Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.12.2011, Az. 5 StR 425/11

5. Strafsenat | REWIS RS 2011, 494

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5 [X.]/11

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

vom 14. Dezember 2011
in der Strafsache
gegen

wegen Inverkehrbringens von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport u.a.

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Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 14. Dezember 2011
beschlossen:

1.
Auf die Revision des
Angeklagten wird
das Urteil des [X.] vom 6. Juni 2011 nach § 349 Abs. 4 StPO
aufgehoben

a)
mit den zugehörigen Feststellungen, soweit der Ange-klagte wegen Inverkehrbringens von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport in Tateinheit mit unerlaub-tem Handeltreiben mit verschreibungspflichtigen [X.] verurteilt worden ist; ausgenommen sind die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen, die be-stehen bleiben,

b)
im Gesamtstrafausspruch.

2.
Die weitergehende Revision wird nach §
349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

3.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des Landge-richts zurückverwiesen.

[X.]e

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Inverkehrbringens von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in 84 Fällen und 1
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wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.

1. Nach den Feststellungen des [X.] verkaufte der [X.] bis August 2010 in 83 Fällen anabole Steroide, Wachstumshormone und sonstige Dopingmittel sowie Medikamente in unter-schiedlichen Kombinationen im Wege des Versandhandels an zahlreiche Abnehmer und erzielte dabei einen Gesamterlös
von etwa
18.000

. Außer-dem verwahrte er am 1. Oktober 2010 in einem gemieteten Lagerraum, [X.] auch in seiner Wohnung und in seinem Pkw zahlreiche zum Verkauf bestimmte Dopingmittel und Medikamente mit einem geschätzten Schwarz-markt-Jahre Freiheitsstrafe).

Das [X.] hat das den Versandhandel mit Medikamenten [X.] Verhalten des Angeklagten als Inverkehrbringen von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in 84 Fällen gemäß §§ 95 Abs. 1 Nr.
2a und 4 [X.], 52, 53 StGB gewertet und in allen Fällen die Vorausset-zungen der [X.] gemäß § 95 Abs. 3 Nr. 2b [X.] bejaht.

2. Während die Verurteilung des Angeklagten
wegen gefährlicher Kör-perverletzung

im Schuld-
und Strafausspruch

rechtsfehlerfrei ist, hält die Annahme von 84 materiellrechtlich selbständigen Taten nach § 95 Abs. 1 Nr.
2a und 4 [X.] sachrechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] zur Be-wertungseinheit im Betäubungsmittelstrafrecht, die für
die gleichgelagerte
Konstellation des Inverkehrbringens von Arzneimitteln entsprechend gilt
([X.], Urteil vom 25. April 2001

2 StR 374/00, NJW 2001, 2812, 2815, in-soweit in [X.]St 46, 380
nicht abgedruckt), ist eine
einheitliche Tat anzu-nehmen, wenn
ein und derselbe Güterumsatz Gegenstand der strafrechtli-2
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chen Bewertung ist ([X.], Beschluss vom 7. Januar
1981

2 [X.], [X.]St 30, 28; Urteil vom 23. März 1995

4 [X.], [X.]R BtMG § 29 Bewertungseinheit 4; Beschluss vom 26.
Mai 2000

3 [X.], [X.]R BtMG §
29 Bewertungseinheit 20). Dies kann auch gegeben sein, wenn

wie im vorliegenden Fall

verschiedenartige Präparate Gegenstand der zu beurwerden (vgl. [X.], Beschluss vom 26. Juli 2001

4
StR 110/01, NStZ-RR
2002, 52).

Hierbei setzt die Annahme einer Bewertungseinheit allerdings [X.] Anhaltspunkte dafür voraus, dass bestimmte Einzelverkäufe aus einer ein-heitlich erworbenen Gesamtmenge herrühren. Eine lediglich willkürliche Zu-sammenfassung ohne ausreichende Anhaltspunkte kommt nicht in Betracht;
auch der [X.] gebietet in solchen Fällen nicht die Annahme einer einheitlichen Tat ([X.], Beschluss vom 26. Mai 2000

3 [X.], [X.]R BtMG § 29 Bewertungseinheit 20; Beschluss vom 26. Juli
2001

4
StR
110/01, [X.], 52; Urteil vom 16. November 2005

2
StR
296/05, [X.], 55; Beschluss vom 2. September 2010

2
StR 388/10). Dies gilt entsprechend für das Inverkehrbringen von [X.] ([X.], Urteil vom 8. Dezember 2009

1 [X.], [X.]St 54, 243). Auch insoweit kann

wenngleich
der Erwerb nach der Legaldefinition des § 4 Abs. 17 [X.] noch
nicht als Tathandlung
anzusehen ist

auf die [X.] abgestellt werden.
Denn
durch diese wird ein Vorrat an-gelegt und damit das gemäß § 4 Abs. 17 [X.] als Inverkehrbringen anzuse-hende Vorrätighalten zum Verkauf begründet.

b) Im vorliegenden Fall sprechen gravierende

von der [X.] außer [X.] gelassene

Anhaltspunkte dafür, dass die vom Angeklagten in den Fällen 1 bis 83 an Abnehmer veräußerten Doping-
und Arzneimittel ebenso wie die im Fall 84 vorrätig gehaltenen Substanzen aus einer in einem oder in wenigen Einzelakten erworbenen Gesamtmenge stammen. Der beim Angeklagten am 1.
Oktober 2010 sichergestellte Vorrat wies einen so erheb-6
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lichen Umfang auf, dass er hieraus eine Vielzahl von Geschäften in der [X.] der festgestellten Einzelverkäufe hätte bestreiten können; der geschätzte Gesamtwert übersteigt sogar deutlich den Gesamtumsatz aus den festgestellten Einzelverkäufen. Dies lässt es bereits als ausgeschlossen erscheinen, dass der Angeklagte

wie das [X.] annimmt

lediglich der Kundennachfrage entsprechend die Präparate bei seinen Lieferanten abgerufen und dann weiterverkauft hat. Bezieht man ferner
den Umstand in die Bewertung ein, dass der Angeklagte (ausweislich der
in den Urteilsgrün-den aufgeführten Kauf-
oder Bestelldaten)
vielfach kurz hintereinander, [X.] am selben Tag, an verschiedene Abnehmer zum Teil die gleichen Do-ping-
bzw. Arzneimittel veräußert hat, liegt ein Abverkauf eines zuvor ange-legten größeren Vorrats nahe.

Die von der [X.] gegen die Annahme eines größeren Vorrats angeführte Erwägung zur Verderblichkeit der in Ampullen abgegebenen Hormonpräparate ist nicht geeignet, die Feststellung einer Vielzahl von [X.] zu begründen.
Dem Urteil ist nicht zu entnehmen, in [X.] Zeitraum es zum Verderb der Substanzen kommt und inwieweit hier-durch jegliche Verwendung der Präparate ausgeschlossen ist. Auch die Überlegung, der vom Angeklagten genannte Preis für den behaupteten ein-maligen Erwerb der Gesamtmenge lasse sich nicht mit den Feststellungen zum Umsatz und zum Wert der beschlagnahmten Präparate vereinbaren, überzeugt
nicht. Die [X.] setzt sich nämlich nicht mit der Frage [X.], wie sich die bei Abnahme einer derart umfangreichen Menge von h-men von Einzelverkäufen zu erzielenden Preisen verhalten. Zudem ließe sich hiermit
allenfalls die Annahme einer einzigen, nicht aber diejenige einiger weniger [X.] widerlegen. Das von einer Kamera [X.] weiterer Arzneimittel deutet zwar auf zumindest einen [X.] Erwerbsvorgang hin; allerdings ist das im Urteil hierzu angegebene Datum offensichtlich unzutreffend, so dass nicht beurteilt werden kann, ob dieser ergänzende Erwerb vor Beginn der Verkaufshandlungen stattfand. In
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diesem Fall wäre trotz zweier [X.] eine Bewertungseinheit anzunehmen (vgl. [X.], Beschluss vom 28. Juni 2011

3
StR 485/10, insoweit in StraFo 2011,
356
nicht abgedruckt).

Allerdings
geht die [X.] im Ansatz zu Recht davon aus, dass die längeren Verkaufspausen zwischen Dezember 2009 und Mai 2010 sowie zwischen Mai 2010 und Juli 2010 auf weitere [X.] hindeuten können. Insoweit wäre jedoch unter Berücksichtigung der von der [X.] außer [X.] gelassenen Gesichtspunkte eine Gesamtwürdigung erforder-lich gewesen, zumal es für die Verkaufspausen auch andere Erklärungen geben kann und sich das Urteil nicht dazu äußert, wie der Angeklagte, der sich offenbar umfangreich eingelassen hat, diesen Umstand erklärt hat.

Zudem lassen lediglich zwei Verkaufspausen keinesfalls den Schluss zu, der Angeklagte habe sämtliche verkauften [X.] jeweils zuvor einzeln erworben. Allein die Feststellung, dass entgegen der Einlassung des Angeklagten nicht von einer einzigen Erwerbsmenge ausgegangen werden kann, entbindet den Tatrichter nicht von der Prüfung, ob die jeweiligen [X.] mehreren größeren Erwerbsmengen entstammen und daher zu mehreren selbständigen Taten im Sinne von [X.] sind (vgl. [X.], Beschluss vom 5. März 2002

3 [X.], [X.]R BtMG § 29 Bewertungseinheit 21). Liegen wie hier konkrete Anhalts-punkte dafür vor, dass die Einzelverkäufe jeweils größeren Einkaufsmengen entstammen und deshalb aus Rechtsgründen zu einer Bewertungseinheit zusammengefasst werden müssen, hat das Tatgericht dann, wenn sich [X.] zu Zahl und Frequenz der Einkäufe sowie der Zuordnung der [X.] Verkäufe zu ihnen nicht treffen lassen, eine an den Umständen des Falles orientierte Schätzung vorzunehmen ([X.] aaO).

3. Die Schuldsprüche wegen der Straftaten nach § 95 [X.] können deshalb keinen Bestand haben. Dies schließt auch die vom [X.] an sich rechtsfehlerfrei bejahte Strafbarkeit nach § 95 Abs. 1 Nr. 4 [X.] (verbo-9
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tenes Handeltreiben mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln) ein, da bei-de Tatbestände zueinander in Tateinheit stehen.
Im Hinblick auf ihre
unter-schiedliche Schutzrichtung ist das [X.] insoweit
zutreffend von Ideal-konkurrenz (§ 52 StGB) ausgegangen. Damit konnte der Schuldspruch

mit Ausnahme der hiervon nicht berührten Verurteilung wegen gefährlicher Kör-perverletzung

insgesamt keinen Bestand haben (vgl. [X.], Urteil vom 29. August 2007

5 StR 103/07
Rn. 51,
in
NStZ
2008, 87
insoweit nicht abge-druckt).
Das Verhältnis der einzelnen für sich genommen rechtsfehlerfrei festgestellten Handlungen zueinander bedarf jedoch einer erneuten umfas-senden tatgerichtlichen Bewertung.
Die Feststellungen zum äußeren Tatge-schehen, namentlich zu den Einzelverkäufen (Fälle 1 bis 83) und den vom Angeklagten vorrätig gehaltenen Doping-
und Arzneimitteln sind von dem [X.] nicht betroffen und können bestehen bleiben, wobei ergän-zende hierzu nicht in Widerspruch stehende Feststellungen zulässig sind.

Da der Schuldspruch insgesamt aufgehoben wird, braucht der Senat nicht zu vertiefen, ob die im Urteil nicht näher erläuterten Stoffe [X.] (UA S.
12)
und Yohimbin (UA S.
22) Dopingmittel (§ 6a Abs. 2 [X.]) darstel-len und verschreibungspflichtig sind (vgl. § 43 Abs. 3
[X.]).
Dies wird
gege-benenfalls
noch auszuführen sein.

4. Für die neu vorzunehmende
Strafzumessung weist der Senat da-rauf hin, dass Inverkehrverbringen von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport nach § 95 Abs. 1 Nr. 2 lit. a [X.] zwar das

Bodybuilding

und generell den Freizeitsport umfasst ([X.], Beschluss vom 5. August 2009

5 [X.], [X.]R [X.] § 95 Abs. 1 Nr. 2a Dopingmittel 1). Denn [X.] vorrangiges Schutzgut dieser Bestimmungen ist die Gesundheit
(BT-Drucks. 13/9996 S. 13; vgl. auch [X.] in Körner/[X.]/[X.], BtMG, 7. Aufl., [X.] § 95 Rn. 84; Raum in [X.]/[X.][X.], [X.] § 95 Rn. 17;
Eschelbach in [X.]/[X.]/[X.], Wirtschafts-
und Steuerstrafrecht, §
95 [X.] Rn.
15; [X.] in Grenzen des Paternalismus, Hrsg. Fateh-Moghadam/[X.]/[X.], 2010, [X.], 272 f., 277 ff.). Im Rahmen 12
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der konkreten Strafzumessung wird aber auch zu bedenken
sein, ob die [X.]

über die Selbstgefährdung des Einnehmenden hinaus

auch zu [X.] bestimmt waren, wodurch die Chancengleichheit und Fairness im Sport, unter Umständen
auch Belange
von möglichen Konkur-renten beeinträchtigt sein könnten. Zudem ist im Rahmen der Strafzumes-sung zu berücksichtigen, dass nur ein Teil der vom Angeklagten vertriebenen
Arzneimittel zu Dopingzwecken im Sinne des §
6a [X.] gedient haben, [X.] nur hinsichtlich dieses Teils die Verwirklichung von zwei Straftatbestän-den gegeben ist (vgl. [X.] aaO Rn. 9).

Raum Brause Schaal

Schneider [X.]

Meta

5 StR 425/11

14.12.2011

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.12.2011, Az. 5 StR 425/11 (REWIS RS 2011, 494)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 494

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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