Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.11.2013, Az. 5 StR 377/13

5. Strafsenat | REWIS RS 2013, 1356

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5 StR 377/13

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

vom 7. November
2013
in der Strafsache
gegen

wegen Mordes u.a.

-
2
-
Der 5. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom [X.], an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter Basdorf,

[X.] [X.],
Richterin Dr. [X.],
[X.],
[X.] Dr. König

als beisitzende Richter,

Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt S.

,
Rechtsanwalt M.

als Verteidiger,

Rechtsanwalt O.

als Vertreter der Nebenklägerin,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

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3
-
für Recht erkannt:

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 12. Dezember 2012 im Straf-ausspruch
mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des Landge-richts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

[X.] n d e

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit Diebstahl und wegen Computerbetruges in vier Fällen zu einer Gesamtfrei-heitsstrafe von zehn Jahren und drei Monaten verurteilt. Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte, auf den Rechtsfolgenausspruch
beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom [X.] vertreten und mit der die Verletzung sachlichen Rechts gerügt wird, hat Erfolg.

1. Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getrof-fen:

a) Der 31 Jahre alte, u.a. wegen [X.] zu Lasten älterer schloss nahezu täglich Sportwetten ab und verschuldete sich deswegen er-heblich. Ein Gläubiger drohte mit rechtlichen Schritten. Vor diesem Hinter-grund verschaffte sich der Angeklagte durch einen Trick Zutritt zur Wohnung 1
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einer wohlhabenden 81-jährigen Frau, um diese zu bestehlen. Als er im Schlafzimmer nach Geld suchte, wurde er durch sie überrascht. Er würgte die laut um Hilfe schreiende Frau mindestens 20 Sekunden, bis sie tot zu Boden sank,
versteckte die Leiche im [X.] des Wohnhauses und hob mit der EC-Karte der Getöteten viermal insgesamt

b) Das
[X.] hat das [X.] als [X.] gewertet. Seiner Strafzumessung hat es die
gemäß §§
21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen der
§ 211 Abs. 1, § 263a Abs. 1
StGB zugrunde gelegt. [X.] beraten ist es zu dem Ergebnis gelangt, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung aller Taten aufgrund seiner pathologischen Spielsucht
nicht ausschließbar erheblich vermindert ä-

29). Seine Spielsucht habe mittlerweile zu gravierenden Persönlichkeitsveränderungen geführt. So bewahre er fast abergläubisch erfolgreiche Wettscheine an bestimmten Orten

auf. Sein alltägli-ches Denken beschäftige sich mit Wetten und den Möglichkeiten, das dafür erforderliche Geld zu beschaffen. Um seine Wettchancen zu erhöhen, lese er entsprechende Literatur. Auch bei den
Taten sei sein Denken allein darauf gerichtet gewesen, sich das für weitere Wetteinsätze erforderliche Bargeld zu verschaffen.

2. Die Begründung, mit der das [X.] von einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten ausgegangen ist, hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand.

a)

wovon das [X.] im Ansatz zutreffend ausgeht

für sich genommen keine die Schuldfähigkeit erheblich einschränkende oder ausschließende krankhafte seelische Störung oder schwere andere seelische Abartigkeit dar ([X.], Urteil vom 25. Novem-ber
2004

5 [X.], [X.]St 49, 365,
369; Beschlüsse vom 8. Novem-ber
1988

1 [X.], [X.]R § 21 StGB Seelische Abartigkeit 8,
und vom 4
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22. Juli 2003

4 [X.], [X.], 31). Allerdings können in schweren Fällen psychische Defekte und Persönlichkeitsveränderungen auftreten, die eine
ähnliche Struktur und Schwere wie bei [X.] aufweisen, und es kann zu massiven
Entzugserscheinungen kom-men (vgl. [X.], Urteil vom 6. März 2013

5 StR 597/12, [X.]St 58, 192
[X.]). Wie bei der Substanzabhängigkeit kann deshalb auch bei der [X.] eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit angenommen werden, wenn diese zu schwersten Persönlichkeitsveränderungen geführt oder der Täter bei den Beschaffungstaten unter starken Entzugserscheinun-gen gelitten hat. Diese Persönlichkeitsveränderungen müssen in ihrem Schweregrad einer krankhaften seelischen Störung gleichwertig sein
(vgl. [X.], Urteile vom 25. November 2004 und vom 6. März 2013 sowie [X.] vom 22. Juli 2003 und vom 8. November
1988, jeweils aaO).

Diesen Maßstäben wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.
Es ist bereits höchst zweifelhaft, ob die
im Urteil wiedergegebenen, von der [X.] im Einklang mit dem [X.]en als Anhalts-punkte
für gravierende Persönlichkeitsänderungen genannten Verhaltens-weisen des Angeklagten solche überhaupt belegen. Jedenfalls setzt sich das [X.] an keiner Stelle ausdrücklich damit auseinander, ob die ange-nommenen Veränderungen als andere seelische Abartigkeit in ihrem Schwe-regrad den krankhaften seelischen Störungen gleichwertig sind.

b) Das [X.] hat sich darüber hinaus auch nicht ausreichend mit der Frage befasst, inwieweit sich die Spielsucht bei dem Angeklagten in der konkreten Tatsituation ausgewirkt hat.

aa) Spielsucht kann unter dem Gesichtspunkt einer Verminderung der Schuldfähigkeit nur dann beachtlich sein, wenn die begangenen Straftaten der Fortsetzung des Spielens dienen (vgl. [X.], Beschlüsse vom
18. Mai 1994

5 StR 78/94, [X.], 501, und vom 8. Juni 2011

1 [X.]). Das angefochtene Urteil geht demgegenüber

allerdings 7
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entgegen der Einlassung des Angeklagten ([X.]) und den Annahmen des [X.]en ([X.])

in seinen Feststellungen davon aus, dass es dem Angeklagten bei der Planung der Straftat zum Nachteil der [X.] Getöteten darum ging, Geldmittel zum Schuldena[X.]au zu beschaffen ([X.]. Dies kann darauf hindeuten, dass beim Angeklagten keine völlige Ein-engung seines Verhaltensspielraums auf das Glücksspiel besteht (vgl.
Leygraf, Handbuch der Forensischen Psychiatrie, Bd. 2, 2010, 514, 527).

[X.]) Darüber hinaus ist Folgendes zu bedenken: Die überlegten, zeit-aufwendigen Vorbereitungen der Vortat sprechen gegen eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit. Ferner ist bei Taten höchster Schwe-re bei der [X.] der Voraussetzungen erheblich verminderter [X.] wegen der hohen
Hemmschwelle besondere Zurückhaltung geboten
(vgl. [X.], Urteil vom 21. Januar 2004

1 [X.], [X.]St 49, 45, 53; LK/Schöch, 12. Aufl.,
§ 20 Rn. 184
f. [X.]). In diesem Zusammen-hang weist der Senat darauf hin, dass die typische hohe emotionale Beein-trächtigung eines [X.], die für sich genommen
nicht zur An-nahme des § 21
StGB
führt
(vgl. [X.], Urteil vom 28. Juni 1995

3 [X.], [X.]R StGB § 21 Affekt 7; ferner [X.], 2. Aufl., §
211 Rn.
234), auf einer gänzlich anderen Wurzel beruht als eine etwa gleichzeitig bestehende Spielleidenschaft desselben Täters. Daher wird auch aus der Kombination beider psychischen Beeinträchtigungen regelmäßig nichts für die Voraussetzungen des § 21 StGB herzuleiten sein.

c) Im Blick auf das gesamte [X.] bemerkt der Senat, dass die we-gen des Mordes verhängte [X.] selbst bei [X.] einer Straf-rahmenverschiebung außerordentlich milde bemessen ist. Zutreffend bean-standet
die
Staatsanwaltschaft zudem die strafmildernde
Berücksichtigung erlittener Untersuchungshaft
(vgl.
[X.], Urteil vom 20. August 2013

5 StR 248/13
[X.]).

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7
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3. Der Senat hebt nur den Strafausspruch auf. Eine zweifelsfreie Fest-stellung der Voraussetzungen des § 21 StGB aufgrund der Spielsucht des Angeklagten, die so weit ginge, dass sie dessen Unterbringung nach §
63 StGB rechtfertigen könnte, ist auszuschließen
(vgl. hierzu [X.], Urteil vom 6.
März 2013

5 StR 597/12, aaO). Eine Unterbringung nach § 64 StGB kommt aus Rechtsgründen ebenfalls nicht in Betracht
([X.], Urteil vom 25.
November 2004

5 [X.], [X.]St 49, 365).

Basdorf [X.][X.]

[X.]

König

12

Meta

5 StR 377/13

07.11.2013

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.11.2013, Az. 5 StR 377/13 (REWIS RS 2013, 1356)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1356

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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5 StR 377/13

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1 StR 122/11

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