Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.04.2014, Az. XII ZR 146/12

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 5956

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
XII [X.]
Verkündet am:

30. April 2014

Küpferle,

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB §§
242 Ca, 542, 550,
566 Abs.
1, 567 Satz
1, 578 Abs.
2
[X.] handelt nicht treuwidrig, wenn er trotz einer formu-larvertraglichen Schriftformheilungsklausel einen Mietvertrag, in den er gemäß §§
566 Abs.
1, 567 Satz
1 BGB eingetreten ist, unter Berufung auf einen Schriftformmangel kündigt (im [X.] an Senatsurteil vom 22.
Januar 2014

XII
ZR
68/10
W 2014, 1087).
[X.], Urteil vom 30. April 2014 -
XII [X.] -
O[X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 30.
April
2014
durch den
Vorsitzenden
Richter Dose
und
die Richter Schilling, Dr.
Günter,
Dr.
Nedden-Boeger
und Dr.
Botur
für Recht erkannt:
Die
Revision gegen
das Urteil des
10.
Zivilsenats
des Oberlan-desgerichts
Düsseldorf
vom 29.
November
2012
wird auf Kosten des
Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin nimmt den
Beklagten auf Räumung und Herausgabe von gewerblich genutzten Mietflächen
in Anspruch.
Der Beklagte
schloss im Mai 2007 mit den
Voreigentümern einer als Ein-kaufszentrum
genutzten Gewerbeimmobilie einen Mietvertrag für die [X.] ab dem 1.
Juni 2007 mit einer festen Mietzeit von zehn Jahren. In §
2 des [X.] ist der im Bereich einer marktähnlich gestalteten Ladenpassage gelegene Mietgegenstand als "Räumlichkeiten zur Benutzung als Verkaufs-/Ladenflächen im EG
1,
Ebene
3, 75
m², gemäß dem als Anlage
1 beiliegenden [X.]"
beschrieben.
Der dem Vertrag angeheftete Mietflächenplan
zeigt einen Ausschnitt aus der Ladenpassage, in dem neben zwei als "Lager"
und "[X.]"
bezeichneten Bereichen
auf den Verkehrs-
und Gemeinschaftsflächen 1
2
-
3
-
Tische mit Bestuhlung eingezeichnet sind, ohne dass diese einem Ladenlokal
konkret zugeordnet sind. Der Beklagte nutzte das Mietobjekt als Gaststätte mit Getränkeverkauf.
In §
20 Abs.
2 des Mietvertrags heißt es:
"[X.]änderungen bedürfen in jedem Fall der Schriftform,
dies gilt auch für die Aufhebung dieser Schriftformklausel. Den Parteien ist §
550 S.
1 BGB bekannt. Sie verpflichten sich, bei Nichteinhal-tung der Schriftform dieses Vertrages die Schriftform nachträglich herbeizuführen sowie bei Veränderungen alles zu unternehmen, um dem Schriftformerfordernis zu genügen und vor diesem [X.]-punkt nicht wegen der mangelnden Form zu kündigen."
Diese Klausel verwendeten die Vermieter auch gegenüber anderen [X.].
Anfang 2008 wurde eine neue Eigentümerin der Gewerbeimmobilie im Grundbuch eingetragen. Diese räumte der Klägerin ein Nießbrauchsrecht an dem Grundstück ein, das am 18.
Juni 2008 im
Grundbuch eingetragen wurde. Mit Schreiben vom 30.
Juni 2010 und 31.
Oktober 2010 erklärte die Klägerin unter Hinweis auf die nicht eingehaltene Schriftform des Mietvertrags die or-dentliche Kündigung des Mietverhältnisses zum 31.
Dezember 2010.
Das [X.] hat die auf Räumung und Herausgabe gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das [X.] das an-gefochtene Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der zugelasse-nen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.

3
4
5
6
-
4
-
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht
hat seine
in ZMR
2013, 276
ff.
veröffentlichte
Ent-scheidung wie folgt begründet:
Die Klägerin sei
gemäß §§
1030 Abs.
1, 567 Abs.
1 Satz
1, 566 Abs.
1, 550 Satz
2, 580
a Abs.
2 BGB berechtigt
gewesen, das Mietverhältnis mit dem Beklagten wegen eines Schriftformmangels durch ordentliche Kündigung zu beenden, weil sie mit der Eintragung des Nießbrauchs in das Grundbuch am 18.
Juni 2008 gemäß §§
1030 Abs.
1, 567 Abs.
1 Satz
1, 566 Abs.
1 BGB an Stelle der Eigentümerin in die Rechte und Pflichten des Mietvertrags eingetre-ten
sei.
Der für längere [X.] als ein Jahr geschlossene Mietvertrag leide an einem Schriftformmangel im Sinne
des §
550 Satz
1 BGB mit
der Folge, dass er als auf unbestimmte [X.] abgeschlossen gelte
und mit gesetzlicher Frist, die im [X.]punkt der letzten mündlichen Verhandlung abgelaufen gewesen sei, habe gekündigt werden können.
Die Schriftform sei nicht gewahrt, weil
in dem Mietvertrag die vermietete Fläche nicht hinreichend genau bezeichnet sei. Aus dem als Anlage
1 beigefüg-ten Mietflächenplan ergebe
sich lediglich eine klare
Zuordnung der Flächen von 11,00
qm für "Lager"
und 17,37
qm für "Verkauf",
nicht aber für die verbleiben-de
Fläche von ca. 46,63
qm, die den konkreten Umständen nach der [X.] zuzuordnen sei. Welcher Teil der Gemeinschaftsfläche konkret an den Beklagten vermietet worden sei, sei
weder bestimmt noch bestimmbar. Ausreichende Anhaltspunkte für die Bestimmbarkeit der vermieteten Fläche im 7
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-
5
-
[X.]punkt des [X.]schlusses
seien nicht vorhanden. Weder aus dem Grundrissplan noch aus dem Mietflächenplan erschließe
sich einem potenziel-len Erwerber, welche konkreten Teile der [X.] von der mietvertragli-chen Flächenregelung erfasst sein sollten. Deshalb komme
es auch nicht [X.] an, dass den [X.] das Mietobjekt und die tatsächliche Nutzung der Gemeinschaftsflächen durch den Beklagten bekannt gewesen [X.].
Die mangelnde Bestimmbarkeit
der
Mietfläche führe
zur [X.], weil es sich
bei der mitbenutzten
Gemeinschaftsfläche nicht nur um eine unwesentliche Nebenfläche, sondern um einen wesentlichen Bestandteil des [X.]
handele.
Die Berufung der Klägerin auf die fehlende Schriftform sei
auch nicht treuwidrig. Grundsätzlich dürfe
sich jede Partei darauf berufen, dass die für ei-nen Vertrag vorgeschriebene Schriftform nicht eingehalten
sei.
§
20 Nr.
2 des Mietvertrags
verpflichte die Klägerin nicht zur Nachholung der Schriftform. Zwar sei bisher höchstrichterlich nicht geklärt, ob einer formu-larmäßigen Schriftformheilungsklausel auch gegenüber dem Erwerber des Grundstücks Bindungswirkung zukomme.

[X.], die auch den Erwerber verpflichten, an der Nachho-lung der fehlenden Schriftform mitzuwirken, verstießen jedoch gegen den Schutzzweck des §
550 BGB und seien
deswegen gemäß §
307 Abs.
2 Nr.
1, 310 Abs.
1 BGB unwirksam. Mit der
in §
550 Satz
2 BGB vorgesehenen Kündi-gungsmöglichkeit langfristiger
Mietverträge, die der erforderlichen Schriftform nicht genügen, solle
sichergestellt werden, dass der Erwerber, dem die not-wendige Kenntnis von den wesentlichen [X.]bedingungen nicht aus der [X.]urkunde vermittelt werde, sich vorzeitig aus dem Vertrag lösen könne
12
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14
15
-
6
-
und hieran nicht länger als ein Jahr gebunden sei. Hierzu in Widerspruch stehe
eine [X.], die den Erwerber entgegen dem Regelungszweck des Gesetzes zwinge, an der Nachholung der Schriftform mitzuwirken. Sie führe
zu einer vom Schutzzweck der Vorschrift nicht gedeckten faktischen Bindung des Erwerbers an die wegen des [X.] nicht wirksam vereinbarte Laufzeit des [X.]. Denn dieser könne sich, solange der Mieter seine Mitwirkung an der Nachholung der Form nicht verweigere, nicht durch ordentliche Kündigung aus der langfristigen Bindung lösen. Hieran ändere
nichts, dass sich der [X.] durch Einsicht in den Mietvertrag Kenntnis von der [X.] [X.] könne. Er wisse
dann zwar, dass er sich bei einem Schriftformmangel an der
Nachholung der erforderlichen Form beteiligen solle. Die Kenntnis des [X.] selbst werde
ihm durch die Klausel aber nicht verschafft. Das sei
mit dem Schutzzweck des §
550 BGB nicht zu vereinbaren. Hierin liege
zu-gleich eine unangemessene Benachteiligung i.S.d.
§
307 Abs.
2 Satz
1 BGB, die zur Unwirksamkeit der [X.] insgesamt führe
und auf die sich auch die Klägerin berufen könne. Eine geltungserhaltende Reduktion sei
bei einer

wie hier
-
nicht zwischen den ursprünglichen
Mietparteien und dem Er-werber differenzierenden Klausel ausgeschlossen. Zwar habe
die Klägerin das Grundstück nicht durch Veräußerung i.S.d.
§
566 BGB, sondern durch Einräu-mung des Nießbrauchs gemäß §
1030 BGB erworben. Als Nießbrauchsberech-tigte stehe
sie jedoch gemäß §
567 Abs.
1 BGB einem rechtsgeschäftlichen Erwerber gleich, sodass sie in den Schutzzweck des §
550 BGB einbezogen sei.

II.
Die Revision ist uneingeschränkt zugelassen.
16
-
7
-
Das Berufungsgericht hat die im Urteilsausspruch enthaltene Zulassung der Revision nicht eingeschränkt. Zwar ist in den Entscheidungsgründen ausge-führt, dass die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zu der Frage [X.] werde, ob eine formularmäßige Klausel in einem gewerblichen Mietver-trag, wonach die Parteien sich verpflichten, bei Nichteinhaltung der Schriftform diese nachträglich herbeizuführen sowie bei Veränderungen alles zu unterneh-men, um dem Schriftformerfordernis zu genügen und vor diesem [X.]punkt nicht wegen der mangelnden Form zu kündigen, wegen Verstoßes gegen §
550 BGB gemäß §
307 Abs.
2 Satz
1 BGB unwirksam und die Klägerin deshalb nicht nach §
242 BGB gehindert sei, sich auf den Schriftformmangel zu berufen. [X.] hierin aus der Sicht des Berufungsgerichts eine Beschränkung der Revisi-onszulassung
auf eine bestimmte Rechtsfrage liegen, wäre diese aber unbe-achtlich.
Die Zulassung der Revision kann nach ständiger Rechtsprechung des [X.] nur auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des [X.] beschränkt werden, der Gegenstand eines Teilurteils sein oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte. Unzulässig ist es, die Zulassung auf einzelne von mehreren [X.] oder auf bestimmte Rechtsfragen zu beschränken ([X.], 276
=
NJW 1987, 2586, 2587; Senatsurteile vom 19.
September 2012

XII
ZR
136/10
FamRZ 2012, 1789 Rn.
8 und vom 15.
September 2010

XII
ZR
148/09
mRZ 2010, 1888 Rn.
18).
Danach scheidet hier eine Beschränkung der Zulassung der Revision aus. Bei der vom Berufungsgericht aufgeworfenen Frage handelt es sich um eine Rechtsfrage, die für den gesamten Rechtsstreit entscheidungserheblich ist.

17
18
19
-
8
-
Bei einer unzulässigen Beschränkung der Revisionszulassung muss das angefochtene Urteil in vollem Umfang überprüft werden (vgl. [X.] Urteil vom 21.
September 2006

I
ZR
2/04
mRZ 2007, 39 Rn.
20).

III.
Die Ausführungen im angefochtenen Urteil halten der rechtlichen Über-prüfung stand.
Der Klägerin steht gemäß §
546 Abs.
1 BGB ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe des Mietobjekts zu, weil das Mietverhältnis der [X.] durch die ordentliche Kündigung der Klägerin gemäß §§
542 Abs.
1, 550, 566 Abs.
1, 567 Satz
1, 578 Abs.
1 und 2, 580
a Abs.
2 BGB zum 31.
Dezem-ber 2010 beendet worden
ist.
1. Der
Mietvertrag wahrt wegen der nicht hinreichenden Bezeichnung des [X.] nicht die für die wirksame Vereinbarung einer
festen
Laufzeit von mehr als einem Jahr erforderliche schriftliche
Form. Er gilt deshalb gemäß §§
550 Satz
1, 578 Abs.
1 BGB als auf unbestimmte [X.] geschlossen und konnte von der Klägerin
ordentlich gekündigt werden.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist die Schriftform nur gewahrt, wenn sich die für den Abschluss des [X.] notwendige Einigung über alle wesentlichen [X.]bedingungen, insbesondere den [X.], die Miete sowie die Dauer und die Parteien des Mietverhältnisses, aus einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde ergibt (Senatsurteile vom 13.
November 2013

XII
ZR
142/12
NJW 2014, 52 Rn.
22; vom 24.
Februar 2010

XII
ZR
120/06
NJW 2010, 1518 Rn.
13; vom 29.
April 2009

XII
ZR
142/07
NJW 2009, 2195 Rn.
22 und [X.]Z 176, 301 =
NJW 2008, 2178 Rn.
18).
Der Mietgegenstand muss zur Wahrung der Schriftform so
hinrei-20
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22
23
-
9
-
chend bestimmbar bezeichnet sein, dass es einem Erwerber, dessen Schutz die Schriftform in erster Linie bezweckt,
im maßgeblichen [X.]punkt des [X.] möglich ist, den
Mietgegenstand
zu identifizieren und seinen Umfang festzustellen (Senatsurteil vom 29.
September 1999

XII
ZR
313/98

NJW 2000, 354, 358). Etwa verbleibende Zweifel an der Lage des [X.]s innerhalb eines
Gebäudes lassen sich im Wege der Auslegung beseiti-gen, weil auch formbedürftige [X.]klauseln grundsätzlich der Auslegung zugänglich sind, wenn sie sich als unklar oder lückenhaft erweisen. Selbst we-sentliche Tatbestandsmerkmale des Rechtsgeschäfts brauchen daher nicht be-stimmt angegeben zu werden, sofern nur die Einigung über sie beurkundet ist und ihr Inhalt bestimmbar bleibt. Insoweit darf auch auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände zurückgegriffen werden (Senatsurteil vom 7.
Juli 1999

XII
ZR
15/97

NJW 1999, 3257, 3259).
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht in [X.] nicht zu beanstandender Weise
angenommen, dass im [X.] Fall
die Form des §
550
BGB nicht gewahrt
ist, weil der Mietgegenstand nicht hinreichend bestimmbar bezeichnet
ist.
Aus der Beschreibung des [X.] in §
2 des Mietvertrags ergibt sich nur, dass der Mieter zur Nutzung einer Verkaufs-
und Ladenfläche berechtigt ist, die sich in Ebene
3 im Erdgeschoss des [X.] und die Mietfläche insgesamt 75
qm beträgt. Aus dem von §
2 des [X.] in Bezug genommenen Mietflächenplan
ist ersichtlich, dass zum [X.] ein Lager mit einer Fläche von 11
qm und ein Verkaufsbereich von 17,37
qm gehört. Die genaue Lage der verbleibenden 46,63
qm Mietfläche kann der Planskizze dagegen nicht entnommen werden. In dem Plan sind auf dem als Gemeinschafts-
und Verkehrsfläche genutzten Bereich der Passage mehrere Tische mit Bestuhlung eingezeichnet, aus denen geschlossen werden 24
25
-
10
-
kann, dass der Beklagte dort zur Aufstellung von Tischen und Stühlen für sei-nen Gaststättenbetrieb berechtigt sein soll. Welcher konkrete Bereich der Ge-meinschafts-
und Verkehrsfläche ihm hierfür zur Verfügung steht, lässt sich aus der Skizze jedoch nicht entnehmen, zumal in dem Plan mit einer Sektbar, einer Bäckerei und einem Feinkostimbiss noch weitere Ladengeschäfte eingezeich-net sind, die möglicherweise ihre Waren im Bereich der Gemeinschaftsfläche vertreiben. Ein potentieller Erwerber kann daher
anhand der Beschreibung in §
2 des Mietvertrags
und des als Anlage
1 beigefügten Mietflächenplans
nicht zweifelsfrei
feststellen, welche Flächen
in der Passage
an den
Beklagten
ver-mietet worden sind.
2. Das Berufungsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin nicht gegen [X.] und Glauben (§
242 BGB) verstößt, wenn sie sich darauf beruft, der Mietvertrag sei mangels Wahrung der Schriftform ordentlich kündbar gewesen.

a) Grundsätzlich darf sich jede [X.]partei darauf berufen, die für ei-nen Vertrag vorgeschriebene Schriftform sei nicht eingehalten. Nur ausnahms-weise, wenn die vorzeitige Beendigung des [X.] zu einem schlechthin un-tragbaren Ergebnis führen würde, kann es gemäß §
242 BGB rechtsmiss-bräuchlich sein, wenn die Partei
sich darauf beruft, der Mietvertrag sei mangels Wahrung der Schriftform ordentlich kündbar. Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der eine [X.]partner den anderen schuldhaft von der [X.] abgehalten oder sich sonst einer besonders schweren [X.]epflichtverletzung schuldig gemacht hat oder wenn bei [X.] die Existenz der anderen [X.]partei bedroht wäre (Senatsurteile vom 25.
Juli 2007

XII
ZR
143/05

NJW 2007, 3202 Rn.
23 mwN und vom 2.
November 2005

XII
ZR
233/03

NJW 2006, 140 Rn.
23 mwN). Zum Vorliegen dieser Vo-raussetzungen hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen.
26
27
-
11
-
b) Entgegen der Auffassung der Revision ist die vorzeitige ordentliche Kündigung nicht deshalb treuwidrig, weil die Klägerin durch die Regelung in §
20 Nr.
2 des Mietvertrags zur Nachholung der Schriftform verpflichtet wäre. Eine solche Pflicht besteht für die Klägerin nicht.
aa) Wie der Senat nach Erlass der angefochtenen Entscheidung
für eine vergleichbare Schriftformheilungsklausel ausgesprochen
hat, verhält sich ein Grundstückserwerber, der gemäß §
566 Abs.
1 BGB in die sich aus dem Miet-verhältnis ergebenden Rechte und Pflichten eingetreten ist, nicht treuwidrig, wenn er trotz einer im Mietvertrag enthaltenen [X.] das [X.] wegen eines Schriftformmangels kündigt. Das gilt unabhängig davon, ob die [X.] individualvertraglich vereinbart wurde oder Bestandteil eines Formularvertrags ist (Senatsurteil vom 22.
Januar 2014

XII
ZR
68/10

NJW
2014, 1087 Rn.
24
ff.). Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass von dieser Ent-scheidung abzuweichen.
bb) §
550 BGB will nach ständiger Rechtsprechung des Senats in erster Linie sicherstellen, dass ein späterer Grundstückserwerber, der kraft Gesetzes auf Seiten des Vermieters in ein auf mehr als ein Jahr abgeschlossenes Miet-verhältnis eintritt, dessen Bedingungen aus dem schriftlichen Mietvertrag erse-hen kann
(Senatsurteil [X.]Z 176, 301 =
NJW 2008, 2178 Rn.
13 mwN). Auch wenn der Schutz des §
550 BGB nicht umfassend sein kann
(vgl. dazu Senats-urteil vom 24.
Juli 2013

XII
ZR
104/12

NJW 2013, 3361 Rn.
25 mwN), soll der Erwerber durch das Schriftformerfordernis davor geschützt werden, sich auf einen Mietvertrag einzulassen, dessen wirtschaftliche Bedingungen sich, etwa infolge einer vereinbarten Mietreduzierung, anders als erwartet darstellen. Ist das infolge formwidriger, z.B. nur mündlicher Abreden gleichwohl der Fall, so hat er nach der gesetzlichen Konzeption des §
550 BGB die Möglichkeit, sich vorzeitig durch ordentliche Kündigung von dem Mietvertrag zu lösen. Diese 28
29
30
-
12
-
Möglichkeit würde ihm genommen, wenn er infolge einer Schriftformheilungs-klausel
verpflichtet wäre, den langfristigen Bestand des [X.]
(Senatsurteil vom 22.
Januar 2014

XII
ZR
68/10

NJW
2014, 1087
Rn.
27).
cc) Entgegen der Auffassung der Revision wird dem Schutzzweck des §
550 BGB nicht bereits dadurch genügt, dass sich ein potentieller Erwerber durch Einsicht in den Mietvertrag Kenntnis von der [X.] verschaffen und damit erfahren kann, dass er sich bei einem Schriftformmangel an der
Nachholung der erforderlichen Form beteiligen muss. Durch das Schriftformer-fordernis soll sichergestellt werden, dass der Erwerber allein durch die Einsicht in die Mietvertragsurkunde Kenntnis von den wesentlichen Rechten und Pflich-ten erhält, in die er mit dem
Erwerb des Grundstücks gemäß §
566 Abs.
1 BGB eintritt. Dieser Schutz wäre unvollkommen, wenn der Erwerber zusätzlich bei den ursprünglichen [X.]parteien Nachforschungen anstellen müsste, ob weitere Abreden getroffen wurden, die aus der Urkunde nicht ersichtlich sind. Dass ihm im Fall unterlassener Information über ihm nachteilige formwidrige
Vereinbarungen gegenüber dem Veräußerer Schadensersatzansprüche zu-stehen mögen, rechtfertigt nicht die Annahme, der
Schutzzweck des §
550 BGB trete deshalb zurück. Nach der gesetzlichen Konzeption soll der Erwerber bei einer derartigen Fallgestaltung nämlich nicht allein auf Schadensersatzansprü-che verwiesen werden, sondern ihm soll ein ordentliches Kündigungsrecht zu-stehen, um die aus der Mietvertragsurkunde nicht in allen maßgeblichen [X.] erkennbaren Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis beenden zu können. Bei einer Geltung der [X.] auch ihm gegenüber würde dem Erwerber diese Möglichkeit im Falle einer vollzogenen Heilung genommen und damit
der Schutzzweck des §
550 BGB verfehlt
(Senatsurteil vom
22.
Ja-nuar 2014

XII
ZR
68/10

NJW
2014, 1087
Rn.
27). Die Bestimmung stellt [X.] nach allgemeiner Meinung zwingendes Recht dar (vgl. nur BT-Drucks. 31
-
13
-
14/4553 S.
47; [X.]/[X.] BGB [2011] §
550 Rn.
45). Mit Rücksicht darauf ist es ungeachtet
der Frage, ob es sich bei dem Mietvertrag um eine In-dividualvereinbarung oder einen Formularvertrag handelt, mit §
550 BGB nicht vereinbar, den Erwerber aufgrund einer [X.] als verpflichtet anzu-sehen, von einer ordentlichen Kündigung Abstand zu
nehmen. Er verhält sich daher nicht nach §
242 BGB treuwidrig, wenn er von der in diesem Fall vorge-sehenen gesetzlichen Möglichkeit Gebrauch macht (Senatsurteil vom 22.
Janu-ar 2014

XII
ZR
68/10

NJW
2014, 1087
Rn.
27).
Deshalb kann dahinstehen, ob die
[X.], wie vom Berufungsgericht angenommen, wegen [X.] gegen §§
307 Abs.
2 Nr.
1, 310 Abs.
1 BGB insgesamt unwirksam ist.

Dose

Schilling

Günter

Nedden-Boeger

Botur
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 22.02.2012 -
13 O 134/11 -

O[X.], Entscheidung vom 29.11.2012 -
I-10 [X.] -

Meta

XII ZR 146/12

30.04.2014

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.04.2014, Az. XII ZR 146/12 (REWIS RS 2014, 5956)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5956

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