Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.11.2005, Az. VI ZR 287/04

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 839

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] ZR 287/04 Verkündet am: 15. November 2005 [X.], Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. November 2005 durch die Vizepräsidentin Dr. [X.], [X.] [X.], die Richterin [X.] und [X.] und Zoll für Recht erkannt: Die Revision gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Kammerge-richts vom 14. September 2004 wird auf Kosten des [X.] zu-rückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand: Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung einer Berichterstattung in Anspruch. Die Beklagte ist Verlegerin der Zeitung "[X.]". In der Ausgabe vom 14. August 2003 wurde die Meldung verbreitet, dass der Klä-ger auf einer [X.] Autobahn statt der dort erlaubten 130 km/h mit 211 km/h gefahren, von der Polizei ermittelt und deshalb von einem [X.] Gericht u.a. zu einem Monat Fahrverbot verurteilt worden sei. Der mit einem Foto des [X.] bebilderte und in der Sache zutreffende Bericht hat folgenden Wortlaut: 1 —[X.] ist seinen Führerschein los. Der als ‡Prügelprinz™ bekannte [X.] muss seinen Autoführerschein für einen Monat ab-geben. Ein [X.] Gericht verurteilte den Ehemann von Prinzessin [X.] am Dienstag zudem zu 728 Euro Bußgeld. [X.] war - 3 - Anfang Juni mit 211 Stundenkilometer über die Autobahn [X.] in Richtung [X.] gebraust. Bei der Ortschaft ... stoppte ihn die Polizei. Höchstgeschwindigkeit auf [X.] Autobahnen sind 130 [X.] Das [X.] hat die Beklagte in zwei Urteilen zur Unterlassung so-wohl der Wort- als auch der Bildberichterstattung verurteilt. Dagegen hat die Beklagte Berufungen eingelegt. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe aufgrund seiner Angehörigkeit zum Welfengeschlecht und durch die Hei-rat mit Prinzessin [X.] sowie seines mehrfachen indiskutablen früheren öffentlichen Verhaltens eine Position und Bedeutung erlangt, die ihn zur absoluten Person der Zeitgeschichte mache. Jedenfalls sei seine Stellung so herausgehoben, dass die anlassbezogene Berichterstattung wegen über-wiegender Interessen der Presse zulässig sei. Einschränkungen der [X.] seien nicht geboten, da die vom Kläger nicht abgestrittene [X.] nur die Sozial- und nicht seine Privatsphäre betreffe. Der Kläger ist dem entgegen getreten. 2 Das Berufungsgericht hat die Klage auf die Berufungen abgewiesen. [X.] richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des [X.]. 3 Entscheidungsgründe: [X.] Das Berufungsgericht hat ausgeführt: 4 Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Unterlassung der Wort- und [X.] gegen die Beklagte zu. Durch die individualisierende [X.] über die Verkehrsverfehlung werde zwar das allgemeine [X.] des [X.] beeinträchtigt. Er habe diesen Eingriff aber [X.] - 4 - men, da die Interessen der Presse die des [X.] überwögen. Es handele sich bei der Berichterstattung über den Verkehrsverstoß des [X.] um eine der Wahrheit entsprechende Meldung. Wahre Äußerungen seien grundsätzlich auch dann hinzunehmen, wenn sie für den Betroffenen nachteilig seien. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die Meldung - wie hier - nicht die [X.], Privat- oder Vertraulichkeitssphäre, sondern die Sozialsphäre betreffe. Derartige [X.] dürften nur im Fall schwerwiegender Auswirkungen auf das [X.] des Betroffenen untersagt bzw. mit negativen Sanktionen verknüpft werden, etwa bei Stigmatisierung oder [X.] Ausgrenzung sowie bei Eintreten einer Prangerwirkung. Voraussetzung sei aber auch dann, dass eine Abwägung mit der Meinungsfreiheit deren Zurücktreten ergebe. Eine solche die Pressefrei-heit einschränkende Sachlage sei hier nicht gegeben. Die öffentliche Berichterstattung über eine Straftat unter Namensnennung, A[X.]ildung oder Darstellung des [X.] stelle zwar regelmäßig eine erhebliche Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des [X.] dar, weil sein Fehlverhal-ten öffentlich bekannt gemacht und seine Person in den Augen des Publikums negativ qualifiziert werde. Vorliegend habe jedoch ein erhebliches [X.] der Öffentlichkeit an der Berichterstattung über die vom Kläger [X.] Tat bestanden, was sich schon daran zeige, dass die Meldung von nahezu der gesamten [X.], auch der sog. "seriösen" Presse verbreitet worden sei. Grundlage für das Informationsinteresse sei dabei zum einen die Abstammung des [X.], der zudem der Ehemann der ständig im Licht der Öffentlichkeit ste-henden Prinzessin [X.], vormals [X.], sei. 6 Im Streitfall komme entscheidend hinzu, dass der Kläger in der jüngeren Vergangenheit durch mehrere Verfehlungen, die zum Teil zur Strafverfolgung geführt hätten, aufgefallen sei. Er habe durch diese Vorfälle zwar nicht die Stel-lung einer absoluten Person der Zeitgeschichte erlangt, jedoch vor dem [X.] - 5 - grund seiner Herkunft und Heirat und durch sein Verhalten das Interesse der Öf-fentlichkeit an der Frage geweckt, ob es weiterhin auffällige Verhaltensweisen oder sogar Gesetzesverstöße in der Öffentlichkeit von ihm gebe. Das vom Kläger selbst hervorgerufene Interesse sei durch die von ihm in [X.] begangene Tat betroffen und durch die verbreitete Meldung in angemessener Weise befrie-digt worden. Er habe nämlich einen schwer wiegenden Rechtsverstoß begangen, der ein Berichterstattungsinteresse geradezu provoziere. Eine solch massive Überschreitung setze ein vorsätzliches Handeln und Hinwegsetzen über die für alle geltenden Regeln voraus. Der Gesetzesverstoß stelle allein wegen der ho-hen Geschwindigkeit jedenfalls eine abstrakte Gefährdung der Allgemeinheit dar. In einem solchen Fall genieße die aktuelle Berichterstattung Vorrang vor den In-teressen des Betroffenen, zumal der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht durch die seine Sozialsphäre betreffende wahre Meldung über den Verkehrsverstoß nicht erheblich sei und er weder stigmatisiert noch ausgegrenzt oder an den Pranger gestellt werde. Die Beklagte sei auch berechtigt gewesen, den zulässigen Wortbericht mit einem - wie hier geschehen - kontextneutralen Portraitfoto des [X.] zu bebildern. Die Voraussetzungen von § 23 Abs. 1 KUG lägen vor, da der Ver-kehrsverstoß des [X.] ein zeitgeschichtlich berichtenswertes Ereignis darstelle. 8 - 6 - I[X.] 9 Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Nachprüfung Stand. 10 1. Das Berufungsgericht stellt fest, dass die Berichterstattung über den Verkehrsverstoß des [X.] der Wahrheit entspricht. Dagegen bringt die Revi-sion nichts vor. Die Problematik einer Verdachtsberichterstattung über Ermitt-lungsverfahren, die ungeklärte Straftaten betreffen (dazu Senatsurteil [X.], 199, 203 ff.), stellt sich daher im Streitfall nicht. 2. [X.] ist die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen über weniger schwerwiegende Straftaten oder Ord-nungswidrigkeiten unter Namensnennung und Beifügung eines Bildes des [X.] berichtet werden darf. Unter den Umständen des Streitfalls hat das [X.] die Zulässigkeit der Berichterstattung ohne Rechtsfehler bejaht. 11 a) Zutreffend ist der Ausgangspunkt der Revision, dass die öffentliche Berichterstattung über eine Straftat unter Namensnennung, A[X.]ildung oder Dar-stellung des [X.] regelmäßig eine erhebliche Beeinträchtigung des [X.]s des [X.] darstelle, weil sein Fehlverhalten öffentlich bekannt ge-macht und seine Person in den Augen des Publikums negativ qualifiziert werde (vgl. [X.] 35, 202, 226; [X.], NJW 1993, 1463, 1464). [X.] ist aber ihre Auffassung, eine derartige Berichterstattung sei nur in Fällen schwerer [X.] zulässig. Ein solcher Grundsatz lässt sich weder aus der Rechtspre-chung des [X.] noch aus der des erkennenden Senats herleiten. Dabei kann hier dahin stehen, ob der Verkehrsverstoß des [X.] dem Bereich der "Kleinkriminalität" zuzurechnen ist oder ob es sich sogar nur um eine Ordnungswidrigkeit handelt. 12 - 7 - aa) Nach der Rechtsprechung des [X.] (vgl. [X.] 35, 202, 230 ff.; [X.], aaO) sprechen erhebliche Erwägungen für eine auch die Person des [X.] einbeziehende vollständige Information der Öffentlichkeit über vorgefallene Straftaten, weil Straftaten zum Zeitgeschehen gehören, dessen Vermittlung Aufgabe der Medien überhaupt ist, und weil unter anderem die Verletzung der allgemeinen Rechtsordnung und die Beeinträchti-gung von Rechtsgütern der betroffenen Bürger oder der [X.] ein durchaus anzuerkennendes Interesse an näherer Information über Tat und [X.] begründen. Bei der Abwägung des [X.] der Öffentlichkeit an einer Berichterstattung gegen den damit zwangsläufig verbundenen [X.] in den Persönlichkeitsbereich des [X.] verdient für die aktuelle Bericht-erstattung über Straftaten das Informationsinteresse im Allgemeinen den Vor-rang. Wer den Rechtsfrieden bricht, durch diese Tat und ihre Folgen Mitmen-schen oder Rechtsgüter der [X.] angreift oder verletzt, muss sich nicht nur den hierfür in der Rechtsordnung verhängten strafrechtlichen Sanktio-nen beugen. Er muss grundsätzlich auch dulden, dass das von ihm selbst durch seine Tat erregte Informationsinteresse der Öffentlichkeit in einer nach dem Prinzip freier Kommunikation lebenden [X.] auf den dafür üblichen Wegen befriedigt wird. 13 Das [X.] (aaO) hat daraus hergeleitet, dass bei schweren Straftaten regelmäßig ein Interesse der Öffentlichkeit an einer auch die Person des [X.] einbeziehenden vollständigen Information über die Straf-tat besteht. Dabei und auch für den Bereich sonstiger Straftaten ist zu [X.], dass der Vorrang des [X.] nicht schrankenlos besteht, vielmehr der Einbruch in die persönliche Sphäre des [X.] durch den Grund-satz der Verhältnismäßigkeit begrenzt ist, so dass eine Berichterstattung unter Namensnennung und A[X.]ildung des [X.] in Fällen der Kleinkriminalität und bei [X.] keineswegs immer zulässig ist. Wo konkret die Grenze für das 14 - 8 - grundsätzlich vorgehende Informationsinteresse an der aktuellen Berichterstat-tung zu ziehen ist, lässt sich nur unter Berücksichtigung der jeweiligen [X.] des Einzelfalles entscheiden. 15 [X.]) Ein davon abweichender Maßstab lässt sich der Rechtsprechung des erkennenden Senats nicht entnehmen. In der von der Revision herangezoge-nen Entscheidung ([X.], 199 ff.) hat der Senat vielmehr ausgeführt, bei Straftaten, die die Öffentlichkeit in besonderem Maße berühren, könne wegen der Stellung der Person des Beschuldigten und der Art der Straftat eine na-mentliche Berichterstattung auch unterhalb der Schwelle der [X.] zulässig sein (aaO, [X.]). Auch früher schon hat der erkennende Senat be-tont, dass es für die Zulässigkeit einer identifizierenden Berichterstattung auf die Art der Tat und die Person des [X.] ankommen kann (Senatsurteil [X.]Z 36, 77, 82 f.; vgl. auch [X.], Urteil vom 17. März 1994 - [X.] - NJW 1994, 1950, 1952). [X.]) In der veröffentlichten Rechtsprechung der Obergerichte ist die Zu-lässigkeit einer identifizierenden Berichterstattung bei schweren Straftaten mehrfach bejaht (vgl. [X.], [X.], 520, 522; [X.], [X.], 229; [X.], [X.], 347), bei unspektakulärer Kriminalität da-gegen gelegentlich verneint worden (vgl. [X.], NJW 1996, 530, 531). Doch ist die Zulässigkeit der Berichterstattung auch bei Straftaten unterhalb der Schwelle der [X.] bejaht worden, weil die Art der Tat oder die Person bzw. Stellung des [X.] ein Informationsinteresse rechtfertigten ([X.], NJW-RR 2005, 195 f.; [X.], NJW-RR 2003, 111). 16 [X.]) Auch in der Literatur wird die Notwendigkeit einer Abwägung der wi-derstreitenden Grundrechte im Einzelfall betont ([X.]/[X.], Presserecht, 4. Aufl., § 6 LPG Rn. 205 ff.; [X.]/[X.], 4. Aufl., § 12 Anh.Rn. 17 - 9 - 146; [X.], Presserecht, 3. Aufl., Rn. 19.24 ff., 19.32 ff.; [X.]/[X.], 13. Bearb., § 823 Rn. [X.] f.) und insbesondere auch die Auffassung vertre-ten, dass eine identifizierende Berichterstattung auch in Fällen kleiner oder mitt-lerer Kriminalität gerechtfertigt sein kann, wenn wegen der Person des [X.] ein besonderes Informationsinteresse besteht ([X.]/[X.], aaO, Rn. 208; [X.], aaO, Rn. 19.25). Sofern der Rechtsprechung teilweise ein engerer Maßstab entnommen wird (vgl. [X.] in: [X.], Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., [X.]. 10 Rn. 169; [X.]/[X.], Handbuch des Presserechts, 5. Aufl., [X.]. 42 Rn. 13), kann dem nicht gefolgt werden. b) Nach dem dargelegten Maßstab ist die Abwägung, die das [X.] für den Streitfall vorgenommen hat, nicht zu beanstanden. 18 aa) Es kann dahinstehen, ob über einen Verkehrsverstoß, wie der Kläger ihn begangen hat, unter Namensnennung und A[X.]ildung auch eines bisher der Öffentlichkeit unbekannten [X.] hätte berichtet werden dürfen. Im Fall des [X.] hat das Berufungsgericht jedenfalls ein überwiegendes [X.] zu Recht bejaht. 19 Es hat dies zutreffend zunächst aus der Art der Tat hergeleitet. Es han-delte sich um eine ganz erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung, wie sie nur vorsätzlich hat geschehen können, so dass in ihr eine krasse Missachtung be-stehender Regeln zum Ausdruck kommt. Zudem gehen von einer derartigen Fahrweise erhebliche Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer aus, die wegen des bestehenden Tempolimits nicht damit rechnen, dass sich ein Fahrzeug derart schnell von hinten nähert; ob es hier tatsächlich zu einer [X.] gekommen ist, ist dabei unerheblich. Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, über eine derart unverantwortliche Verhaltensweise informiert zu werden, zumal 20 - 10 - schon der Berichterstattung über den Verstoß als solchen und seine Ahndung in [X.] ein erheblicher Informationswert zukommt. 21 Nicht zu beanstanden ist weiter die Erwägung des Berufungsgerichts, dass auch wegen der Person des [X.] ein besonderes Informationsinteres-se zu bejahen sei. Es stellt zutreffend auf Herkunft und Stellung des [X.] und darauf ab, dass dieser nicht nur wegen des vorliegenden Vorfalls, sondern auch schon wegen seines bisherigen Verhaltens in der Öffentlichkeit selbst ein erhebliches Interesse an seiner Person auf sich gezogen hat. Der Kläger ist aufgrund dieser Umstände eine in der Öffentlichkeit bekannte Person, über de-ren Verhalten jedenfalls unter den im vorliegenden Fall gegebenen Umständen berichtet werden durfte. Dass ein erhebliches Informationsinteresse bestand, zeigt sich auch daran, dass der Vorfall Gegenstand der Berichterstattung der gesamten, auch der "seriösen" Presse war. Durchschlagende entgegenstehende Interessen des [X.] hat das Be-rufungsgericht mit nicht zu beanstandenden Erwägungen verneint. Die Presse-berichte mögen für den Kläger zwar lästig und peinlich gewesen sein. Es ist jedoch nicht erkennbar, dass sie eine erhebliche Belastung, eine Stigmatisie-rung, eine Ausgrenzung oder gar eine Prangerwirkung zur Folge gehabt haben könnten. 22 [X.]) Die dargelegten Erwägungen rechtfertigen nicht nur die Wortbericht-erstattung, sondern auch die Veröffentlichung eines kontextneutralen Fotos zu dem Bericht. Ohne Rechtsfehler nimmt das Berufungsgericht an, dass die Vor-aussetzungen des § 23 Abs. 1 KUG vorliegen, weil der berichtete Vorgang ein zeitgeschichtlich berichtenswertes Ereignis darstellt. Der Begriff der Zeitge-schichte erfasst nicht allein Vorgänge von historischer oder politischer Bedeu-tung, sondern wird vom Informationsinteresse der Öffentlichkeit her bestimmt; 23 - 11 - zum [X.] der Presse- und der Meinungsbildungsfreiheit gehört es, dass die Presse innerhalb der gesetzlichen Grenzen einen ausreichenden Spielraum besitzt, in dem sie nach ihren publizistischen Kriterien entscheiden kann, was öffentliches Interesse beansprucht, und dass sich im Meinungsbildungsprozess herausstellt, was eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ist ([X.] 101, 361, 391). Danach ist die angegriffene Veröffentlichung hier nicht zu bean-standen. Die krasse Missachtung der Verkehrsregeln eines Nachbarstaates durch eine in der Öffentlichkeit bekannte Person ist entgegen den Ausführun-gen der Revision kein alltäglicher Vorgang wie etwa Falschparken oder eine maßvolle Geschwindigkeitsüberschreitung, sondern ein im oben definierten Sinne zeitgeschichtlicher Vorgang, über den die Öffentlichkeit informiert werden darf. Die Veröffentlichung des Fotos des ohnehin weithin bekannten [X.] bewirkte keinen weiter gehenden Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht als die Wortberichterstattung. Die konkrete A[X.]ildung als solche hat keinen eigenstän-digen Verletzungseffekt, stammt nicht aus der Intimsphäre des [X.] und ist auch nicht aus ihrem Kontext gerissen und in einen anderen gestellt (vgl. dazu [X.], NJW 2001, 1921, 1924; von [X.] in: [X.], aaO, [X.]. 8 Rn. 27 f.). Für die Abwägung kann deshalb auf die vorstehenden Ausführungen zur Wortberichterstattung Bezug genommen werden. 24 c) Die Berücksichtigung der Entscheidung des [X.] vom 24. Juni 2004 in dem Verfahren von [X.] gegen [X.] (NJW 2004, 2647 ff.) führt hier entgegen den Ausführungen der Revision nicht zu einer anderen Beurteilung. In jenem Fall ging es darum, dass in verschiedenen [X.] Zeitschriften erschienene Fotoaufnahmen die dortige Beschwerdeführerin in Szenen ihres Alltagslebens, also bei Tätigkeiten rein privater Art zeigten. Eine solche Berichterstattung, zumal durch die [X.] - 12 - tionspresse, hat der Gerichtshof für unzulässig gehalten, weil sie auch unter Berücksichtigung des Art. 10 [X.] gegen Art. 8 [X.] verstoße, da die [X.] der umstrittenen Fotos und Artikel nur die Neugier eines bestimm-ten Publikums über das Privatleben der Beschwerdeführerin habe befriedigen wollen und trotz des hohen Bekanntheitsgrades der Beschwerdeführerin nicht als Beitrag zu irgendeiner Diskussion von allgemeinem Interesse für die Gesell-schaft angesehen werden könne (aaO, [X.], [X.]). Dem gegenüber hat im Streitfall der von der Berichterstattung Betroffene durch die Begehung eines gravierenden Verkehrsverstoßes den Bereich rein privater Betätigung verlassen und sich selbst - wie oben dargelegt - zum [X.] der Öffentlichkeit gemacht. Der eine andere Fallkonstellation betreffenden Entscheidung des Gerichtshofs ist nicht zu entnehmen, dass die vorliegende Berichterstattung unzulässig sein könnte. 26 Nach dem Maßstab des Gerichtshofs ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen einer Berichterstattung über Tatsachen, die einen Beitrag zu einer Diskussion in einer [X.] Gesellschaft leisten und zum Beispiel Per-sonen des politischen Lebens, insbesondere bei Wahrnehmung ihrer Amtsge-schäfte, betreffen, und einer Berichterstattung über Einzelheiten des Privatle-bens einer Person, die keine solchen Aufgaben hat. Nur im ersten Fall hat die Presse ihre wesentliche Rolle als —Wachhundfi in der [X.] Gesell-schaft wahrzunehmen und dazu beizutragen, "Ideen und Informationen zu [X.] allgemeinen Interesses zu vermitteln", während sie dies im zweiten Fall nicht tut (aaO, [X.], [X.]. 63, 64). 27 Bei Zugrundelegung dieses Maßstabs kann eine identifizierende Bericht-erstattung über Straftaten (oder auch nicht unerhebliche Ordnungswidrigkeiten) ersichtlich geeignet sein, Ideen und Informationen zu Fragen von allgemeinem 28 - 13 - Interesse zu vermitteln und eine Diskussion hierüber in der [X.] oder zu bereichern. Das zeigt auch der Streitfall. Zum einen hat der Klä-ger in den Instanzen und in der Revisionsbegründung selbst zur unterschiedli-chen Ausgestaltung des Tempolimits in verschiedenen [X.] allgemeine Aus-führungen gemacht. Zum anderen kann nicht zweifelhaft sein, dass es in einer [X.] Gesellschaft Gegenstand der Diskussion sein kann, wenn sich eine in der Öffentlichkeit bekannte Person über bestehende Regeln, mögen es auch die eines benachbarten Staates sein, in krasser Weise hinwegsetzt. Auch insoweit kann und darf die Presse ihre Funktion als "Wachhund" wahrnehmen, weil es hier nicht um die Befriedigung der Neugier eines bestimmten Publikums am Privatleben Prominenter geht, sondern darum, die Öffentlichkeit über das Geschehen angemessen zu informieren. [X.] [X.] [X.]

Pauge Zoll Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 18.03.2004 - 27 O 790/03 - [X.], Entscheidung vom 14.09.2004 - 9 U 95/04 -

Meta

VI ZR 287/04

15.11.2005

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.11.2005, Az. VI ZR 287/04 (REWIS RS 2005, 839)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 839

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