Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.06.2023, Az. 6 StR 153/23

6. Strafsenat | REWIS RS 2023, 4598

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Tenor

1. Auf die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 29. November 2022 wird

a) das Verfahren, soweit es sie betrifft, im Fall [X.] der Urteilsgründe gemäß § 154a Abs. 2 StPO auf den Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung von Schutzbefohlenen beschränkt;

b) das vorbezeichnete Urteil

aa) dahin geändert, dass die Angeklagte des versuchten Mordes in Tateinheit mit schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen und der Misshandlung von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig ist;

bb) aufgehoben in den Aussprüchen über die für die Tat zu [X.] und 2.b der Urteilsgründe verhängte Strafe sowie die Gesamtstrafe.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung von [X.] (Tat zu [X.] und 2.b der Urteilsgründe) sowie wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Misshandlung von [X.] (Tat zu [X.] der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Ihre auf die [X.] der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Den Verfahrensrügen bleibt aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] der Erfolg versagt.

3

2. Zur Sachrüge sind lediglich folgende Ausführungen veranlasst:

4

a) Der [X.] beschränkt mit Zustimmung des [X.] gemäß § 154a Abs. 2 StPO aus verfahrensökonomischen Gründen das Verfahren betreffend Fall [X.] der Urteilsgründe auf den Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung von [X.]. Dadurch entfällt im Hinblick auf dieses Tatgeschehen der zwar nicht ausgeurteilte, aber ausweislich der Urteilsgründe vom [X.] bejahte [X.] einer schweren Misshandlung von [X.] gemäß § 225 Abs. 3 StGB.

5

Die für die (einheitliche) Tat zu [X.] und 2.b der Urteilsgründe verhängte Strafe unterliegt der Aufhebung, weil der [X.] nicht auszuschließen vermag, dass das [X.] bei Anwendung des Strafrahmens des § 224 Abs. 1 StGB zu einer niedrigeren Strafe gelangt wäre. Dies entzieht zugleich der Gesamtstrafe die Grundlage.

6

b) Im Fall [X.] der Urteilsgründe hat die Verurteilung wegen einer tateinheitlichen gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB keinen Bestand. Die Verwirklichung einer schweren Misshandlung von [X.] nach § 225 Abs. 3 Nr. 1 [X.]. 1 StGB setzt den Eintritt einer konkreten Gefährdung des Lebens voraus. Die mitverwirklichte, lediglich eine abstrakte Lebensgefährdung erfordernde gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB tritt mangels eigenen [X.] hinter diese zurück (vgl. [X.], Beschlüsse vom 28. Juni 2022 – 3 [X.], [X.], 676, 677; vom 14. Juni 2016 − 3 StR 22/16, [X.]R StGB § 225 Konkurrenzen 5).

7

Die für diese Tat ausgeurteilte Strafe ist von dem Rechtsfehler nicht betroffen und kann bestehen bleiben. Soweit das [X.] zu Lasten der Angeklagten berücksichtigt hat, dass sie mehrere Strafgesetze verwirklicht hat, trifft dies weiterhin zu.

8

Der [X.] hat schließlich den Schuldspruch in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO klarstellend dahin neu gefasst, dass sich die Angeklagte – wie vom [X.] zutreffend angenommen, aber nicht in die Urteilsformel aufgenommen worden ist – durch die Tat zu [X.] der [X.] zum versuchten Mord des [X.]s einer schweren Misshandlung von [X.] gemäß § 225 Abs. 3 StGB schuldig gemacht hat (vgl. [X.], Urteile vom 16. April 2014 – 2 [X.], Rn. 20; vom 4. August 2015 – 1 [X.], Rn. 55; Beschluss vom 14. Juni 2016 – 3 StR 22/16). § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung ebensowenig entgegen wie das – nur für die Rechtsfolgen geltende – Verschlechterungsverbot nach § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO.

9

c) Die konkurrenzrechtliche Bewertung der Taten hält rechtlicher Prüfung stand.

aa) Das [X.] hat die unter [X.] und 2.b der Urteilsgründe festgestellten Einzelhandlungen der Angeklagten, die ab Ende Januar 2018 – bereits kurze [X.] nach der Geburt ihrer Tochter – überdauernd bis November 2018 böswillig ihre Pflicht vernachlässigte, für das Kind zu sorgen, aufgrund der zeitlichen, situativen und subjektiven Zusammengehörigkeit zurecht als einheitliche Tat der Misshandlung von [X.] bewertet (vgl. [X.], Urteile vom 15. März 2023 – 2 StR 462/21, Rn. 19 ff.; vom 17. Juli 2007 – 5 [X.], [X.]R StGB § 225 Misshandlung 2; Beschluss vom 28. Juni 2022 – 3 [X.], aaO; jeweils zur Tatvariante des [X.]). Der [X.] weist klarstellend darauf hin, dass damit auch die Tat zu [X.] der Urteilsgründe abgeurteilt ist.

bb) Soweit das [X.] die unter [X.] und 2.c der Urteilsgründe festgestellten und zutreffend als rohe Misshandlungen im Sinne von § 225 Abs. 1 StGB bewerteten körperlichen Übergriffe, jeweils durch heftiges Schütteln des Säuglings und stumpfe Gewalteinwirkung gegen dessen Kopf, als zwei eigenständige Taten gewürdigt hat, begegnet dies gleichfalls keinen rechtlichen Bedenken. Die fortdauernde böswillige Vernachlässigung der Geschädigten steht hierzu jeweils in tatbestandlicher Handlungseinheit (vgl. [X.], Beschluss vom 28. Juni 2022 – 3 [X.], aaO; MüKo-StGB/Hardtung, 4. Aufl., § 225 Rn. 10, 21).

Sander     

  

Feilcke     

  

Tiemann

  

von Schmettau     

  

Arnoldi     

  

Meta

6 StR 153/23

28.06.2023

Bundesgerichtshof 6. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Potsdam, 29. November 2022, Az: 21 Ks 13/20

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.06.2023, Az. 6 StR 153/23 (REWIS RS 2023, 4598)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 4598

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2 StR 462/21

1 StR 624/14

2 StR 608/13

3 StR 22/16

3 StR 142/22

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