Bundesfinanzhof, Beschluss vom 09.10.2013, Az. IX B 61/13

9. Senat | REWIS RS 2013, 2156

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Terminsänderung - Terminsverlegung - Fortbildungsveranstaltung


Leitsatz

1. NV: Hat der Prozessbevollmächtigte vor seiner Beauftragung eine am Terminstag stattfindende ganztägige Fortbildungsveranstaltung gebucht, kann hierin ein erheblicher Grund für die Verlegung des Termins liegen.

2. NV: Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob der Prozessbevollmächtigte, wenn er rechtzeitig beauftragt worden wäre, einen erheblichen Verlegungsgrund durch die Buchung der Fortbildungsveranstaltung nicht mehr hätte schaffen können, weil der Gerichtstermin zu diesem Zeitpunkt bereits feststand.

Tatbestand

1

I. Mit Schriftsatz vom 19. März 2013 zeigte der Klägervertreter seine Beauftragung an und beantragte, den auf den 21. März 2013 anberaumten Termin zu verlegen. Zur Begründung führte er an, er habe noch keine ausreichende Gelegenheit gehabt, sich in den Streitstoff einzuarbeiten, und er sei durch eine ganztägige Fortbildungsveranstaltung am 21. März 2013 gehindert, den Termin wahrzunehmen. Dem Schreiben war eine auf den 15. März 2013 datierte Anmeldebestätigung für eine am Verhandlungstag in der Nähe des [X.] stattfindende ganztägige Fortbildungsveranstaltung beigefügt.

2

Das Finanzgericht ([X.]) hat am 21. März 2013 in Abwesenheit des [X.] und Beschwerdeführers (Kläger) verhandelt und im Urteil zur Begründung u.a. ausgeführt, der Antrag auf Verlegung des Termins habe offensichtlich der Prozessverschleppung gedient. Der Kläger habe seinen neuen Prozessbevollmächtigten viel zu spät mandatiert. Ihm seien die Zurückweisung seines vormaligen Prozessbevollmächtigten und der Verhandlungstermin seit langem bekannt gewesen. Bei rechtzeitiger Beauftragung hätte sich der neue Prozessbevollmächtigte einarbeiten und den Termin durch kurzfristige Unterbrechung seiner Fortbildung auch wahrnehmen können, da der Tagungsort unweit vom [X.] gelegen sei.

Entscheidungsgründe

3

II. Die Beschwerde ist begründet. Der gerügte Verfahrensmangel einer Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt vor (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Er führt zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 116 Abs. 6 [X.]O).

4

1. Das [X.] hat es zu Unrecht abgelehnt, den auf den 21. März 2013 anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung zu verlegen. Indem es danach in Abwesenheit des [X.] mündlich verhandelt hat, hat es das rechtliche Gehör des [X.] verletzt.

5

a) Nach § 227 Abs. 1 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 155 [X.]O muss das Gericht einen Verhandlungstermin verlegen, wenn hierfür erhebliche Gründe vorliegen (ständige Rechtsprechung, Beschlüsse des [X.] --BFH-- vom 23. November 2001 V B 224/00, [X.] 2002, 520; vom 1. Februar 2002 II B 38/01, [X.] 2002, 938; vom 18. März 2003 I B 122/02, [X.] 2003, 1584). Zu den erheblichen Gründen gehört nach der Rechtsprechung die Ortsabwesenheit eines Beteiligten oder seines Vertreters infolge eines vor Anberaumung des Termins geplanten Urlaubs, wenn eine Vertretung nicht in Betracht kommt und die Wahrnehmung des gerichtlichen Termins als nicht zumutbar erscheint. Gleiches gilt, wenn ein Beteiligter oder sein Vertreter durch anderweitige (früher anberaumte) berufliche Verpflichtungen an der Teilnahme gehindert ist (vgl. Gräber/[X.], Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 91 Rz 4, m.w.N.). Ein erheblicher Grund kann nach der Rechtsprechung auch vorliegen, wenn der Prozessbevollmächtigte durch eine früher gebuchte berufliche Fortbildungsveranstaltung verhindert ist (vgl. [X.] vom 27. Januar 2010 VIII B 221/09, juris; [X.], Beschluss vom 14. Januar 2008  9 W 32/07, Neue Juristische Wochenschrift 2008, 1328).

6

b) Nach diesen Maßstäben kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben, da der Prozessbevollmächtigte des [X.] wegen ganztägiger Teilnahme an einer Fortbildungsveranstaltung gehindert war, den Termin wahrzunehmen. Dies stellt unter den Umständen des Streitfalls einen erheblichen Grund für die Verlegung dar.

7

aa) Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass der Termin zur mündlichen Verhandlung früher anberaumt war. Zum einen hat das [X.] dazu keine Feststellungen getroffen. Der auf den 15. März 2013 datierten Anmeldebestätigung des Veranstalters ist das Datum der Anmeldung nicht zu entnehmen. Aber selbst wenn sich der Prozessbevollmächtigte erst nach Anberaumung des Termins zu der Veranstaltung angemeldet haben sollte, kann ihm insofern eine Verschleppungsabsicht nicht unterstellt werden, da die Anmeldung nach Aktenlage jedenfalls vor seiner Mandatierung erfolgt sein muss.

8

bb) Auch dem Kläger kann im Hinblick auf die Verhinderung des Prozessbevollmächtigten durch die Fortbildungsveranstaltung keine Verschleppungsabsicht unterstellt werden. Zwar lehnt die Rechtsprechung eine Vertagung unter Umständen ab, wenn der Kläger erst kurz vor dem Termin einen Vertreter bestellt (z.B. [X.] vom 13. November 2007 VII B 100/07, [X.] 2008, 392, und vom 30. Januar 2008 V B 72/06, [X.] 2008, 812). Die Rechtsprechung begegnet damit aber zu Recht nur dem Einwand fehlender Einarbeitungszeit, sofern die Umstände darauf hindeuten, dass die (zu) späte Mandatierung der Prozessverschleppung dienen sollte. Es kann dahinstehen, ob dieser Vorwurf im Streitfall zu erheben ist, weil er sich zumindest nicht ausgewirkt hat. Zwar hätte der Prozessbevollmächtigte des [X.] durch die Buchung der Fortbildungsveranstaltung einen erheblichen Verlegungsgrund nicht mehr schaffen können, wenn er zu diesem Zeitpunkt bereits von dem Gerichtstermin gewusst hätte. Dies ist jedoch unerheblich, weil die Obliegenheit zur Prozessförderung durch rechtzeitige Beauftragung eines Terminvertreters nicht den Zweck hat zu verhindern, dass sich der Vertreter die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung durch die Annahme anderer Termine unmöglich macht. Sie zielt vielmehr alleine darauf ab, seine ausreichende fachliche Einarbeitung in den Prozessstoff und Vorbereitung auf den Termin zu gewährleisten.

9

cc) Schließlich konnte dem Prozessbevollmächtigten auch nicht zugemutet werden, seine Fortbildungsveranstaltung für die Wahrnehmung des [X.] zu unterbrechen. Dabei spielt es keine Rolle, in welcher Entfernung zum Gerichtsort der Tagungsort lag und wie lang die Unterbrechung gedauert hätte. Die gegenteilige Auffassung des [X.] ist nicht vertretbar.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

IX B 61/13

09.10.2013

Bundesfinanzhof 9. Senat

Beschluss

vorgehend FG Köln, 21. März 2013, Az: 5 K 1928/10, Urteil

§ 227 Abs 1 S 1 ZPO, § 155 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 09.10.2013, Az. IX B 61/13 (REWIS RS 2013, 2156)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2156

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

XI B 64/11 (Bundesfinanzhof)

Aufhebung eines Termins bei gegenwärtiger zahnärztlicher Notfallbehandlung des nicht vertretenen Klägers


III B 41/22 (Bundesfinanzhof)

Gehörsverletzung durch Versagung der Akteneinsicht


III B 73/15 (Bundesfinanzhof)

Terminverlegung wegen Überschneidung mit einem anderen Gerichtstermin


IX B 11/23 (Bundesfinanzhof)

Verfahrensfehler: Verletzung des rechtlichen Gehörs durch unterbliebene Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung, Terminsverlegung in …


VIII B 221/09 (Bundesfinanzhof)

Verlegung eines anberaumten Verhandlungstermins aus erheblichen Gründen - Zeitliche Zumutbarkeit der Glaubhaftmachung - Übersehene Fortbildungsveranstaltung …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.