Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.07.2016, Az. 9 AZR 266/15

9. Senat | REWIS RS 2016, 8368

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Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 14. April 2015 - 3 [X.] 531/14 - aufgehoben.

2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 29. August 2014 - 10 Ca 3715/13 - wird zurückgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Anzahl der der Klägerin im Kalenderjahr zustehenden Urlaubstage.

2

Die Parteien verbindet seit dem 2. Januar 1995 ein Arbeitsverhältnis, auf das die Beklagte die für sie geltenden Haustarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung anwendet. Die Beklagte schloss am 24. September 2001 mit der Industriegewerkschaft [X.] ([X.]) einen ab dem 1. Januar 2000 geltenden Manteltarifvertrag - Haustarifvertrag - ([X.] 2000), der in § 8 ua. regelt:

        

„2.     

Urlaubsdauer

        

2.1     

Der Erholungsurlaub für Jugendliche und Behinderte … wird entsprechend den gesetzlichen Vorschriften gewährt.

        

2.2     

Alle übrigen Arbeitnehmer erhalten 23 Arbeitstage Urlaub.

        

2.3     

Für langjährige Betriebszugehörigkeit erhöht sich der Urlaubsanspruch gemäß Ziff. 2.2 wie folgt:

                 

-       

nach vollendeter 5-jähriger Betriebszugehörigkeit um 1 Arbeitstag,

                 

-       

nach vollendeter 10-jähriger Betriebszugehörigkeit um 2 Arbeitstage,

                 

-       

nach vollendeter 15-jähriger Betriebszugehörigkeit um 3 Arbeitstage,

                 

-       

nach vollendeter 20-jähriger Betriebszugehörigkeit um 4 Arbeitstage,

                 

-       

nach vollendeter 25-jähriger Betriebszugehörigkeit um 5 Arbeitstage,

                 

-       

nach vollendeter 30-jähriger Betriebszugehörigkeit um 6 Arbeitstage.

                 

Ergibt das erste Jahr der Beschäftigung kein volles Kalenderjahr, so bleibt es bei der Berechnung der Betriebszugehörigkeit im Sinne der vorgenannten Staffelung außer Betracht.“

3

Unter dem 16. Dezember 2004 vereinbarten die Tarifvertragsparteien einen Manteltarifvertrag - Haustarifvertrag - ([X.] 2005), der am 1. Januar 2005 in [X.] trat. Dieser regelt in § 7 ua. Folgendes:

        

2. Urlaubsdauer

        

Der Erholungsurlaub für Jugendliche und Behinderte wird entsprechend den gesetzlichen Vorschriften gewährt.

        

Alle seit dem 01.01.2004 eingestellten Arbeitnehmer und Auszubildende erhalten 21 Arbeitstage Urlaub.

        

Für die langjährige Betriebszugehörigkeit aller Arbeitnehmer erhöht sich der Urlaubsanspruch wie folgt:

        

-       

nach vollendeter 10-jähriger Betriebszugehörigkeit

um 1 Arbeitstag,

        

-       

nach vollendeter 20-jähriger Betriebszugehörigkeit

um 2 Arbeitstage,

        

-       

nach vollendeter 30-jähriger Betriebszugehörigkeit

um 3 Arbeitstage.

        

Ergibt das erste Jahr der Beschäftigung kein volles Kalenderjahr, so bleibt es bei der Berechnung der Betriebszugehörigkeit im Sinne der vorgenannten Staffelung außer Betracht. …

        

Für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis vor dem 01.01.04 begonnen hat, gelten die bis zum 31.12.04 erworbenen Urlaubsansprüche gemäß dem Manteltarifvertrag vom [X.] besitzstandswahrend weiter.“

4

Die [X.] kündigte den [X.] 2005 zum 31. Dezember 2009. Ein neuer Tarifvertrag wurde bislang nicht vereinbart.

5

Die von der Beklagten erstellte Lohnabrechnung für Januar 2013 wies für die Klägerin einen Jahresurlaub im Umfang von 24 Arbeitstagen aus.

6

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, infolge ihrer 10-jährigen Betriebszugehörigkeit habe sich der 24 Arbeitstage umfassende Urlaubsanspruch, der ihr aufgrund der [X.] gemäß § 7 Ziff. 2 Abs. 5 [X.] 2005 zustehe, um einen Arbeitstag erhöht.

7

Die Klägerin hat beantragt

        

festzustellen, dass ihr ab dem Kalenderjahr 2013 25 Arbeitstage Jahresurlaub zustehen.

8

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage mit der Begründung beantragt, der von einem Arbeitnehmer erworbene Besitzstand nach § 7 Ziff. 2 Abs. 5 [X.] 2005 sei auf den Urlaubsanspruch nach dem neuen [X.] anzurechnen. Für Arbeitnehmer, die bereits vor dem 1. Januar 2004 in ihre Dienste getreten seien, erhöhe sich der Urlaubsanspruch deshalb erst, wenn die Summe des Urlaubsanspruchs aus § 7 Ziff. 2 Abs. 2 [X.] 2005 ([X.]) und § 7 Ziff. 2 Abs. 3 [X.] 2005 (Mehrurlaubstage) den besitzstandsgeschützten Urlaub übersteige. Die Klägerin, die mit einem Besitzstand von 24 Arbeitstagen in den [X.] 2005 übergeleitet worden sei, komme daher nicht in den Genuss einer weiteren Erhöhung ihres Urlaubsanspruchs.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das [X.] das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit ihrer vom [X.] zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der [X.] ist begründet. Das [X.] hat das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht abgeändert und der Klage stattgegeben.

I. Die Klage ist nach der gebotenen Auslegung des Klageantrags zulässig. Streitgegenstand ist allein die Frage, ob sich infolge der 10-jährigen Betriebszugehörigkeit der Klägerin der jährliche Urlaubsanspruch gemäß § 7 Ziff. 2 Abs. 3 Spiegelstrich 1 [X.] 2005 um einen Arbeitstag erhöht hat. Dies hat die Klägerin in der Revisionsverhandlung vor dem Senat klargestellt. Da die Beklagte die Erhöhung des Urlaubsanspruchs in Abrede stellt, hat die Klägerin gemäß § 256 Abs. 1 ZPO ein Interesse an einer gerichtlichen Feststellung des Umfangs des ihr zustehenden Jahresurlaubs (vgl. [X.] 21. Oktober 2014 - 9 [X.] - Rn. 8 ff. [X.], [X.]E 149, 315).

II. Die Klage ist im Ergebnis nicht begründet. Die seit dem 2. Januar 1995 bei der [X.] beschäftigte Klägerin hat ab dem Kalenderjahr 2013 Anspruch auf 24 Arbeitstage, nicht aber auf 25 Arbeitstage Urlaub im Kalenderjahr. Am maßgeblichen Stichtag, dem 31. Dezember 2004, standen ihr 24 Arbeitstage Jahresurlaub zu (§ 8 Ziff. 2.2 und Ziff. 2.3 Spiegelstrich 1 [X.] 2000). Dieser Anspruch blieb ihr nach der Ablösung des [X.] 2000 durch den [X.] 2005 erhalten (§ 7 Ziff. 2 Abs. 5 [X.] 2005). Aufgrund ihrer 10-jährigen Betriebszugehörigkeit erhöhte sich dieser Anspruch nicht mehr.

1. Die [X.] in § 7 Ziff. 2 Abs. 5 [X.] 2005 bezieht sich nicht nur auf die Mehrurlaubstage, die der Arbeitnehmer aufgrund seiner Betriebszugehörigkeit vor dem Stichtag nach § 8 Ziff. 2.3 Abs. 1 [X.] 2000 erworben hatte, sondern auch auf den gegenüber der Neuregelung höheren [X.] gemäß § 8 Ziff. 2.2 [X.] 2000 (ausf. [X.] 12. Juli 2016 - 9 [X.] - Rn. 14).

2. Entgegen der Auffassung der Revision sind bei Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis - wie das der Klägerin - vor dem 1. Januar 2004 begründet wurde, die in § 7 Ziff. 2 Abs. 3 [X.] 2005 geregelten Mehrurlaubstage dem [X.] der Vorgängerregelung (23 Arbeitstage nach § 8 Ziff. 2.2 [X.] 2000) und nicht dem [X.] der Neuregelung (21 Arbeitstage nach § 7 Ziff. 2 Abs. 2 [X.] 2005) hinzuzurechnen.

3. Bezugspunkt der Erhöhungsregelung ist allerdings nicht der Urlaubsanspruch, der einem Alt-Arbeitnehmer aufgrund der [X.] in § 7 Ziff. 2 Abs. 5 [X.] 2005 zusteht, sondern der [X.], der in § 8 Ziff. 2.2 [X.] 2000 vorgesehen ist. Erhöhte man den besitzstandsgeschützten [X.] nach Maßgabe des § 7 Ziff. 2 Abs. 3 [X.] 2005, berücksichtigte man die vor dem 1. Januar 2005 liegenden Zeiten der Betriebszugehörigkeit doppelt; zum einen bei der Berechnung des zum 31. Dezember 2004 erreichten [X.], zum anderen bei der Berechnung der Erhöhung, die ebenfalls unmittelbar an die Dauer der Betriebszugehörigkeit anknüpft. Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien des [X.] 2005 den Zeitraum, in dem ein Arbeitnehmer bis zum 31. Dezember 2004 bei der [X.] beschäftigt war, bei der Berechnung der Urlaubsdauer zweifach berücksichtigen wollten, sind nicht ersichtlich.

Gemäß § 7 Ziff. 2 Abs. 3 Spiegelstrich 1 [X.] 2005 erhöhte sich der besitzstandsgeschützte [X.] der Klägerin unter dem Regime der tariflichen Neuregelung nach 10-jähriger Betriebszugehörigkeit mit Wirkung ab dem 1. Januar 2006 auf 24 Arbeitstage. Ebenso wie die Vorgängerregelung lässt auch die Urlaubsstaffelung nach § 7 Ziff. 2 Abs. 3 [X.] 2005 das erste Beschäftigungsjahr unberücksichtigt, wenn es - wie im Falle der Klägerin - kein volles Kalenderjahr ist (§ 7 Ziff. 2 Abs. 4 Satz 1 [X.] 2005). Einen darüber hinausgehenden Urlaubsanspruch hat die Klägerin aufgrund ihrer 10-jährigen Betriebszugehörigkeit nicht erworben.

III. Die Klägerin hat nach § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Suckow    

        

        

        

    Heilmann    

        

    Jacob    

                 

Meta

9 AZR 266/15

12.07.2016

Bundesarbeitsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Leipzig, 29. August 2014, Az: 10 Ca 3715/13, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.07.2016, Az. 9 AZR 266/15 (REWIS RS 2016, 8368)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 8368

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