Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.12.2023, Az. 2 StR 395/23

2. Strafsenat | REWIS RS 2023, 10520

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Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 7. Juni 2023 im [X.] mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere – als Schwurgericht zuständige – Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Totschlags und wegen Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach [X.] von zwei Jahren der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe angeordnet. Die hiergegen gerichtete, mit der Sachrüge begründete Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Urteils im [X.]; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

2

1. Die auf die Sachrüge hin veranlasste umfassende materiell-rechtliche Überprüfung des Urteils lässt im Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen.

3

2. Hingegen begegnet die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB durchgreifenden Bedenken.

4

a) Der Senat hat seiner Entscheidung die am 1. Oktober 2023 in [X.] getretene Fassung des § 64 StGB ([X.] vom 2. August 2023) zugrunde zu legen (§ 2 Abs. 6 StGB, § 354a StPO).

5

Genügte nach § 64 Satz 2 StGB in der bis zum 30. September 2023 geltenden Fassung eine „hinreichend konkrete Erfolgsaussicht“, setzt § 64 Satz 2 StGB nunmehr voraus, dass der Behandlungserfolg „aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte zu erwarten“ ist. Durch die Neufassung der Vorschrift sind die Anforderungen an eine günstige Behandlungsprognose „moderat angehoben“ worden, indem jetzt eine „Wahrscheinlichkeit höheren Grades“ vorausgesetzt wird; im Übrigen bleibt es dabei, dass die Beurteilung der Erfolgsaussicht im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit und aller sonstigen maßgebenden Umstände vorzunehmen ist (vgl. [X.], Beschluss vom 2. November 2023 – 6 StR 316/23; BT-Drucks. 20/5913, S. 70).

6

b) Hieran gemessen halten die Erwägungen des [X.]s, beim Angeklagten bestünden „hinreichende Erfolgsaussichten für eine Therapie“ revisionsgerichtlicher Prüfung nicht stand. Das [X.] hat ihre dem Sachverständigen folgende Wertung damit begründet, aufgrund des langjährigen [X.]s seien die Grundbedingungen zwar vergleichsweise ungünstig, der Angeklagte sei aber therapiemotiviert und habe [X.] und Einsicht bezüglich der Problematik seines Betäubungsmittelkonsums gezeigt; er sei noch nicht austherapiert und habe noch Therapiepotential. Auch sei öfter beschrieben worden, dass bei [X.]enten im Alter von etwa 40 Jahren ein therapieförderndes Umdenken einsetzen könne, was deren bisheriges Leben mit dem [X.] von Betäubungsmitteln angehe. Die Therapieprognose sei daher „mittel bis ausreichend gut“.

7

Dabei hat die [X.] gewichtige prognoseungünstige Umstände nicht gewürdigt. Dies gilt insbesondere für die bisherige Erfolglosigkeit therapeutischer Maßnahmen und den langjährigen, verfestigten Drogenmissbrauch des Angeklagten, der seit 2013 substituiert wird und bei dem im Hinblick auf den täglichen (Bei-) [X.] von Cannabis, Crack und [X.] eine Polytoxikomanie diagnostiziert wurde. Um eine „Wahrscheinlichkeit höheren Grades“ für einen Behandlungserfolg tragfähig zu prognostizieren, hätte es jedenfalls der Auseinandersetzung damit bedurft, weshalb die beiden Therapien in der Vergangenheit erfolglos geblieben sind und welche seitdem eingetretene Änderungen der Persönlichkeit und der Lebensumstände des Angeklagten im Gegensatz dazu konkrete Anhaltspunkte für einen erfolgreichen Therapieverlauf bieten.

8

c) Die aufgeführten Mängel führen zur Aufhebung des [X.]s mit den zugehörigen Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO). Damit entfällt zugleich die Anordnung des [X.]s. Über die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wird – unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a Abs. 1 StPO) – unter Beachtung der geänderten Rechtslage neu zu verhandeln und zu entscheiden sein.

Appl     

      

Zeng     

      

Grube

      

Schmidt     

      

Lutz     

      

Meta

2 StR 395/23

07.12.2023

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Darmstadt, 7. Juni 2023, Az: 11 Ks 35612/22

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.12.2023, Az. 2 StR 395/23 (REWIS RS 2023, 10520)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 10520

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