Bundesfinanzhof, Urteil vom 28.06.2017, Az. VIII R 46/14

8. Senat | REWIS RS 2017, 8896

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Gegenstand

(Zur Vorgreiflichkeit eines Feststellungsbescheides gemäß § 15b Abs. 4 Satz 1 EStG)


Leitsatz

1. NV: Die gesonderte Feststellung des § 15b Abs. 4 Satz 1 EStG erfordert auch bei Einzelinvestitionen die Feststellung, dass die hinreichend bezeichnete Einkunftsquelle als Steuerstundungsmodell i.S. von § 15b Abs. 2, § 20 Abs. 2b EStG zu qualifizieren ist, die Höhe des nicht ausgleichsfähigen Verlustes des Verlustentstehungsjahres und den zum Ende eines Veranlagungszeitraums ermittelten verrechenbaren Verlust .

2. NV: Die Beachtung der Vorgreiflichkeit des Feststellungsverfahrens für das Einkommensteuerveranlagungsverfahren hinsichtlich der gesondert festzustellenden Besteuerungsgrundlagen gehört zu der auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Grundordnung des Verfahrens .

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 26. September 2013 3 K 12341/11 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des gesamten Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Die Kläger und [X.] (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr (2008) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger erwarb im Jahr 2008 Anteile an dem am ... September 2007 in [X.] errichteten thesaurierenden [X.]. Die Anschaffungskosten der Fondsanteile beliefen sich auf insgesamt 1.000.000 €. In der Kaufabrechnung wies die [X.] einen steuerpflichtigen negativen Zwischengewinn in Höhe von 460.288,90 € aus. Diesen negativen Zwischengewinn machte der Kläger in seiner Einkommensteuererklärung für 2008 als negative Einnahmen aus Kapitalvermögen geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) berücksichtigte den negativen Zwischengewinn in dem Einkommensteuerbescheid für 2008 vom 26. August 2010 nicht. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung ([X.]). Am 18. November 2010 legten die Kläger gegen den Einkommensteuerbescheid 2008 Einspruch ein. In der Sache begehrten sie die Berücksichtigung des negativen Zwischengewinns aus dem Erwerb der Anteile an dem [X.]. Da zu diesem Zeitpunkt die Einspruchsfrist bereits abgelaufen war, legte das [X.] das Schreiben als Antrag auf Änderung gemäß § 164 Abs. 2 [X.] aus und lehnte diesen ab. Der dagegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.

2

Das Finanzgericht ([X.]) hat der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2014, 131 veröffentlichten Urteil vom 26. September 2013  3 K 12341/11 stattgegeben.

3

Zur Begründung seiner Revision macht das [X.] geltend, das [X.]-Urteil verletze § 20 Abs. 2b, § 15b des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr anzuwendenden Fassung (EStG), da es sich vorliegend um ein Steuerstundungsmodell handele.

4

Das [X.] beantragt,
das angefochtene Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.

5

Die Kläger beantragen,
die Revision des [X.] als unbegründet zurückzuweisen.

6

Das [X.] hat den Bescheid, dessen Änderung beantragt wird, am 2. März 2015 aus nicht streitbefangenen Gründen geändert.

Entscheidungsgründe

II.

7

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

8

1. Das Urteil des [X.] ist aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Während des Revisionsverfahrens ist der Einkommensteueränderungsbescheid für das Streitjahr vom 2. März 2015 an die Stelle des Einkommensteuerbescheides getreten, dessen Änderung beantragt wurde, und zum Gegenstand des Verfahrens geworden (§ 121 Satz 1 [X.]. § 68 [X.]O). Danach kann die Vorentscheidung keinen Bestand haben (vgl. Urteil des [X.] --BFH-- vom 28. Mai 2015 IV R 27/12, [X.], 544, [X.], 837, Rz 17 f.). Dies gilt unabhängig davon, ob das Revisionsverfahren eine Anfechtungsklage oder Verpflichtungsklage betrifft (BFH-Urteil vom 5. Juli 1991 III R 3/87, [X.], 143, [X.] 1991, 854; [X.] vom 18. Dezember 2003 II B 31/00, [X.], 35, [X.] 2004, 237). Der [X.] kann über den Antrag auf Änderung des [X.] vom 2. März 2015 nicht abschließend entscheiden, da die Sache nicht spruchreif ist.

9

2. Der [X.] kann aufgrund des Fehlens der vorgreiflichen gesonderten Feststellung des nicht ausgleichsfähigen Verlustes des Klägers gemäß § 15b Abs. 1, Abs. 4 Satz 1 EStG über die Rechtmäßigkeit der Einkommensteuerfestsetzung nicht abschließend entscheiden. Die Sache wird aus diesem Grund an das [X.] zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen (§ 127 [X.]O).

a) Die Entscheidung über den gemäß § 15b Abs. 1 EStG nicht ausgleichsfähigen Verlust für das Streitjahr hat im Rahmen eines Feststellungsbescheides gemäß § 15b Abs. 4 Satz 1 EStG zu erfolgen. Hierbei handelt es sich um eine gesonderte Feststellung i.S. der §§ 179 ff. [X.]. Diese erfasst grundsätzlich auch Investitionen von Einzelpersonen, soweit das [X.] annimmt, dass es sich um ein Steuerstundungsmodell i.S. des § 20 Abs. 2b [X.]. § 15b EStG handelt. Die gesonderte Feststellung des § 15b Abs. 4 Satz 1 EStG erfordert auch bei [X.] die Feststellung, dass die hinreichend bezeichnete Einkunftsquelle als Steuerstundungsmodell i.S. von § 15b Abs. 2, § 20 Abs. 2b EStG zu qualifizieren ist, die Höhe des nicht ausgleichsfähigen Verlustes des [X.] und den zum Ende eines Veranlagungszeitraums ermittelten verrechenbaren Verlust ([X.]surteil vom 11. November 2015 VIII R 74/13, [X.], 364, [X.] 2016, 388).

b) Im vorliegenden Fall fehlt es an der entsprechenden Feststellung eines nicht ausgleichsfähigen Verlustes gemäß § 15b Abs. 4 Satz 1 [X.]. Abs. 1 Satz 1 EStG, so dass die Sache an das [X.] zurückverwiesen wird (§ 127 [X.]O). Das Fehlen der entsprechenden Feststellung steht einer Entscheidung des [X.]s über die Klage entgegen. Denn die Beachtung der Vorgreiflichkeit des Feststellungsverfahrens für das Einkommensteuerveranlagungsverfahren hinsichtlich der gesondert festzustellenden Besteuerungsgrundlagen gehört zu der auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Grundordnung des Verfahrens. Das [X.] muss das Verfahren im zweiten Rechtsgang gemäß § 74 [X.]O aussetzen und damit dem [X.] Gelegenheit geben, die fehlende Feststellung des verrechenbaren Verlustes gemäß § 15b Abs. 4 EStG nachzuholen ([X.]surteil in [X.], 364, [X.] 2016, 388, m.w.N.).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VIII R 46/14

28.06.2017

Bundesfinanzhof 8. Senat

Urteil

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 26. September 2013, Az: 3 K 12341/11, Urteil

§ 15b Abs 1 EStG 2002, § 15b Abs 4 S 1 EStG 2002, § 20 Abs 2b EStG 2002, § 179 AO, § 182 AO, § 127 FGO, § 126 Abs 3 S 1 Nr 2 FGO, EStG VZ 2008

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 28.06.2017, Az. VIII R 46/14 (REWIS RS 2017, 8896)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 8896

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