Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.06.2011, Az. XII ZB 43/11

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 5919

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.] 43/11

vom

8.
Juni 2011

in der Betreuungssache

Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 1908 b Abs. 1; FamFG § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, § 271 Nr. 1
a)
Sieht das Betreuungsgericht von der vollständigen schriftlichen Bekanntgabe ei-nes Gutachtens an den Betroffenen ab, weil zu besorgen ist, dass die [X.] die Gesundheit des Betroffenen schädigen oder zumindest ernsthaft gefährden werde, muss ein Verfahrenspfleger bestellt, diesem das Gutachten übergeben werden und die Erwartung gerechtfertigt sein, dass der Verfahrenspfleger mit dem Betroffenen über das Gutachten spricht (im [X.] an Senatsbeschluss vom 11.
August 2010 -
XII
[X.] 138/10
-
BtPrax 2010, 278).
b)
Die Entlassung des bisherigen Betreuers gemäß §
1908
b Abs.
1 BGB wird nicht von den §§
70 Abs.
3 Satz
1 Nr.
1, 271 Nr.
1 FamFG erfasst (im [X.] an Se-natsbeschluss vom 18.
Mai 2011 -
XII
[X.] 671/10).
BGH, Beschluss vom 8. Juni 2011 -
XII [X.] 43/11 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat
des Bundesgerichtshofs hat am 8.
Juni 2011
durch die [X.] Richterin Dr.
Hahne, die Richterin [X.] und die Richter Dr.
Klinkhammer, Dr.
Günter
und Dr.
Nedden-Boeger
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 5.
Zivilkammer des [X.] vom 6.
Januar 2011 aufgehoben.
Das Verfahren wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung -
auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens
-
an das [X.] zurückverwiesen.
Wert: 3.000

Gründe:

I.
Für den Betroffenen besteht seit
Januar 2010
eine Betreuung. Er leidet an einem
hirnorganischen Psychosyndrom als Folge einer Langzeitbeatmung.
Das Amtsgericht bestellte die weitere Beteiligte als Betreuerin in den [X.]n Regelung von Wohnungs-, Heim-
und Behördenangelegen-heiten und Vermögenssorge. Mit Schreiben vom 25.
August 2010 regte die Be-treuerin die Erweiterung der Betreuung auf den Aufgabenkreis Gesundheitsfür-1
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-
3
-
sorge und die Anordnung eines [X.] für Vermögenssorge an.

Das Amtsgericht hat nach Einholung eines schriftlichen Sachverständi-gengutachtens, welches dem Betroffenen nur im Ergebnis und nur mündlich mitgeteilt
wurde,
die Betreuung um den
Aufgabenkreis
Gesundheitsfürsorge erweitert und einen Einwilligungsvorbehalt für die Vermögenssorge angeordnet.
Die dagegen vom Betroffenen persönlich eingelegte Beschwerde, mit der er außerdem die Entlassung der [X.] und die Bestellung des
Rechtsanwalts H.

B.

aus T.

an deren Stelle verlangt,
hat das [X.] ohne erneute Anhörung zurückgewiesen. Einen Verfahrenspfleger hat
weder das Amtsgericht noch das [X.] bestellt.
Das Amtsgericht hat dies damit begründet, dass der Betroffene an der Bestellung eines Verfahrens-pflegers
kein Interesse habe, denn durch die Anordnung der Betreuung werde sich die konkrete Lebenssituation des Betroffenen nicht ändern.
Das [X.] hat das Absehen von der Bestellung eines Verfahrenspflegers nicht [X.].
Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt
der Betroffene
die Zurückweisung der Anträge der Betreuerin sowie deren Entlassung aus dem Amt weiter.

II.
1. Die Rechtsbeschwerde ist nach §
70 Abs.
3 Satz
1 Nr.
1 FamFG [X.], soweit mit ihr die Erweiterung der [X.] und die Anordnung des [X.] angegriffen wird, und auch sonst zulässig. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache an das [X.].
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-
4
-
Die angefochtene
Entscheidung verletzt
-
wie von der Rechtsbeschwerde zutreffend gerügt
-
das Recht des
Betroffenen auf rechtliches Gehör.
Das Amtsgericht hat seinen Beschluss tragend auf ein Gutachten ge-stützt, das der Facharzt
Dr.
D. am 19.
Oktober 2010 erstattet hat. Entsprechend der Empfehlung des Gutachters ist das Gutachten dem Betroffenen nicht aus-gehändigt worden, um das paranoide Erleben des Betroffenen nicht zu verstär-ken.
Zwar kann von der vollständigen schriftlichen Bekanntgabe eines Gut-achtens abgesehen werden, wenn zu besorgen ist, die Bekanntgabe werde die Gesundheit des Betroffenen schädigen oder zumindest ernsthaft gefährden. In einem solchen Fall muss jedoch ein Verfahrenspfleger bestellt werden, diesem das Gutachten übergeben werden und die Erwartung gerechtfertigt sein, dass der Verfahrenspfleger mit dem Betroffenen über das Gutachten spricht (Se-natsbeschluss vom 11.
August 2010 -
XII
[X.]
138/10
-
BtPrax 2010, 278 mwN). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Betroffene nicht anwaltlich vertreten ist. Im vorliegenden Verfahren war für den anwaltlich nicht vertretenen Betroffenen kein Verfahrenspfleger bestellt.
Dem angefochtenen Beschluss sind mithin Tatsachen zugrunde gelegt worden, zu denen der
Betroffene sich -
mangels Kenntnis
-
weder selbst noch durch einen Verfahrenspfleger oder Verfahrensbevollmächtigten äußern
konnte.
2. Nicht statthaft ist die Rechtsbeschwerde, soweit der Betroffene mit ihr die Entlassung der [X.] und die Bestellung eines von ihm benann-ten Rechtsanwalts an deren Stelle weiterverfolgt. Denn insoweit liegen die Vor-
aussetzungen für eine zulassungsfreie Rechtsbeschwerde nicht vor
([X.] vom 9.
Februar 2011 -
XII
[X.]
364/10
-
FamRZ
2011, 632 Rn.
9; vom 18.
Mai 2011 -
XII
[X.]
671/10
-
und vom 25.
Mai 2011 -
XII
[X.]
283/10).
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-
Abgesehen davon ist die Entlassung der [X.] bereits nicht Verfahrensgegenstand der Rechtsbeschwerde
geworden.
Denn Gegenstand des Beschwerdeverfahrens kann grundsätzlich nur der Verfahrensgegenstand sein, über den im ersten Rechtszug entschieden worden ist. Das ergibt sich aus dem Wesen des Rechtsmittelverfahrens, das notwendigerweise keine andere Angelegenheit betreffen darf als diejenige, die Gegenstand der angefochtenen Entscheidung gewesen ist (Senatsbeschluss vom 5.
Januar 2011 -
XII
[X.]
240/10
-
FamRZ
2011, 367 Rn.
7 mwN).

Verfahrensgegenstand im ersten Rechtszug waren
hier allein die Erwei-terung der Betreuung um den Aufgabenkreis der Gesundheitsfürsorge und die Anordnung des [X.]
(§§
1896 Abs.
1, 1903 Abs.
1 BGB). Nur darüber hat das Betreuungsgericht im ersten Rechtszug entschieden und nur dieser Gegenstand ist in der Beschwerdeinstanz angefallen. Daran ändert auch nichts, dass der angefochtene Beschluss abseits des Beschwerdegegen-standes Ausführungen zur Veranlassung eines [X.]s enthält.
Der
Antrag des Betroffenen auf [X.] ist in erster Instanz noch nicht behandelt und beschieden. Der Nichtabhilfebeschluss des Amtsge-richts vom 14.
Dezember 2010 stellt keine Entscheidung über den selbständi-gen Antrag auf [X.] dar. Diese
steht vielmehr noch aus, und zwar auf der Grundlage nicht nur des §
1908
b Abs.
1 BGB, sondern insbesondere 11
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des §
1908
b Abs.
3 BGB.
Zweifel an der Eignung des vom Betroffenen selbst vorgeschlagenen Rechtsanwalts als Betreuer sind bisher nicht aktenkundig.

Hahne

[X.]

Klinkhammer

Günter

Nedden-Boeger
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 10.11.2010 -
9 [X.] 106/09 -

LG [X.], Entscheidung vom 06.01.2011 -
5 T 260/10 -

Meta

XII ZB 43/11

08.06.2011

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.06.2011, Az. XII ZB 43/11 (REWIS RS 2011, 5919)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5919

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