Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.07.2013, Az. EnVR 23/12

Kartellsenat | REWIS RS 2013, 4348

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Gegenstand

Anreizregulierung im Energiesektor: Genehmigungsfähigkeit eines Investitionsbudgets für Maßnahmen eines Verteilernetzbetreibers in vor- oder nachgelagerten Netzen wegen notwendiger Integration von EEG-Anlagen - E.ON Netz GmbH


Leitsatz

E.ON Netz GmbH

Die Genehmigung eines Investitionsbudgets für Maßnahmen in einem Verteilernetz, die durch die Integration von Anlagen nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz oder dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz notwendig werden, setzt nicht voraus, dass eine solche Anlage in das von der Investition betroffene Netz integriert wird. Es genügt, wenn die Investition aufgrund von konkreten Maßnahmen in einem vor- oder nachgelagerten Netz erforderlich wird, die ihrerseits durch die Integration von EEG- und KWKG-Anlagen notwendig geworden sind.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den am 28. März 2012 verkündeten Beschluss des 3. Kartellsenats des [X.] wird zurückgewiesen.

Die Bundesnetzagentur hat die Kosten des [X.] einschließlich der notwendigen Auslagen der Betroffenen zu tragen.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf eine Million Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Betroffene begehrt die Genehmigung eines [X.] gemäß § 23 Abs. 6 [X.] für Maßnahmen in dem von ihr betriebenen Hochspannungs-Verteilernetz für Elektrizität.

2

Am 30. Juni 2009 beantragte die Betroffene die Genehmigung eines [X.] für die Neubeseilung eines bestehenden und die Einrichtung eines zusätzlichen Stromkreises für eine 110-kV-Leitung zwischen [X.] und [X.] sowie die Ertüchtigung einer 110-kV-Schaltanlage im Umspannwerk [X.]. Anlass für diese Maßnahmen sind Änderungen im vorgelagerten [X.], in deren Rahmen ein vorhandener Einspeisepunkt in [X.] entfällt und ein Einspeisepunkt in [X.] um einen zusätzlichen Transformator erweitert wird. Dies führt zu einer stärkeren Belastung der 110-kV-Leitung zwischen den Umspannwerken [X.] und [X.].

3

Die [X.] hat den Antrag abgelehnt. Sie hat offengelassen, ob die [X.] beim Erweiterungsfaktor gemäß § 10 [X.] Berücksichtigung findet, und die Auffassung vertreten, die beantragte Genehmigung könne schon deshalb nicht erteilt werden, weil die Maßnahmen nicht der Integration von Anlagen nach dem [X.] ([X.]) oder dem [X.]-Wärme-Kopplungs-Gesetz ([X.]) dienten. Eine unmittelbare Integration solcher Anlagen erfolge nur im vorgelagerten Netz. Kosten für die mittelbare Integration seien von § 23 Abs. 6 [X.] nicht erfasst.

4

Das Beschwerdegericht hat auf die Beschwerde der Betroffenen die Entscheidung der [X.] aufgehoben und diese verpflichtet, den Genehmigungsantrag neu zu bescheiden ([X.], [X.], 255). Dagegen wendet sich die [X.] mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde, der die Betroffene entgegentritt.

5

II. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

6

1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

7

Entgegen der Auffassung der [X.] hänge die Genehmigungsfähigkeit der [X.]n nicht davon ab, dass eine [X.]-Anlage unmittelbar in das Netz der Betroffenen integriert werde. Nach dem Wortlaut des § 23 Abs. 6 [X.] sei insoweit allein maßgeblich, ob die Maßnahmen durch die Integration von [X.]-Anlagen notwendig würden. Diese Regelung sei [X.] formuliert und enthalte gerade keine Einschränkung auf Investitionen, die durch den [X.] einer solchen Anlage an das jeweilige Verteilernetz erforderlich würden. Aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift ergebe sich nichts anderes. Der Verordnungsgeber habe mit § 23 Abs. 6 [X.] dem Umstand Rechnung tragen wollen, dass mit der Integration von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien oder in [X.]-Wärme-Kopplung auch auf die Betreiber von [X.]n zusätzliche Aufgaben zukämen. Schließlich spreche auch die am 10. Februar 2012 vom Bundesrat beschlossene Änderung der Vorschrift für dieses Verständnis. Der Verordnungsgeber habe die Streichung der Wörter "Im Einzelfall" auf die Erwägung gestützt, ein Großteil der zukünftigen Investitionen werde voraussichtlich nicht allein auf der Höchstspannungsebene erfolgen, sondern Investitionen auf der Hochspannungsebene nach sich ziehen.

8

2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand.

9

a) Nach dem Wortlaut des § 23 Abs. 6 Satz 1 [X.] - der insoweit durch die am 22. März 2012 in [X.] getretene Änderung der Vorschrift unverändert geblieben ist - können [X.] (nach neuem Recht: [X.]n) für die Betreiber von [X.]n genehmigt werden, wenn sie durch die Integration von [X.]- oder [X.]-Anlagen notwendig werden.

Daraus ergibt sich, wie auch die Rechtsbeschwerde einräumt, nicht ausdrücklich, dass die Integration einer solchen Anlage in dasjenige Netz erfolgen muss, das Gegenstand der [X.] ist. Der Wortlaut der Vorschrift erfasst vielmehr auch Fallgestaltungen, in denen die Integration in ein bestimmtes Netz [X.] in einem anderen Netz notwendig macht.

b) Zu Recht ist das Beschwerdegericht zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Beschränkung auf "unmittelbare" Integrationsmaßnahmen, also auf Maßnahmen, die der Integration einer [X.]- oder [X.]-Anlage in das von der Investition betroffene Netz dienen, auch nicht aus dem Sinn und Zweck von § 23 Abs. 6 Satz 1 [X.] abgeleitet werden kann.

Die Vorschrift trägt schon in ihrer ursprünglichen Fassung dem Umstand Rechnung, dass Betreiber von [X.]n bei der Integration von [X.]- oder [X.]-Anlagen in einer vergleichbaren Rolle sind wie Betreiber von [X.] ([X.]. 417/07, [X.]). Daraus ist abzuleiten, dass die für [X.] vorgesehenen Genehmigungstatbestände, soweit sie sich mit denjenigen für Übertragungsnetze decken, grundsätzlich nicht enger ausgelegt werden dürfen als diese. Unterschiede zwischen den beiden Netzarten ergeben sich lediglich daraus, dass in § 23 Abs. 6 [X.] nicht alle der für Übertragungsnetze geltenden Tatbestände aufgeführt sind, dass eine Genehmigung nur in Betracht kommt, wenn die Maßnahmen nicht durch den Erweiterungsfaktor nach § 10 [X.] berücksichtigt werden, und dass die Erteilung der Genehmigung im Ermessen der Regulierungsbehörde steht.

Ginge es um ein Übertragungsnetz, wäre eine Beschränkung auf die "unmittelbare" Integration von [X.]- oder [X.]-Anlagen mit dem Sinn und Zweck von § 23 [X.] nicht vereinbar. Für Betreiber solcher Netze ist die Genehmigung von [X.] bzw. [X.]n in § 23 Abs. 1 [X.] vorgesehen, weil auf sie durch gesetzliche Anforderungen in erheblichem Umfang zusätzliche Aufgaben zukommen, die erhöhte Kosten verursachen ([X.]. 417/07, [X.]). Zu den für solche Netze genehmigungsfähigen Investitionen gehört nach § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 [X.] auch die Integration von [X.]- und [X.]-Anlagen. Solche Anlagen werden überwiegend nicht an Übertragungsnetze angeschlossen, sondern an nachgelagerte Netze (Holznagel/[X.]/[X.]/[X.][X.], [X.], § 23 Rn. 84). Gleichwohl kann ihre Integration auch in [X.] erhebliche [X.]n notwendig machen, insbesondere wenn eine Vielzahl von Anlagen in großer räumlicher Entfernung von denjenigen Regionen errichtet wird, in denen die darin erzeugte Energie hauptsächlich abgenommen wird. Auch solche Investitionen sind eine Folge der gesetzlichen Verpflichtung zur Integration von [X.]- und [X.]-Anlagen. Deshalb entspricht es dem Sinn und Zweck von § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 [X.], sie als genehmigungsfähig anzusehen.

Für die Betreiber von [X.]n kann vor diesem Hintergrund nichts anderes gelten. Diese sollen nach der Intention des Verordnungsgebers hinsichtlich der in § 23 Abs. 6 [X.] vorgesehenen Tatbestände mit Betreibern von [X.] im Wesentlichen gleichgestellt werden, weil sie insoweit in einer vergleichbaren Rolle sind. Angesichts dessen ist eine Maßnahme auch für solche Netze schon dann als genehmigungsfähig anzusehen, wenn sie durch die Integration von [X.]- oder [X.]-Anlagen in einem anderen Netz notwendig wird.

c) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat sich das Beschwerdegericht mit dieser Auslegung nicht in Widerspruch zu seiner eigenen Rechtsprechung gesetzt, wonach eine erweiternde Auslegung von § 23 Abs. 6 [X.] grundsätzlich ausgeschlossen ist.

In der von der Rechtsbeschwerde hierzu angeführten Entscheidung hat das Beschwerdegericht einen Genehmigungsantrag als unbegründet angesehen, weil der Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 [X.], auf den § 23 Abs. 6 Satz 1 [X.] Bezug nimmt, im dort zu beurteilenden Fall nicht erfüllt war ([X.], [X.], 28, 30 f.). Damit hat es zutreffend dem Umstand Rechnung getragen, dass Genehmigungstatbestände, die nach § 23 Abs. 1 und 6 [X.] sowohl für Übertragungs- als auch für [X.] vorgesehen sind, grundsätzlich nach denselben Kriterien auszulegen sind.

Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob der Umstand, dass nicht alle der in § 23 Abs. 1 [X.] für Übertragungsnetze vorgesehenen Tatbestände gemäß Absatz 6 auch für [X.] vorgesehen sind, einer erweiternden Auslegung der Tatbestandsvoraussetzungen des Absatzes 6 grundsätzlich entgegensteht. Diese Frage - die das Beschwerdegericht in der zitierten Entscheidung mit beachtlichen Gründen bejaht hat ([X.], [X.], 28, 31) - ist im Streitfall nicht entscheidungserheblich. Die Genehmigungsfähigkeit des hier zu beurteilenden Budgets ergibt sich bereits daraus, dass es unter einen der Tatbestände fällt, die in § 23 Abs. 1 und 6 gleichermaßen aufgeführt sind. Die Frage einer "erweiternden" Auslegung von § 23 Abs. 6 [X.] stellt sich damit nicht.

d) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist eine engere Auslegung von § 23 Abs. 6 [X.] auch nicht deshalb geboten, weil ansonsten eine Vielzahl von Maßnahmen des bedarfsgerechten Netzausbaus im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 [X.] erfasst würde, für die eine Genehmigung von [X.] oder [X.]n nur nach § 23 Abs. 1 Satz 1 [X.] für Übertragungsnetze, nicht aber nach § 23 Abs. 6 [X.] für [X.] vorgesehen ist.

Die Einbeziehung von Maßnahmen, die durch die Integration von [X.]- oder [X.]-Anlagen in ein anderes Netz notwendig werden, führt nicht dazu, dass eine Maßnahme des bedarfsgerechten Netzausbaus schon dann genehmigungsfähig ist, wenn sich ein Bedarf für den Netzausbau unter anderem auch aus dem Umstand ergibt, dass die Zahl von [X.]- und [X.]-Anlagen generell gestiegen ist. Im Sinne von § 23 Abs. 6 [X.] wird eine Maßnahme vielmehr nur dann durch die Integration einer solchen Anlage notwendig, wenn sie aufgrund einer anderen (konkreten) Maßnahme erforderlich wird, die zu diesem Zweck durchgeführt worden ist.

Im Streitfall könnte die Genehmigungsfähigkeit mithin nicht schon dann bejaht werden, wenn die Betroffene die in Rede stehenden Maßnahmen im Hinblick auf bereits erfolgte oder noch zu erwartende Inbetriebnahmen von [X.]- oder [X.]-Anlagen für geboten ansähe. Nach den nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des [X.] sind die Maßnahmen jedoch notwendige Folge von konkreten Maßnahmen im vorgelagerten Übertragungsnetz, die ihrerseits durch die Integration von [X.]- und [X.]-Anlagen erforderlich geworden sind. Damit handelt es sich auch im Netz der Betroffenen nicht nur um allgemeine Maßnahmen für einen bedarfsgerechten Netzausbau, sondern um notwendige Maßnahmen zur Integration von [X.]- und [X.]-Anlagen.

III. [X.] beruht auf § 90 Satz 1 und 2 [X.], die Festsetzung des [X.] auf § 50 Abs. 1 Nr. 2 GKG.

Bornkamm                        Raum                       Strohn

                    Grüneberg                   Bacher

Meta

EnVR 23/12

09.07.2013

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend OLG Düsseldorf, 28. März 2012, Az: VI-3 Kart 7/11 (V), Beschluss

§ 23 Abs 6 S 1 ARegV, § 1 EEG, §§ 1ff EEG, § 1 KWKG, §§ 1ff KWKG, § 11 Abs 1 S 1 EnWG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.07.2013, Az. EnVR 23/12 (REWIS RS 2013, 4348)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4348

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