Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.06.2018, Az. 4 StR 646/17

4. Strafsenat | REWIS RS 2018, 7631

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:190618B4STR646.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 646/17

vom
19. Juni
2018
in der Strafsache
gegen

wegen Betruges

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des [X.]

zu
1. mit dessen Zustimmung und zu
2. auf dessen Antrag

am 19.
Juni 2018 gemäß §
154a Abs.
2, §
349
Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 18.
Juli 2017 wird
a)
der [X.], soweit er sich auf Zahlungen des [X.] des [X.] für die Monate Dezember 2007 bis einschließlich April 2009 bezieht, von der Strafverfolgung ausgenommen; die insoweit entstandenen Verfahrens-kosten und notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Staatskasse;
b)
das vorgenannte Urteil im Ausspruch über die [X.] dahin abgeändert, dass die Einziehung eines Betrages von 187.765,06

angeordnet wird.
2.
Im Übrigen wird die Revision als unbegründet verworfen; in-soweit trägt der Beschwerdeführer die Kosten des Rechts-mittels.

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3
-
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Betruges unter Einbezie-hung dreier Einzelstrafen aus einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfrei-heitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Ferner hat es die Ein-ziehung eines Betrages in Höhe von 247.089,25

Hiergegen wen-det sich der Angeklagte mit seiner allgemein auf die Rüge der Verletzung mate-riellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel führt zu der aus der [X.] ersichtlichen Beschränkung der Strafverfolgung und damit einhergehend zu
einer Änderung der Einziehungsentscheidung; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des §
349 Abs.
2 StPO.
1.
a)
Nach den Feststellungen des [X.]s lebte der erwerbslose Angeklagte ab August 2007 mit seinem Vater, der Beamter im Ruhestand war und monatliche Ruhegehaltszahlungen sowie [X.] vom [X.] des [X.] ([X.]) bezog, in einer gemeinsamen Wohnung in [X.]. Ruhegehalt und [X.] wurden auf ein im Jahr 2006 eingerichtetes Konto eingezahlt, für das sowohl der Ange-klagte als auch sein Vater verfügungsberechtigt waren.
Nach dem Tod seines [X.] am 4.
November 2007 entschied sich der Angeklagte, das [X.] hierüber in Unkenntnis zu lassen. Er wollte für möglichst lange Zeit Ruhegehalt und
[X.] seines [X.] beziehen und für seinen eigenen Lebensunterhalt verwenden. Das [X.] erlangte in der Folgezeit keine Kenntnis vom Tod des [X.] des Angeklagten und zahlte für die Zeit von [X.] 2007 bis einschließlich Januar 2015 monatlich Ruhegehalt und Witwer-geld auf das genannte Konto aus, insgesamt 313.506,87

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4
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Mit zwei an den Vater des Angeklagten adressierten Schreiben vom 6.
März 2009 und vom 12.
März 2010 mahnte das [X.] jeweils die Übersen-dung einer Steuerkarte an. Der Angeklagte, der verhindern wollte, dass das [X.] vom Tode seines [X.] erfuhr, beantwortete die Schreiben unter dem 25.
März 2009 und unter dem 24.
März 2010, wobei er, insbesondere durch die Imitation der Unterschrift seines [X.], den Eindruck erweckte, dieser habe die Schreiben verfasst. Er erklärte unter anderem, keine Lohnsteuererklärung mehr abgeben zu wollen und eine Mehrbesteuerung in Kauf zu nehmen.
Wie von dem Angeklagten beabsichtigt, ging das [X.] aufgrund der Schreiben davon aus, dass der Vater des Angeklagten weiterhin lebe. Erst [X.] 2014 fiel bei einer behördeninternen Prüfung auf, dass seit Ende 2007 kein [X.] mehr gestellt worden war; durch eine daraufhin veranlasste An-frage beim zuständigen Einwohnermeldeamt erlangte das [X.] Kenntnis vom Tod des [X.] des Angeklagten. Mit Wirkung ab Februar 2015 stellte es die Zahlungen ein.
b)
Das [X.] hat eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen [X.] durch Unterlassen angenommen. Aus dem in §
64 Abs.
4 L[X.] [X.]V.m.
§
118 Abs.
4 SGB
VI geregelten Erstattun§
60 Abs.
1 Satz
2 SGB

ergeben, das [X.] über den Tod seines [X.] zu informieren. Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift sei gerechtfertigt, da anderenfalls ein unberechtig-ter Empfänger von beamtenrechtlichen Ruhegehaltszahlungen günstiger ge-stellt werde als ein unberechtigter Empfänger von Rentenleistungen.
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6
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5
-
2.
Der Senat nimmt aus verfahrensökonomischen Gründen den Betrugs-vorwurf mit Zustimmung des [X.]
gemäß §
154a Abs.
2 StPO von der Strafverfolgung aus, soweit er sich auf Zahlungen des [X.] für den Zeitraum von Dezember 2007 bis einschließlich April 2009 bezieht. Die Verfahrensbeschränkung hat zugleich die aus der [X.] ersichtliche Änderung des [X.] über die Einziehung des Wertes von Taterträgen zur Folge.
3.
In dem nach der Verfahrensbeschränkung verbleibenden Umfang hält die Verurteilung des Angeklagten wegen Betruges sachlich-rechtlicher Nach-prüfung im Ergebnis stand.
a)
Soweit das [X.] auf eine Täuschung durch Unterlassen abge-stellt hat, begegnet dies allerdings rechtlichen Bedenken, da eine strafrechtliche Garantenpflicht (§
13 StGB) des Angeklagten, aufgrund derer er das [X.] über den Tod seines [X.] hätte informieren müssen, nicht bestand.
aa)
Soweit das [X.] zur Begründung einer gesetzlichen Garan-tenstellung auf die Vorschrift des §
64 Abs.
4 L[X.] [X.]V.m.
§
118 Abs.
4 SGB
VI und eine damit verknüpfte analoge Anwendung von §
60 Abs.
1 Satz
2 SGB
I abgestellt hat, geht dies bereits im Ansatz fehl, da §
64
L[X.] [X.] erst mit dem Dienstrechtsmodernisierungsgesetz für das [X.] vom 14.
Juni 2016 (GV.
[X.]. 2016, S.
310) eingeführt worden und erst zum 1.
Juli 2016

mithin geraume Zeit nach Beendigung des Tatzeitraums

in Kraft getreten ist.
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bb)
Eine strafrechtliche Garantenpflicht bestand aber auch nicht aufgrund der zur Tatzeit geltenden Vorschriften.
(1)
Zu Beginn des Tatzeitraums galt für Beamte des [X.] gemäß Art.
125a Abs.
1 Satz
1 GG weiterhin das [X.], da der Landesgesetzgeber von seiner Gesetzge-bungskompetenz, die durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28.
August 2006 ([X.]
I, S.
2034, 2035) auf ihn übergegangen war, noch kei-nen
Gebrauch gemacht hatte.
Zwar enthielt das Beamtenversorgungsgesetz des [X.] in seiner zu Beginn des Tatzeitraums geltenden Fassung in §
52 Abs.
5 eine Erstattungs-pflicht desjenigen, der dem Versorgungsberechtigten zustehende Geldleistun-gen nach dessen Tod in Empfang genommen hatte. Eine neben diese Erstat-tungspflicht tretende Mitteilungspflicht sah das [X.]

auch in späteren Gesetzesfassungen

jedoch nicht vor.
(2)
Eine strafrechtliche Garantenpflicht folgt auch nicht aus
einer analo-gen Anwendung der sozialrechtlichen Vorschrift des §
60 Abs.
1 Satz
2 SGB
I.
Es fehlt bereits an einer planwidrigen Regelungslücke als Voraussetzung für eine Analogie. Vielmehr hat der Gesetzgeber in §
62 [X.] spezifische Regelungen dazu getroffen, bei welcher Änderung versorgungsrelevanter Um-stände eine Anzeigepflicht des Beamten besteht. Zudem enthält §
62 Abs.
2 Satz
1 Nr.
3 [X.] auch Anzeigepflichten des verwitweten Ehepartners des Beamten. Da schließlich §
52 Abs.
5 [X.] nur eine Erstattungspflicht für zu Unrecht nach dem Tod des Versorgungsberechtigten erbrachte Leistungen, 11
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indes keine diesbezügliche Anzeigepflicht vorsah, mithin dem Gesetzgeber die vorliegend in Rede stehende Fallgestaltung vor Augen stand, kann nicht davon ausgegangen werden, dass insoweit die Regelung einer Anzeigepflicht für an-dere Personen als den Beamten selbst und den verwitweten Ehepartner des Beamten planwidrig unterblieben ist.
Aus dem durch das Gesetz zur Neuordnung und Modernisierung des [X.]rechts vom 5.
Februar 2009 ([X.]
I, S.
160) in §
52 Abs.
4 [X.] eingeführten Verweis auf §
118 Abs.
4 SGB
VI

diese Vorschrift regelt eine Erstattungspflicht für zu Unrecht erbrachte Rentenleistungen nach dem Tod des Berechtigten

ergibt sich nichts anderes. Durch diese dynamische Verweisung sollte lediglich eine Anpassung an die rentenrechtliche Regelung erfolgen und eine fortlaufende Neuregelung des Erstattungsanspruches im [X.] entbehrlich werden (vgl. BT-Drucks. 16/7076, S.
160). Dass durch den Verweis auf das Sozialgesetzbuch weitergehende Verpflichtungen

ins-besondere weitere Mitteilungspflichten

geschaffen werden sollten, ist nicht ersichtlich; denn
ein Verweis auf §
60
Abs.
1 Satz
2
SGB
I ist gerade nicht er-folgt.
Es bedarf daher vorliegend keiner Entscheidung, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen sich aus der sozialrechtlichen Regelung des §
60 Abs.
1 Satz
2 SGB
I überhaupt eine strafrechtliche Garantenpflicht erge-ben kann (vgl. zum Streitstand bezüglich nach dem Tod des Berechtigten fort-gezahlter Rentenleistungen [X.], Beschluss vom 14.
August 2017

1
OLG
2
Ss
37/17, juris; [X.], [X.], 520
ff.; jeweils mwN).
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b)
Die Feststellungen tragen jedoch eine Verurteilung des Angeklagten wegen Betruges durch eine aktive Täuschungshandlung. Durch das von ihm verfasste Schreiben vom 25.
März 2009 erweckte der Angeklagte gegenüber dem [X.] gezielt den Eindruck, dass sein Vater noch lebe. Infolge der hierdurch hervorgerufenen Fehlvorstellung auf Seiten des [X.] wurden die monatlichen Auszahlungen nicht beendet, sondern bis einschließlich Januar 2015 weiterhin vorgenommen. Daher ist jedenfalls bezüglich der ab Ende April 2009 erfolgten Auszahlungen eine Strafbarkeit wegen Betruges gegeben.
c)
Die Vorschrift des §
265 StPO steht einer Verurteilung des Angeklag-ten auf Grundlage einer aktiven Täuschung nicht entgegen. Es ist auszuschlie-ßen, dass sich der Angeklagte gegen den Vorwurf des Betruges durch [X.] wirksamer als geschehen hätte verteidigen können, zumal sein hierfür maßgebliches Schreiben vom 25.
März 2009

ebenso wie sein weiteres Schreiben vom 24.
März 2010

bereits im [X.] genannt ist.
d)
Der Senat schließt ebenfalls aus, dass die
Strafkammer angesichts des um 59.423,19

also um weniger als ein Fünftel

verringerten Schadens-umfangs eine niedrigere Strafe verhängt hätte, da sie bei der Bemessung der [X.] im Rahmen des §
263 Abs.
3 StGB nicht die konkrete Schadens-höhe in den Mittelpunkt ihrer Erwägungen gerückt, sondern maßgeblich darauf abgestellt hat, dass die erhebliche Schadenshöhe die Grenze für das Vorliegen eines Vermögensverlustes großen Ausmaßes weit überschritten habe.
4.
Da der nicht von der Verfahrensbeschränkung betroffene Teil des
Urteils durch Verwerfung der Revision rechtskräftig wird, war auch die Ent-scheidung nach §
154a Abs.
2 StPO mit einer Kostenentscheidung zu verbin-18
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21
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9
-
den (vgl. [X.], Beschlüsse vom 31.
Mai 2016

3
StR
54/16, StraFo
2016, 346; vom 15.
Juni 1993

4
StR
287/93, [X.]R StPO §
154a Kostenentscheidung
1;
[X.], 7.
Aufl., §
154a Rn.
12; [X.]/Beulke, 26.
Aufl., §
154a Rn.
27).
[X.]
Roggenbuck
Quentin
Feilcke
Ri[X.] Dr.
Paul ist im Urlaub und daher gehindert zu unter-schreiben.
[X.]

Meta

4 StR 646/17

19.06.2018

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.06.2018, Az. 4 StR 646/17 (REWIS RS 2018, 7631)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 7631

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