Wehrdienstbeschädigung arbeitsunfähig sei. Angesichts der Schwere der beim Kläger anerkannten Gesundheitsstörungen ist nicht ersichtlich, dass diese Beurteilung unzutreffend sein könnte.

Steht dem Kläger mithin dem Grunde nach [X.] zu, bleibt zu prüfen, in welcher Höhe ihm diese Leistung zu gewähren ist. Grundsätzlich beträgt das [X.] nach § 16a Abs 1 [X.] idF vom 6.4.1998 ([X.] 688) [X.] des erzielten regelmäßigen Entgelts ([X.]) und darf das entgangene regelmäßige Nettoarbeitsentgelt nicht übersteigen.

Eine Sonderregelung trifft insoweit § 16d [X.]. Danach ist bei der Berechnung des [X.] von dem bisher zugrunde gelegten Entgelt auszugehen, wenn der Berechtigte von einem anderen Rehabilitationsträger KrG, Verletztengeld oder [X.] bezogen hat und ihm im [X.] daran [X.] nach den §§ 16 bis 16f [X.] zu gewähren ist. Diese Vorschrift greift hier - wie das [X.] zutreffend erkannt hat - nicht ein. Zunächst besteht ein Anspruch des [X.] auf [X.] dem Grunde nach bereits ab [X.], während er erst ab 12.10.2004 [X.] von der [X.] erhalten hat. Insofern schließt also der Anspruch auf [X.] nicht an einen [X.]-Bezug an, sondern geht ihm voraus. Auch für die [X.] nach Beendigung des [X.] (am 9.11.2004) lässt sich die Berechnung des [X.] nicht auf § 16d [X.] stützen. Denn zum 10.11.2004 ist kein neuer [X.]-Anspruch entstanden; vielmehr ist dieser für die [X.] des [X.]-Bezuges bestehen geblieben. Ein [X.] [X.] wäre lediglich gemäß § 16f Abs 3 [X.] [X.] um den (um gesetzliche Abzüge verminderten) Betrag von Geldleistungen (wie dem [X.]) zu kürzen, die eine öffentlich-rechtliche Stelle im Zusammenhang mit der Heil- und Krankenbehandlung oder Badekur gewährt hat.

        

Die auf abhängig Beschäftigte zugeschnittene Regelung des § 16a [X.] wird durch § 16b [X.] ergänzt, der - soweit hier von Interesse - in der vom 1.7.1990 bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung des Gesetzes über die neunzehnte Anpassung der Leistungen nach dem [X.] sowie zur Änderung weiterer sozialrechtlicher Vorschriften ([X.] 1990 - [X.] 1990) vom 26.6.1990 ([X.] 1211) wie folgt lautet:

        
        

(1)

Hat der Berechtigte unmittelbar vor Eintritt der [X.] Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (§§ 13 bis 14 Einkommensteuergesetz <EStG>), Gewerbebetrieb (§ 15 bis 17 EStG) oder aus selbstständiger Arbeit (§ 18 EStG) erzielt, ist § 16a entsprechend anzuwenden.

        

(2)

Bemessungszeitraum ist das letzte Kalenderjahr, für das ein Einkommensteuerbescheid vorliegt. Das [X.] ist für Kalendertage zu zahlen. Als [X.] gelten die Gewinne, die der Veranlagung zur Einkommensteuer zugrunde gelegt worden sind. Ein Verlustausgleich zwischen einzelnen Einkommensarten ist nicht vorzunehmen …

        

(3)

Findet eine Veranlagung zur Einkommensteuer nicht statt, ist Bemessungszeitraum das letzte vor Beginn der [X.] abgelaufene Kalenderjahr, für das der Berechtigte die Gewinne nachweisen kann; die nachgewiesenen Gewinne gelten als [X.].

        

(4)

Kann ein [X.] nach Abs 2 oder 3 nicht festgestellt werden oder ergibt ein nach Abs 2 oder 3 festgestelltes [X.] wegen wesentlicher Änderungen nach Ende des [X.] oder aus anderen Gründen keinen angemessenen Maßstab für den Einkommensverlust, so ist das [X.] unter Berücksichtigung der Gesamtverhältnisse festzusetzen.

Zu Recht sind der Beklagte und die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass im vorliegenden Fall für die Bemessung des [X.]s § 16b Abs 4 [X.] maßgebend ist. Abs 2 dieser Vorschrift ist nicht einschlägig, weil der letzten Veranlagung zur Einkommensteuer (Einkommensteuerbescheid für das [X.]) keine Gewinne aus Gewerbebetrieb bzw selbstständiger Arbeit (vgl § 2 Abs 2 Satz 1 [X.] EStG) zugrunde gelegt worden sind. Ebenso wenig führt § 16b Abs 3 [X.] weiter, weil auch im letzten vor Beginn der [X.] abgelaufenen Kalenderjahr (2003) noch keine selbstständige (gewerbliche) Tätigkeit verrichtet worden ist. Ein Nachweis von Gewinnen ist demnach insoweit schon aus diesem Grunde unmöglich.

Das [X.] des Klägers ist somit "unter Berücksichtigung der Gesamtverhältnisse" festzustellen. Dabei handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der von der Rechtsprechung auszufüllen ist (aA zur Vorgängervorschrift des § 16b Abs 1 Satz 10 [X.] idF des [X.], [X.] 1881, [X.], ZfS 1975, 175, 178, der insoweit von einer "[X.] der Versorgungsbehörde" spricht). Dabei kann der Senat auf die Rechtsprechung des B[X.] zu § 16b Abs 1 Sätze 9 und 10 [X.] in der bis zum 30.6.1990 geltenden Fassung zurückgreifen. Diese Sätze lauteten - seit dem [X.] ([X.] 1881) - wie folgt:

        

Findet eine Veranlagung zur Einkommensteuer nicht statt, so hat der Berechtigte die Gewinne nachzuweisen. Ist er hierzu nicht in der Lage, so sind die Gewinne unter Berücksichtigung der Gesamtverhältnisse festzusetzen.

        

Diese Regelung wurde durch Art 1 [X.] d [X.] 1990 ausgebaut und durch die in § 16b [X.] neu eingefügten Abs 3 und 4 ersetzt. Zur Begründung heißt es dazu in der Beschlussempfehlung und im Bericht des Ausschusses des Deutschen Bundestages für Arbeit und Sozialordnung (BT-Drucks 11/7097, [X.]):

        
        

 Die Änderungen zu § 16b sollen bei Selbstständigen, deren Einkommen sich nach Ende des [X.] wesentlich geändert hat, die Feststellung eines zeitnahen und angemessenen [X.]s ermöglichen. Eine genauere Regelung für alle denkbaren Fälle ist allerdings nicht möglich. Deswegen ist in Abs 4 nur in allgemeiner Form die Festsetzung des [X.]s "unter Berücksichtigung der Gesamtverhältnisse" vorgesehen (vgl die Formulierung im bisherigen Abs 1 Satz 10). Als möglicher Maßstab für den aktuellen Einkommensverlust und damit als Anhaltspunkt für die Festsetzung des [X.]s kommen zB in Frage:
Das - bisher im Gesetz nur für bestimmte Fälle als Berechnungsgrundlage vorgesehene - Durchschnittseinkommen der Berufs- und Wirtschaftsgruppe, der der Berechtigte angehört, oder - der Rechtsprechung folgend - das Einkommen von ähnlich tätigen Angestellten oder in geeigneten Fällen tatsächliche oder fiktive Aufwendungen für einen während der [X.] einzusetzenden Vertreter. Die geltenden Verwaltungsvorschriften zu § 16b können weiterhin angewendet werden.

Dadurch kommt - worauf der Kläger zu Recht hinweist - deutlich genug zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber mit dieser Neuregelung auch an die vorliegende Rechtsprechung des B[X.] anknüpfen wollte. Dementsprechend ist bei der Auslegung des § 16b Abs 4 [X.] von folgenden Grundsätzen auszugehen:

Der Gesetzgeber wollte mit § 16b [X.] den Schwierigkeiten und Besonderheiten Rechnung tragen, die eine Bestimmung des [X.]s bei Selbstständigen mit sich bringt. Ziel war es dabei, eine praktikable Regelung zu treffen, die eine möglichst schnelle Entscheidung über die Höhe des [X.] ermöglicht. Denn das [X.] ist mit Beginn der [X.] fällig und soll seiner Zweckbestimmung entsprechend, während der [X.] die wirtschaftliche Basis des Berechtigten aufrechtzuerhalten, möglichst sofort gezahlt werden (vgl dazu B[X.] SozR 3100 § 16b [X.]; B[X.] SozR 3100 § 16b [X.]). Folglich dürfen bei der Festsetzung des [X.]s nur Beweismittel verwertet werden, die vorliegen oder zumindest ohne größeren [X.]aufwand sofort beschafft werden können (B[X.] SozR 3100 § 16b [X.]). Die Einholung eines umfangreichen Sachverständigengutachtens scheidet somit von vornherein aus (vgl dazu B[X.], Urteil vom 10.8.1983 - 9a [X.] - juris Rd[X.]2 f).

Folglich hat das B[X.] angenommen, dass die Festsetzung des [X.]s (damals noch des Gewinns) nach den [X.]n eine Schätzung des durch die [X.] verursachten wirtschaftlichen Schadens ermöglicht (vgl B[X.], aaO Rd[X.]5; ebenso B[X.] SozR 3100 § 16b [X.]). Zwar orientiert sich diese Schätzung nach der gesetzgeberischen Konzeption in erster Linie an der Einkommenslage vor der [X.] (vgl § 16b Abs 2 und 3 [X.]). Darauf kann jedoch gerade bei Unternehmen in der Aufbauphase - wie hier - nicht zurückgegriffen werden, weil insoweit keine über Jahre in etwa konstante Einkommenssituation vorliegt, die für die [X.] der [X.] hypothetisch fortgeschrieben werden könnte (vgl dazu B[X.] SozR 3100 § 16b [X.]). Der Wert der ausgefallenen Arbeitskraft eines Selbstständigen erweist sich gerade in solchen Fällen unter Umständen erst nach Jahren (vgl B[X.] SozR 3100 § 16b [X.]). Die Schätzung ist dann allgemein darauf gerichtet, dem selbstständigen Beschädigten für den zeitweisen Ausfall seiner Arbeitsfähigkeit eine angemessene Entschädigung zu geben (vgl dazu B[X.] SozR 3100 § 16b [X.] f). Als sachgerechte Bemessungsgröße hat das B[X.] insoweit die Kosten eines tatsächlichen oder fiktiven Vertreters angenommen (vgl B[X.] SozR 3100 § 16b [X.]).

Entgegen der Auffassung des [X.] kommt eine solche Vorgehensweise nicht nur dann in Betracht, wenn wenigstens langfristig ein Gewinn aus der der Bemessung zugrunde liegenden selbstständigen Tätigkeit zu erwarten ist. Der Senat hat in der vom [X.] zitierten Entscheidung (B[X.] SozR 3100 § 16b [X.]) lediglich ausgeführt, es bestehe kein einleuchtender Grund, [X.] dann zu versagen, wenn der Berechtigte zwar vor der [X.] als Selbstständiger Einnahmen erzielt habe, aber keinen Gewinn nachweisen könne. Dies gelte "jedenfalls" dann, wenn kein Anhalt dafür bestehe, dass der Selbstständige auch ohne langfristig zu erwartenden Gewinn arbeite. Soweit durch diese Formulierung der Eindruck erweckt worden ist, die Gewährung von [X.] solle von einer langfristigen Gewinnprognose abhängig gemacht werden, stellt der Senat jetzt klar, dass er ein derartiges Kriterium schon deshalb nicht für sachgerecht hält, weil sich eine langfristige Prognose grundsätzlich nur mit sachverständiger Hilfe erstellen lässt. Eine derartige zeitraubende Beweiserhebung ist im Rahmen des § 16b [X.] gerade nicht angebracht.

Um den Wert der durch die [X.] ausgefallenen Arbeitskraft des selbstständigen Beschädigten an den Kosten eines fiktiven Vertreters orientieren zu können, sind allerdings die berufliche Qualifikation des Beschädigten und die von diesem in der [X.] vor der [X.] entwickelten beruflichen Aktivitäten möglichst genau festzustellen. Dies gilt insbesondere dann, wenn Zweifel bestehen, ob der Beschädigte überhaupt in nennenswertem Umfang erwerbstätig gewesen ist. Die bloße Anmeldung eines Gewerbes reicht insoweit jedenfalls nicht aus.

Da das [X.] seiner Entscheidung eine andere Rechtsauffassung zugrunde gelegt hat, sind von ihm zu den vom Senat als maßgeblich angesehenen Punkten keine hinreichenden Feststellungen getroffen worden. Durch § 163 [X.]G ist der Senat gehindert, ergänzende Ermittlungen selbst anzustellen. Aus diesem Grunde ist das Berufungsurteil nach § 170 Abs 2 Satz 2 [X.]G aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen. Dieses Gericht wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Meta

B 9 VS 1/09 R

29.04.2010

Bundessozialgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: VS

vorgehend SG Itzehoe, 4. April 2007, Az: S 6 VS 157/05, Urteil

§ 16 Abs 1 Buchst a BVG vom 30.11.2000, § 16a Abs 1 BVG vom 06.04.1998, § 16b Abs 1 S 9 BVG vom 23.03.1990, § 16b Abs 1 S 10 BVG vom 23.03.1990, § 80 S 1 SVG vom 09.04.2002, § 16b Abs 4 BVG vom 26.06.1990

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 29.04.2010, Az. B 9 VS 1/09 R (REWIS RS 2010, 7076)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 7076

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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