Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.07.2010, Az. 5 StR 204/10

5. Strafsenat | REWIS RS 2010, 4549

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Strafaussetzung zur Bewährung: Tatrichterlicher Beurteilungsspielraum bei erheblichen Vorbelastungen und wiederholten Strafverbüßungen des Angeklagten


Tenor

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des [X.] vom 23. November 2009 wird verworfen.

Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

– Von Rechts wegen –

Gründe

1

Das [X.] hat den jetzt 27jährigen seit frühester Jugend psychisch kranken und süchtigen Angeklagten, der weite Teile seines bisherigen Lebens in Heimen und psychiatrischen Kliniken untergebracht war, zu sieben Monaten Gesamtfreiheitsstrafe mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Der Verurteilung lagen fünf Vergehen zugrunde, die der Angeklagte während mehr als zwei Jahre vor dem angefochtenen Urteil vollstreckter Untersuchungshaft zum Nachteil von [X.] begangen hatte – versuchte Körperverletzung, Beleidigung, drei Fälle der Bedrohung –, ferner ein mehr als eineinhalb Jahre vor dem angefochtenen Urteil begangener Diebstahl eines Mopeds. Die auf die Überprüfung der Strafaussetzung beschränkte, mit der Sachrüge begründete Revision der Staatsanwaltschaft bleibt – gegen den Antrag des [X.] – erfolglos.

2

[X.] hat den ihm bei der Prognose nach § 56 Abs. 1 StGB zustehenden weiten Beurteilungsspielraum [X.], StGB 57. Aufl. § 56 Rdn. 11 m.w.N.) trotz Vorbelastungen des Angeklagten und wiederholter Haftverbüßungen aufgrund gegebener Fallbesonderheiten nicht überschritten. Solche durfte das Gericht bei der ihm obliegenden Gesamtwürdigung im umfassenden Geständnis des Angeklagten – in dessen Motivation keine ausschlaggebende Bedeutung gefunden werden muss – sowie in dem beträchtlichen Zeitablauf seit Tatbegehung sehen. Entscheidend kommt hinzu, dass der in seiner Steuerungsfähigkeit möglicherweise krankheitsbedingt erheblich verminderte Angeklagte unter umfassende Betreuung gestellt worden ist und nunmehr regelmäßig medikamentös behandelt wird, was einen erheblichen Stabilisierungsfaktor ausmacht.

3

Das [X.] hat den Risikofaktor einer für die Behandlung ungünstigen "nicht ganz unerheblichen Alkoholmissbrauchssymptomatik" ([X.]) beachtet und ihn durch Eingriffsmöglichkeiten im Rahmen der Betreuung – die bei deren vorauszusetzender verantwortungsvoller Wahrnehmung fraglos ausreichend konkret sind – im Ergebnis ebenso wenig als negativ ausschlaggebend angesehen wie eine vom Angeklagten eingeräumte Beteiligung am Diebstahl zweier Schnapsflaschen. Diese Beurteilung ist – zumal angesichts der dem geständigen Angeklagten infolge seiner Verurteilung für den Fall wiederholter Straffälligkeit nunmehr sofort konkret drohenden erneuten Strafvollstreckung – nicht unvertretbar.

4

Das angefochtene Urteil lässt keine relevanten Lücken erkennen, die ein Eingreifen des [X.] veranlassen müssten. Dass sich der psychiatrische Sachverständige konkret gegen die Voraussetzungen einer Strafaussetzung ausgesprochen hätte, ist dem Urteil, auf das die Überprüfung aufgrund der allein erhobenen Sachrüge beschränkt ist, nicht zu entnehmen. Das Gericht musste für die Aussetzungsentscheidung den [X.] – der gemäß § 246a StPO zu einer Maßregel nach § 63 StGB gehört wurde, deren Voraussetzungen nicht vorlagen – weder einholen noch dessen etwa gleichwohl erfolgte Einschätzung ausdrücklich referieren.

[X.]                               Raum                               Schneider

                    [X.]

Meta

5 StR 204/10

22.07.2010

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Dresden, 23. November 2009, Az: 4 KLs 309 Js 46488/07, Urteil

§ 56 Abs 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.07.2010, Az. 5 StR 204/10 (REWIS RS 2010, 4549)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 4549

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

5 StR 204/10 (Bundesgerichtshof)


4 RVs 18/17 (Oberlandesgericht Hamm)


203 StRR 210/20 (BayObLG München)

Häufige Vorbestrafung - Hohe Anforderungen an die Begründungstiefe der Prognoseentscheidung


2 Ss 200/09 (Oberlandesgericht Hamm)


202 StRR 35/22 (BayObLG München)

Voraussetzungen positiver Legalprognose trotz Bewährungsbruchs


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.