6. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 940
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Die Berufung des Klägers gegen das am 30.09.2015 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.
Dem Kläger werden die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e :
I.
Der Kläger betreibt als Arzt eine ambulante Tagesklinik für chronische Erkrankungen mit 15 Betten. Die praktizierten Therapiemaßnahmen sind solche der Homöopathie, Allopathie sowie Naturheilverfahren. 80 % der behandelten Patienten sind multimorbid chronisch Erkrankte. Die Behandlungsmaßnahmen sind sehr umfangreich und die Liquidationen übersteigen den Durchschnitt anderer Praxen.
Die Beklagte ist ein privater Krankenversicherer. Sie schloss in den 1990er Jahren ebenso wie nahezu sämtliche Mitglieder des PKV-Verbandes den Beklagten nach § 5 Abs. 1 MB/KK gegenüber ihren Versicherungsnehmern von der Leistungspflicht aus. Die Rechtmäßigkeit dieses Ausschlusses bestätigte u.a. das OLG Köln mit Urteil vom 21.12.1995, Az. 5 U 94/94. Dabei hat das OLG Köln auf Basis eines eingeholten Sachverständigengutachtens festgestellt, dass der Kläger in medizinisch nicht vertretbarer und nicht gerechtfertigter Weise Übermaßbehandlungen betrieben habe und demzufolge seine Rechnungen unangemessen überhöht gewesen seien (S. 14 der Urteilsgründe). Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe dieses Urteils Bezug genommen.
Mit Leistungsabrechnung vom 23.01.2012 (Bl. 9a f. GA) teilte die Beklagte ihrem Versicherungsnehmer Q mit:
„Gemäß den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der privaten Krankenversicherung (MB/KK § 5 Abs. 1c) kann der Versicherer Behandlungen durch Ärzte, Zahnärzte, Heilpraktiker aus wichtigem Grund von der Erstattung ausschließen.
Dies betrifft die Rechnungen von Dr. C.
Künftig können wir für die Behandlung durch Dr. C keine Leistungen mehr zur Verfügung stellen.“
Zuvor hatte die Beklagte aufgrund eines Versehens des Sachbearbeiters dem Versicherungsnehmer Q wiederholt Kosten für Behandlungen durch den Kläger erstattet.
Der Kläger hat die Rechtsmeinung vertreten, es liege ein rechtswidriger Eingriff in seinen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb vor. Der Leistungsausschluss sei nur die ultima ratio, die nicht ohne vorherige Abmahnung und nicht ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens möglich sei. Die Ausschlussklausel sei unbestimmt und verfassungswidrig, weil sie den unbestimmten Rechtsbegriff des „wichtigen Grundes“ enthalte. Jedenfalls wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, die zum Ausschluss führenden Gründe zu fixieren und dann abgestuft abzumahnen.
Das Landgericht hat die Klage mit Versäumnisurteil vom 29.07.2015 abgewiesen. Daraufhin hat der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 29.07.2015 zu verurteilen, den Ausschluss des Klägers von der Leistungserstattung durch die Beklagte vom 23.01.2012 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
das Versäumnisurteil vom 29.07.2015 aufrechtzuerhalten.
Die Ablehnung beruhe ausschließlich auf dem Leistungsausschluss aus den 1990er Jahren. In tatsächlicher Hinsicht hat sich die Beklagte zur Begründung des Leistungsausschlusses auf das genannte Urteil des OLG Köln berufen. Dem sei der Kläger nicht entgegen getreten. Wie sich aus einer Mitteilung des Polizeipräsidiums L ergebe, sei der Kläger offenbar auch in jüngerer Zeit aufgefallen.
Das Landgericht hat das die Klage abweisende Versäumnisurteil aufrechterhalten. Die Leistungsablehnung der Beklagten sei kein betriebsbezogener Eingriff, sondern nur eine mittelbare Folge der Information der Beklagten an ihren Versicherungsnehmer. Es fehle auch an der Rechtswidrigkeit eines Eingriffs, weil die Beklagte Rechte aus dem bestehenden Versicherungsvertrag ausgeübt habe. § 5 Abs. 1 lit. c) MB/KK sei wirksam. Einer erneuten Einzelfallprüfung habe es nicht bedurft. Der Leistungsausschluss in den 1990er Jahren sei wirksam und wirke fort. Frühere Erstattungen an den Versicherungsnehmer könnten allenfalls zu dessen Gunsten ein schutzwürdiges Vertrauen begründen. Zudem sei nicht ersichtlich, dass die Beklagte gegenüber dem Kläger wegen veränderter Umstände zur Rücknahme des Ausschlusses verpflichtet sei und damit die weitere Aufrechterhaltung einen rechtswidrigen Eingriff darstelle. Der Kläger habe nicht dargelegt, seine Behandlungspraxis in den letzten Jahren geändert zu haben, vielmehr berufe er sich weiterhin auf die besonders kostenintensive Art seiner Behandlungen. Auch aus § 824 BGB oder § 826 BGB ergebe sich der geltend gemachte Anspruch nicht.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers.
Entgegen der Rechtsmeinung des Landgerichts liege ein betriebsbezogener Eingriff vor, weil die Beklagte den Kläger bewusst habe ausschließen wollen, vom Ausschluss betroffene Patienten seien nicht mehr in der Lage, sich vom Kläger behandeln zu lassen. Insbesondere sei keine „erdrosselnde Wirkung“ es Eingriffes in den Gewerbebetrieb notwendig, bereits eine bloße Belästigung genüge, was die Rechtsprechung zur unerlaubten Übersendung von Werbe-Emails zeige. Dies ergebe sich zudem aus dem Urteil des BGH vom 13.10.1998. Diese Sichtweise sei zudem geboten, weil dem Kläger außer über § 823 BGB kein juristisches Instrument zur Überprüfung versicherungsbedingter Beeinträchtigungen seines Berufes zur Verfügung stehe.
Die Ausschlussklausel in § 5 Abs. 1 lit. c) MB/KK sei zudem unbestimmt, weil der Rechtsbegriff des „wichtigen Grundes“ unbestimmt sei. Jedenfalls gebiete die Regelung eine konkrete Prüfung und Begründung der Ablehnung durch den Versicherer.
Ein einzelnes Fehlverhalten reiche für einen Leistungsausschluss nicht aus, es sei ein abgestuftes Verfahren durchzuführen.
Bei korrekter Rechtsanwendung hätte das Landgericht weitere Sachaufklärung betreiben müssen, die Sache sei an das Landgericht zur weiteren Sachaufklärung zurückzuverweisen, weil das Landgericht das Vorliegen der Tatsachen des wichtigen Grundes nicht festgestellt habe. Der Beklagten seien tatsächlich alle zur Begutachtung erforderlichen Unterlagen zur Verfügung gestellt worden bzw. dort vorhanden gewesen. Der Kläger beantragt, der Beklagten gem. § 421 ZPO die Vorlage ihrer vollständigen Abrechnungsvorgänge aufzugeben.
Der Kläger beantragt,
das am 30.09.2015 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Dortmund, Az. 2 O 59/15, unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 29.07.2015 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, den Leistungsausschluss durch die Beklagte vom 23.01.2012 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung mit näheren Ausführungen. Sie meint, die Berufung sei bereits unzulässig, weil in der Berufungsschrift das Versäumnisurteil des Landgerichts und nicht das die Instanz beendende Urteil genannt werde.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Inhalt der Akte Bezug genommen.
Der Senat hat den Kläger persönlich angehört. Wegen der Einzelheiten der Anhörung des Klägers wird ebenso wie wegen der ihm erteilten Hinweise auf den Vermerk des Berichterstatters über den Senatstermin vom 12.12.2016 Bezug genommen.
II.
Die Berufung des Klägers ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
1.
Der Zulässigkeit der Berufung steht nicht entgegen, dass diese nach dem Wortlaut der Berufungsschrift gegen das Versäumnisurteil des Landgerichts Dortmund vom 29.07.2015 und nicht gegen das tatsächlich angegriffene Urteil des Landgerichts Dortmund vom 30.09.2015 gerichtet ist. Die Berufungsschrift muss gem. § 519 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO die Bezeichnung des Urteils enthalten, gegen das die Berufung gerichtet wird. Sind einzelne Angaben fehlerhaft, ist dies unschädlich, wenn dadurch keine unbehebbaren Identitätszweifel entstehen (Zöller-Heßler, ZPO, 31. Auflage 2016, § 520 Rn. 33 m.w.N.). Solche Identitätszweifel bestehen nicht. Denn der Kläger hat – neben dem richtigen Aktenzeichen – das Zustellungsdatum des tatsächlich angegriffenen Urteils in der Berufungsschrift genannt und zudem gem. § 519 Abs. 3 ZPO eine beglaubigte Abschrift dieses Urteils beigefügt.
2.
Die Berufung des Klägers hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, weil der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Aufhebung des Leistungsausschlusses hat.
a)
Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich nicht aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB wegen eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.
Der Senat legt den Antrag des Klägers sachdienlich dahin aus, dass der Kläger sich entgegen der Formulierung seines Antrages nicht gegen einen Leistungsausschluss vom 23.01.2012 wendet, sondern gegen die in diesem Schreiben zum Ausdruck kommende Fortdauer seines Leistungsausschlusses. Nachdem der Kläger nicht bestritten hat, dass die zwischenzeitliche Begleichung der von ihm gestellten Rechnungen durch die Beklagte gegenüber dem Patienten bzw. Versicherten der Parteien auf einem Versehen des Sachbearbeiters der Beklagten beruhte, ist unstreitig, dass die Beklagte keine aktuelle Ausschlussentscheidung getroffen hat, sondern lediglich auf Basis der Entscheidung aus den 1990er Jahren weiter handelt.
Wegen dieses Rechtsschutzziels des Klägers macht er auch keinen Schadensersatzanspruch, sondern einen Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i.V.m. § 823 BGB (vgl. BGH vom 15.05.2012, Az. VI ZR 117/11, NJW 2012, 2579, Rn. 18) geltend.
Der Kläger als Angehöriger eines freien Berufes ist durch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb geschützt (Palandt-Sprau, BGB, 75. Auflage 2016, § 823 Rn. 134).
Nach der bisherigen einhelligen obergerichtlichen Rechtsprechung scheitert der geltend gemachte Anspruch des Klägers bereits am Fehlen eines betriebsbezogenen Eingriffs. Der Erstattungsausschluss führe nicht unmittelbar zu einer Behinderung, Einengung oder gar Verhinderung der beruflichen Tätigkeit. Es sei dem Arzt unbenommen, Privatpatienten zu behandeln und von jenen die Bezahlung der angefallenen Kosten zu beanspruchen. Die Behandlung von Kassenpatienten bleibe von dem Erstattungsausschluss ohnehin gänzlich unberührt (OLG Köln, Urteil vom 16.08.2000, Az. 5 U 247/99, S. 23; OLG Hamm, Urteil vom 05.12.2008, Az. 9 U 89/08, zitiert nach juris, Tz. 18 m.w.N.). Ob hieran unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung des BGH zur Frage der Betriebsbezogenheit (vgl. BGH, Urteil vom 15.05.2012, Az. VI ZR 117/11, NJW 2012, 2579, Rn. 21) festzuhalten ist, bedarf keiner Entscheidung. Denn der Leistungsausschluss ist jedenfalls nicht rechtswidrig.
Die Behinderung der Erwerbstätigkeit ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH, Urteil vom 15.05.2012, Az. VI ZR 117/11, NJW 2012, 2579, Rn. 27 m.w.N.). Dies ist nicht der Fall:
Zu Gunsten des Klägers ist das Interesse zu berücksichtigen, dass seine Patienten die von ihm berechneten Behandlungskosten von der Beklagten bzw. den übrigen privaten Krankenversicherer erstattet bekommen. Denn es liegt auf der Hand, dass sich ein privat krankenversicherter Patient vorrangig in die Behandlung solcher Ärzte begibt, deren Behandlungskosten er von seinem Versicherer erstattet bekommt.
Entgegen der Rechtsmeinung des Klägers kann zu seinen Gunsten nicht berücksichtigt werden, dass die Beklagte ohne konkrete aktuelle Prüfung der von ihm erstellten Rechnungen gegenüber ihrem Versicherten mit Schreiben vom 23.01.2012 erklärt hat, künftige Rechnungen des Klägers nicht mehr zu erstatten. Denn der Kläger hat nicht dargelegt, dass die Voraussetzungen des Leistungsausschlusses nicht mehr vorliegen. Der Leistungsausschluss hat solange Bestand, bis der Versicherer ihn aufhebt. Anderenfalls liefe der Rechnungsausschluss ins Leere, da der Versicherer den wichtigen Grund, der zum Ausschluss führte, in jedem Einzelfall erneut darlegen müsste, was durch den Rechnungsausschluss gerade verhindert werden soll (Bach/Moser-Kalis, Krankenversicherung, 5. Auflage 2015, § 5 MB/KK Rn. 53 m.w.N.). Es kommt nicht auf eine fehlerhafte Rechnungsstellung im konkreten Einzelfall an. Ein Versicherer muss sich nicht erst selbst schädigen lassen, bevor er einen Ausschluss aus wichtigem Grund vornehmen muss (LG München I, Urteil vom 17.12.1998, Az. 34 O 16844/98, S. 16). Auf den festgestellten wichtigen Ausschlussgrund kann sich der Versicherer sogar dann berufen, wenn ein durch andere Versicherungsunternehmen erklärter Ausschluss gerichtlich überprüft und für wirksam gehalten wurde (OLG Hamm, Urteil vom 05.12.2008, Az. 9 U 89/08, zitiert nach juris, Tz. 22).
Demgegenüber hat der Kläger nicht einmal dargelegt, dass im konkreten Leistungsfall eine ordnungsgemäße Behandlung und Abrechnung erfolgt ist. Er hat sich vielmehr ausweislich des als Anlage K2 vorgelegten Schreibens vom 25.04.2013 (Bl. 9c GA) darauf zurückgezogen, dass die Beklagte verpflichtet sei, hinsichtlich des konkreten Leistungsfalles eine erhebliche Übermaßbehandlung in einer Vielzahl von Fällen darzulegen.
Mangels entsprechender Darlegungen des Klägers fehlt seinem mit Schriftsatz vom 09.12.2016 gestellten Antrag, der Beklagten gem. § 421 ZPO die Vorlage der vollständigen Abrechnungsvorgänge aufzugeben, jegliche Grundlage.
Zu Gunsten der Beklagten ist im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen, dass sie sich auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen und Verpflichtungen aus dem Versicherungsvertrag mit dem Patienten des Klägers berufen kann.
Bedenken gegen die Wirksamkeit des § 5 Abs. 1 lit. c MB/KK bestehen nach der einheitlichen obergerichtlichen Rechtsprechung (exemplarisch OLG Hamm, Urteil vom 05.12.2008, Az. 9 U 89/08, zitiert nach juris, Tz. 21), der sich der Senat anschließt, nicht. Eine andere Bewertung ist auch nicht aufgrund der Rechtsmeinung des Klägers, dass es sich bei dem „wichtigen Grund“ um einen nicht hinreichend bestimmten Rechtsbegriff handele, geboten. Der Gesetzgeber verwendet in einer Vielzahl von Rechtsnormen den Rechtsbegriff des wichtigen Grundes. So können gem. § 314 Abs. 1 BGB Dauerschuldverhältnisse durch jeden Vertragsteil „aus wichtigem Grund“ ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Bei dem in dieser Regelung zum Ausdruck kommenden Grundsatz, dass Dauerschuldverhältnisse bei Vorliegen eines wichtigen Grundes gekündigt werden können, handelt es sich um einen allgemeinen Grundsatz des Zivilrechts (BGH, Urteil vom 07.12.2011, Az. IV ZR 105/11, zitiert nach juris, Tz. 19). Unter Berücksichtigung dieses allgemeinen Grundsatzes ist nach der Rechtsprechung des BGH § 206 Abs. 1 S. 1 VVG telelogisch dahin zu reduzieren, dass er ausnahmslos lediglich eine außerordentliche Kündigung wegen Prämienverzugs verbietet, während eine Kündigung wegen sonstiger schwerer Vertragsverletzungen unter den Voraussetzungen des § 314 BGB möglich ist (BGH, a.a.O., Tz. 19). An das Vorliegen eines wichtigen Grundes in diesem Sinne sind hohe Anforderungen zu stellen, er kann insbesondere vorliegen, wenn sich der Versicherungsnehmer Leistungen erschleicht oder zu erschleichen versucht. Dies ist angenommen worden bei einem Versicherungsnehmer, der über drei Jahre eine Vielzahl von Rezepten zur Erstattung eingereicht hat, obwohl die dort aufgeführten Medikamente entweder überhaupt nicht oder jedenfalls nicht in diesem Umfang vom Kläger erworben und bezahlt wurden (BGH, Urteil vom 07.12.2011, Az. IV ZR 50/11, zitiert nach juris, Tz. 35; Langheid/Rixecker-Muschner, VVG, 5. Auflage 2016, § 206 Rn. 4). Hieraus folgt zum einen, dass die Regelung des § 5 Abs. 1 lit. c) MB/KK nicht mangels hinreichender Bestimmtheit des Rechtsbegriffs des wichtigen Grundes unwirksam ist. Zum anderen folgt aus dieser Rechtsprechung zur Kündigungsmöglichkeit einer substitutiven privaten Krankenversicherung, dass dem Schutz des Versicherers vor falschen Abrechnungen, dem § 5 Abs. 1 lit. c) MB/KK dient, ein erhebliches Gewicht zukommt.
Die insbesondere vom OLG Köln festgestellten, nicht vertretbaren Übermaßbehandlungen des Klägers in der Vergangenheit stellen unter Berücksichtigung dieser Auslegung einen wichtigen Grund im Sinne der Norm dar. Wie bereits ausgeführt, hat der Kläger nicht vorgetragen, seine Abrechnungspraxis geändert zu haben.
Die Abwägung der danach zu berücksichtigenden Interessen des Klägers einerseits und des beklagten Versicherers andererseits führt wegen des Gewichtes des Interesses des Versicherers an einer zutreffenden Leistungsabrechnung sowie auf der Grundlage des Maßstabes der Leistungspflicht des Versicherers gegenüber seinen Versicherungsnehmern zu einem eindeutigen Überwiegen der Interessen der Beklagten. Denn die Beklagte ist im Rahmen der bestehenden Versicherungsverträge nur für „medizinisch notwendige“ Heilbehandlungen (vgl. § 192 Abs. 1 VVG) eintrittspflichtig. Sie ist gehalten, im Interesse der Versichertengemeinschaft sparsam zu wirtschaften. Außerdem muss sie darauf bedacht sein, sich das Vertrauen ihrer Versicherungsnehmer zu erhalten und diese vor Schaden zu bewahren (OLG Düsseldorf, Urteil vom 22.03.1983, Az. VI ZR 103/83, zitiert nach juris).
Mangels tatsächlichen Vortrages des Klägers zu seiner aktuellen Behandlungs- und Abrechnungspraxis kommt es auch nicht darauf an, ob die im Rahmen des Strafverfahrens vor dem Landgericht Köln gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe, er habe den gegen ihn ausgesprochenen Leistungsausschluss mittels Abrechnung über einen anderen Arzt zu umgehen versucht, zutreffen, oder ob dieser andere Arzt entsprechend der Darstellung des Klägers im Senatstermin eigene Leistungen und nicht solche des Klägers abgerechnet hat.
b)
Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch des Klägers ergibt sich auch nicht aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i.V.m. § 824 BGB bzw. § 826 BGB.
Ein Anspruch aus § 824 BGB besteht nicht, weil die Beklagte keine unwahren Tatsachen behauptet hat, sondern auf einen zu Recht erklärten Ausschluss des Klägers von der Leistungserstattung hingewiesen hat.
Unter Berücksichtigung des auf Basis der vorgenommenen Interessenabwägung rechtmäßigen Verhaltens der Beklagten liegen die Voraussetzungen des § 826 BGB ebenfalls nicht vor.
Die Berufung des Klägers hat danach keinen Erfolg.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziffer 10, 713 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Revision zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.
Meta
12.12.2016
Oberlandesgericht Hamm 6. Zivilsenat
Urteil
Sachgebiet: U
Zitiervorschlag: Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 12.12.2016, Az. 6 U 214/15 (REWIS RS 2016, 940)
Papierfundstellen: REWIS RS 2016, 940
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
9 U 89/08 (Oberlandesgericht Hamm)
5 U 28/98 (Oberlandesgericht Köln)
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