Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 21.02.2013, Az. 7 C 22/11

7. Senat | REWIS RS 2013, 7956

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Gegenstand

Genehmigung einer Windfarm; Nebenbestimmungen zum Lärmschutz; Festsetzung eines immissionsbezogenen Kontrollwerts


Leitsatz

Immissionswerte sind untauglich, die Funktion von Kontrollwerten zu erfüllen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen eine Nebenbestimmung des [X.]escheides des [X.]n vom 27. Februar 2003, mit dem ihr die Errichtung und der [X.]etrieb einer Windfarm auf Grundstücken der Gemarkungen [X.], [X.] genehmigt worden sind.

2

Dem im Februar/Juni 2002 gestellten Genehmigungsantrag für 15 Windkraftanlagen (Typ [X.], Nabenhöhe 100 m, Rotordurchmesser 77 m, Leistung 1,5 MW) war eine [X.]sprognose beigegeben, wonach Wohnhäuser in [X.] und L. mit den höchsten Lärmwerten zur Nachtzeit beaufschlagt werden. An diese Werte knüpfen die Nebenbestimmungen des [X.] zum Lärmschutz an:

"IV. Nebenbestimmungen ...

5. Immissionsschutz

...

5.3 Die von der Windfarm verursachte [X.] darf im gesamten Einwirkungsbereich nicht zur Überschreitung der Immissionsrichtwerte nach [X.] an den nachstehenden Immissionsorten ([X.]) führen. Insbesondere dürfen folgende [X.]eurteilungspegel jeweils 0,5 m vor der Mitte des geöffneten Fensters des vom Lärm am stärksten betroffenen schutzbedürftigen Raumes nicht überschritten werden:

- [X.] A   [X.], [X.] ... nachts 38 d[X.](A)

- [X.] [X.]   L., D.straße ... nachts 40 d[X.](A)

[X.] ist die [X.] von 22.00 Uhr bis 06.00 Uhr.

...

5.6 In der Folgezeit hat die [X.] nach jeweils drei Jahren die [X.] entsprechend den vorgenannten [X.]edingungen überprüfen zu lassen. [X.]ei Überschreitung der [X.]eurteilungspegel gemäß Nebenbestimmung [X.] sind von der [X.] emissionsbegrenzende Maßnahmen einzuleiten."

3

Nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren wies das Verwaltungsgericht die gegen die Nebenbestimmungen zum Lärmschutz erhobene Klage, die in der mündlichen Verhandlung zum Teil bereits zurückgenommen worden war, ab. Auf die [X.]erufung der Klägerin hob der [X.] in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht die Nebenbestimmungen Nr. [X.] und 2 vollständig und die Nebenbestimmung Nr. [X.] Satz 2 hinsichtlich des für den Immissionsort [X.] festgesetzten [X.]eurteilungspegels von 38 d[X.](A)/nachts auf und stellte zudem klar, dass der [X.]eurteilungspegel für den Immissionsort L. im Sinne eines [X.]s zu verstehen sei, dessen Überschreitung ein Indiz für einen nicht genehmigungskonformen Anlagenbetrieb darstellen könne. Im Umfang der verbliebenen Nebenbestimmung Nr. [X.] Satz 2 hat das Oberverwaltungsgericht die [X.]erufung zurückgewiesen und dazu ausgeführt:

4

Soweit im Laufe des Verfahrens im Zusammenhang mit den festgelegten [X.] von 38/40 d[X.](A)/nachts von einem Lärmgrenzwert, einem anlagenbezogenen Immissionsgrenzwert oder einem Zielwert die Rede gewesen sei, müsse dies angesichts der nunmehrigen Klarstellung des [X.]n als falsa demonstratio verstanden werden. Die Festsetzung eines [X.]s von nunmehr 40 d[X.](A)/nachts solle das ordnungsgemäße Funktionieren der Anlage im Sinne einer gebotenen Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen sicherstellen, ohne deutlich höhere Richtwerte in Frage zu stellen. Dass der [X.] den Kontrollwert mit einwirkenden Immissionen verbinde, stelle dessen Funktion nicht in Frage, wenngleich die Rechtsprechung des [X.] bisher stets nur an eine Emissionsbetrachtung angeknüpft habe. Zwar seien auf Emissionen einer Anlage abstellende [X.] eindeutiger und besser geeignet, eine Kontrollfunktion auszuüben, zumal das Maß der auftreffenden [X.]en von weiteren, vom Anlagenbetreiber nicht beeinflussbaren Faktoren, wie meteorologische Verhältnisse, ungünstig veränderte [X.]odenverhältnisse, [X.]eseitigung schallhemmender Gebäude oder weitere, nach [X.] in [X.]etrieb gegangene Anlagen, abhängen könne. Hinzu komme, dass bei einem einheitlichen [X.]eurteilungspegel für 15 Einzelanlagen einer Windfarm die Überschreitung eines [X.]s nicht ohne Weiteres einer einzelnen konkreten Anlage oder mehreren bzw. allen Anlagen zugerechnet werden könne. Doch sei auch die Überschreitung eines auf Lärmimmissionen abstellenden [X.]s ein Indiz für einen nicht mehr ordnungsgemäßen Anlagenbetrieb.

5

Die Festlegung eines [X.]eurteilungspegels für Geräuschimmissionen als Kontrollwert sei nicht nur bei Vorliegen besonderer, die Festlegung einer Gefahrenschwelle gegen potentielle schädliche Umwelteinwirkungen gebietender Umstände des konkreten Einzelfalls zulässig. Eine Kontrollfunktion könne nicht durch alleinigen Abgleich mit erheblich über der Leistungsfähigkeit der Anlage liegenden Grenz- oder Richtwerten erreicht werden.

6

Hiergegen wendet sich die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision der Klägerin. Zu deren [X.]egründung trägt sie vor:

7

Die gerichtliche Auslegung der angefochtenen Nebenbestimmung verstoße gegen allgemeine Grundsätze über die Auslegung von Willenserklärungen. Der [X.] habe darin unmissverständlich keine bloßen [X.], sondern als verbindlich verstandene Grenzwerte festgelegt. Der Grundsatz "falsa demonstratio non nocet" erlaube es nicht, einer eindeutigen Regelung nachträglich einen anderen als den gewollten Sinngehalt zu unterlegen.

8

Aber auch unabhängig davon verletze die Entscheidung des [X.] revisibles Recht; weder aus dem Störungsverbot nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.]ImSchG noch aus dem [X.] nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.]ImSchG i.V.m. Nr. 3.3 [X.] ergebe sich eine Rechtsgrundlage für die Festsetzung eines [X.]s. Für die Anlage der Klägerin bestehe kein Kontrollbedarf, da sie - anders als Luftschadstoffe emittierende Anlagen - über keine steuerbaren technischen Vorrichtungen und Ausstattungen verfüge, die für deutlich unter den Richtwerten liegende Lärmemissionen sorgen könnten. Windenergieanlagen wiesen vielmehr über die gesamte [X.]etriebsdauer ein gleichbleibendes akustisches Verhalten auf. [X.] könnten nur festgesetzt werden, wenn die konkrete technische Ausstattung der Anlage zu einer Unterschreitung der gesetzlich vorgegebenen Emissionsgrenzwerte im Regelbetrieb führe. [X.] könnten wegen ihrer Rückkoppelung zur Anlagentechnik zudem nur im [X.]ereich der Emissionen, nicht aber im [X.]ereich der Immissionen sinnvoll eingesetzt werden.

9

Den ursprünglich festgesetzten [X.]eurteilungspegel als anlagenbezogenen Kontrollwert aufrechtzuerhalten, sei auch deshalb nicht möglich, weil in die in [X.]ezug genommene Immissionsprognose zusätzlicher Umgebungslärm einzustellen gewesen sei, der der streitgegenständlichen Windfarm nicht zuzuordnen sei. Ebenso sei es nicht möglich, bei einer Genehmigung von 15 Anlagen den [X.]eurteilungspegel überschreitende Lärmereignisse einer konkreten Windkraftanlage zuzuordnen. Aus erhöhten Immissionswerten könne kein ausreichender Rückschluss auf einen nicht ordnungsgemäßen [X.]etrieb einer konkreten Anlage erfolgen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des [X.] [X.]erlin-[X.]randenburg vom 12. Mai 2011 aufzuheben und die Nebenbestimmung Nr. [X.] Satz 2 des [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. September 2003 insoweit aufzuheben, als in der Nebenbestimmung für den Immissionsort in L. [X.] ([X.]) noch ein [X.]eurteilungspegel unterhalb des [X.] gemäß [X.] festgesetzt wird,

hilfsweise, das Urteil des [X.] [X.]erlin-[X.]randenburg vom 12. Mai 2011 aufzuheben und den [X.]n zu verpflichten, die immissionsschutzrechtliche Genehmigung ohne die angefochtene Nebenbestimmung zu erteilen.

Der [X.] beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

[X.]ei der verbliebenen Nebenbestimmung betreffend den Immissionsort L. handele es sich um die Festsetzung eines [X.]s im Sinne der Rechtsprechung des [X.], der sich am technischen Leistungsvermögen der Anlage mit hinreichendem [X.]ezug zu deren Emissionsverhalten orientiere und der seine Rechtsgrundlage in § 12 Abs. 1 Satz 1 [X.]ImSchG finde. Dieses technische Leistungsvermögen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen sei Gegenstand der Genehmigungsentscheidung; die Genehmigungsbehörde dürfe deshalb durch Nebenbestimmungen absichern, dass die Anlage entsprechend den im Genehmigungsantrag benannten technischen Leistungsparametern betrieben werde. Das könne dadurch geschehen, dass - wie hier - die in den Antragsunterlagen ausgewiesenen Immissionswerte als [X.] festgeschrieben würden. Einem solchen Immissionswert fehle nicht der nötige konkrete Anlagenbezug; denn er beziehe sich auf eine Lärmzusatzbelastung, die der Anlage der Klägerin zuzurechnen sei.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Klägerin zu Unrecht zurückgewiesen.

Die Rüge der Revision, das Gericht habe mit seinem Verständnis der Nebenbestimmung Nr. [X.] als Regelung eines [X.]s verfahrensfehlerhaft gegen allgemeine Grundsätze der Auslegung eines Verwaltungsakts verstoßen, greift zwar nicht durch (1.). Die entscheidungstragende Annahme des Gerichts, der mit der genannten Nebenbestimmung festgesetzte Kontrollwert finde im Vorsorgeprinzip (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.]) eine rechtliche Grundlage, verletzt aber Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 [X.] VwGO). Nach § 144 Abs. 3 Satz 1 [X.] VwGO ist deshalb das Urteil des [X.] aufzuheben und der Klage unter zusätzlicher Aufhebung des Urteils des [X.] antragsgemäß stattzugeben (2.).

1. Mit seinem Verständnis der streitigen Nebenbestimmung Nr. [X.] hat das Oberverwaltungsgericht nicht gegen allgemeine Grundsätze der Auslegung verstoßen. Die Vorinstanz hat ihre Auslegung auf die Erwägung gestützt, dass die Nebenbestimmung missverständlich formuliert sei, aufgrund der im Berufungsverfahren erfolgten Klarstellung durch den [X.]n aber davon ausgegangen werden müsse, dass der festgesetzte Beurteilungspegel nicht als [X.], sondern im Sinne eines [X.]s zu verstehen sei. Die vom [X.]n im Laufe des Verfahrens verwendeten Bezeichnungen Lärmgrenzwert, [X.] oder Zielwert seien als falsa [X.] jederzeit korrigierbar. Diese Ausführungen geben keinen Anlass zu Beanstandungen.

Die Feststellung des konkreten Inhalts eines Verwaltungsakts ist gemäß § 137 Abs. 1 VwGO nicht in vollem Umfang [X.]. Sein Inhalt ist vielmehr tatrichterlich zu ermitteln; das Auslegungsergebnis unterliegt, soweit es Tatsachenfeststellung im Sinne des § 137 Abs. 2 VwGO ist, grundsätzlich nur eingeschränkter revisionsgerichtlicher Kontrolle, die sich namentlich darauf richtet, ob die Auslegung einen Verstoß gegen allgemeine Erfahrungssätze, Denkgesetze oder Auslegungsregeln erkennen lässt (Urteile vom 4. Dezember 2001 - BVerwG 4 [X.] 2.00 - BVerwGE 115, 274 <279 f.> = [X.] 406.27 § 31 BBergG Nr. 2 S. 12 und vom 5. November 2009 - BVerwG 4 [X.] 3.09 - BVerwGE 135, 209 = [X.] 316 § 35 VwVfG Nr. 60). Das trifft hier nicht zu.

Entgegen der von der Revision vertretenen Auffassung hat das Berufungsgericht nicht dadurch gegen den [X.] "falsa [X.] non nocet" verstoßen, dass es die in der Begründung des [X.] und des Widerspruchsbescheides vorgenommene Kennzeichnung des in der Nebenbestimmung [X.] enthaltenen Wertes als "[X.]" für eine unschädliche, nachträgliche Klarstellung zugängliche Falschbezeichnung gehalten hat. Der genannte Grundsatz kommt zwar nur zum Tragen, wenn die Auslegung ergibt, dass die Behörde beim Erlass eines Verwaltungsakts sich im Ausdruck vergriffen hat, nicht hingegen auch dann, wenn sie ihren Regelungswillen zutreffend zum Ausdruck gebracht hat, nunmehr jedoch von der einmal getroffenen Regelung abrücken will. Dem Berufungsurteil lässt sich aber nicht entnehmen, dass das Oberverwaltungsgericht diesen Grundsatz in einem abweichenden Sinne verstanden und angewendet hat. Das Gericht hat die ursprüngliche Kennzeichnung des festgesetzten Wertes als "missverständlich" gewertet und dadurch zum Ausdruck gebracht, dass es nicht davon ausgeht, die Bezeichnung als "Grenzwert" habe den ursprünglichen Willen der Behörde zutreffend zum Ausdruck gebracht. Eine solche Annahme verbietet sich umso mehr, als in der Begründung des [X.] auch Passagen enthalten sind, die das Verständnis als Grenzwert "im technischen Sinne" in Frage stellen. Es ging der Genehmigungsbehörde - wie sie ausdrücklich betont hat - darum, mit dem Wert sicherzustellen, dass die Beurteilungspegel, die ausweislich der zu den Genehmigungsunterlagen zählenden Immissionsprognose mit der genehmigten Anlagentechnik einhaltbar sind, auch tatsächlich eingehalten werden. Das lässt sich so verstehen, als werde den Werten die Funktion beigemessen, den Maßstab für einen genehmigungskonformen Anlagenbetrieb zu liefern. [X.] dies entspricht der Funktion von [X.]. Angesichts dessen war die Vorinstanz nicht gehindert, die Bezeichnung als Grenzwert als Falschbezeichnung zu behandeln und Raum für eine Klarstellung zu sehen, wie sie der [X.] in der Berufungsverhandlung vorgenommen hat.

2. Auch wenn somit davon auszugehen ist, dass in der angefochtenen Nebenbestimmung - nur - ein Kontrollwert festgesetzt worden ist, erweist sich diese Regelung als unvereinbar mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 [X.] VwGO). [X.] können zwar nach den vom [X.] entwickelten Grundsätzen im immissionsschutzrechtlichen Vorsorgeprinzip eine rechtliche Grundlage finden (a). Für die hier getroffene Festsetzung trifft dies aber nicht zu. Denn der festgesetzte [X.] ist ungeeignet, die Funktion eines [X.]s zu erfüllen, und kann deshalb keinen Bestand haben (b).

a) Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] sind genehmigungsbedürftige Anlagen wie die Windfarm der Klägerin so zu errichten und zu betreiben, dass Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird. Zur gebotenen Vorsorge gehören nicht nur technische, das Emissionsverhalten der Anlage bestimmende Maßnahmen, sondern auch nicht technische Regelungen und Vorgaben, die der Behörde gegebenenfalls technische Fehlfunktionen der Anlage anzeigen. Hierzu zählt auch die Festsetzung von [X.] (Urteil vom 26. April 2007 - BVerwG 7 [X.] 15.06 - [X.] 406.25 § 48a [X.] Nr. 2 Rn. 17 f.; Beschluss vom 9. April 2008 - BVerwG 7 [X.] - [X.] 406.25 § 16 [X.] [X.] Rn. 19; vgl. auch schon Urteil vom 21. Juni 2001 - BVerwG 7 [X.] 21.00 - BVerwGE 114, 342 <349> = [X.] 406.25 § 48 [X.] Nr. 8 S. 15 f.). Wird eine Anlage, die nach den Antragsunterlagen über ein bestimmtes technisches Leistungsvermögen zur Begrenzung von Immissionen verfügt, genehmigt, so muss sie entsprechend diesem Standard betrieben werden, selbst wenn die einschlägigen Grenz- oder Richtwerte auch mit einem weniger anspruchsvollen Standard eingehalten werden könnten. [X.] haben die Funktion, dies sicherzustellen. Sie liefern den Maßstab für einen ordnungsgemäßen Anlagenbetrieb; werden sie überschritten, so indiziert das, dass die Anlage nicht mehr genehmigungskonform arbeitet. Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 [X.] [X.] kann die Genehmigungsbehörde daher berechtigt sein, durch Nebenbestimmungen zur Anlagengenehmigung [X.] mit hinreichendem Bezug zum Emissionsverhalten der zu genehmigenden Anlage festzusetzen.

b) Der in der Nebenbestimmung Nr. [X.] enthaltene [X.] ist jedoch ungeeignet, die Funktion eines [X.]s zu erfüllen.

aa) Es bestehen schon Zweifel, ob überhaupt ein die Festsetzung eines [X.]s rechtfertigender Kontrollbedarf gegeben ist.

Ein solcher Bedarf dürfte allerdings nicht - wie die Revision meint - daran scheitern, dass die zum Windpark der Klägerin gehörenden Windenergieanlagen mit keiner gesonderten Lärmminderungstechnik ausgestattet sind. In den vom [X.] entschiedenen Fällen dienten die [X.] zwar als Maßstab für die Überwachung von Einrichtungen, die den mit dem Betrieb der jeweiligen Anlage verbundenen Schadstoffausstoß mindern sollten (Filtereinrichtungen bzw. [X.]); der Senat hat die Festsetzung dieser Werte gerade mit deren Zielrichtung gerechtfertigt, technische Fehlfunktionen derartiger Einrichtungen anzuzeigen. Einfluss auf das Emissionsverhalten einer technischen Anlage können neben Einrichtungen zur Emissionsminderung aber auch konstruktive Eigenarten der Anlage selbst haben. Soweit diese sich z.B. durch Verschleiß verändern, kann es in ähnlicher Weise wie bei Funktionsstörungen von Emissionsminderungseinrichtungen zu einem von den genehmigten Vorgaben abweichenden Anlagenbetrieb kommen. Es liegt nahe, [X.] als zulässiges Mittel der Vorsorge anzuerkennen, um auch die Aufdeckung solcher Fehlfunktionen zu erleichtern.

Selbst wenn man dies bejaht, ist aber ungewiss, ob im konkreten Fall die Voraussetzungen für die Festsetzung eines [X.]s vorliegen. Ein Kontrollbedarf kann nämlich nur bestehen, wenn die jeweilige Anlagentechnik überhaupt mit dem Risiko nachteiliger Veränderungen des [X.] der Anlage verbunden ist. Für Einrichtungen zur Minderung von Schadstoffemissionen einer Anlage wird dies regelmäßig zu bejahen sein; deshalb bedurfte diese Voraussetzung in der bisherigen Kontrollwertrechtsprechung des [X.]s keiner ausdrücklichen Erwähnung. Dass Windenergieanlagen im Dauerbetrieb dazu neigen, ihr akustisches Verhalten zu ändern, liegt demgegenüber nicht auf der Hand und bedarf deshalb positiver Feststellung, um die Anordnung von [X.] zu rechtfertigen. Als denkbare Risikofaktoren kommen vor allem Abhängigkeiten des [X.] von Wartung und Verschleiß in Betracht.

Das Berufungsgericht hat hierzu für Windenergieanlagen im Allgemeinen und für diejenigen der Klägerin im Besonderen keinerlei Feststellungen getroffen. Während die Revision geltend macht, konstruktionsbedingt wiesen Windenergieanlagen stets gleichbleibende akustische Eigenschaften auf, hat sich der [X.] in der Revisionserwiderung dahingehend eingelassen, es erscheine ihm jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass es durch Materialveränderungen oder -ermüdungen zu Verhaltensauffälligkeiten der Anlagen komme. Der wechselseitige Vortrag macht deutlich, dass der Sachverhalt in diesem Punkt gegebenenfalls weiter aufgeklärt werden müsste.

bb) Letztlich kann dies aber dahingestellt bleiben. Denn die getroffene Regelung ist jedenfalls deshalb funktionsuntauglich, weil als Kontrollwert ein [X.] festgesetzt worden ist.

[X.] müssen einen unmittelbaren [X.] aufweisen. Wie oben ausgeführt, dienen sie der Überwachung des [X.] der Anlage, für die sie festgesetzt werden. Dieser Funktion können nur Emissionswerte, nicht hingegen [X.]e gerecht werden, da nur erstere verlässliche Rückschlüsse auf Mängel des Anlagenbetriebs zulassen. Während Emissionswerte das Emissionsverhalten einer einzelnen Anlage in den Blick nehmen (vgl. § 3 Abs. 3 [X.]), sind [X.]e auf die [X.] eines konkreten Einwirkungsorts bezogen (vgl. § 3 Abs. 2 [X.]). Auf die Zuordnung dieser Immissionen zu einer bestimmten Anlage kommt es insoweit grundsätzlich nicht an; geboten ist vielmehr eine summierende Betrachtung (vgl. Urteil vom 21. März 1996 - BVerwG 4 [X.] 9.95 - BVerwGE 101, 1 <7> = [X.] 406.25 § 41 [X.] [X.]2 S. 27). [X.] und [X.] stehen zwar nicht zusammenhangslos nebeneinander, die Stärke einer Emissionsquelle bildet aber nur einen unter vielen Faktoren, die die [X.] eines Schutzobjekts bestimmen. Andere Emissionsquellen, die jeweiligen meteorologischen Verhältnisse, Geländeformationen oder bauliche Anlagen, die die Ausbreitung beeinflussen, stellen weitere Faktoren dar, von denen die [X.] abhängt. All diese Faktoren können sich nach Erteilung der Anlagengenehmigung ändern. Dies zeigt, dass es an einer festen Relation zwischen [X.]en und Anlagenverhalten fehlt. [X.]e sind deshalb kein aussagekräftiger, verlässlicher Maßstab für einen ordnungsgemäßen Anlagenbetrieb. Sie erweisen sich mithin als ungeeignet, die Funktion von [X.] zu erfüllen.

Meta

7 C 22/11

21.02.2013

Bundesverwaltungsgericht 7. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 12. Mai 2011, Az: 11 B 20.10, Urteil

§ 5 Abs 1 S 1 Nr 2 BImSchG, § 6 Abs 1 Nr 1 BImSchG, § 12 Abs 1 S 1 BImSchG, § 3 BImSchG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 21.02.2013, Az. 7 C 22/11 (REWIS RS 2013, 7956)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 7956

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