Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.10.2023, Az. 2 StR 236/23

2. Strafsenat | REWIS RS 2023, 9484

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 2. März 2023 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung freigesprochen, da ihm zum Tatzeitpunkt aufgrund drogeninduzierter Psychose die [X.] gefehlt habe; es hat seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat bereits mit der Sachrüge Erfolg; auf die Verfahrensrügen kommt es mithin nicht an.

2

1. Die Anordnung der Maßregel nach § 64 StGB hat keinen Bestand.

3

a) Der Senat hat seiner Entscheidung gemäß § 354a StPO die zum 1. Oktober 2023 in [X.] getretene Neufassung des § 64 StGB ([X.]) zugrunde zu legen. Die dort normierten und nach § 2 Abs. 6 StGB auch für Altfälle geltenden Voraussetzungen für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt werden durch das Urteil nicht hinreichend belegt. Das gilt namentlich für den erforderlichen symptomatischen Zusammenhang zwischen dem Substanzkonsum des [X.] und der Begehung von Straftaten; die [X.] muss nun „überwiegend“ auf den Hang zurückgehen, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Nach dem Willen des Gesetzgebers reicht eine bloße Mitursächlichkeit des Hangs für die Tat nur noch dann aus, wenn sie andere Ursachen quantitativ überwiegt. Das Vorliegen dieses Kausalzusammenhangs ist durch das Tatgericht – gegebenenfalls unter sachverständiger Beratung – positiv festzustellen (BT-Drucks. 20/5913, S. 69 f.).

4

b) Bei seiner vor Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens getroffenen Entscheidung hat das [X.] diesen strengeren Anordnungsmaßstab nicht anwenden können. Es hat letztlich festgestellt, dass der anhaltende und nicht unerhebliche Cannabiskonsum des Angeklagten bei ihm eine Psychose ausgelöst habe, die wiederum in [X.] Verhalten mit erheblicher Gewalteinwirkung mündete, wobei die Suchterkrankung des Angeklagten „nicht regelhaft zum Ausbruch von Schuld vermindernden oder ausschließenden Psychosen“ führe. Das [X.] hat damit zwar eine – zum Urteilszeitpunkt für die Unterbringung nach § 64 Satz 1 StGB aF ausreichende – Mitursächlichkeit seines [X.] für die Straftat des Angeklagten belegt; es fehlt jedoch eine Aussage zu der nunmehr entscheidenden Frage, inwieweit dieser Hang ausschlaggebend („überwiegend“) für die verfahrensgegenständliche Tat war.

5

2. Die Frage der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bedarf somit – naheliegend unter Hinzuziehung eines anderen Sachverständigen (§ 246a Abs. 1 Satz 2 StPO) – erneuter Prüfung und Entscheidung. Der Senat hebt die zugehörigen Feststellungen auf, um dem Tatgericht widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen. Dieses wird dabei zu beachten haben, dass nunmehr das Vorliegen eines Hangs im Sinne einer Substanzkonsumstörung nicht mehr ohne Weiteres aus Art und Umfang des [X.] gefolgert werden kann. Zudem setzt § 64 Satz 2 StGB nunmehr voraus, dass der Behandlungserfolg „aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte zu erwarten“ ist. Durch die Neufassung der Vorschrift sind die Anforderungen an eine günstige Behandlungsprognose „moderat angehoben“ worden, indem jetzt – nach Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit und aller sonstigen maßgebenden Umstände – „eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades“ vorausgesetzt wird (vgl. BT-Drucks. 20/5913, [X.]).

[X.] Prof. Dr. Krehl ist
beurlaubt, ortsabwesend
und an der Unterschrift
gehindert

        

Eschelbach     

        

Zeng   

Eschelbach

                                   
        

     Schmidt     

        

Lutz     

        

Meta

2 StR 236/23

24.10.2023

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Gießen, 2. März 2023, Az: 9 KLs - 305 Js 34178/21

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.10.2023, Az. 2 StR 236/23 (REWIS RS 2023, 9484)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 9484

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 StR 373/23 (Bundesgerichtshof)


3 StR 370/23 (Bundesgerichtshof)


5 StR 412/23 (Bundesgerichtshof)


5 StR 246/23 (Bundesgerichtshof)

Unterbringung in Entziehungsanstalt: Feststellungen zur Kausalität eines Drogenkonsums und Anlasstat


5 StR 512/23 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.